Achtzehntes Kapitel

Gegen Mittag legte sich der Sturm. Seine Wut sänftigte sich ebenso schnell, wie sie ausgebrochen war. In wehiger als zwei Stunden nach dem Abfallen des Windes war der glänzende Schaum auf der Oberfläche des Sees verstoben, obgleich dieser noch immer sehr bewegt war, und in der doppelten Zeit zeigte die ganze Wassermasse das gewöhnliche unruhige Wogen, auf das der Sturm keinen Einfluß mehr übt. Die Wellen schlugen zwar noch ohne Unterlaß gegen das Ufer, und die Linie der Brandungen blieb bestehen, aber das Auffliegen des Gischtes hatte nachgelassen. Das Wogen der Fluten war gemäßigter, und was noch von stärkerer Erregung zurückblieb, konnte als die Nachwirkung des erschöpften Sturmes betrachtet werden.

Da es nicht möglich war, bei dem leichten Gegenwind, der aus Osten wehte, gegen die noch aufgeregten Wellen zu steuern, so wurde der Gedanke, sich noch an diesem Nachmittag auf den Weg zu machen, aufgegeben. Jasper, der nun ungehindert sein Kommando wieder aufgenommen hatte, beschäftigte sich mit den Ankern, die nacheinander gelichtet wurden. Die Ketschen, mit denen sie verkettet waren, wurden aufgezogen und alles in segelfertigen Stand gesetzt, um abfahren zu können, sobald es das Wetter zuließ. Inzwischen ergingen sich die bei der Arbeit Unbeteiligten in Belustigungen, wie sie ihre eigentümliche Lage gerade erlaubte.

Mabel ließ sehnsüchtige Blicke nach dem Ufer herübergleiten, wie es denen zu gehen pflegt, die nicht an den engen Raum eines Schiffes gewöhnt sind, und bald gab sie den Wunsch zu erkennen, daß man womöglich landen möchte. Der Pfadfinder versicherte, daß nichts leichter sei, als ihrem Anliegen zu entsprechen, da sie einen Rindenkahn auf dem Deck hätten, mit dem sich die Durchfahrt durch die Brandung am besten bewerkstelligen lasse. Nach den gewöhnlichen Zweifeln und Bedenklichkeiten wurde der Sergeant aufgerufen, nach dessen Zustimmung sogleich die geeigneten Anstalten getroffen wurden, der Laune des Mädchens zu willfahren.

Die Gesellschaft, die zu landen wünschte, bestand aus Sergeant Dunham, seiner Tochter und dem Pfadfinder. An die Bewegungen eines Kahns gewöhnt, nahm Mabel ihren Sitz mit großer Festigkeit in der Mitte, ihr Vater setzte sich in den Bug, und Pfadfinder übernahm das Geschäft des Fährmannes, indem er das Ruder im Stern ergriff. Man bedurfte jedoch des Ruders nur wenig, denn die Rollwogen warfen den Kahn oft mit einer Heftigkeit vorwärts, die jede Anstrengung, die Bewegungen zu leiten, fruchtlos machte. Bis sie das Ufer erreichten, bereute Mabel mehr als einmal ihre Verwegenheit; aber Pfadfinder ermutigte sie und zeigte dabei soviel Selbstbeherrschung, Gelassenheit und persönliche Kraft, daß selbst eine Frau Anstand nehmen mußte, ihre Besorgnis einzugestehen. Mabel war nicht feigherzig, und während ihr die Fahrt durch eine Brandung als etwas ganz Neues vorkommen mochte, fühlte sie zugleich auch einen großen Teil der damit verbundenen wilden Lust. Bisweilen wollte ihr freilich der Mut sinken, wenn diese Schaumblase von einem Boot auf dem obersten Kamm der schäumenden Brandung das Wasser nur wie eine streichende Schwalbe zu berühren schien; dann aber lachte sie wieder errötend, wenn man das Element durchschnitten hatte und die Woge hinten zu weilen schien, als ob sie sich schäme, in diesem ungestümen Wettlauf besiegt worden zu sein. Diese Aufregung dauerte jedoch nur kurze Zeit, denn obgleich der Abstand zwischen dem Kutter und dem Land beträchtlich mehr als eine Viertelmeile betrug, so wurde er doch in einigen Minuten zurückgelegt.

Als sie ans Land gestiegen waren, küßte der Sergeant seine Tochter zärtlich (denn er war so sehr Soldat, daß er sich in jeder Hinsicht auf dem Festland heimischer fühlte als auf dem Wasser), ergriff dann sein Gewehr und gab seine Absicht zu erkennen, sich eine Stunde auf der Jagd zu ergehen.

»Pfadfinder wird bei dir bleiben, Mädel, und dir vielleicht einiges von der Geschichte dieses Weltteils oder von seinen Erfahrungen unter den Mingos erzählen.«

Pfadfinder lachte, versprach, für das Mädchen Sorge zu tragen, und in wenigen Minuten hatte der Vater eine Anhöhe erstiegen, wo er im Wald verschwand. Die Zurückgebliebenen schlugen eine andere Richtung ein und erreichten gleichfalls nach wenigen Minuten eine kleine kahle Spitze des Vorgebirges, wo sich dem Auge ein weites und ganz eigentümliches Rundgemälde darbot. Mabel setzte sich auf die Trümmer eines umgestürzten Felsblockes, um auszuruhen und wieder zu Atem zu kommen, während ihr Gefährte, auf dessen Sehnen keinerlei körperliche Anstrengung einen Einfluß zu üben schien, neben ihr stand und sich in seiner eigentümlichen, nicht anmutlosen Weise auf seine lange Büchse lehnte. So vergingen einige Minuten in Stillschweigen, während der besonders Mabel in Bewunderung des Anblicks verloren war.

Der Ort ihrer Rast lag hoch genug, um den weiten Bereich des Sees zu beherrschen, der sich endlos gegen Nordost erstreckte und, erglänzend unter den Strahlen der Nachmittagssonne, noch die Spuren der Bewegung trug, in die ihn der letzte Sturm versetzt hatte. Das Land säumte seine Ränder mit einem Ungeheuern Halbmond und verschwand gegen Südost und Norden in der Ferne. So weit das Auge reichte, erblickte es nichts als Wälder, und auch nicht eine Spur von Zivilisation unterbrach die gleichförmige und hehre Größe der Natur. Der Sturm hatte den Scud über die Linie des Forts hinausgetrieben, mit der die Franzosen damals die englischen Besitzungen in Nordamerika zum umgürten bemüht waren: Denn ihre Posten lagen, da sie den Verbindungskanälen der großen Seen folgten, an den Ufern des Niagara, indes unsere Abenteurer sich um viele Stunden westlich von dieser berühmten Wasserstraße befanden. Der Kutter lag vor einem einzelnen Anker außerhalb der Brandungen und glich einem artigen, sorgfältig gearbeiteten Spielzeug, daß eher für einen Glasschrank als für den Kampf der Elemente, dem er eben erst ausgesetzt gewesen, bestimmt schien, während der Kahn auf dem schmalen Strand gerade außer dem Bereich der Wellen ruhte, die am Land anschlugen und sich wie ein dunkler Punkt auf den Ufersteinchen ausnahm.

»Wir sind hier wohl sehr fern von menschlichen Wohnungen!« rief Mabel, als sich nach einem langen und sinnenden Blick auf dieses Panorama seine Haupteigentümlichkeiten ihrer geschäftigen Phantasie bemächtigt hatten. »Das heißt in der Tat an der Grenze sein.«

»Gibt es wohl ansprechendere Bilder als diese in der Nähe des Meeres und in der Umgebung großer Städte?« fragte Pfadfinder mit so viel Wärme, wie er nur auszudrücken vermochte.

»Ich will das nicht sagen. Man erinnert sich dort mehr an seinen Nebenmenschen als hier, aber vielleicht auch weniger an Gott.«

»Ja, Mabel, das sind ganz meine Gefühle. Ich weiß zwar wohl, daß ich nur ein armer unwissender Jäger bin. Aber Gott ist mir in dieser meiner Heimat so nahe wie dem König in seinem Palast.«

»Wer kann daran zweifeln?« erwidert Mabel, indem sie ihren Blick von der Aussicht weg auf die harten ehrlichen Züge ihres Gefährten richtete, da sie der kräftige Ausdruck seiner Worte überrascht hatte. »Man fühlt, glaub‘ ich, die Nähe Gottes mehr an einer solchen Stelle, als wenn der Geist durch das Gewühl der Städte zerstreut wird.«

»Sie sagen da alles, was ich sagen könnte, Mabel, aber in einer so viel einfacheren Sprache, daß ich erröten muß, wenn ich das, was ich bei solchen Anlässen fühle, anderen mitteilen möchte. Ich habe vor dem Kriege die Küsten dieses Sees durchstreift, um Felle zu erbeuten, und bin schon einmal hier gewesen – nicht gerade auf dieser Stelle, denn wir landeten dort, wo Sie die dürre Eiche über der Gruppe von Schierlingstannen sehen –«

»Wie, Pfadfinder? Ihr könnt Euch aller dieser Einzelheiten so genau erinnern?«

»Sie sind unsere Straßen und Häuser, unsere Kirchen und Paläste. Ob ich mich ihrer erinnere? – Aber ganz genau! Ich machte einmal der Schlange den Vorschlag, mit ihm nach sechs Monaten mittags um zwölf Uhr an dem Fuße einer gewissen Fichte zusammenzutreffen, obschon damals jeder an dreihundert Meilen von der Stelle entfernt war. Der Baum stand und steht noch, wenn nicht auch ihn sein Schicksal ereilt hat, in der Mitte des Waldes, fünfzig Meilen von der nächsten Ansiedlung, aber in einer Gegend, wo es ungewöhnlich viel Biber gibt.«

»Und traft Ihr ihn zur Stunde an Ort und Stelle?«

»Auf die Minute! Als ich bei dem Baum anlangte, fand ich den Häuptling mit zerrissenen Beinkleidern und schmutzigen Mokassins an dem Stamm lehnend. Der Delaware war in einen Sumpf gekommen und hatte nicht wenig Not gehabt, seinen Weg wieder ‚rauszufinden; aber er hielt Ort und Zeit so genau ein wie die Sonne, die über die östlichen Berge am Morgen heraufkommt und abends hinter den westlichen untergeht. Chingachgook kennt keine Furcht, mag sich’s um einen Freund oder einen Feind handeln; er hält jedem Wort.«

»Und wo ist der Delaware jetzt? Warum ist er heute nicht bei uns?«

»Er spürt die Mingofährte aus, was ich eigentlich auch tun sollte und aus einer großen menschlichen Schwäche unterlassen habe.«

»Ihr scheint über alle menschlichen Schwächen weit erhaben zu sein, Pfadfinder. Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der den Schwachheiten der Natur so wenig unterworfen zu sein schien.«

»Wenn Sie damit Gesundheit und Kraft meinen, Mabel, so hat mich die Vorsehung allerdings gütig behandelt, obgleich ich denke, daß frische Luft, das Jagdleben, rührige Kundschaftsmärsche, Wälderkost und der Schlaf eines guten Gewissens den Doktor immer fernhalten können. Im Grunde bin ich aber doch ein Mensch; ja, und ich fühle, daß ich es bisweilen recht sehr bin.«

Mabel blickte ihn überrascht und mit einem ziemlichen Anteil Neugier an, obgleich ihre Zunge rücksichtsvoller war.

»Es liegt etwas Bezauberndes in Eurem wilden Leben, Pfadfinder«, rief sie aus, und die Glut der Begeisterung legte sich auf ihre Wangen. »Ich finde, daß ich schnell zu einem Grenzmädchen werde und anfange, dieses großartige Schweigen der Wälder zu lieben. Die Städte erscheinen mir schal, und da mein Vater den Rest seiner Tage wahrscheinlich da zubringen will, wo er so lange gelebt hat, so kann ich mich wohl in das Gefühl finden, daß ich bei ihm glücklich sein werde, ohne nach dem Meeresufer zurückkehren zu wollen.«

»Die Wälder schweigen für den nie, der ihre Stimmen versteht, Mabel. Ich hab‘ sie tagelang allein durchwandert, ohne einen Mangel an Gesellschaft zu fühlen; und wenn man ihre Sprache zu deuten weiß, so fehlt’s auch nicht an verständiger und belehrender Unterhaltung.«

»Ich glaube, Ihr seid glücklicher, Pfadfinder, wenn Ihr allein seid, als im Gewühle Eurer Mitmenschen.«

»Ich will das nicht gerade sagen. Ich hab‘ ’ne Zeit gekannt, wo ich glaubte, daß mir Gott in meinen Wäldern genug sei, und wo ich um nichts flehte, als um seinen Schutz und seine Gnade. Jetzt haben aber andere Gefühle die Oberhand gewonnen, und ich denke, man muß der Natur ihren Lauf lassen. Alle anderen Geschöpfe paaren sich, Mabel, und es ist die Einrichtung getroffen, daß der Mensch ein Gleiches tue.«

»Und habt Ihr nie daran gedacht, Euch ein Weib zu suchen, Pfadfinder, und Euer Geschick mit ihm zu teilen?« fragte das Mädchen mit der Offenheit, die am besten die Reinheit und Arglosigkeit des Herzens bezeichnet, und mit dem Gefühl der Teilnahme, das dem weiblichen Geschlecht angeboren ist. »Mir scheint, es fehlt Euch nichts als ein Herd, zu dem Ihr von Euren Wanderungen heimkehren könnt, um das Glück Eures Lebens vollständig zu machen. Wenn ich ein Mann wäre, so würd‘ es meine größte Lust sein, nach Gefallen durch diese Wälder zu streifen und über diesen prächtigen See zu segeln.«

»Ich versteh‘ Sie, Mabel, und Gott segne Sie, daß Sie an die Wohlfahrt so geringer Leute, wie wir sind, denken. Es ist wahr, wir haben unsere Vergnügungen so gut wie unsere Gaben; aber wir möchten gern noch glücklicher sein. Ja, ich glaube, wir könnten noch glücklicher sein.«

»Glücklicher? – und wie das, Pfadfinder? In dieser reinen Luft, mit diesen kühlen, schattigen Wäldern durch die Ihr wandert, diesem lieblichen See, auf dem Ihr segelt: dazu noch ein reines Gewissen und der Überfluß an allen leiblichen Bedürfnissen – müssen da die Menschen nicht so vollkommen glücklich sein, wie es nur überhaupt bei ihrer Gebrechlichkeit möglich ist?«

»Jedes Geschöpf hat seine Gaben, Mabel, und auch die Menschen haben die ihren«, antwortete der Kundschafter mit einem verstohlenen Blick auf seine schöne Gefährtin, deren Wangen erglühten und deren Augen leuchteten – »und alles muß ihnen gehorchen. Sehen Sie die Wildtaube, die sich gerade gegen das Ufer hinunterläßt, dort in einer Linie mit dem umgestürzten Kastanienbaum?«

»Gewiß, denn es ist ja das einzige lebendige Geschöpf, das sich außer uns in dieser weiten Einsamkeit blicken läßt.«

»Nicht doch, Mabel, nicht doch; die Vorsehung schafft kein Leben, um es ganz allein hinzubringen. Da fliegt gerade ihr Männchen auf; es hat auf einer anderen Seite des Ufers Nahrung gesucht, aber es wird nicht lange von seiner Gefährtin getrennt bleiben.«

»Ich versteh‘ Euch, Pfadfinder«, erwiderte Mabel mit leisem Lächeln, obgleich sie dabei so ruhig blieb, als ob sie mit ihrem Vater spräche. »Aber ein Jäger kann auch in dieser wilden Gegend eine Gefährtin finden. Die indianischen Mädchen sind, soviel ich weiß, zärtlich und treu, denn so war wenigstens das Weib Pfeilspitzes, obgleich ihr Mann weit öfter die Stirn runzelte als lächelte.«

»Das würde nun und nimmermehr angehen, und nie könnte was Gutes dabei ‚rauskommen. Art darf nicht von Art und Land nicht vom Lande lassen, wenn einer sein Glück finden will. Wenn ich freilich jemand wie Sie treffen könnte, die sich entschlösse, einen Jäger zu heiraten und meine Unwissenheit und Rauheit nicht verspottete, dann würden mir sicher alle Mühen der Vergangenheit nur wie das Spielen des jungen Hirsches und meine künftigen Tage im Glänze der Sonne erscheinen.«

»Jemand wie ich? Ein Mädchen von meinen Jahren und meiner Unbesonnenheit möchte kaum eine passende Gefährtin für den kühnsten Kundschafter und den sichersten Jäger an den Grenzen abgeben.«

»Ach, ich fürchte, Mabel, ich hab‘ zuviel von den Gaben der Rothäute mit der Natur eines Bleichgesichts verbunden! Ein solcher Mann sollte sich wohl ein Weib aus einem indianischen Dorfe suchen.«

»Gewiß, Pfadfinder – gewiß! es ist nicht Euer Ernst, ein so simples, eitles und unerfahrenes Geschöpf wie mich zum Weibe zu nehmen.«

Mabel würde noch hinzugesetzt haben: »und ein so junges«; aber ein instinktartiges Zartgefühl unterdrückte diese Worte.

»Und warum nicht, Mabel? Wenn Sie unwissend sind, was die Grenzbräuche betrifft, so kennen Sie mehr angenehme Geschichtchen von dem Stadtleben als wir alle miteinander. Was Sie unter simpel verstehen, weiß ich nicht; wenn es aber ›schön‹ bedeutet, ach! dann fürcht‘ ich, daß es kein Fehler in meinen Augen ist. Eitel sind Sie nicht, wie man aus der Art bemerken kann, mit der Sie meinen müßigen Erzählungen von Fährten und Kundschaftszügen zuhören, und was die Erfahrung anbetrifft, so kommt diese mit den Jahren. Außerdem fürchte ich, Mabel, daß die Männer über solche Sachen wenig nachdenken, wenn sie ein Weib nehmen wollen; wenigstens geht’s mir so.«

»Pfadfinder, Eure Worte – Eure Blicke – sicherlich, alles dies ist nur Tändelei, nur Scherz von Euch?«

»Mir ist es immer angenehm, in Ihrer Nähe zu sein, Mabel, und ich würde in dieser Nacht weit gesünder schlafen, als ich die ganze vergangene Woche über getan habe, wenn ich denken könnte, daß Sie an solchen Unterhaltungen ebensoviel Vergnügen fänden wie ich.«

Obschon sich Mabel Dunham schon immer für den Liebling des Pfadfinders hielt, wie es ihr schneller weiblicher Scharfsinn bald entdeckt und vielleicht auch gelegentlich bemerkt hatte, da sich in seine Achtung und Freundschaft zugleich auch etwas von der männlichen Zärtlichkeit mischte, die das stärkere Geschlecht, wenn seine Sitten nicht ganz verwildert sind, dem zarteren hin und wieder zu zeigen geneigt ist, so war doch der Gedanke einer ernstlichen Werbung nie in ihrer Seele aufgetaucht. Jetzt aber traf sie eine Ahnung der Wahrheit, die vielleicht weniger durch die Worte als vielmehr durch das ganze Benehmen ihres Gefährten geweckt wurde.

Als Mabel mit Ernst in das faltige, ehrliche Gesicht des Waldläufers blickte, gewannen ihre Züge den Ausdruck der Sorge und der Bekümmernis; dann begann sie wieder in einer so gewinnenden Weise zu sprechen, daß Pfadfinder nur noch mächtiger durch sie angezogen wurde, obgleich ihre Worte die Absicht hatten, ihn zurückzuweisen.

»Ihr und ich sollten einander verstehen, Pfadfinder«, sagte sie mit aufrichtigem Ernst, »und es sollte sich keine Wolke zwischen uns legen. Ihr seid zu aufrichtig und offen, als daß ich Euch nicht auch mit Aufrichtigkeit und Offenheit entgegenkommen sollte. Gewiß, gewiß – Ihr habt mit allem dem nichts sagen wollen; es hat keine andere Verbindung mit Euren Gefühlen als die der Freundschaft, die ein Mann von Eurem Wissen und Charakter für ein Mädchen wie mich natürlicherweise fühlen kann.«

»Ich glaube, ’s ist alles natürlich, Mabel; ja, das glaub‘ ich. Der Sergeant sagt mir, er hätte solche Gefühle gegen Ihre Mutter gehegt; und ich denke, ich hab‘ auch etwas der Art bei den jungen Leuten gesehen, die ich von Zeit zu Zeit durch die Wildnis führte. Ja, ja; ich darf sagen, ’s ist alles natürlich genug, deshalb kommt es auch so leicht, und es wird einem so wohl dabei ums Herz.«

»Pfadfinder, Eure Worte machen mich unruhig. Sprecht deutlicher oder laßt uns den Gegenstand für immer abbrechen. Ich glaube nicht – ich kann nicht glauben, daß – daß Ihr mir wollt verstehen geben –« die Zunge des Mädchens stotterte, und die jungfräuliche Scham erlaubte ihr nicht, das zu vollenden, was sie noch so gern gesagt hätte. Sie sammelte jedoch ihren Mut wieder, entschlossen, so bald und so unumwunden wie möglich der Sache auf den Grund zu gehen, und fuhr daher nach einem kurzen Zögern fort:

»Ich meine, Pfadfinder, Ihr wollt mir doch nicht zu verstehen geben, daß Ihr mich im Ernst zu Eurem Weibe haben möchtet?«

»Freilich, Mabel, das ist’s; das ist’s eben, und Sie haben die Sache in ein weit helleres Licht gerückt, als ich mit meinen Waldgaben und meiner Grenzweise je fähig gewesen wäre. Der Sergeant und ich haben den Handel unter der Bedingung abgemacht, daß Sie damit einverstanden seien, und er meint, daß dies wahrscheinlich der Fall sein werde, wenngleich ich zweifle, ob ich die Eigenschaften besitze, einem Mädchen zu gefallen, das den besten Mann in ganz Amerika verdient.«

Mabels Gesicht ging von dem Ausdruck des Unbehagens zu dem des Staunens und dann, in noch rascherer Folge, zu dem des Schmerzes über.

»Mein Vater!« rief sie, »mein lieber Vater hatte den Gedanken, daß ich Euer Weib werden sollte, Pfadfinder?«

»Ja, den hatte er, Mabel; den hatte er in der Tat. Er glaubte sogar, diese Sache dürfte Ihnen angenehm sein, und hat mich solange ermutigt, bis ich glaubte, es sei wahr.«

»Aber Ihr – Ihr kümmert Euch gewiß wenig darum, ob diese sonderbare Hoffnung je in Erfüllung gehen wird oder nicht?«

»Wie?«

»Ich meine, Pfadfinder, daß Ihr von dieser Angelegenheit mehr wegen meines Vaters als um eines anderen Grundes willen mit mir gesprochen habt und daß Eure Gefühle keineswegs dabei beteiligt sind, mag nun meine Antwort ausfallen, wie sie will?«

Der Kundschafter blickte mit Ernst in Mabels schönes Antlitz, das unter der Glut ihrer Gefühle errötete, und man konnte den Ausdruck der Bewunderung unmöglich verkennen, der sich in jedem Zug seines sprechenden Gesichts verriet.

»Ich habe mich oft glücklich gefühlt, Mabel, wenn ich in der Fülle der Gesundheit und Kraft auf einer ertragreichen Jagd durch die Wälder streifte und die reine Luft der Berge atmete. Ich weiß aber jetzt, daß dies noch gar nichts heißen will im Vergleiche mit der Wonne, die mir das Bewußtsein geben würde, daß Sie besser von mir als von den meisten anderen denken.«

»Besser von Euch? – Wirklich, Pfadfinder, ich denke besser von Euch als von den meisten, vielleicht als von allen anderen; denn Eure Wahrheitsliebe, Ehrlichkeit, Einfachheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit finden kaum ihresgleichen auf Erden.«

»Ach, Mabel, wie süß und ermutigend klingen diese Worte aus Ihrem Munde, und der Sergeant hat im Grunde doch nicht so ganz unrecht gehabt, wie ich fürchtete.«

»Nein, Pfadfinder; ich beschwör‘ Euch bei allem, was heilig ist, laßt in einer Sache von so großer Wichtigkeit kein Mißverständnis zwischen uns Platz greifen. Wenn ich Euch auch schätze, achte nein, sogar verehre, fast so sehr, wie ich meinen teuren Vater verehre, so ist es doch nicht möglich, daß ich je Euer Weib werde – daß ich –«

Der Wechsel in den Zügen ihres Gefährten war so plötzlich und auffallend, daß Mabel in dem Augenblick, als sie die Wirkung ihrer Äußerungen in Pfadfinders Gesicht las, ungeachtet des sehnlichen Wunsches einer Verständigung, ihre Worte unterbrach und, weil sie ihm nicht weh tun wollte, stillschwieg. Es folgte eine lange Pause.

Der Schatten getäuschter Hoffnung, der sich über die rauhen Züge des Jägers gelagert hatte, wurde immer dunkler, so daß Mabel fast Angst und Furcht empfand, während das Gefühl des Erstickens bei dem Pfadfinder so mächtig wurde, daß er nach seiner Kehle griff wie einer, der gegen körperliches Leiden Hilfe sucht. Das krampfhafte Arbeiten seiner Finger erfüllte das beunruhigte Mädchen mit wahrer Todesangst.

»Nein, Pfadfinder«, fuhr Mabel hastig fort, sobald sie wieder über ihre Stimme gebieten konnte – »ich hab‘ vielleicht mehr gesagt, als ich sagen wollte; denn auf dieser Welt sind alle Dinge möglich, und die Frauen, sagt man, sind in ihren Entschließungen nicht immer am festesten. Ich wollte Euch nur zu verstehen geben, daß Ihr, Pfadfinder, und ich wahrscheinlich nie voneinander würden denken können, wie Mann und Weib voneinander denken sollen.«

»Ich denke nicht – ich werde nie wieder in dieser Weise an Sie denken, Mabel«, keuchte der Pfadfinder aus der zum Ersticken gepreßten Brust. »Nein, nein – ich werde nie, weder an Sie noch an jemand anders wieder in dieser Weise denken.«

»Pfadfinder, lieber Pfadfinder, versteht mich wohl! Legt nicht mehr Sinn in meine Worte, als ich selbst hineinlege. Eine derartige Heirat wäre unklug, vielleicht unnatürlich!«

»Ja, unnatürlich – gegen die Natur; ich hab‘ das auch dem Sergeanten gesagt, aber er wollt’s besser wissen.«

»Pfadfinder! Oh, das ist schlimmer, als ich mir einbilden konnte. Nehmt meine Hand, vortrefflicher Pfadfinder, und laßt mich daraus erkennen, daß Ihr mich nicht haßt. Um Gottes willen, seht mich nur wieder freundlich an.«

»Sie hassen, Mabel? Sie freundlich ansehen? Wehe mir!«

»Nein, gebt mir Eure Hand, Eure kühne, treue und männliche Hand – beide, beide, Pfadfinder! denn es wird mir nicht wohl, bis ich gewiß weiß, daß wir wieder Freunde sind und daß dies alles nur ein Mißverständnis war.«

»Mabel«, sagte der Pfadfinder, indem er einen langen und sinnenden Blick auf das Antlitz des erregten Mädchens warf, das seine harten, sonnverbrannten Hände zwischen ihren Fingern hielt, und dazu in seiner eigentümlichen lautlosen Weise lachte, obgleich in jeder Linie seines Gesichtes, das keiner Täuschung fähig zu sein schien, der Ausdruck des Schmerzes hervortrat, da sich die widersprechendsten Gefühle in seinem Mienenspiel bekämpften – »Mabel! der Sergeant hatte unrecht.«

Die verhaltenen Gefühle waren nun nicht mehr zurückzudrängen, und Tränen rollten über die Wangen des Kundschafters wie Regengüsse. Seine Finger arbeiteten wieder krampfhaft an seiner Kehle, und seine Brust hob sich wie unter einer schweren Last, die sie unter verzweifelten Anstrengungen abwerfen wollte.

»Pfadfinder! Pfadfinder!« rief Mabel laut; »alles, nur das nicht! Sprecht mit mir, Pfadfinder, lächelt wieder; sagt mir nur ein freundliches Wörtchen, zum Beweis, daß Ihr mir vergeben habt.«

»Der Sergeant hatte unrecht«, rief Pfadfinder, indem er mitten in seinem Seelenkampf ein Lachen aufschlug, daß seine Gefährtin vor dieser unnatürlichen Mischung von Beängstigung und Heiterkeit zurückbebte. »Ich wußt‘ es, ich wußt‘ es und hab’s vorausgesagt; ja, der Sergeant hatte doch unrecht, wie ich deutlich einsehe.«

»Wir könnten Freunde sein, ohne daß wir gerade Eheleute sind«, fuhr Mabel fort, die sich in einem fast ebenso verwirrten Zustand befand wie ihr Gefährte und kaum wußte, was sie sagte. »Wir können immer Freunde sein und wollen es auch stets bleiben.«

»Ich dachte mir’s immer, daß der Sergeant in einem Irrtum befangen sei«, fuhr der Pfadfinder fort, als er mit gewaltiger Anstrengung wieder Herr seiner Bewegungen geworden war, »denn ich bildete mir nie ein, daß meine Gaben von der Art seien, um mir die Neigung eines Stadtmädchens gewinnen zu können. Er hätte besser getan, wenn er unterlassen hätte, mir das Gegenteil aufzuschwatzen, und es war‘ vielleicht auch besser gewesen, wenn Sie weniger gefällig und zutraulich gewesen wären; ja, gewiß! das wäre es.«

»Wenn ich dächte, daß ein Irrtum von meiner Seite, wie unabsichtlich er auch sein mochte, trügerische Hoffnungen in Euch erweckt habe, Pfadfinder, so könnt‘ ich mir nimmer vergeben; denn glaubt mir, ich möchte lieber alles über mich ergehen lassen, als Euch leiden sehen.«

»Das ist’s eben, Mabel; das ist’s eben. Diese Worte und Gedanken, die Sie mit so weicher Stimme und auf eine Weise aussprechen, wie ich sie in den Wäldern noch nie gehört habe, haben all dies Unheil angerichtet. Es wird mir aber jetzt klarer, und ich fange an, den Unterschied zwischen uns besser zu erkennen. Ich will mir Mühe geben, meine Gedanken zu zügeln, und wieder hinausgehen in die Wälder, um dem Wild und dem Feind aufzulauern. Ach, Mabel! ich bin wahrlich auf einer ganz falschen Fährte gewesen, seit ich das erstemal mit Ihnen zusammentraf.«

»Aber Ihr werdet nun wieder auf der rechten wandeln. Bald habt Ihr dies alles vergessen und blickt auf mich als auf eine Freundin, die Euch ihr Leben verdankt.«

»Das mag vielleicht die Weise der Städter sein; aber ich zweifle, ob dies in den Wäldern ebenso natürlich ist. Wenn bei uns das Auge einen lieblichen Anblick trifft, so haftet es lange darauf, und wenn ihn die Seele aufrichtig und auf eine schickliche Weise lieb gewinnt, so mag sie sich nicht mehr davon trennen.«

»Aber Eure Liebe zu mir ist weder ein schickliches Gefühl noch mein Anblick ein lieblicher. Ihr werdet alles das vergessen, wenn Ihr zu ernsterer Besinnung kommt und auf einmal einseht, daß ich durchaus nicht zu Eurem Weibe passe.«

»Das hab‘ ich auch dem Sergeanten gesagt, aber er wollt’s besser wissen. Ich wußte wohl, daß Sie zu jung und zu schön sind für einen Mann, der bereits in den mittleren Jahren steht und selbst als Jüngling nie besonders liebenswürdig ausgesehen hat. Dann sind auch Ihre Wege nicht die meinigen gewesen, und die Hütte eines Jägers würde wohl keine schickliche Wohnung für ein Mädchen sein, das sozusagen unter Häuptlingen erzogen wurde. Freilich, wenn ich jünger und schöner wäre, etwa wie Jasper Eau-douce –«

»Nichts von Jasper Eau-douce«, unterbrach ihn Mabel ungeduldig; »wir können von was anderem sprechen.«

»Jasper ist ein tüchtiger Bursche, Mabel, ja, und ein hübscher dazu«, erwiderte der arglose Pfadfinder mit einem ernsten Blick auf das Mädchen, als ob er ihren Worten nicht traue, da sie sich so geringschätzig über seinen Freund äußerte. »Wär‘ ich nur halb so schön als Jasper Western, so würden meine Besorgnisse in dieser Angelegenheit nicht halb so groß und auch wahrscheinlich weniger begründet gewesen sein.«

»Wir wollen nicht von Jasper Western reden«, wiederholte Mabel, bis zur Stirn errötend; »er mag wohl gut genug für einen Sturm sein oder auf dem See, aber er ist nicht gut genug, hier den Gegenstand unseres Gespräches zu bilden.«

»Ich fürchte, Mabel, er ist besser als jeder andere Mann, der einmal Ihr Gatte wird. Zwar sagte der Sergeant, daß aus dieser Sache nie was werden könne; aber er hat einmal unrecht gehabt, und so mag dies wohl auch zum zweitenmal der Fall sein.«

»Und wer wird denn wohl wahrscheinlich mein Gatte werden, Pfadfinder? Ihr sprecht da von etwas, was mich kaum weniger befremdet als das, was eben zwischen uns vorgegangen ist.«

»Ich weiß, es ist natürlich, daß Gleiches das Gleiche sucht, und daß solche, die viel mit Offiziersfrauen umgegangen sind, gern selbst Offiziersfrauen werden möchten. Aber, Mabel, ich weiß auch, daß ich mich unverhohlen gegen Sie aussprechen darf, und hoffe, daß Sie mir meine Worte nicht übelnehmen; denn da es mir nun bekannt ist, wie schmerzlich derartige Täuschungen auf unserer Seele lasten, so möcht‘ ich nicht einmal über das Haupt eines Mingo einen solchen Kummer bringen. Aber das Glück findet sich in einem Offizierszelt nicht häufiger als in dem eines gemeinen Soldaten, und wenn auch die Wohnungen der Offiziere verführerischer aussehen als die übrigen Baracken, so fühlt sich doch oft ein Ehepaar innerhalb der Türen der erstem recht unglücklich.«

»Ich zweifle nicht im mindesten daran, Pfadfinder, und beruhte die Entscheidung auf mir, so würd‘ ich Euch lieber zu irgendeiner Hütte in die Wälder folgen und Euer Schicksal, möchte es nun gut oder schlimm sein, mit Euch teilen, ehe ich das Innere der Wohnung irgendeines mir bekannten Offiziers in der Absicht beträte, als die Frau ihres Bewohners dort zu bleiben.«

»Lundie hofft oder glaubt, es werde sich wohl anders machen.«

»Was kümmere ich mich um Lundie? Er ist Major vom Fünfundfünfzigsten und mag seine Leute ›Rechts um‹ und ›Marsch‹ machen lassen, solang‘ es ihm beliebt; er kann mich nicht zwingen, irgendeinen zu heiraten, sei er nun der Erste oder der Letzte seines Regiments. Doch was kann Euch von Lundies Wünschen über diesen Gegenstand bekannt sein?«

»Ich hab‘ es aus Lundies eigenem Munde. Der Sergeant sagte ihm, daß er mich zu seinem Schwiegersohn haben möchte, und der Major, mein alter und treuer Freund, sprach mit mir über die Sache. Er machte mir unumwunden Vorstellungen, ob es nicht edelmütiger von mir wäre, zugunsten eines Offiziers zurückzutreten, als ob ich mir Mühe gäbe, Sie in das Schicksal eines Jägers zu verflechten. Ich gab zu, daß er recht haben möge – ja, ich tat das; als er mir aber sagte, daß er unter dem Offizier den Quartiermeister meine, so wollt‘ ich nichts mehr von seinen Vorschlägen wissen. Nein, nein, Mabel, ich kenne Davy Muir genau, und wenn er Sie auch zu einer Dame machen kann, so kann er Sie doch nie zu einer glücklichen Frau und sich selbst zu einem Ehrenmann machen. Das ist so meine ehrliche Meinung, ja, ja; denn ich seh‘ nun deutlich, daß der Sergeant unrecht gehabt hat.«

»Mein Vater hat sehr unrecht gehabt, wenn er etwas sagte oder tat, was Euch Kummer machte, Pfadfinder: Und meine Achtung gegen Euch ist so groß und meine Freundschaft so aufrichtig, daß ich, wäre es nicht um eines willen – ich will damit sagen, daß niemand den Einfluß des Leutnants Muir auf mich zu fürchten hat – lieber bis zu meinem Todestag bleiben würde wie ich bin, ehe ich um den Preis meiner Hand durch den Quartiermeister eine vornehme Frau werden möchte.«

»Ich glaub‘ nicht, daß Sie was sagen, was Sie nicht fühlen?« erwiderte Pfadfinder mit Ernst.

»Nicht in einem solchen Augenblick, nicht in einer solchen Sache und am allerwenigsten gegen Euch. Nein, Leutnant Muir soll sich seine Frau suchen, wo er will – mein Name wenigstens wird nie auf seiner Liste stehen.«

»Ich dank‘ Ihnen, Mabel, ich dank‘ Ihnen dafür; denn wenn schon für mich die Hoffnung entschwunden ist, so könnt‘ ich doch nie glücklich sein, wenn Sie den Quartiermeister nähmen. Ich fürchtete, sein Rang möchte für etwas angeschlagen werden – und ich kenne diesen Mann. Es ist nicht die Eifersucht, die mich so sprechen läßt, sondern die reine Wahrheit, denn ich kenne den Mann. Ja, wenn Ihre Neigung auf einen verdienstvollen jungen Mann fiele, so einen, wie Jasper Western zum Beispiel –«

»Warum kommt Ihr mir immer mit diesem Jasper Eau-douce, Pfadfinder? Er steht in keiner Beziehung zu unserer Freundschaft; laßt uns daher von Euch sprechen und von der Weise, wie Ihr den Winter hinzubringen beabsichtigt.«

»Ach! – Ich bin nur wenig wert, Mabel, wenn es nicht etwa einer Fährte oder einer Büchse gilt; und jetzt um so weniger, seit ich des Sergeanten Mißgriff entdeckt habe, ’s ist daher nicht nötig, von mir zu sprechen. Es ist mir recht angenehm gewesen, solang in Ihrer Nähe zu sein und mir dabei ein bißchen einzubilden, daß der Sergeant recht habe; das ist aber nun alles vorbei. Ich will mit Jasper den See hinabgehen, und dann wird es genug Beschäftigung für uns geben, um unnütze Gedanken fernzuhalten.«

»Und Ihr werdet dies vergessen – mich vergessen? Nein, nicht mich vergessen, Pfadfinder; aber Ihr werdet Eure frühere Beschäftigung wieder aufnehmen und aufhören, ein Mädchen für bedeutend genug zu halten, Euren Frieden zu stören.«

»Ich wußte früher nie was von solchen Dingen, Mabel; aber die Mädchen haben doch ’ne größere Bedeutung im Leben, als ich früher glauben konnte. Ja, eh‘ ich Sie kannte, schlief das neugeborene Kind nicht süßer, als dies bei mir gewöhnlich der Fall war; mein Haupt lag kaum auf einer Wurzel, einem Stein oder vielleicht auf einem Fell, so war den Sinnen alles entschwunden, wenn nicht etwa die Beschäftigung des Tages in meine Träume überging: Und so lag ich, bis der Zeitpunkt des Erwachens kam, und ebenso gewiß, wie die Schwalbe mit ihren Schwingen das Licht begrüßt, war ich in dem gewünschten Augenblick auf den Beinen. Alles das schien eine Gabe zu sein, und ich konnte selbst mitten in einem Mingolager darauf rechnen; denn ich hab‘ mich meiner Zeit selbst bis in die Dörfer dieser Vagabunden gewagt.«

»Alles dies wird wiederkommen, Pfadfinder; denn ein so wackerer und biederer Mann wird nimmermehr sein Glück an einen bloßen Wahn wegwerfen. Ihr werdet wieder von Euren Jagden träumen, von dem Hirsch, den Ihr erlegt, und dem Biber, den Ihr gefangen habt.«

»Ach, Mabel! Ich wünsche nie wieder zu träumen. Ehe ich Sie kannte, gewährte es mir eine gewisse Lust, in meinen Phantasien den Hunden zu folgen und der Fährte der Irokesen nachzustreichen – ja, meine Gedanken führten mich in Scharmützel und Hinterhalte, und ich fand darin mein Behagen. Aber all das hat seinen Reiz verloren, seit ich mit Ihnen bekannt geworden bin. Von solchen rohen Dingen kommt nichts mehr in meinen Träumen vor. So dünkte mich in der letzten Nacht, die wir in der Garnison zubrachten, ich hätte eine Hütte in einem Lustwäldchen von Zuckerahorn, und am Fuß eines jeden Baumes stand eine Mabel Dunham, indes die Vögel auf den Zweigen statt ihrer natürlichen Weisen Liedchen sangen, daß selbst der Hirsch horchend stille hielt. Ich versuchte es, ein Schmaltier zu schießen, aber mein Wildtod gab nicht Feuer, und die Kreatur lachte mir so vergnügt ins Gesicht, wie ein junges Mädel in ihrer Heiterkeit zu tun pflegt, und dann hüpfte sie fort, wobei sie nach mir zurücksah, als erwarte sie, daß ich ihr folgen werde.«

»Nichts mehr davon, Pfadfinder! Wir wollen nicht mehr über diese Dinge reden«, sagte Mabel, indem sie die Tränen von ihren Augen wischte, denn die einfache und ernste Weise, mit der dieser rauhe Waldbewohner verriet, wie tiefe Wurzeln seine Gefühle gefaßt hatten, überwältigte fast ihr gutes Herz. »Wir wollen uns jetzt nach meinem Vater umsehen; er kann nicht weit weg sein, denn ich hörte den Knall seiner Flinte ganz in der Nähe.«

»Der Sergeant hatte unrecht – ja, er hatte unrecht, und es wird nichts nützen, die Taube mit dem Wolf paaren zu wollen.«

»Hier kommt mein lieber Vater«, unterbrach ihn Mabel. »Wir müssen heiter und zufrieden aussehen, Pfadfinder, wie sich’s für gute Freunde ziemt, und unsere Geheimnisse für uns behalten.«

Es folgte nun eine Pause; dann hörte man ganz nahe den Fuß des Sergeanten die trockenen Zweige zertreten, bis endlich seine Gestalt seitwärts an dem Gebüsch des Unterholzes sichtbar wurde. Als der alte Soldat auf dem freien Platz anlangte, betrachtete er prüfend seine Tochter und ihren Gefährten und sprach in guter Laune:

»Mabel, Kind, du bist jung und leicht auf den Beinen. Sieh nach dem Vogel, den ich geschossen habe, und der gerade dort bei dem Dickicht der jungen Schierlingstanne am Ufer niederfiel. Du brauchst dir dann nicht die Mühe zu geben, wieder den Hügel heraufzukommen; denn da uns Jasper ein Zeichen machen will, wenn es Zeit ist zu kommen, so können wir nach ein paar Minuten am Gestade zusammentreffen.«

Mabel gehorchte und sprang mit den leichten Schritten der Jugend und Gesundheit den Hügel hinab. Aber ungeachtet der Leichtigkeit ihres Trittes war doch das Herz des Mädchens schwer, und sobald sie das Dickicht der Beobachtung entzog, warf sie sich an dem Fuß eines Baumes nieder und weinte, als ob ihr das Herz brechen wollte. Der Sergeant betrachtete sie, bis sie verschwunden war, mit dem Stolz eines Vaters und kehrte sich dann mit einem so freundlichen und vertraulichen Lächeln, wie ihm seine Gewohnheit gegen irgend jemand gestatten mochte, zu dem Kundschafter.

»Sie hat die Leichtigkeit und Rührigkeit ihrer Mutter und etwas von der Kraft ihres Vaters«, sagte er. »Ihre Mutter war, glaub‘ ich, nicht ganz so schön; aber die Dunhams hielt man immer für hübsch, mochten es Männer oder Weiber sein. Nun, Pfadfinder, ich zweifle nicht, daß Ihr die Gelegenheit nicht entschlüpfen ließt und mit dem Mädchen offen gesprochen habt? Frauen lieben in solchen Dingen die Freimütigkeit.«

»Ich glaube, Mabel und ich verstehen einander wenigstens, Sergeant«, erwiderte der andere und schaute nach der entgegengesetzten Richtung, um dem Blick des Soldaten auszuweichen.

»Um so besser. Es gibt Leute, die immer glauben, daß ein bißchen Zweifel und Ungewißheit der Liebe noch mehr Leben gebe; ich halt‘ es aber mit der Offenheit und denke, sie führt weit eher zu einem Verständnis. War Mabel überrascht?«

»Ich fürchte, ja – Sergeant, ich fürchte, sie war nur allzusehr überrascht – ja, das fürchte ich.«

»Gut, gut! Überraschungen in der Liebe sind was die Hinterhalte im Krieg und ebenso zulässig, obgleich die Überraschung eines Weibes nicht so leicht zu erkennen ist wie die eines Feindes. Mabel lief nicht davon, mein Freund – nicht wahr?«

»Nein, Sergeant; Mabel versuchte nicht auszuweichen; das kann ich mit gutem Gewissen sagen.«

»Ich hoffe, daß das Mädel doch nicht allzu willig gewesen ist? Ihre Mutter tat wenigstens einen Monat lang spröde und zimperlich. Aber die Freimütigkeit ist schließlich doch der beste Empfehlungsbrief für Mann und Weib.«

»Ja, das ist sie, das ist sie; aber ein gesundes Urteil auch.«

»Ach, nach dem darf man bei einem jungen Geschöpf von zwanzig Jahren nicht allzuviel fragen; aber es kommt mit der Erfahrung. Ein Mißgriff von Euch oder mir zum Beispiel dürfte freilich nicht so leicht übersehen werden.«

Die Muskeln im Gesicht des Zuhörers zuckten, als der Sergeant seinen Gefühlen in dieser Weise Luft machte, obgleich der Pfadfinder nun wieder einen Teil jenes Stoizismus erlangt hatte, der ein hervorstechender Zug in seinem Charakter und wahrscheinlich eine Folge seines langen Umgangs mit den Indianern war. Seine Augen hoben und senkten sich, und einmal schoß ein Strahl über seine harten Züge, als ob er im Begriff sei, seinem eigentümlichen Lachen Raum zu geben. Aber dieser Anflug von Heiterkeit verlor sich schnell in einen Blick der Bekümmernis. Diese ungewöhnliche Mischung eines wilden und schmerzlichen Seelenkampfes mit der natürlichen einfachen Heiterkeit hatte Mabel am meisten erschreckt. Wenn während ihrer Unterredung die Bilder des Glückes und der frohen Laune in einem Gemüt auftauchten, das in seiner Einfalt und Natürlichkeit beinah kindlich erschien, so fühlte sich das Mädchen zuerst zu der Annahme versucht, daß das Herz ihres Verehrers nur leicht berührt sei; dieser Eindruck verwischte sich aber bald, als sie die schmerzlichen und tiefen Erregungen bemerkte, die das Innerste seiner Seele zu zerschneiden schienen. Pfadfinder war in dieser Beziehung wirklich ein bloßes Kind. Unerfahren in der Weise der Welt, fiel es ihm nicht ein, irgendeinen Gedanken zu verhehlen: Sein Gemüt nahm jeden Eindruck auf und gab ihn ebenso leicht zurück. Ein Kind konnte seine launische Einbildungskraft kaum mit einer größeren Leichtigkeit einer vorübergehenden Erregung hingeben als dieser Mann, der so einfach in seinen Gefühlen, so ernst, so gelassen und männlich und so streng in allem war, was sein gewöhnliches Treiben berührte.

»Ihr habt recht, Sergeant«, antwortete der Pfadfinder; »ein Mißgriff von Eurer Seite ist schon eine ernstere Sache.«

»Ihr werdet Mabel zuletzt doch aufrichtig und ehrlich finden; laßt ihr nur ein bißchen Zeit.«

»Ach, Sergeant!«

»Ein Mann von Euren Verdiensten würde auf einen Stein Eindruck machen, wenn Ihr ihm Zeit ließt, Pfadfinder.«

»Sergeant Dunham, wir sind alte Kriegskameraden – das heißt, wie man den Krieg eben hier in den Wäldern führt –, und wir haben uns gegenseitig so viel Liebes erwiesen, daß wir wohl aufrichtig gegeneinander sein können. – Was hat Euch denn veranlaßt, zu glauben, daß Mabel einen so rauhen Burschen, wie ich bin, gern haben könne?«

»Was? – ach, eine Menge von Gründen, und dazu recht gute, mein Freund. Vielleicht die Liebesbeweise, von denen Ihr eben spracht, und die Kämpfe, die wir miteinander bestanden; und dann seid Ihr mein geschworener und geprüfter Freund.«

»All das klingt ja ganz gut, soweit es Euch und mich betrifft; aber es steht in keiner Berührung mit Eurer hübschen Tochter. Sie denkt vielleicht, daß gerade die Kämpfe das etwas schmuckere Aussehen verheerten, das ich einmal gehabt haben mag; und ich bin nicht darüber im reinen, ob des Vaters Freundschaft besonders geeignet ist, einem Anbeter die Liebe eines jungen Mädchens zu verschaffen. Gleich und gleich gesellt sich, sag‘ ich Euch, Sergeant; und meine Gaben sind nicht ganz Mabel Dunhams Gaben.«

»Das sind wieder einige von Euren alten überbescheidenen Skrupeln, Pfadfinder, die Euch bei dem Mädchen nicht weiterbringen werden. Weiber vertrauen den Männern nicht, wenn diese sich selbst nicht vertrauen, und halten sich an solche, die gegen nichts ein Mißtrauen haben. Ich gebe zwar zu, die Bescheidenheit ist eine Kardinaltugend für einen Rekruten oder für einen jungen Leutnant, der eben zum Regiment gekommen ist, denn sie hält ihn ab, einen Unteroffizier auszuzanken, ehe er weiß, ob er einen Grund dazu hat; auch weiß ich nicht gewiß, ob sie nicht auch bei einem Kriegskommissär oder einem Pfarrer am Platz wäre, aber sie ist des Teufels, wenn sie von einem wirklichen Soldaten oder einem Liebhaber Besitz nimmt. Ihr dürft sowenig wie möglich mit ihr zu tun haben, wenn Ihr ein Weiberherz gewinnen wollt. Was Euren Grundsatz, daß sich nur das Gleiche gefalle, anbelangt, so ist er in solchen Dingen so unrichtig wie nur immer möglich. Wenn Gleiches das Gleiche liebte, so würden die Weiber einander lieben, und dasselbe müßte auch bei den Männern der Fall sein. Nein, nein; Gleiches liebt Ungleiches –« der Sergeant hatte nämlich seine Schule nur in der Kaserne und dem Lager gemacht – »und Ihr habt in dieser Hinsicht von Mabel nichts zu fürchten. Betrachtet einmal den Leutnant Muir; der Mann hat schon fünf Weiber gehabt, wie ich höre, und es steckt nicht mehr Bescheidenheit in ihm als in einer neunschwänzigen Katze.«

»Leutnant Muir wird nie der Mann von Mabel Dunham werden, wenn er auch seine Federn noch so schön fliegen läßt.«

»Das ist eine vernünftige Bemerkung von Euch, Pfadfinder; denn ich bin damit im reinen, daß Ihr mein Schwiegersohn werden sollt. Wenn ich selbst ein Offizier wäre, so möchte vielleicht Herr Muir einige Aussicht haben. Aber die Zeit hat eine Tür zwischen mich und mein Kind gestellt, und ich wünsche nicht, daß es auch noch die eines Offizierszeltes sein soll.«

»Sergeant, wir müssen Mabel ihrer Neigung folgen lassen. Sie ist jung und leichten Herzens, und Gott verhüte, daß irgendein Wunsch von mir auch nur das Gewicht einer Feder auf ihr immer heiteres Gemüt lege oder das Glück ihrer Fröhlichkeit nur einen Augenblick verstimme.«

»Habt Ihr frei mit dem Mädchen gesprochen?« fragte der Sergeant rasch und etwas rauh.

Pfadfinder war zu ehrlich, um nicht die unumwundene Wahrheit zu antworten, und doch zu ehrenhaft, um Mabel zu verraten und sie dem Unwillen eines Vaters auszusetzen, von dem er wußte, daß er sehr streng in seinem Zorn war.

»Wir haben uns offen ausgesprochen«, sagte er; »und obgleich Mabel ein Mädchen ist, das jeder gerne ansieht, so find‘ ich dabei doch wenig, Sergeant, was mich besser von mir selbst denken ließe.«

»Das Mädel hat sich doch nicht unterstanden, Euch zurückzuweisen – ihres Vaters besten Freund zurückzuweisen?«

Pfadfinder wandte sein Gesicht ab, um den Blick der Bekümmernis zu verbergen, die, wie er fühlte, seine Züge umdüsterte, fuhr jedoch mit ruhiger männlicher Stimme fort:

»Mabel ist zu gut, um irgend jemanden zurückzuweisen oder selbst nur gegen einen Hund harte Worte zu gebrauchen. Ich habe meinen Antrag nicht so gestellt, daß er geradezu zurückgewiesen werden konnte, Sergeant.«

»Und habt Ihr erwartet, daß meine Tochter nur so in Eure Arme fliegen sollte, ehe Ihr Euch vollkommen erklärt habt? Sie wäre nicht ihrer Mutter Kind gewesen, wenn sie das getan hätte, und ich glaube, auch nicht das meinige. Die Dunhams lieben die Offenheit so gut wie des Königs Majestät, aber sie werfen sich nicht weg. Laßt mich die Sache für Euch abmachen, Pfadfinder, und sie wird sich nicht unnötig in die Länge ziehen. Ich will diesen Abend noch selbst mit dem Mädchen reden, und Euer Name soll den Hauptgegenstand des Gespräches bilden.«

»Ich wünschte, Ihr tätet’s lieber nicht, Sergeant. Überlaßt die Sache Mabel und mir, und ich denke, daß zuletzt noch alles recht werden soll. Junge Mädchen sind wie scheue Vögel und lieben es nicht sehr, übereilt und hart angegangen zu werden. Überlaßt mir und Mabel die Sache.«

»Nun, meinetwegen, aber nur unter einer Bedingung, mein Freund. Ihr müßt mir nämlich mit Eurem Ehrenwort versprechen, daß Ihr bei der nächsten schicklichen Gelegenheit offen und ohne gezierte Worte mit Mabel redet.«

»Ich will sie fragen, Sergeant – Ja, ich will sie fragen; aber Ihr müßt mir versprechen, daß Ihr Euch nicht in unsere Angelegenheiten mischen wollt. Ich verspreche Euch dann, Mabel zu fragen, ob sie mich heiraten will, selbst auf die Gefahr hin, daß sie mir ins Gesicht lacht.«

Sergeant Dunham gab gerne das verlangte Versprechen, denn er hatte sich vollständig in die Überzeugung hineingearbeitet, daß der Mann, den er so sehr achtete und schätzte, auch seiner Tochter annehmbar erscheinen müsse. Er hatte selbst auch eine Frau, die viel jünger als er war, geheiratet und sah daher nichts Unpassendes in dem Altersunterschied des Paares.

Als der Pfadfinder und sein kriegerischer Freund den Hügel hinab gegen das Seeufer stiegen, wurde die Unterhaltung noch immer weitergeführt. Letzterer fuhr fort, dem ersteren einzureden, daß seine Schüchternheit allein einem vollständigen Erfolg bei Mabel im Wege stehe und daß es nur der Ausdauer bedürfe, um zum Ziel zu kommen. Pfadfinder war von Natur zu bescheiden und durch das Gespräch mit Mabel auf eine zwar schonende, aber zu unumwundene Weise entmutigt worden, um all dem, was er hörte, Glauben zu schenken. Der Vater hatte aber so viele annehmlich scheinende Gründe bei der Hand, und der Gedanke, Mabel doch noch besitzen zu können, enthielt so viel Anziehendes, daß dieser Sohn der Natur Mabels Benehmen doch nicht ganz in dem Lichte betrachten zu müssen glaubte, wie er es zu tun geneigt gewesen war. Er glaubte allerdings nicht alles, was ihm der Sergeant sagte; aber er fing an zu vermuten, daß jungfräuliche Scheu und Unsicherheit ihrer eigenen Gefühle Mabel veranlaßt hätte, sich auf die obenerwähnte Weise auszusprechen.

»Der Quartiermeister ist nicht ihr Liebling«, antwortete Pfadfinder auf eine von den Bemerkungen seines Gefährten. »Mabel wird ihn immer bloß als einen Mann betrachten, der bereits vier oder fünf Weiber gehabt hat.«

»Und das ist mehr als ihm gebührt. Ein Mann mag allenfalls zweimal heiraten, ohne gegen die Moral und Ehrbarkeit anzustoßen; aber viermal ist ja was Ungeheures.«

»Ich sollte das Heiraten zum erstenmal schon für einen Umstand oder ein Indiz halten, wie es Meister Cap nennt«, warf Pfadfinder mit seinem ruhigen Lachen ein, da seine Lebensgeister wieder etwas von ihrer Frische gewonnen hatten.

»Das ist’s auch in der Tat und dazu ein recht feierlicher Umstand. Wenn nicht Mabel Euer Weib werden sollte, so würd‘ ich Euch raten, lieber gar nicht zu heiraten. Doch da ist das Mädchen selbst, und da gilt jetzt Schweigen als Losung.«

»Ach, Sergeant, ich fürchte, Ihr seid im Irrtum.«