5

 

Wenige Minuten später ging Larry in Gedanken versunken Bloomsbury Pavement entlang. Was hatte Fred in Judds Büro zu tun? Was bedeutete sein Revolver und das schneeweiße Gesicht des Doktors? Hier lag ein anderes, kleines Rätsel vor, aber Larry hatte weder Zeit noch Lust, sich damit zu befassen. Vor ihm ging ein Mann langsam und bedächtig seines Weges, die eiserne Zwinge seines Stockes tappte regelmäßig auf das Pflaster: ein Blinder. Larry ging an ihm vorbei und sah ihn noch einmal, während er auf ein leeres Taxi wartete.

 

Er stieg in ein Taxi und fuhr nach der Leichenhalle von Westminster, wo zwei Beamte von Scotland Yard ihn erwarteten.

 

Die Untersuchung des Leichnams war schnell erledigt; außer einer Abschürfung am linken Knöchel waren keinerlei auffallende Merkmale zu sehen. Dann untersuchte Larry die Garderobe des Toten, die im Nebenzimmer aufbewahrt war.

 

»Da ist das Hemd, Sir«, sagte der Beamte und zeigte auf das zusammengewickelte Wäschestück. »Ich kann mir die blauen Flecken auf der Brust nicht erklären.«

 

Larry faltete das Hemd dicht unter der Lampe auseinander. Ein Frackhemd, kaum getrocknet. Auf der Brust waren deutlich sichtbare, blaurote Flecken.

 

»Tintenstiftflecken«, sagte Larry, dem im gleichen Augenblick der verschwundene Bleistift einfiel. Was sollten aber diese drei unregelmäßigen Reihen von Krähenfüßen und Haken bedeuten?

 

Und plötzlich fand er die Erklärung. Er drehte schnell das Hemd herum und stieß einen erstaunten Schrei aus. Auf der Innenseite des Hemdes waren drei Zeilen geschrieben, mit Tintenstift. Die Schriftzeichen waren durch den Stoff hindurchgedrungen und hatten die eigenartigen Flecken auf der Hemdfront verursacht.

 

Die blauroten Worte waren etwas auseinandergelaufen, aber man konnte noch deutlich lesen:

 

»Mit dem Tod vor Augen vermache ich, Gordon Stuart aus Calgary, Merryhill Ranch, mein ganzes Vermögen meiner Tochter Clarissa und bitte die Gerichte, dies als meinen letzten Willen und Testament anerkennen zu wollen. Gordon Stuart.«

 

Darunter eine beinahe unleserliche, plötzlich abgebrochene Zeile, deren erstes Wort mit einem »O« zu beginnen schien:

 

»O … hat mich … ein … Falle gelock …«

 

Larry blickte seinen Untergebenen an.

 

»Das ist das merkwürdigste Testament, das je gemacht worden ist«, sagte er leise.

 

Er ging nach der Leichenkammer zurück und untersuchte den Toten noch einmal. Eine seiner Hände war zusammengekrampft, ein Umstand, der augenscheinlich von den Ärzten übersehen worden war. Mit großer Mühe brach er die Finger auseinander, und mit leisem Klingen fiel etwas auf den Steinfußboden. Er bückte sich und nahm es auf: ein zerbrochener Manschettenknopf von ganz eigenartigem Muster. Auf schwarzem Emaillegrund ein Kranz kleiner Diamanten. Er suchte noch einmal mit größter Sorgfalt, ohne aber irgend etwas Neues finden zu können.

 

Mit gerunzelter Sarin blickte er den Beamten an. Was sollte das bedeuten? Welche Verbindung hatten all die Einzelheiten miteinander? Ein Zusammenhang bestand zwischen diesen – dessen war er ganz sicher –; das merkwürdige Zusammentreffen zwischen Dr. Judd und Flimmer Fred, das Testament auf dem Oberhemd und jetzt noch dieser neue Fund: der Manschettenknopf.

 

Tausend unsichtbare Stimmen zischten und wisperten um ihn herum:

 

Mord! Mord!