Vierzehntes Kapitel.

»Solch seltsam Thier,« der Eine schrie –
»Lebte noch unter der Sonne nie;
Eidechsenleib, so schmal und lang,
Fischkopf, die Zunge von der Schlang‘,
Der Fuß mit drei gespaltnen Klau’n,
Und welch‘ ein Schwanz ist hinten zu schau’n!»
Merrick.

Das Erste, was der Delaware that, als er bei seinem Freund angekommen, war, daß er sich ganz ernsthaft daran machte, seines civilisirten Anzugs sich zu entledigen, um wieder als indianischer Krieger dazustehen. Auf die Vorstellungen Wildtödters dagegen theilte er ihm den Umstand mit, daß die Anwesenheit eines Indianers in der Hütte den Irokesen bekannt sey, und daß seine Beibehaltung der Vermummung wohl eher Verdacht in Bezug auf seine wirkliche Absicht erwecken würde, als wenn er offen als Glied eines feindlichen Stammes auftrete. Als Wildtödter den Sachverhalt erfuhr und vernahm, er habe sich getäuscht in der Voraussetzung, daß der Häuptling wirklich ganz unbemerkt in die Arche sey aufgenommen worden, willigte er mit Freuden in die Umwandlung, da weitere Versuche, die Sache zu verheimlichen, fruchtlos waren. Ein andrer Beweggrund jedoch, als er vorgab, ein gemüthlicher, hatte den Wunsch des Indianers veranlaßt, sich als Sohn des Waldes zu zeigen. Er hatte gehört, daß Hist auf der gegenüber liegenden Küste weile; und die Natur triumphirte so weit über alle Unterschiede der Sitten, des Stammes und Volkes, daß sie diesem jungen Krieger ganz dasselbe Gefühl einflößte, das man unter ähnlichen Verhältnissen bei dem verfeinerten Stadtbewohner würde gefunden haben. Er fand eine milde Genugthuung in dem Bewußtseyn, daß die Geliebte ihn sehen könne; und wie er auf die Plattform hinausschritt in seiner ärmlichen Landestracht, ein Apollo der Wildniß, da erfüllten hundert jener zärtlichen Phantasien, welche Liebenden durch den Kopf gehen, seine Einbildungskraft und stimmten sein Herz weich.

Alles dieß war an Wildtödter verloren, der kein großer Adept in den Mysterien Cupido’s war, und dessen Seele weit mehr sich beschäftigte mit den Sorgen, die sich seiner Beachtung aufdrangen, als mit eiteln, müßigen Liebesphantasien. Er rief daher seinen Genossen bald zur Erwägung ihrer dermaligen Lage zurück, indem er ihn zu einer Art von Kriegsrath lud, worin sie ihr künftiges Verfahren festsetzen wollten. In der nun folgenden Unterredung theilten Beide einander mit, was Jeder bei seiner Besprechung erfahren hatte, Chingachgook erfuhr die Geschichte der Unterhandlung über das Lösegeld, und Wildtödter vernahm alle Eröffnungen Hetty’s. Der Letztere hörte mit großmüthiger Theilnahme von seines Freundes Hoffnungen und versprach mit Freuden, ihm nach Kräften seinen Beistand zu leihen.

»Es ist unser Hauptvorhaben, Schlange, wie Ihr wißt; diese Schlägerei um das Castell und des alten Hutter’s Töchter ist nur so zufällig dazwischen gekommen. Ja – ja – ich will mich thätig zeigen, der kleinen Hist zu helfen, die nicht nur eines der besten und schönsten Mädchen des Stammes ist, sondern wirklich das allerbeste und schönste. Ich habe Euch immer ermuthigt, Häuptling, bei dieser Neigung; und es ist auch geziemend, daß ein großer und alter Stamm wie der Eurige nicht aussterbe. Wenn ein Mädchen von rother Haut und rothen Gaben mir so nahe kommen könnte, daß ich sie mir zum Weib wünschte, so würde ich mir eben eine Solche suchen: aber das kann nie seyn – nein, das kann nie seyn. Ich bin jedoch froh, daß Hetty auf Hist gestoßen ist, denn wenn die Erstere etwas zu Wenig Witz und Verstand besitzt, so hat die Letztere genug für Beide. Ja, Schlange,« und er lachte herzlich, »nehmt sie zusammen, und zwei flottere Mädchen sind nicht zu finden in der ganzen Colonie York.«

»Ich will ins Lager der Irokesen gehen,« versetzte der Delaware ernst. »Niemand kennt Chingachgook, außer Wah! und ein Vertrag um Leben und Skalpe sollte von einem Häuptling abgeschlossen werden. Gebt mir die fremden Bestien und laßt mich ein Canoe nehmen.«

Wildtödter senkte den Kopf und spielte mit dem Ende einer Fischstange im Wasser, während er da saß und seine Füße über den Rand der Plattform hinaus bammeln ließ, wie Einer, der durch eine plötzlich gekommene neue Idee in Gedanken versunken ist. Statt geradezu auf den Vorschlag seines Freundes zu antworten, begann er mit sich selbst zu sprechen; wodurch jedoch seine Worte in keiner Weise an Wahrheit gewinnen konnten, da er sich dadurch auszeichnete, daß er immer sagte, was er dachte, mochte er nun seine Rede an sich selbst oder an einen Andern richten.

»Ja – ja,« sagte er, »das »muß seyn, was man Liebe nennt! Ich habe manchmal gehört, daß sie die Vernunft ganz umwirft und einen jungen Mann, was Berechnung und Vorsicht anlangt, so hülflos macht, wie ein sinnloses Thier. Denken müssen, daß Schlange so ganz Vernunft, Schlauheit und Weisheit verloren! Sicherlich müssen wir es zu Stande bringen, daß Hist frei wird, und sie verheirathen, sobald wir zu dem Stamme zurück sind, sonst wird dieser Krieg dem Häuptling so Wenig nützen, als eine etwas ungewöhnliche und außerordentliche Jagd, Ja – ja – er wird nie wieder der Mann seyn, der er war, bis er diese Sache aus dem Kopfe hat, und er wieder zu seinen Sinnen kommt, wie alle übrigen Menschenkinder. Schlange, es kann Euch nicht Ernst seyn, und daher will ich nur Wenig auf Euer Anerbieten sagen. Aber Ihr seyd ein Häuptling, und werdet bald auf den Kriegspfad gesendet werden an der Spitze von Truppen, und ich will Euch nur die Frage vorlegen, ob Ihr gesonnen seyd, Eure Mannschaft dem Feind in die Hände zu liefern, ehe die Schlacht gekämpft ist?«

»Wah!« rief der Indianer hastig.

»Ja – Wah ! ich weiß ganz gut, es ist Wah! und ganz und gar Wah! In der That, Schlange, ich bin um Euch besorgt und betrübt! Ich hörte nie einen so schwachen Gedanken aus dem Mund eines Häuptlings und dazu Eines, der schon einen Namen wegen seiner Weisheit hat, so jung und unerfahren er ist. Ein Canoe bekommt Ihr nicht, so lange die Stimme der Freundschaft und Warnung noch Etwas gilt.«

»Mein Bleichgesichtfreund hat Recht. Eine Wolke kam über Chingachgooks Angesicht und Schwäche schlich sich in seine Seele, während sein Auge trüb war. Mein Bruder hat ein gutes Gedächtniß für gute Thaten, und ein schlechtes für schlechte. Er wird vergessen.« »Ja, das ist leicht gethan. Sagt Nichts weiter davon, Häuptling; aber wenn wieder eine von diesen Wolken Euch nahe kommen will, thut Euer Möglichstes, ihr aus dem Wege zu gehen. Wolken sind schlimm genug bei der Witterung; aber wenn sie über die Vernunft herziehen, dann wird die Sache ernsthaft. Jetzt setzt Euch zu mir her, und laßt uns ein Wenig unser Verfahren überlegen, denn wir müssen bald einen Waffenstillstand oder Frieden haben, sonst kommt es zu einem wirklichen, blutigen Krieg. Ihr seht, die Vagabunden wissen Baumstämme zu benutzen, so gut wie die besten Flößer auf den Flüssen: und es wäre für sie ein Kleines, uns mit hellen Haufen anzugreifen. Ich denke nach, ob es klug gethan wäre, alle Habe des alten Tom in die Arche zu bringen, das Castell zu verschließen und zu verrammeln, und uns ganz auf die Arche zu begeben. Die ist beweglich, und wenn wir das Segel aufsetzten und den Platz wechselten, könnten wir uns viele Nächte hindurch halten, ohne daß die Wölfe aus den Kanadas den Weg in unsere Hürde fänden.«

Chingachgook hörte diesen Plan mit Beifall an. Schlug die Unterhandlung fehl, so war jetzt wenig Hoffnung, daß die Nacht ohne einen Angriff vorübergehen würde; und der Feind besaß Scharfblick genug, um einzusehen, daß wenn er das Castell einnähme, er ohne Zweifel Herr alles dessen werden würde, was es enthielt, das angebotene Lösegeld mit eingeschlossen, und dazu noch im Besitz der schon gewonnenen Vortheile bleiben. Eine Vorsichtsmaßregel der Art schien durchaus nothwendig; denn jetzt, nachdem man die große Anzahl der Irokesen kannte, durfte man kaum hoffen, einem nächtlichen Angriff mit Erfolg zu widerstehen. Es erschien als unmöglich, den Feind zu hindern, sich der Canoe’s und der Arche zu bemächtigen, und die letztere selbst gab dann schon den Angreifern einen Anhalt, wo sie gegen Kugeln so gut geschützt waren, wie die im Gebäude befindlichen Personen. Einige Minuten dachten beide Männer daran, die Arche in dem seichten Wasser zu versenken, oder die Canoe’s in das Haus zu bringen, und sich ganz auf den Schuß, den das Castell biete, zu verlassen. Aber nähere Erwägung überzeugte sie, daß am Ende dieß Auskunftsmitttel fehlschlagen würde. Es war so leicht, auf dem Lande Baumstämme zu sammeln, und einen Floß von beinahe jeder beliebigen Größe zu bauen, daß es als gewiß erschien, die Irokesen, nachdem sie einmal an solche Mittel gedacht, würden mit allem Ernste sich darauf legen, so lange sie die sichre Aussicht hatten, durch Beharrlichkeit ihren Zweck zu erreichen. Nach reiflicher Ueberlegung und Erwägung aller Rücksichten vereinigten sich die zwei jungen Anfänger in der Kriegskunst der Wälder in der Ansicht, daß die Arche das einzige brauchbare Mittel zur Rettung darbiete. Sobald diese Entscheidung gefaßt war, wurde sie Judith mitgetheilt. Das Mädchen hatte keine ernstliche Einwendung dagegen zu machen, und dann beeilten sich alle Vier, die zur Ausführung des Planes nöthigen Maßregeln zu ergreifen.

Der Leser wird leicht ermessen, daß Floating Toms weltliche Güter von keinem großen Werth waren. Ein paar Betten, einige Kleidungsstücke, die Waffen und Munition, einige Küchengeräthe, nebst dem geheimnißvollen, nur erst halb untersuchten Schranke, – das machte die wichtigsten Artikel aus. Dieß Alles ward bald ausgeräumt, nachdem man die Arche an die östliche Seite des Hauses gezogen, so daß man den Transport bewerkstelligen konnte, ohne von der Küste aus gesehen zu werden. Man erachtete es für unnöthig, die schwereren und gröberen Stücke des Haushaltes zu verrücken, da man ihrer auf der Arche nicht bedurfte, und sie an sich wenig Werth hatten. Da große Vorsicht erforderlich war bei der Hinüberschaffung der verschiednen Gegenstände, von denen die meisten durch ein Fenster den Weg nehmen mußten, weil man dieß Vornehmen geheim halten wollte, brauchte es zwei oder drei Stunden, bis Alles in’s Werk gesetzt war. Nach Ablauf dieser Zeit erschien auch wieder der Floß, wie er von der Küste abstieß. Wildtödter griff augenblicklich nach dem Fernglas, mittelst dessen er wahrnahm, daß zwei Krieger, die jedoch unbewaffnet schienen, sich darauf befanden. Die Bewegung des Floßes war langsam, und hierin lag einer der großen Vortheile für die Inhaber der Arche bei einem etwaigen künftigen Zusammenstoß, denn die Bewegungen von dieser waren vergleichungsweise leicht und schnell. Da man Zeit hatte, die Vorkehrungen zu treffen zum Empfang der zwei gefährlichen Gäste, wurde Alles dazu in Bereitschaft gesetzt, lang ehe sie nahe genug herankamen, um angerufen zu werden. Schlange und die Mädchen zogen sich in das Gebäude zurück, wo sich Jener in die Nähe der Thüre, wohl mit Büchsen versehen, aufstellte, während Judith durch eine Scharte den weitern Verlauf beobachtete. Wildtödter aber hatte einen Stuhl an den Rand der Plattform gestellt, auf dem Punkt gegen welchen der Floß zu steuerte, und hatte sich darauf gesetzt, die Büchse nachläßig zwischen die Beine gelehnt.

Als der Floß näher kam, wurden alle der Gesellschaft im Castell zur Verfügung stehenden Mittel aufgeboten, um sich zu vergewissern, ob die nahenden Gäste Feuerwaffen hätten. Weder Wildtödter noch Chingachgook konnten solche entdecken: Judith aber, die dem bloßen Auge nicht trauen wollte, schob das Fernglas durch die Scharte und richtete es gegen die Schierlingstannenzweige, die zwischen den zwei Baumstämmen des Floßes lagen, eine Art Fußboden, so wie einen Sitz für die Ruderer bildend. Als der schwerfällige Floß auf fünfzig Fuß sich genähert, rief Wildtödter die Huronen an, hieß sie das Rudern einstellen, da er nicht gesonnen sey, sie landen zu lassen. Natürlich mußten sie sich darein ergeben, und die beiden grimmig aussehenden Krieger verließen ihre Sitze, obgleich der Floß noch immer weiter rückte, bis er der Plattform noch viel näher gekommen war.

»Seyd Ihr Häuptlinge?« fragte Wildtödter mit Würde. »Seyd Ihr Häuptlinge? Oder haben mir die Mingo’s Krieger ohne Namen geschickt bei einer solchen Sendung? Wenn dieß ist, denn je eher Ihr umkehrt, desto eher kann ein Solcher kommen, mit dem ein Krieger unterhandeln kann.«

»Hugh!« rief der Aeltere von den beiden Männern auf dem Floße, und ließ seine glühenden Augen über die verschiednen Gegenstände hinrollen, die man im Castell und rings umher sah, mit einer Lebhaftigkeit, welche bewies, wie Wenig ihm entging. »Mein Bruder ist sehr stolz, aber Rivenoak (gespaltene Eiche) ist ein Name, der einen Delawaren erblassen macht.«

»Das ist wahr, oder es ist eine Lüge, Rivenoak, wie es sich trifft; aber ich werde schwerlich bleich werden, sintemal ich bleich geboren bin. Was ist Eure Sendung, und warum kommt Ihr unter leichte Rinden-Canoe’s auf Stämmen, die nicht einmal ausgehöhlt sind?«

»Die Irokesen sind keine Enten, daß sie auf dem Wasser schreiten könnten. Mögen die Bleichgesichter ihnen ein Canoe geben, dann werden sie in einem Canoe kommen.«

»Das ist wohl vernünftig, wird aber schwerlich geschehen. Wir haben nur vier Canoe’s, und da wir unsrer Vier sind, kommt auf Jeden nur eines. Wir danken Euch indessen für den Antrag obschon wir so frei sind, ihn nicht anzunehmen. Ihr seyd willkommen, Irokese, auf Euren Baumstämmen.«

»Danke Euch – mein junger Bleichgesichtkrieger – er hat schon einen Namen gewonnen – wie nennen ihn die Häuptlinge?«

Wildtödter besann sich einen Augenblick, und ein Anflug von Stolz und menschlicher Schwäche zuckte durch seine Seele. Er lächelte, murmelte zwischen den Zähnen, schaute dann stolz auf, und sagte:

»Mingo, wie Alle, die jung und tüchtig sind, bin ich zu verschiednen Zeiten unter verschiednen Namen bekannt gewesen. Einer Eurer Krieger, dessen Geist aufflog zu den glücklichen Jagdrevieren Eures Volkes erst gestern Morgen, meinte, ich verdiente unter dem Namen Falkenauge bekannt zu werden, und das, weil mein Gesicht zufällig rascher war als das seinige, als es Leben und Tod zwischen uns galt.«

Chingachgook, der auf Alles was vorging, aufmerksam lauschte, hörte und verstand diesen Beweis einer vorübergehenden Schwäche seines Freundes, und bei einer spätern Gelegenheit fragte er ihn genauer aus über den ganzen Hergang auf der Küste, wo Wildtödter zuerst einem Menschen das Leben genommen. Nachdem er die ganze Wahrheit herausbekommen, ermangelte er nicht, Alles dem Stamme mitzutheilen, und von dieser Zeit an war der junge Jäger allgemein bekannt bei den Delawaren unter einem so ehrenvoll erworbenen Namen. Da jedoch dieß später fällt, als alle Begebenheiten dieser Erzählung, werden wir den jungen Jäger fortwährend mit dem Namen bezeichnen, unter welchem wir ihn zuerst dem Leser vorgeführt haben. Der Irokese war nicht weniger betroffen über die prahlende Aussage des weißen Mannes. Er wußte von dem Tod seines Kameraden und verstand die Anspielung ohne Schwierigkeit: denn die Begegnung des Siegers und seines Opfers bei dieser Gelegenheit war von mehreren Wilden auf der Küste des See’s gesehen worden, welche an verschiednen Punkten dicht am Saum der Gebüsche waren ausgestellt gewesen, um die auf dem See treibenden Canoe’s zu beobachten, aber nicht Zeit gehabt hatten, die Scene des Kampfes zu erreichen, ehe der Sieger sich zurückgezogen. Die Wirkung war bei diesem rohen Wesen des Waldes ein Ausruf der Ueberraschung; dann folgte ein Lächeln der Höflichkeit und ein Winken mit der Hand, wie es asiatischer Diplomatie würde Ehre gemacht haben. Die beiden Irokesen besprachen sich miteinander in leisem Tone, und beide traten auf das der Plattform nächstgelegene Ende des Floßes.

»Mein Bruder Falkenauge hat eine Botschaft zu den Huronen gesandt,« begann wieder Rivenoak, »und sie hat ihre Herzen sehr froh gemacht. Sie hören, er hat Bilder von Thieren mit zwei Schwänzen! Will er sie seinen Freunden zeigen?« »Feinden, wäre wahrer,« versetzte Wildtödter, »aber das Wort ist nicht die Sache, und schadet Wenig. Hier ist eines von den Bildern; ich werfe es Euch hinunter auf Treu und Glauben des Vertrags. Wird es nicht zurückgegeben, so wird die Büchse die Sache zwischen uns in’s Reine bringen,«

Die Irokesen schienen mit den Bedingungen zufrieden, und Wildtödter stand auf, und schickte sich an, einen der Elephanten auf den Floß zu werfen, wobei beide Theile alle erforderliche Vorsicht anwandten, um dessen Verlust zu verhüten. Da Uebung die Menschen in solchen Dingen geschickt macht, war die kleine Figur von Elfenbein bald aus einer Hand in die andere glücklich überliefert; und dann folgte auf dem Floß eine Scene, wo Erstaunen und Entzücken die Oberhand gewann über indianischen Stoicismus. Die beiden grimmigen alten Krieger zeigten sogar bei Besichtigung der seltsam gearbeiteten Schachfigur noch größere Aufregung, als der Knabe verrathen halte, denn bei dem letzteren wirkte noch der frische Einfluß der durchgemachten Schule und Zucht, während die Männer, wie Alle, die sich auf ihren begründeten Ruf verlassen, sich nicht schämten, ihre Empfindungen zum Theil kund zu geben. Einige Minuten lang hatten sie dem Anschein nach das ganze Bewußtseyn ihrer Lage verloren über der genauen und lebhaften Prüfung, mit der sie bei einem so kostbaren Material, einer so schönen Arbeit und einem so außerordentlichen Thiere verweilten. Das Maul des Elennthiers hat vielleicht noch am meisten Aehnlichkeit mit dem Rüssel des Elephanten unter den Thieren der amerikanischen Wälder; aber diese Aehnlichkeit war weit nicht auffallend genug, um die ihnen neue Creatur in den Kreis ihrer Vorstellungen und des ihnen Gewohnten hineinzuziehen, und je länger sie daran studirten, um so größer ward ihr Staunen. Auch nahmen diese Kinder des Waldes keineswegs das Gebäude auf dem Rücken des Elephanten irrigerweise für einen Theil des Thieres selbst. Sie waren mit Pferden und Ochsen bekannt, hatten in den Canada’s Thürme gesehen, und fanden nichts Befremdendes an Lastthieren. Doch aber meinten sie, vermöge einer sehr naheliegenden Vorstellung, das Schnitzwerk bedeute so Viel, daß das Thier, welches sie sahen, Stärke genug besitze, um auf seinem Rücken ein Fort zu tragen, – ein Umstand, der ihre Verwunderung durchaus nicht verminderte.

»Hat mein Bleichgesichtbruder noch mehr solche Thiere?« fragte endlich der Aeltere der Irokesen in halb bittendem Tone.

»Es sind da, woher sie kommen, noch mehrere, Mingo,« war die Antwort; »aber Eines ist genug, um fünfzig Skalpe abzukaufen.«

»Einer meiner Gefangnen ist ein großer Krieger – hoch wie eine Tanne – stark wie das Elennthier – schnell wie der Hirsch – trotzig wie der Panther! Er wird einmal ein großer Häuptling werden und das Heer des Königs George anführen.«

»Still! still! Mingo; Harry Hurry ist Harry Hurry, und Ihr werdet nie mehr als einen Corpora! aus ihm machen und das kaum. Allerdings ist er hoch; aber das nützt Nichts, denn er stößt da nur seinen Kopf an die Zweige, wenn er durch den Wald geht. Auch ist er stark; aber ein starker Leib ist nicht ein starker Kopf, und die Generale des Königs werden nicht nach ihren Sehnen gewählt. Er ist schnell, wenn Ihr wollt, aber eine Büchsenkugel ist schneller; und was den Trotz betrifft, so ist das keine große Empfehlung für einen Soldaten; Solche, die da sich am mannhaftesten dünken, werden oft in einer Klemme sogleich verzagt. Nein – nein – Ihr werdet nie Hurry’s Skalp für Mehr ausgeben können, als für einen guten Kopf voll krauser Haare mit einer klappernden Hirnschale darunter!«

»Mein alter Gefangner sehr weise – König des See’s – großer Krieger, Weiser Rathgeber!«

»Nun, es gibt Leute, die dem Allen widersprechen könnten, Mingo. Ein sehr weiser Mann würde sich nicht da so närrischer Weise fangen, lassen, wie dieß Meister Hutter begegnete; und wenn er guten Rath gibt, muß er doch auf schlechten gehorcht haben in dieser ganzen Sache. Es gibt nur Einen König dieses See’s, und der ist weit weg, und wird ihn schwerlich je sehen. Floating Tom ist ungefähr so ein König dieser Gegend, wie der Wolf, der durch die Wälder streift, König des Forstes ist. Ein Thier mit zwei Schwänzen ist wohl solche zwei Skalpe werth.«

»Aber mein Bruder hat noch ein Thier? – Er wird zwei geben,« und er hielt zwei Finger in die Höhe, »für alten Vater?«

»Floating Tom ist nicht mein Vater, aber darum soll er nicht schlimmer fahren. Zwei Thiere für seinen Skalp zu geben, und jedes Thier mit zwei Schwänzen, ist ganz über alles Maaß und Vernunft. Ihr habt von Gewinn zu sagen, Mingo, wenn Ihr einen viel schlechtern Handel macht.«

Mittlerweile hatte die Selbstbeherrschung Rivenoak’s die Oberhand über seine Verwunderung gewonnen, und er begann, wieder auf seine gewohnte List und Schlauheit zu verfallen, um den möglichst vortheilhaften Handel zu schließen. Es wäre überflüssig. Mehr als den wesentlichen Inhalt des nun folgenden, rasch abspringenden Gesprächs zu erzählen, worin der Indianer nicht wenig Verschlagenheit zeigte bei seinem Bestreben, den unter dem Einfluß der Ueberraschung verlornen Boden wieder zu gewinnen. Er gab sich sogar die Miene zu zweifeln, ob das Original von dem Bilde des Thiers existire, und versicherte, der älteste Indianer habe nie eine Sage von einem solchen Thiere gehört. Schwerlich dachte Einer von Beiden damals daran, daß lange vor Ablauf eines Jahrhunderts der Fortschritt der Civilisation noch viel außerordentlichere und seltenere Thiere in diese Gegend bringen würde, als Merkwürdigkeiten zum Begaffen für die Neugier, und daß namentlich das Thier, über welches die Parteien stritten, in eben dem See, wo sie sich getroffen, zu sehen seyn würde, wie es darin seine Seiten wüsche und herumschwämme. Wie es nicht selten geschieht in solchen Fällen, eine der Parteien wurde im Verlauf der Erörterung etwas warm; denn Wildtödter begegnete allen Gründen und Vorspiegelungen seines schlauen und gewandten Gegners mit der ihm eignen kaltblütigen Geradheit und unerschütterlichen Wahrheitsliebe. Was ein Elephant war, wußte er wenig besser als der Wilde: aber er wußte vollkommen gut, daß die geschnitzten Figuren von Elfenbein in den Augen eines Irokesen einen Werth haben müßten, wie ein Sack voll Gold oder ein Haufen Biberfelle in denen eines Kaufmanns. Unter solchen Umständen fand er es daher klug, anfänglich nicht zu Viel zuzugestehen, da ein beinahe unüberwindliches Hinderniß in der Bewerkstelligung des Austausches vorlag, selbst nachdem die unterhandelnden Parteien über die Bedingungen einig geworden wären. Diese Schwierigkeit im Auge, behielt er die übrigen Schachfiguren in Reserve, als Mittel um im Augenblick der Noth alle Schwierigkeiten zu beseitigen.

Endlich behauptete der Wilde, weitere Unterhandlung sey fruchtlos, da er gegen seinen Stamm nicht so ungerecht seyn könne, die Ehre und den Gewinn von zwei trefflichen, ausgewachsenen, männlichen Skalpen hinzugeben für einen so ärmlichen Werth wie die zwei gesehenen Spielzeuge – und schickte sich zum Aufbruch an. Beiden Theilen war jetzt zu Muth wie gewöhnlich Leuten, wenn ein Handel, den zu schließen Jeder den lebhaften Wunsch hat, auf dem Punkt steht, abgebrochen zu werden in Folge zu großer Hartnäckigkeit bei der Unterhandlung. Die Wirkung der getäuschten Hoffnung jedoch war bei den beiden Individuen sehr verschieden. Wildtödter war betroffen und von schmerzlichem Bedauern erfüllt; denn er hatte nicht blos mit den Gefangenen, sondern auch mit den beiden Mädchen tiefes Mitleid. Das Abbrechen der Unterhandlung erfüllte ihn daher mit Trauer und Leidwesen. Bei dem Wilden erweckte seine Niederlage wilde Rachsucht. In einem Augenblick der Aufregung hatte er laut seinen Entschluß ausgesprochen, Nichts weiter zu sagen; und er war gleich wüthend über sich, wie über seinen kaltblütigen Gegner, daß er einem Bleichgesicht in der Kundgebung von Gleichgültigkeit und Selbstbeherrschung den Sieg über einen indianischen Häuptling überlassen hatte. Als er anfing, seinen Floß von der Plattform wegzurudern, wurde sein Gesicht finster und seine Augen glühten, während er dennoch ein freundliches Lächeln und eine Geberde der Höflichkeit zum Abschied erzwang.

Es bedurfte eine kleine Weile, die vis inertiae der Baumstämme zu überwinden, und während dieß der Indianer zu Stande brachte, der eine stumme Rolle gespielt, schritt Rivenoak über die Tannenzweige, welche zwischen den Stämmen lagen, in schweigendem Ingrimm hin, und betrachtete mit scharfem Auge während dem das Castell, die Plattform und die Person seines unterhandelnden Gegners. Einmal sprach er in leisem Tone, aber rasch mit seinem Begleiter, und er scharrte mit den Füßen in den Zweigen, wie ein ungeduldiges, stätiges Thier. In diesem Augenblick war die Wachsamkeit Wildtödters etwas erlahmt, denn er saß da, nachsinnend über die Art und Weise, die Unterhandlung wieder zu erneuen, ohne der andern Partei zu viel Vortheil einzuräumen. Vielleicht war es ein Glück für ihn, daß das lebhafte und glänzende Auge Judiths so wachsam war wie immer. In dem Augenblick, wo der junge Mann am wenigsten auf seiner Hut, und sein Feind am wachsamsten und lauerndsten war, rief sie Jenem mit warnender Stimme, sehr zur rechten Zeit Lärm machend, zu:

»Seyd auf Eurer Hut, Wildtödter. Ich sehe durch das Fernglas Büchsen über den Tannenzweigen, und der Irokese macht sie mit dem Fuße los!« Es schien fast, als hätte der Feind seine List so weit getrieben, sich eines Unterhändlers zu bedienen, der Englisch verstand. Die bisherige Besprechung hatte in seiner Sprache stattgefunden, aber aus der Art, wie seine Füße plötzlich in ihrer verrätherischen Beschäftigung inne hielten, während zugleich auf dem Gesicht Rivenoaks der trotzige Grimm in ein Lächeln der Höflichkeit sich verwandelte, erhellte deutlich, daß er den Zuruf des Mädchens verstanden hatte. Er winkte seinem Begleiter, der die Stämme in Bewegung zu bringen sich bestrebte, in seinen Bemühungen inne zu halten, trat an das Ende des Floßes zunächst der Plattform und begann zu sprechen.

»Warum sollten Rivenoak und sein Bruder eine Wolke zwischen sich lassen?« sagte er. »Sie sind Beide weise, Beide tapfer und Beide großmüthig; sie sollten als Freunde scheiden. Ein Thier soll der Preis für je Einen Gefangnen sey».«

»Und Mingo,« versetzte der Andere, hocherfreut die Unterhandlungen erneut zu sehen, auf beinah jede Bedingung hin, und entschlossen, den Handel wo möglich durch eine kleine Extra-Freigebigkeit zu befestigen – »Ihr sollt sehen, daß ein Bleichgesicht wohl den vollen Preis zu bezahlen weiß, wenn er mit einer offnen Hand und einem offnen Herzen zu thun hat. Behaltet das Thier, das Ihr mir zurückzugeben vergessen, als Ihr im Begriff waret abzustoßen, und das ich vergaß zurückzufordern, aus Kummer darüber, daß wir im Zorn scheiden sollten. Zeigt es Euren Häuptlingen. Wenn Ihr uns unsre Freunde zurückbringt, sollen zwei weitere dazukommen – und –« er zauderte einen Augenblick, im Zweifel an der Rathsamkeit eines so großen Zugeständnisses, für das er sich jedoch am Ende entschied – »und wenn wir sie hier sehen, ehe die Sonne untergeht, so findet sich vielleicht auch das vierte, um die Zahl gerade zu machen.«

Dieß brachte die Sache ins Reine. Jeder Schatten von Mißvergnügen verschwand aus dem dunkeln Angesicht des Irokesen, und er lächelte so huldvoll, wenn auch nicht so holdselig, wie Judith Hutter selbst. Die schon in seinem Besitz befindliche Figur ward von neuem besichtigt, und ein Ausruf der Freude zeigte, wie sehr er mit diesem unerwarteten Ausgang der Sache zufrieden war. In der That hatten er und Wildtödter für den Augenblick in der Wärme ihres Affekts vergessen, was aus dem Gegenstand ihres Streites selbst geworden; dies war jedoch nicht der Fall bei Rivenoaks Begleiter. Dieser hielt die Figur in Händen und war fest entschlossen, wenn sie unter solchen Umständen zurückverlangt würde, welche die Zurückgabe nothwendig machten, sie in den See fallen zu lassen, wo er sie künftig einmal wieder zu finden zuversichtlich hoffte. Dieß verzweifelte Auskunftsmittel jedoch war jetzt nicht mehr nöthig, und nachdem die Bedingungen der Uebereinkunft wiederholt worden waren, und die Indianer versichert hatten, daß sie sie wohl gefaßt, brachen sie endlich auf und ruderten langsam der Küste zu.

»Kann man irgend auf solche Elende Vertrauen setzen?« fragte Judith, als sie mit Hetty auf die Plattform herausgetreten war und neben Wildtödter stand, die schwerfällige Bewegung des Flosses beobachtend; »werden sie nicht am Ende das Spielzeug, das sie haben, behalten, und uns irgend ein blutiges Zeichen schicken, prahlend, daß sie uns überlistet? Ich habe wohl schon von so schlimmen Thaten gehört!«

»Ohne Zweifel, Judith; gar kein Zweifel, wäre nicht die indianische Natur. Aber ich verstehe mich nicht auf die Rothhäute, wenn diese zweischwänzige Bestie nicht den ganzen Stamm in eine Aufregung bringt, wie etwa ein Stecken einen Bienenkorb! Nun, da ist Schlange, ein Mann mit Nerven wie Flintenstein, und von nicht mehr Neugier in alltäglichen Dingen, als mit der Klugheit sich verträgt. Nun, und der war so überwältigt von dem Anblick der Creatur, wie sie aus Bein geschnitzt ist, daß ich mich selbst für ihn schämte. Aber das sind eben gerade ihre Gaben, und man kann nicht wohl mit Einem streiten und zanken wegen seiner Gaben, wenn sie rechtmäßig sind. Chingachgook wird bald seine Schwäche überwinden und bedenken, daß er ein Häuptling ist, und daß er von einem großen Geschlecht abstammt, und einen berühmten Namen aufrecht und in Ehren zu halten hat; aber was jene Schufte betrifft, unter denen wird kein Friede seyn, bis sie glauben im Besitz von Allem von der Gattung dieser Figur aus geschnitztem Bein zu seyn, was sich unter Thomas Hutter’s Habe findet.« »Sie wissen nur von den Elephanten und können auf das Andere keine Hoffnung haben.«

»Das ist wahr, Judith; aber Habsucht ist ein nagendes, begehrliches Gefühl. Sie werden sagen: wenn die Bleichgesichter diese seltsamen Bestien mit zwei Schwänzen haben. Wer weiß, ob sie nicht auch solche mit drei, oder dann auch wohl gar mit vier haben! Das ist, was die Schulmeister natürliche Arithmetik nennen, und gewiß wird das den Wilden in den Sinn kommen. Sie werden sich nicht beruhigen, bis die Wahrheit bekannt ist.«

»Meint Ihr, Wildtödter,« fragte Hetty in ihrer einfachen und unschuldigen Art, »daß die Irokesen Vater und Hurry nicht werden gehen lassen? – Ich las ihnen einige der allerbesten Verse aus der Bibel vor, und Ihr seht, was sie schon gethan haben.«

Der Jäger hörte, wie er immer that, freundlich und sogar liebevoll Hetty’s Worte an; dann sann er einen Augenblick stillschweigend nach. Es war Etwas wie eine Röthe auf seiner Wange, als er, nach Verfluß einer vollen Minute, antwortete.

»Ich weiß nicht, üb ein weißer Mann sich schämen soll oder nicht, zu gestehen, daß er nicht lesen kann; aber bei mir ist das der Fall, Judith. Ihr seyd geschickt, finde ich, in allen solchen Dingen, während ich nur die Hand Gottes studirt habe, so wie man sie sieht in Hügeln und Thälern, Bergspitzen, Strömen, in Wäldern und Quellen. Viel kann man auf diese Art lernen, so gut wie aus Büchern; und doch denke ich manchmal, es gehöre zu einen weißen Mannes Gaben, zu lesen! Wenn ich aus dem Munde der Mährischen Brüder die Worte höre, von welchen Hetty spricht, so erwecken sie ein Verlangen in meinem Gemüth, und ich denke, ich wolle selbst auch sie lesen lernen; aber das Wild im Sommer, und die Ueberlieferungen, und der Unterricht im Krieg, und andre Sachen haben mich noch immer daran Verhindert.«

»Soll ich’s Euch lehren, Wildtödter?« fragte Hetty ernst. »Ich bin schwachsinnig, so sagen sie, aber lesen kann ich so gut wie Judith. Es kann Euch das Leben retten, wenn Ihr den Wilden die Bibel vorzulesen versteht, und gewiß wird es Eure Seele retten, denn das hat mir Mutter gar oft gesagt.«

»Dank Euch, Hetty, Dank Euch von ganzem Herzen. Jetzt werden wohl zu unruhige Zeiten kommen, um viel Muße zu haben; aber wenn’s Friede ist, und ich wieder an diesen See komme, Euch zu besuchen, dann will ich mich dazu hergeben, und es wird mir eine Lust und ein Gewinn zugleich seyn. Vielleicht sollte ich mich schämen, Judith, daß es so ist; aber Wahrheit ist Wahrheit. Was diese Irokesen belangt, so ist nicht sehr wahrscheinlich, daß sie eine Bestie mit zwei Schwänzen vergessen über einem oder zwei Versen aus der Bibel. Ich vermuthe eher, sie werden die Gefangnen ausliefern, und auf die eine oder andre List und Tücke sich verlassen, sie wieder in ihre Gewalt zu bekommen, und uns und Alle im Castell, sammt der Arche in den Kauf. Indeß, wir müssen die Vagabunden bei guter Laune erhalten, erstlich, um Euern Vater und Hurry aus ihren Händen los zu bekommen, und dann um den Frieden zwischen uns zu erhalten, bis zu der Zeit, wo Schlange es dahin bringen kann, seine Verlobte frei zu machen. Wenn es plötzlich zu einem Ausbruch von Zorn und Wildheit kommt, werden die Indianer alle ihre Weiber und Kinder sofort in’s Lager schicken; während wir, wenn wir sie ruhig und zutrauensvoll erhalten, es so werden richten können, daß wir Hist an dem von ihr bezeichneten Ort treffen. Ehe ich jetzt den Handel abbräche, würde ich wohl noch ein Halbdutzend von jenen Bogenundpfeilmännerfiguren drein geben, deren wir genug in dem Schranke haben.«

Judith stimmte mit Freuden bei, denn sie hätte selbst den geblümten Brokat aufgeopfert, um nur ihren Vater zu befreien und Wildtödter zu Gefallen.

Die Aussichten auf einen glücklichen Erfolg waren jetzt so ermuthigend, daß Alle im Castell sich erleichtert fühlten, obwohl man die gebührende wachsame Beobachtung aller Bewegungen des Feindes nicht vernachläßigte. Stunde jedoch um Stunde verstrich, und die Sonne hatte schon angefangen, sich wieder zu den westlichen Hügeln herab zu senken, und noch sah man keine Spur von einem zurückkehrenden Floße. Endlich entdeckte Wildtödter, der die Küste mit dem Fernglas genau musterte, einen Platz in den dunkeln dichten Wäldern, wo die Irokesen, wie er unzweifelhaft dafür hielt, in ansehnlicher Zahl versammelt waren. Er war in der Nähe des Dickichts, von wo der Floß abgegangen war, und ein kleiner Nach, der in den See rieselte, verkündete die Nähe einer Quelle. Hier also hielten vermuthlich die Wilden ihre Berathung und sollte der Beschluß gefaßt werden, der die Frage über Leben und Tod der Gefangenen entschied. Ein Grund zur Hoffnung jedoch war vorhanden, trotz der Verzögerung, den Wildtödter nicht ermangelte, seinen ängstlich harrenden Freunden mitzutheilen. Es war weit wahrscheinlicher, daß die Indianer ihre Gefangenen im Lager gelassen, als daß sie sich mit ihnen belastet hatten, indem sie sie hätten einer Truppe durch die Wälder folgen lassen, die nur auf einen zeitweiligen Streifzug aus war. Verhielt sich dieß so, dann bedurfte es einer ziemlichen Zeit, um einen Boten nach jenem entferntern Ort zu schicken und die zwei weißen Männer an den Platz zu bringen, wo sie sich einschiffen sollten. Ermuthigt durch diese Gedanken sammelten sie einen neuen Vorrath von Geduld, und das Hinabgleiten der Sonne ward mit weniger Unruhe betrachtet. Der Erfolg rechtfertigte Wildtödters Vermuthung. Nicht lang, ehe die Sonne ganz verschwand, sah man die zwei Stämme aus dem Dickicht wieder hervorkommen, und als der Floß näher kam, verkündigte Judith, ihr Vater und Hurry, beide gebunden, lägen auf den Büschen in der Mitte. Wie zuvor ruderten die Indianer. Die Letztern schienen zu fühlen, daß die späte Tageszeit ungewöhnliche Kraftanstrengung erfordere, und ganz entgegen der Gewohnheit ihres Volks, das immer die Mühe scheut, arbeiteten sie rüstig an den Surrogaten der Ruder. In Folge dieses Eifers nahm der Floß seine frühere Stellung ein schon in etwa der Hälfte der Zeit, die sie bei den frühern Fahrten gebraucht hatten.

Selbst nachdem die Bedingungen so deutlich festgesetzt und die Sachen so weit gediehen waren, blieb die wirkliche Uebergabe der Gefangenen eine nicht ohne Schwierigkeit zu erfüllende Obliegenheit. Die Irokesen sahen sich genöthigt, großes Vertrauen in den guten Glauben und Willen ihrer Feinde zu setzen, obgleich sie es mit Widerstreben, und mehr in Folge der Nothwendigkeit, als mit freiem Willen und mit Zuversicht thaten. Sobald Hutter und Hurry freigelassen waren, zählte die Truppe im Castell, denen auf dem Floß gegenüber, Zwei gegen Einen, und von Flucht konnte keine Rede seyn, da Jene drei Canoe’s besaßen, Nichts zu sagen von den Vertheidigungsanstalten des Hauses und der Arche. Alles dieß ward von beiden Partheien wohl begriffen und vermuthlich wäre die Uebereinkunft nie ganz in’s Reine gebracht worden, hätte nicht Wildtödters ehrliches Gesicht und Wesen seine gewöhnliche Wirkung auch bei Rivenoak gethan.

»Mein Bruder weiß, ich setzte Vertrauen in ihn,« sagte der Letztere, indem er mit Hutter näher trat, dessen Beine losgebunden waren, damit der alte Mann die Plattform hinansteigen konnte, »Ein Skalp – Ein Thier mehr!«

»Ha, Mingo,« unterbrach ihn der Jäger, »behaltet Euern Gefangenen noch einen Augenblick. Ich muß gehen und die Mittel der Zahlung suchen.«

Diese Entschuldigung jedoch, obwohl zum Theil wahr, war doch hauptsächlich eine List. Wildtödter verließ die Plattform, trat in das Haus und wies Judith an, alle Waffen zusammenzutragen und in ihrem Gemache verbergen. Dann sprach er ernstlich mit dem Delawaren, der wie früher nahe am Eingang des Gebäudes Wache hielt, steckte die drei Thürme in die Tasche und kehrte zurück.

»Seyd willkommen, zurück in Euerer alten Wohnung, Meister Hutter,« sagte Wildtödter, indem er ihm auf die Plattform heraufhalf, zu gleicher Zeit schlau wieder einen Thurm in die Hand Rivenoaks schiebend. »Ihr findet Eure Töchter hoch erfreut Euch wieder zu sehen, und da kommt Hetty selbst, um Euch dieß von sich zu versichern.«

Hier hielt der Jäger von selbst im Reden inne, und brach in sein eigenthümliches, stilles aber herzliches Lachen aus. Hurry’s Beine waren eben losgebunden und er auf die Füße gestellt worden. So eng hatte man die Bande angezogen, daß die Gebundenen nicht sogleich wieder den Gebrauch ihrer Glieder erlangten, und der junge Riese machte in allem Ernst eine sehr hülflose und einigermaßen komische Figur. Es war dieß ungewohnte Schauspiel, besonders das verdutzte Gesicht, was Wildtödters Fröhlichkeit erregte.

»Ihr seht aus wie eine geringelte Tanne auf einer Lichtung, Harry Hurry, die sich in einem Sturme wiegt,« sagte Wildtödter, seine unzeitgemäße Lustigkeit zügelnd, mehr aus Zartgefühl gegen die Andern, als aus Achtung vor dem befreiten Gefangenen. »Es freut mich jedoch zu sehen, daß Euch nicht Euer Haar von einem der Irokesischen Barbiere bei Eurem letzten Besuch in ihrem Lager ist frisirt worden.«

»Hört, Wildtödter,« versetzte der Andere etwas trotzig; »es wäre klug von Euch, bei dieser Gelegenheit weniger der Lustigkeit zu pflegen, und mehr der Freundschaft. Handelt einmal wie ein Christ, und nicht wie ein lachsüchtiges Mädchen in einer Landschule, wenn der Lehrer den Rücken kehrt, und sagt mir nur, ob da am Ende von meinen Beinen Füße sind oder nicht? Ich glaube sie doch zu sehen, aber was das Fühlen betrifft, so könnten sie ebenso gut drunten an den Ufern des Mohawks seyn, als wo sie mir zu seyn scheinen.«

»Ihr seyd ganz davongekommen, Hurry, und das will Viel sagen,« versetzte der Andere, heimlich dem Indianer den Rest des bedungenen Lösegeldes zusteckend, und zugleich gab er ihm einen ernsten Wink, seinen Rückzug anzutreten. »Ihr seyd ganz davongekommen, mit Füßen und Allem, und seyd jetzt nur ein wenig starr, in Folge des scharfen Anziehens der Weiden. Die Natur wird schon das Blut in Bewegung setzen, und dann könnt Ihr anfangen zu tanzen, um Eure, wie ich sagen möchte, höchst wundervolle und unerwartete Befreiung aus der Höhle der Wölfe zu feiern.«

Wildtödter löste die Arme seiner Freunde von den Banden, so wie Beide heraufstiegen, und sie stampften und hinkten jetzt auf der Plattform herum, brummend und Verwünschungen ausstoßend, indem sie dem wiederkehrenden Blutumlauf nachzuhelfen suchten. Sie waren jedoch zu lange gebunden gewesen, um in einem Augenblick wieder den Gebrauch ihrer Glieder zu erlangen; und da die Indianer auf dem Rückweg ebenso fleißig arbeiteten, als auf dem Herweg, war der Floß volle hundert Schritte von dem Castell entfernt, als Hurry, zufällig nach jener Richtung gewandt, entdeckte, wie schnell derselbe dem Bereich seiner Rache sich entziehe. Er konnte sich jetzt mit erträglicher Leichtigkeit bewegen, obwohl noch starr und steif. Ohne jedoch seinen Zustand zu erwägen, ergriff er die Büchse, die an Wildtödters Schulter gelehnt war, und suchte sie zu spannen und anzulegen, der junge Jäger war ihm aber zu schnell. Er faßte das Gewehr und entrang es den Händen des Riesen, doch nicht ohne daß es in dem Kampfe losging, als gerade die Mündung nach oben gerichtet war. Wahrscheinlich hätte Wildtödter in diesem Ringen wegen des Zustands von Hurry’s Gliedmaßen siegen können; aber im Augenblick, wo das Gewehr losging, ließ es der Letztere fahren, und trollte dem Hause zu, die Beine bei jedem Schritt einen vollen Fuß über den Boden erhebend, weil er gar nicht recht spürte, wie er die Füße setzte. Aber Judith war ihm zuvorgekommen. Der ganze Vorrath von Hutter’s Waffen, der in dem Gebäude verwahrt war, als ein Hülfsmittel für den Fall eines plötzlichen Ausbruchs von Feindseligkeiten, war nach Wildtödters Anweisungen entfernt und versteckt worden. In Folge dieser Vorsichtsmaßregel fehlten March alle Mittel zur Ausführung seiner Rachepläne. Getäuscht in seinem rachgierigen Bestreben, setzte sich Hurry nieder, und wie Hutter, war er eine halbe Stunde lang zu sehr damit beschäftigt, den Blutumlauf wieder herzustellen und im freien Gebrauch seiner Glieder sich wieder zu üben, um andern Gedanken nachzuhängen. Nach Verfluß dieser Zeit war der Fluß verschwunden, und die Nacht begann ihre Schatten wieder über die ganze Waldscene zu werfen. Ehe die Dunkelheit völlig eingebrochen war, und während die Mädchen die Abendmahlzeit bereiteten, berichtete Wildtödter in skizzirtem Umriß die Ereignisse, welche stattgehabt, und erzählte ihm, welche Mittel er zur Sicherung seiner Kinder und seines Eigenthums ergriffen habe.