Einundzwanzigstes Kapitel.

»Spott‘ mit den Göttern nicht, geh‘ fort.
Signor Baptista, soll den Weg ich zeigen?«

Shakespeare.

 

Mahtoree hatte kaum seinen wahren Plan verrathen, als eine allgemeine Salve von Seiten der Grenzwohner bewies, wie sehr sie ihn begriffen. Doch machte die Entfernung und die Schnelligkeit des Ritts ihr Feuer gänzlich nutzlos. Zum Zeichen, wie wenig er diese Feindseligkeit beachte, antwortete der Dahcotah-Häuptling auf die Ladung mit einem schallenden Gelächter, und seinen Carabiner über das Haupt schwingend, machte er, von seinen auserlesenen Kriegern begleitet, einen Umkreis in der Steppe, als verachte er all diese ohnmächtigen Anstrengungen seiner Feinde. Da die Hauptmacht den geraden Weg fortsetzte, kam dieser auserlesene Haufen, von der wilden Darlegung seiner rohen Verachtung zurückkehrend, in den Nachzug, und nahm dort mit einer Geschicklichkeit und Uebereinstimmung seinen Platz ein, die zeigte, daß das Manöuver mit Vorbedacht gemacht worden.

Ladung folgte schnell auf Ladung, bis der erzürnte Auswanderer trotz seines Widerstrebens genöthiget war, den Gedanken, seinem Feind mit so schwachen Mitteln zu schaden, aufzugeben. Er unterließ seine fruchtlose Anstrengung, und begann eine schnelle Verfolgung; gelegentlich eine Flinte abschießend, um die Garnison in Allarm zu bringen, die er klüglich unter dem Commando der furchtbaren Esther selbst zurückgelassen hatte. Auf diese Art wurde die Jagd mehrere Minuten fortgesetzt, während der die Reiter ihren Verfolgern allmählig zuvorkamen, obgleich diese den Lauf mit unglaublicher Ausdauer fortsetzten.

Als der kleine blaue Punct sich an dem Himmel wie ein Eiland zeigte, das aus der Tiefe steigt, erhoben die Wilden gelegentlich ein Triumphgeschrei. Aber die Nebel des Abends sammelten sich schon über den ganzen östlichen Rand der Steppe, und ehe die Bande die Hälfte des Weges zurückgelegt, war der dunkle Rand des Felsen mit dem Gewölk des Hintergrundes zusammengeflossen. Gleichgültig gegen diesen Umstand, der ihre Pläne eher begünstigte als störte, setzte Mahtoree, der wieder an die Spitze geritten, seinen Weg mit der Genauigkeit eines Jagdhundes von der besten Zucht fort, und mäßigte nur ein wenig seine Eile, da die Pferde jetzt ganz außer Athem waren. Um diese Zeit ritt der Alte an Middletons Seite, und sprach zu ihm auf Englisch:

»Das gibt wohl einen Raubzug, woran ich, ich muß es gestehen, nicht gern Theil haben möchte.«

»Was wollt Ihr machen. Es würde gefährlich sein, uns den Schelmen hinter uns zu überlassen.«

»Ja, Schelme sind es, mögen sie roth sein oder weiß. Thut, Junge, als sprächt Ihr von unserer Arznei, oder als lobtet Ihr die Teton-Pferde. Denn die Schelme hören gern den Ruhm ihrer Thiere, wie etwa eine thörichte Mutter in den Ansiedelungen das Lob ihres eigensinnigen Kindes erfreut. So, streichelt das Vieh, und legt Eure Hand auf die Zierrathen, womit die Rothhäute seine Mähne geschmückt haben; richtet Euer Auge auf das Eine und Euer Herz auf das Andere. Hört, wenn wir’s klug anfangen, können wir mit Einbruch der Nacht diese Teton verlassen.«

»Ein herrlicher Gedanke!« rief Middleton, dem der bewundernde Blick, womit Mahtoree die Lieblichkeit seiner Inez betrachtet hatte, so wie auch dessen spätere Anmaßung, ihr Schützer sein zu wollen, noch in peinlichem Andenken war.

»Himmel! Welch ein schwaches Wesen ist der Mensch, wenn die Gaben der Natur in Büchergelehrsamkeit und weibischen Sitten zu Grunde gehen. Noch ein solcher Blick würde den Wichten neben uns gerade eben so deutlich sagen, daß wir gegen sie Complotte machen, als wenn wir es ihnen in ihrer Sprache in die Ohren raunten. Ei, ich kenne die T –l, sie sehen so unschuldig aus wie die spielenden Rehkälber, aber es ist kein einziger unter ihnen, der nicht ein Auge auf unsere geringsten Bewegungen hat. Daher muß Alles, was geschehen soll, mit Weisheit geschehen, um ihre List zu überlisten. So ist’s recht; streichelt seinen Nacken und lächelt, als ob Ihr das Pferd prieset, und haltet Euer Ohr neben mir offen für meine Worte. Gebt Acht, daß Ihr Euer Thier nicht ermüdet, denn so wenig ich auch von Pferden verstehe, sagt mir doch die Vernunft, daß zu einem tüchtigen Ritt Athem gehört, und daß ein müdes Bein einen schlechten Lauf macht. Seid bereit auf das Signal, wenn Ihr den alten Hektor heulen hört Das erste Mal soll es Euch bereit halten, das zweite Mal müßt Ihr Euch von dem Haufen trennen, und das dritte Mal, hu – – Ihr versteht mich?«

»Vollkommen, vollkommen,« sagte Middleton und zitterte vor Eifer, den Plan sogleich in’s Werk zu setzen, und drückte die kleine Hand, die ihn umfaßte, an sein Herz. »Vollkommen; eilt, eilt!«

»Ei, das Thier ist nicht faul,« fuhr der Streifschütz in der Tetonsprache fort und drückte sich zu gleicher Zeit vorsichtig durch den Haufen, bis er sich an Paul’s Seite reiten sah. Er theilte ihm seinen Plan auf dieselbe bedächtige Weise mit, wie dem Andern. Der muthige, furchtlose Bienenjäger empfing die Nachricht mit Entzücken und erklärte seine Bereitwilligkeit, es mit der ganzen wilden Bande aufzunehmen, wenn es zu ihrem Plan nöthig sein sollte. Als der Alte von diesem Paar weggekommen, sah er sich um, die Lage zu entdecken, in der sich der Naturforscher befände.

Der Doctor hatte mit unendlicher Mühe für sich und den Esel eine Stellung in der Mitte der Sioux behauptet, so lange als noch die geringste Ursache zu fürchten da war, es könnten Ismael’s Geschosse in Contact mit seiner Person kommen. Als diese Gefahr sich gemindert, oder vielmehr ganz verschwunden war, lebte sein Muth wieder auf, während der seines Thiers zu sinken begann. Dieser gegenseitigen, aber sehr wichtigen Veränderung war es zuzuschreiben, daß der Reiter und der Esel jetzt unter der Abtheilung der Bande gesucht werden mußten, die gleichsam die Nachhut bildeten. Dahin also gelang es dem Streifschütz seine Stute zu lenken, ohne den Verdacht eines seiner listigen Gefährten zu erregen.

»Freund,« begann der Alte, als er sich in einer zur Unterredung passenden Stellung befand; »würdet Ihr gerne ein Dutzend Jahre unter den Wilden mit geschorenem Kopf, einem bemalten Gesicht und vielleicht einem Schock Weiber und fünf oder sechs Kindern, halberzogen, die Euch Vater nennen würden, zubringen wollen?«

»Unmöglich!« rief der erstaunte Naturforscher: »ich bin überhaupt nicht geneigt zu heirathen, und ganz besonders gegen alle Vermischung zwischen Varietäten einer Species, die nur dazu dienen, die Schönheit zu mindern und die Harmonie der Natur zu unterbrechen. Außerdem ist es eine beschwerdevolle Neuerung in der Ordnung der Nomenklatur.«

»Ei, Ihr habt hinlänglich Grund für Euren Widerwillen gegen solch ein Leben; aber sollten die Sioux hübsch in ihre Dörfer zurückkommen, würde das Euer Loos sein, so gewiß nach dem Willen des Herrn die Sonne aufgeht und niedersinkt.«

»Mich verheirathen mit einem Weib, das nicht geschmückt ist mit der Schönheit ihrer Species!« antwortete der Doctor; »welches Verbrechens hab‘ ich mich schuldig gemacht, daß so schreckliche Strafe meiner warten sollte? Jemanden gegen seinen Willen verheirathen, heißt der Menschennatur Gewalt anthun!«

»Nun, da Ihr von Natur sprecht, hoffe ich, hat die Gabe der Vernunft nicht gänzlich Euren Hirnschädel verlassen,« entgegnete der Alte, und ein versteckter Ausdruck von Scherz spielte um die Winkel seiner Augen, und verrieth, daß ihm nicht ganz die Laune abging. »Ja, sie können Euch als einen ganz besondern Gegenstand ihrer Güte ausersehen, und Euch deßwegen an fünf oder sechs verheirathen. Ich hab‘ in meinem Leben begünstigte Häuptlinge gekannt, die zahllose Weiber hatten.«

»Aber warum sollten sie diese Rache erdenken?« fragte der Doctor, dessen Haar sich aufrichtete, als besäße jede Fiber Empfindung; »welches Böse hab‘ ich gethan?«

»Von der Art ist ihre Güte. Wenn sie erfahren, daß Ihr ein großer Arzt seid, werden sie Euch in den Stamm aufnehmen, ein mächtiger Häuptling wird Euch seinen Namen geben, und vielleicht auch seine Tochter, oder ein Weib oder zwei von seinen eigenen, die lange bei ihm gewohnt, und von deren Werth er aus Erfahrung urtheilen kann.«

»Der Erhalter und Gründer der natürlichen Harmonie schütze mich!« rief der Doctor. »Ich fühle keine Zuneigung zu einer einzigen Gemahlin, viel weniger zu Dupletten und Tripletten aus derselben Classe. Ich werde gewiß eher zu fliehen suchen, als ich in eine so gewaltsame Vereinigung einwillige.«

»So ist Vernunft in Euren Worten, aber warum nicht die Flucht, von der Ihr sprecht, sogleich versuchen?«

Der Naturforscher sah sich furchtsam um, als wenn er geneigt wäre, sogleich eine Probe von seiner verzweifelten Anstrengung zu geben, aber die dunkeln Gestalten, welche auf jeder Seite bei ihm ritten, verdreifachten sich plötzlich an Anzahl, und das Dunkel, das sich schon dicht auf die Steppe herabgelassen, schien in seinen Augen den Glanz des Vollmonds zu bergen.

»Es würde zu frühzeitig sein und die Vernunft verbietet es,« antwortete er. »Laßt mich, verehrungswürdiger Jäger, mit meinen Gedanken zu Rathe gehen, und wenn meine Pläne gehörig geordnet sind, will ich Euch meinen Entschluß mittheilen.«

»Entschluß!« wiederholte der Alte und schüttelte den Kopf etwas verächtlich, als er seinem Pferd die Zügel schießen ließ und ihn unter die Stuten der Wilden trieb. »Entschluß ist kein Wort, das man in den Ansiedelungen gebraucht und an den Grenzen versteht. Kennt mein Bruder das Thier, worauf das Blaßgesicht reitet?« fuhr er fort und wandte sich an einen finsterblickenden Krieger in dessen Sprache, während er zugleich eine Bewegung machte, die ihn auf den Naturforscher und das sanfte Thier hinwies.

Der Teton wandte einen Augenblick sich nach dem Esel, wollte aber nicht im mindesten die Verwunderung verrathen, die er mit all seinen Gefährten empfunden hatte, als er zuerst ein so seltenes Quadruped erblickte. Dem Streifschützen war nicht unbekannt, daß während Esel und Maulthiere bei jenen Stämmen in Gang kamen, die am nächsten bei Mexiko wohnten, sie dagegen so weit nördlich, wie die Wasser des la Plata nicht gewöhnlich waren. Er begnügte sich daher, das stumme Erstaunen, das so tief verborgen lag, in dem rohen Gesicht des Wilden zu lesen, und nahm dem gemäß seine Maßregeln.

»Glaubt mein Bruder, daß der Reiter ein Krieger der Blaßgesichter ist?« fragte er, als er glaubte, es sei hinlängliche Zeit verflossen, um die friedliche Miene des Naturforschers zu untersuchen.

Ein verächtlicher Blick, der über die Züge des Teton schoß, war selbst bei dem düstern Sternenlicht zu bemerken.

»Ist ein Dahcotah ein Narr!« war die Antwort.

»Sie sind eine weise Nation, deren Augen sich nie schließt; so wundere ich mich, daß sie nie den großen Arzt der Langmesser gesehen.«

»Wagh!« rief der Andere und ließ seine volle Verwunderung aus seinen finstern, strengen Zügen bei der Ueberraschung hervorbrechen, wie wenn ein Blitzstrahl das Dunkel der Mitternacht erhellt.

»Der Dahcotah weiß, daß ich nicht zweizüngig bin; er lasse seine Augen sich weiter öffnen; sieht er nicht einen großen Arzt?«

Licht war nicht nöthig, um dem Wilden jenen Zug in dem in der That merkwürdigen Aeußern und Verhalten des Doctor Battius zurückzurufen. Wie die übrige Bande und nach der allgemeinen Gewohnheit der Indianer hatte dieser Krieger, während er nicht zuließ, daß ein Blick eitler Neugierde seine Mannheit entwürdige, nicht einen einzigen auszeichnenden Zug, der einen der Fremden charakterisiren könnte, sich entschlüpfen lassen. Er kannte die Art, Gestalt, die Kleidung die Züge, selbst die Farbe der Augen und des Haars eines jeden Großmesser, mit denen er so seltsam zusammengetroffen, und hatte ernst über den Ursachen gebrütet, die einen so sonderbar beschaffenen Haufen in die Höhlen der rohen Einwohner seiner vaterländischen Wüsten gebracht haben könnte. Er hatte schon die verschiedene Körperstärke des ganzen Haufens betrachtet und ihre Geschicklichkeit mit dem, was er für ihre Absicht hielt, verglichen. Krieger waren’s nicht, denn die Großmesser, wie die Sioux, ließen ihre Weiber in den Dörfern, wenn sie den blutigen Pfad des Kriegs betraten. Dieselben Schwierigkeiten trafen ein, wenn man sie für Jäger oder Kaufleute nahm, jene beiden, Eigenschaften, unter denen gewöhnlich weiße Leute bei ihnen erschienen. Er hatte von einer großen Versammlung gehört, bei der die Menahashah oder Langmesser und die Washsheomantiqua oder Spanier zusammen geraucht hatten, als die letztern den erstern ihre vermeintlichen Rechte über jene weiten Gegenden verkauft hatten, durch die seine Nation seit so vielen Jahrhunderten in voller Freiheit hingewandert. Sein einfacher Verstand war nicht fähig gewesen, die Ursachen zu fassen, aus welchen ein Volk auf diese Art eine Oberherrschaft über die Besitzungen eines andern sich anmaßen könnte, und man wird sich leicht denken, daß bei dem eben vom Streifschützen bekommenen Wink er nicht ungeneigt war, sich einzubilden, es solle etwas von der geheimnißvollen Feinheit jenes magischen Einflusses, woran er so fest glaubte, von dem arglosen Gegenstand ihrer Unterredung zur Förderung jener wunderbaren Ansprüche angewandt werden. Er warf deßwegen bei der sich bewußten Hülflosigkeit alle Zurückhaltung und Würde in seinem Benehmen ab, wandte sich zu dem Alten und sagte, seine Arme ausstreckend, als wolle er dadurch zeigen, wie sehr er seiner Gnade überlassen sei; »möge mein Vater auf mich blicken. Ich bin ein Wilder der Steppen, mein Leib ist nackt, meine Hand wehrlos, meine Haut roth. Ich hab‘ die Pawnee, die Konza, die Omahaw, die Osagen und selbst die Langmesser geschlagen. Ich bin ein Mann unter Kriegern, aber ein Weib unter Beschwörern. Möge mein Vater sprechen; die Ohren des Tetons sind offen; er hört wie ein Reh auf den Schritt des Cougars.

»Dies sind die Wege, die weisen und unerforschlichen Dessen, der allein das Gute zu unterscheiden weiß vom Bösen,« rief der Streifschütz auf Englisch aus. »Dem Einen gibt er List, dem Andern die Gabe der Männlichkeit. Es ist demüthigend und rührend, so ein edles Geschöpf, wie diesen, zu sehen, der in mancher blutigen Schlacht gefochten, und vor seinem Aberglauben sich beugt, wie ein Bettler, der sich die Knochen erbittet, die ihr vor die Hunde werfen würdet. Der Herr möge mir vergeben, daß ich mit der Unwissenheit des Wilden spiele, denn er weiß, ich thu‘ es nicht, aus Scherz über seinen Zustand oder aus eitler Prahlerei über den meinigen, sondern um ein Menschenleben zu retten, und Gerechtigkeit dem Bedrängten zu verschaffen, während ich die T – leien des Bösen zu nichte mache. »Teton,« fuhr er in dessen Sprache fort, »ich frage Euch, ist das nicht ein wunderbarer Arzt? Wenn die Dahcotah weise sind, werden sie die Luft nicht athmen, die er athmet, noch sein Kleid berühren. Sie wissen, daß der Wahconshecheh (böse Geist) seine Kinder liebt, und dem nicht den Rücken kehren wird, der ihnen Leid zufügt.«

Der Alte gab diese Meinung auf eine bedeutungsvolle kurze Weise und ritt dann zur Seite, als habe er genug gesagt. Der Erfolg entsprach seinen Erwartungen. Der Krieger, an den er sich gewendet, theilte bald seine wichtige Nachricht den Uebrigen in der Nachhut mit, und in wenig Augenblicken war der Naturforscher Gegenstand allgemeiner Hochachtung und Ehrerbietung. Der Streifschütz, welcher wußte, daß die Eingebornen oft in der Absicht, sich ihn günstig zu machen, den bösen Geist verehrten, erwartete die Wirkung seiner List mit der Kaltblütigkeit eines Mannes, der nicht den geringsten Antheil an dem Erfolg nähme. Es dauerte nicht lange, und er sah eine dunkele Gestalt nach der andern das Pferd antreiben und schnell in den Mittelpunkt der Bande galoppiren, bis Weucha allein bei ihm und Obed blieb. Nur die Unempfindlichkeit dieses stumpfsinnigen Wilden, der immerfort den vermeintlichen Beschwörer mit einer Art dummer Bewunderung anstaunte, legte jetzt noch das einzige Hinderniß dem vollständigen Gelingen seiner List in den Weg.

Vollkommen mit dem Charakter dieses Wilden bekannt, verlor der Alte keine Zeit, sich auch seiner zu entledigen. Er ritt zu ihm und sagte mit verstelltem Lispeln:

»Hat Weucha von der Milch der Großmesser heute getrunken?«

»Hugh!« rief der erstaunte Wilde, da sogleich jeder dumpfe Gedanke durch die Frage vom Himmel zur Erde herabgerufen ward.

»Weil der große Capitain meines Volkes, der an der Spitze reitet, eine Kuh hat, die nie leer ist. Ich weiß, es wird nicht lange währen und er wird sagen: haben einige meiner rothen Brüder Durst?«

Die Worte waren kaum ausgesprochen, als Weucha ebenfalls sein Thier antrieb und bald mit den Uebrigen in der schwarzen Gruppe sich mischte, die wenig vor ihm in langsamerem Schritt ritten. Der Streifschütz, welcher wußte, wie häufig und plötzlich die Veränderungen in einem wilden Gemüth seien, verlor keinen Augenblick, seinen Vortheil zu benutzen. Er ließ seiner ungeduldigen Stute den Zügel schießen, und war in einem Augenblick wieder bei Obed.

»Seht Ihr den glitzernden Stern, der etwa auf vier Büchsenschuß Länge über der Steppe hierherum sein mag, gegen Norden, mein‘ ich.«

»Ei, er ist von der Constellation – –«

»Den T –l mit Euren Constellationen, Mann; seht Ihr den Stern, den ich meine? Sagt mir auf gut Englisch ja oder nein!« »Ja.«

»Sobald ich mich umwende, laßt Eurem Esel den Zügel schießen, bis Ihr den Wilden aus dem Gesichte kommt. Dann nehmt den Herrn zu Eurem Schutz und diesen Stern zum Führer. Weicht weder zur Rechten noch zur Linken, sondern benutzt Eure Zeit, denn Euer Thier ist nicht schnell genug zu Fuß, um jeder Zoll der Steppe, den Ihr gewinnt, ist ein Tag, den Ihr Eurem Leben und und Eurer Freiheit hinzufügt.«

Ohne die Fragen zu erwarten, zu denen der Andere sich anschickte, ließ der Alte wieder seinem Pferde die Zügel schießen, und alsbald verlor auch er sich in der Gruppe vornen.

Obed war jetzt allein. Der Esel gehorchte willig dem Wink, den sein Herr bald mehr aus Verzweiflung, als weil er sich der Anweisung deutlich bewußt gewesen, die er empfangen, ihm gab; er ritt langsamer. Da die Teton aber stets galoppirten, war nur ein Augenblick nöthig, sie gänzlich aus seinem Gesicht zu bringen. Ohne Plan, Erwartung und Hoffnung irgend einer Art, nur mit dem Wunsch, seinen gefährlichen Nachbarn zu entgehen, suchte sich der Doctor zuerst durch Fühlen zu versichern, ob das Gepäck, das die traurigen Ueberreste seiner Specima und Noten enthielt, sicher hinter ihm verwahrt sei, wandte dann sein Thier nach der bezeichneten Richtung, kniff ihn mit einer Art Wuth, und war bald so glücklich, die Eile des geduldigen Thiers zu einem kurzen Trab zu erhöhen. Er war kaum in eine Höhlung hinabgejagt, und hatte die daranliegende Höhe erstiegen, als er in gutem Englisch aus den Kehlen von zwanzig Teton seinen Namen hörte, oder vielmehr ihn zu hören glaubte. Diese Täuschung gab seinem Eifer neuen Schwung, und kein Tanzmeister übte je größere Geschicklichkeit, als der Naturforscher jetzt mit seinen Fersen auf des Esels Rippen an den Tag legte. Diese Reibung dauerte ohne Unterbrechung mehrere Minuten, und allem Anschein nach würde sie bis jetzt gewährt haben, hätte nicht das stille Gemüth des Thiers selbst eine ungewohnte Erregung gezeigt. Der Weise, worin sein Herr seine Tätigkeit äußerte, nachahmend, änderte Asinus in so weit die Bewegung seiner eigenen Hufe, daß er sie zugleich in unwilligem Schwung in die Luft warf; eine Maßregel, die alsbald den Streit zu seinen Gunsten entschied. Obed verließ seinen Sitz, als eine Position, die nicht länger haltbar sei, setzte jedoch seine Flucht in derselben Richtung fort, während der Esel, als Sieger, Besitz von dem Schlachtfeld nahm, und die trockenen Kräuter, Früchte seiner Tapferkeit, abzuweiden begann.

Als Doctor Battius wieder auf seine Füße gekommen war und sich gesammelt hatte, da seine Geisteskräfte durch die übereilte Weise, wie er seine frühere Lage verlassen, sehr in Unordnung gerathen waren, wandte er um, seine Pflanzen und seinen Esel zu suchen. Asinus war hochherzig genug, die Zusammenkunft eine friedliche sein zu lassen, und so setzte der Naturforscher die nöthige Reise mit sehr löblichem Eifer, aber gemäßigter fort.

Indeß hatte der alte Streifschütz die wichtigen Bewegungen, deren Leitung er selbst über sich genommen, nicht aus dem Auge verloren. Obed hatte sich nicht geirrt, als er vermuthete, daß er schon vermißt und gesucht werde, wiewohl seine Einbildungkraft gewisses wildes Geschrei zu den wohlbekannten Tönen, die seinen lateinischen Namen bildeten, verfälscht hatte. Das Wahre war kurz dieses. Die Krieger des Nachtrupps hatten nicht versäumt, die vor ihnen mit dem mysteriösen Charakter bekannt zu machen, in welchem der Streifschütz den arglosen Naturforscher hatte darstellen wollen. Dieselbe unbegrenzte Bewunderung, welche bei dieser Nachricht die hinten nach vornen getrieben hatte, trieb jetzt viele von der Spitze zu dem Nachtrupp. Der Doctor war aber fort, und das Geschrei war nur der wilde Ruf, den sie im ersten Anfall ihres wilden Befremdens erhoben hatten.

Aber Mahtoree’s Ansehn unterstützte kräftig den Scharfsinn des Streifschützen im Unterdrücken dieses gefährlichen Lärmens. Als die Ordnung hergestellt war, und jener die Ursache erfuhr, warum seine Leute solche Unvorsichtigkeit gezeigt, sah der Alte, der an seine Seite gekommen, mit Bestürzung den Strahl hohen Mißtrauens, der in seinem schwarzen Gesicht blitzte.

»Wo ist Euer Beschwörer?« fragte der Häuptling, und wandte sich plötzlich zum Streifschützen, als wolle er ihn für die Wiedererscheinung Obed’s verantwortlich machen.

»Kann ich meinem Bruder die Zahl der Sterne sagen? Die Wege eines großen Arztes sind nicht gleich den Wegen anderer Leute.«

»Hör‘, Graukopf, und erwäge meine Worte,« fuhr der Andere fort und neigte sich auf seinen rohen Sattelknopf, wie ein gebildeter Reiter, und sprach in den stolzen Worten oberster Gewalt: »die Dahcotah haben kein Weib zu ihrem Anführer gemacht; wenn Mahtoree die Macht eines großen Zauberers empfindet, wird er zittern, – bis dahin, will er selbst sehen, ohne sich die Augen von einem Blaßgesichte zu borgen. Wenn Euer Beschwörer nicht bis morgen bei seinen Freunden ist, sollen meine Leute nach ihm sehen. Eure Ohren sind offen. Genug.«

Dem Streifschützen gefiel’s nicht übel, daß so lange Frist gewährt worden. Er hatte schon vorher sich zu glauben veranlaßt gesehen, der Teton-Häuptling sei einer jener kühnen Geister, die die Schranken überschreiten, welche Gewohnheit und Erziehung den Meinungen des Menschen in jedem Stande der Gesellschaft setzen, und sah nun deutlich, er müsse, um diesen zu täuschen, eine andere List ersinnen, als die gewesen, welche ihm so wohl bei seinen Begleitern geglückt war. Die plötzliche Erscheinung des Felsens jedoch, der eine dunkle, zackige Masse aus der Dunkelheit hervorstreckte, machte für jetzt dem Gespräch ein Ende, da Mahtoree alle seine Gedanken auf die Ausführung seiner Pläne gegen den Rest von des Auswanderers Habe richtete. Ein Murmeln lief durch die Bande, als jeder finstere Krieger den ersehnten Haven zu Gesicht bekam, und dann hatte das zarteste Ohr vergebens sich anstrengen mögen, ein lauteres Geräusch zu vernehmen, als das Rascheln der Tritte in dem hohen Gestrüpp der Steppe war.

Aber Esther’s Wachsamkeit konnte nicht leicht hintergangen werden; sie hatte lange ängstlich auf die verdächtigen Töne gelauscht, die über die nackte Wüste sich dem Felsen näherten, und den plötzlichen Ruf der Wachen des Felsens nicht überhört. Die Wilden, welche in geringer Entfernung abgestiegen waren, hatten nicht Zeit, sich in ihrer gewohnten stillen, nachstellenden Weise um den Fuß des Hügels herumzuziehen, als schon die Stimme der Amazone in der Stille des Orts sich erhob und furchtlos fragte: »Wer ist unten? Antwortet, es gilt Euer Leben! Sioux oder T – l, ich fürcht‘ Euch nicht!«

Der Ausforderung ward nichts erwiedert, und jeder Krieger, sicher, seine dunkle Gestalt schwimme mit den Schatten der Ebene zusammen, hielt, wo er stand. In diesem Augenblick entschloß sich der Streifschütz zu entwischen. Er war mit den übrigen seiner Freunde unter der Bewachung derer, denen auch die Aufsicht über die Pferde gegeben worden war, zurückgelassen worden, und da sie alle zu Pferde blieben, schien der Augenblick dem Plane günstig. Die Aufmerksamkeit der Wachen war auf den Felsen gerichtet, und eine dunkle Wolke, die in diesem Augenblick über ihnen hintrieb, verfinsterte selbst das schwache Licht, das von den Sternen kam. Der Alte lehnte sich auf den Nacken seines Pferdes und flüsterte: »Wo ist mein Kleiner? Wo ist er? Hektor! Wo ist der Hund!«

Das Thier hörte die wohlbekannten Töne und antwortete mit einem freundlichen Winseln, das in ein durchdringendes Heulen auszubrechen drohte. Der Streifschütz wollte sich von seiner gelungenen That erheben, als er Weuchas Hand an seiner Kehle fühlte, wie wenn sie entschlossen sei, seine Stimme durch den kurzen Prozeß der Erdrosselung zu unterdrücken. Diesen Umstand benutzend, erhob er einen zweiten leisen Ruf, als sei er nur die natürliche Anstrengung, zu Athem zu kommen, und erhielt einen zweiten antwortenden Ton von dem Hunde. Weucha ließ sogleich den Herrn los, um seine Rache an dem treuen Diener auszuüben. Aber man hörte wieder Esther’s Stimme, und jeder andere Plan ward im Lauschen aufgegeben.

»Ei, winselt und verstellt eure Kehlen, soviel ihr wollt, ihr Ungeziefer des Dunkels,« sagte sie mit einem verächtlichen Lachen; »ich kenn‘ euch; wartet, ihr sollt Licht zu euern Unthaten haben. Wirf die Kohlen hinein, Phöbe, die Kohlen; dein Vater und die Burschen sollen sehen, daß man sie zu Haus braucht, um ihre Gäste zu bewillkommnen!«

Selbst als sie noch sprach, sah man ein helles Licht, wie das eines glanzenden Sterns, auf der Spitze des Felsen, und dann folgte eine züngelnde Flamme, die für einen Augenblick in den Windungen eines Ungeheuern Strohhaufens sich hinschlängelte, dann in einem Strahl aufschoß, in der bewegten Luft hin und her brauste und mit glänzender Helle alle Gegenstände in ihrem Bereich bestrahlte. Ein erschütterndes Gelächter hörte man von der Höhe, in das sich Stimmen von jedem Alter mischten, als triumphirten sie, daß sie der Teton verrätherische Plane so glücklich an’s Licht gebracht.

Der Streifschütz blickte umher, sich über die Lage seiner Freunde zu unterrichten. Den Zeichen treu, hatten Middleton und Paul sich ein wenig bei Seite gezogen und standen jetzt allem Anschein nach bereit, bei dem dritten Schrei ihre Flucht zu beginnen. Hektor war seinem wilden Verfolger entwischt und krümmte sich wieder an die Hufe von seines Herrn Pferd. Aber der weite Lichtkreis vermehrte sich allmählich in Ausdehnung und Stärke, und der Alte, dessen Auge und Urtheil ihn selten trog, erwartete geduldig einen günstigeren Augenblick für seine Unternehmung.

»Nun, Ismael, Mann, wenn Gesicht und Arm treu sind, wie je, ist eine Gelegenheit da, auf diese Rothhäute loszuschlagen, die all‘ dein Eigenthum, selbst dein Weib und deine Kinder sich zueignen wollen. Nun, mein guter Mann, zeig‘ deiner Abstammung, deines Namens dich würdig!«

Ein fernes Geschrei hörte man in der Richtung des herankommenden Haufens des Wanderers, das der weiblichen Garnison andeutete, daß Hülfe nicht mehr fern sei. Esther antwortete den angenehmen Tönen durch einen Schrei von ihren eignen und erhob ihre Gestalt im ersten Freudenausbruch auf eine Weise über den Felsen hervor, daß sie denen unten ganz sichtbar wurde. Nicht zufrieden mit dieser gefährlichen Preisgebung ihrer selbst, wollte sie ihre Hände frohlockend zusammenschlagen, als Mahtoree’s dunkle Gestalt in das Licht sprang und sie ihr auf den Rücken band. Drei andere Krieger sprangen auf den Gipfel des Felsens gleich nackten Dämonen, die durch die Wolken sausen. Die Luft ward mit Bränden von dem Lärmzeichen angefüllt, und dann folgte tiefes Dunkel, nicht unähnlich jenem, wenn die letzten Sonnenstrahlen durch den herankommenden Mond ausgeschlossen werden. Nun stießen die Wilden ihrerseits ein Triumphgeschrei aus, das von einem langen, lauten Winseln des Hundes mehr begleitet, als abgelöst ward.

In einem Augenblick war der Alte zwischen Middletons und Paul’s Pferden und streckte eine Hand nach dem Zaum eines jeden aus, um die Ungeduld der Thiere zu mäßigen.

»Langsam, langsam,« lispelte er; »ihre Augen sind seltsam für einen Augenblick geschlossen, als hätte der Herr sie mit Blindheit geschlagen; aber ihre Ohren sind offen. Langsam, langsam; fünfzig Schritte, wenigstens, dürfen wir nicht schneller eilen, als man geht.«

Die fünf Minuten, welche folgten, schienen Allen, den Streifschützen ausgenommen, wie ein Jahrhundert. Als sie wieder sehen konnten, schien es Jedem, als ob das augenblickliche Dunkel, das auf das Auslöschen der Feuersäule folgte, durch so helles Licht wie das des Vollmonds ersetzt werden würde. Doch allmählich ließ der Alte die Thiere ihre Schritte beschleunigen, bis sie den Mittelpunkt eines Steppengrundes erreicht hatten. Dann auf seine stille Weise lachend, ließ er die Zügel los und sagte:

»Nun lasst sie ihre Beine anstrengen; aber haltet euch auf dem alten Gestrüpp, um das Geräusch zu dämpfen.«

Wir brauchen nicht erst zu sagen, wie gern man ihm folgte. In wenigen Minuten stiegen sie einer Anhöhe hinauf und durchritten sie, worauf die Flucht mit der größten Eile fortgesetzt ward; wie die arbeitende Barke nach dem Lichte steuert, das den Weg zum Haven und Schutz andeutet, so behielten sie stets den angezeigten Stern im Auge.