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Sie sah ihn entsetzt an.

 

»Daß ich Sie heirate?«

 

»Daß Sie mich morgen heiraten! Ich habe schon alle Vorbereitungen getroffen und mir einen besonderen Erlaubnisschein erwirkt, damit ich morgen früh heiraten kann. Ich hatte große Schwierigkeiten deshalb, aber hier ist er.« Er zeigte auf seine Brusttasche. »Bevor ich London verließ, telegrafierte ich dem Pfarrer von Leitworth – das Dorf liegt ungefähr dreißig Meilen von hier entfernt – und bat ihn, die Zeremonie morgen früh um zehn Uhr zu vollziehen.«

 

Sein Gesicht war bleich geworden, offenbar kämpfte er mit einer starken Erregung. Dann sprach er leise weiter.

 

»Ich will Sie zu einer reichen Frau machen, Miss Reddle. Sie und Ihre Mutter sollen im Überfluß leben. Ich werde Ihnen eine Stellung in der Welt geben, von der Sie sich niemals haben träumen lassen. Ich will noch mehr tun –« Er trat näher zu ihr, und bevor sie wußte, was er beabsichtigte, ergriff er sie an den Schultern. »Ich werde den Namen Ihrer Mutter reinwaschen – ich kann ihr die Jahre zurückgeben, die sie im Gefängnis verbringen mußte.«

 

»Nein«, sagte sie. »Es tut mir leid, das kann ich nicht. Es mag ja alles richtig sein, was Sie mir da sagen, aber ich kann Sie nicht heiraten, Mr. Praye. Und ich glaube Ihnen nicht. Meine Mutter ist im Gefängnis.«

 

»Ihre Mutter ist in diesem Haus.«

 

Er ging zur Tür, riß sie auf und rief Tappatt.

 

»Bring Mrs. Pinder hierher«, sagte er.

 

Lois stand in der äußersten Ecke des Zimmers, hatte die Hände gefaltet und wartete. Sie hoffte und wagte doch nicht zu hoffen. Dann hörte sie einen leichten Schritt auf der Treppe, die Tür öffnete sich wieder, und eine Frau trat herein.

 

Ein Blick auf ihr gelassenes Gesicht genügte Lois. Im nächsten Augenblick umarmten sie einander, und Lois weinte an der Brust ihrer Mutter.

 

Minutenlang herrschte Schweigen im Raum, und es waren nur die Kosenamen zu hören, die die Mutter ihrer Tochter gab. Dann löste sie sich von ihr, legte ihr die Hände auf die Schultern und sah in das tränenüberströmte Gesicht ihres Kindes.

 

»Meine kleine Lois«, sagte sie sanft. »Es scheint mir fast unmöglich!«

 

Lois versuchte zu sprechen.

 

»Bist du gekommen, um mich zu befreien – mich von hier fortzuholen?«

 

Chesney sah das Mädchen gespannt an. Sie nickte, und seine Hoffnung wuchs, als er sich jetzt Mrs. Pinder selbst vorstellte.

 

»Mein Name ist Chesney Praye«, sagte er ehrerbietig. »Ein Freund von Miss Reddle.«

 

»Reddle? Dann gab dir also Mrs. Reddle ihren Namen!« Sie schaute Chesney an. »Wann werden wir aufbrechen?« fragte sie.

 

»Sobald gewisse Bedingungen erfüllt sind. Würden Sie uns allein lassen, Mrs. Pinder?«

 

Die Frau schaute das Mädchen wieder an, schloß sie in ihre Arme und küßte sie zärtlich. Chesney riß sie in seiner Angst beinahe auseinander, drängte sie zur Tür und kam zu Lois zurück.

 

»Nun? Habe ich Ihnen die Wahrheit gesagt?«

 

Sie nickte.

 

»Wollen Sie meine Bedingungen erfüllen?«

 

»Sie heiraten?« Sie schüttelte den Kopf.

 

»Aber Sie haben Ihrer Mutter doch eben mitgeteilt, daß Sie es tun«, sagte er wütend. »Sie wissen doch, was es heißt, wenn Sie mein Anerbieten zurückstoßen?«

 

»Das kann ich nicht! Wie kann ich Sie heiraten, Mr. Praye? Sie sind mit der Gräfin von Moron verlobt.«

 

»Lassen Sie die Gräfin jetzt aus dem Spiel! Sie wissen, was ich für Sie zu tun bereit bin. Ich rette Ihr Leben, ich gebe ihnen Ihre Mutter wieder –«

 

»Ich kann es nicht!« wiederholte sie hilflos. »Wie können Sie mich zu einer solchen Entscheidung treiben! Ich – ich kenne Sie doch gar nicht. Sie müssen mir Zeit lassen.«

 

»Ich kann Ihnen nur so viel Zeit lassen, wie Sie dazu brauchen, dieses Schriftstück zu unterzeichnen.«

 

Er zog einen Aktenbogen aus seiner Tasche und legte ihn auf den Tisch.

 

»Was ist das?« fragte sie.

 

»Ein Vertrag. Sie brauchen sich nicht die Mühe zu machen, ihn zu lesen – Sie haben nur zu unterzeichnen. Ich will den Doktor hereinrufen, daß er seine Unterschrift als Zeuge gibt.«

 

»Aber was bedeutet denn dieses Dokument?« fragte sie und versuchte es umzudrehen, so daß sie die erste Seite sehen konnte. Jedoch er hinderte sie daran.

 

Das Zusammentreffen mit ihrer Mutter hatte sie sehr erschüttert, aber nun kam allmählich ihre kühle Besinnung zurück, und ihre Haltung wurde eisig und ablehnend. Ein böser Argwohn schlich sich in ihr Herz, und sie glaubte nicht, daß er auch die Macht habe, seine Versprechungen zu erfüllen: Ihr Gefühl sagte ihr, daß das Wort dieses Mannes wertlos sei.

 

»Ich kann mich nicht entscheiden, bevor ich nicht Mr. Dorn gesehen habe.«

 

Sie wußte selbst nicht, warum sie den Namen des Detektivs in diesem Augenblick erwähnte. Sie wollte Zeit gewinnen und nahm den ersten Namen, der ihr ins Gedächtnis kam. Sie hätte sich ebensogut auf Mr. Shaddles berufen können.

 

»Dorn! Da liegt also der Hase im Pfeffer? Wie? Michael Dorn ist der Auserwählte? Nun, ganz gleich, Dorn oder nicht Dorn, Sie werden mich morgen früh um zehn Uhr heiraten – ich bin zu weit gegangen, um noch zurück zu können. Außerdem ist Dorn – tot.«

 

»Tot?« schrie sie entsetzt auf.

 

»Er kam heute morgen hierher, um nach Ihnen zu sehen, und –«

 

Die Tür öffnete sich langsam.

 

»Ich brauche dich jetzt nicht, Tappatt, mach die Tür zu!«

 

Aber sie öffnete sich allmählich immer weiter, und dann erschien langsam die schwarze Mündung einer Pistole, dann ein Arm und zuletzt das lächelnde Gesicht Michael Dorns. »Hände hoch, Praye!« rief er. »Ich will Sie mitnehmen!«

 

Als sich die Tür öffnete und die Hand sich hereinstreckte, griff Chesney blitzschnell nach einem Ebenholzlineal, und als er in das ihm so verhaßte Gesicht Michael Dorns sah, schlug er mit einem Hieb die Petroleumlampe vom Tisch. Man hörte ein Splittern von Glas. Lois schrie wild auf.

 

Praye stürzte auf sie los. Sie hörte, wie die Tür zugeschlagen wurde und wie jemand stöhnte. In der nächsten Sekunde waren die beiden Männer handgemein. Sie wich weiter und weiter in die Ecke des Raumes zurück, je mehr die Tische und Stühle in den Kampf hineingezogen wurden. Chesney brüllte und rief laut nach dem Doktor. »Doktor – Hilfe! Faß dieses Schwein!«

 

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und Lois hörte forteilende Schritte. Chesney schien sich entfernt zu haben.

 

»Bleiben Sie stehen, wo Sie sind!« Das Zimmer roch nach Petroleum. »Stecken Sie kein Streichholz an«, rief Michael, aber kaum hatte er die Worte ausgesprochen, als schon eine helle Flamme aus dem Kamin herausfuhr. Das aus der Petroleumlampe ausgelaufene Öl war mit der rotglühenden Asche in Berührung gekommen, und im nächsten Augenblick stand der ganze Fußboden in Flammen.

 

Lois war starr vor Schrecken, aber bevor sie sich rühren konnte, hatte Dorn sie gepackt und trug sie auf den Gang.

 

»Gehen Sie schnell nach hinten – die Hunde tun Ihnen nichts«, sagte er. Dann eilte er die Treppe hinauf und drang in das Gefängnis von Mrs Pinder ein.

 

Aber der Raum war leer, und es war weder etwas von Tappatt noch von der Frau zu entdecken. Er eilte wieder hinunter in die Halle und lief zur Haustür. Als er ins Freie trat, sah er, wie Chesneys großer Wagen eben in voller Fahrt gegen das geschlossene Tor anrannte. Krachend sprang es auf, und die Schlußlichter des Wagens verschwanden.

 

Der vordere Raum brannte jetzt lichterloh. Er durchsuchte das Zimmer der Haushälterin, aber es war auch leer. Es hatte keinen Zweck, noch weiter nachzuforschen. Dr. Tappatt war fort und mit ihm auch die unglückliche Mutter von Lois. Er ging wieder zu dem Mädchen, und sie erzählte ihm, was sich ereignet hatte, bevor er in das Zimmer kam.

 

»Das war also Chesneys Absicht«, sagte Dorn bitter. »Tappatt hat sicher an der Tür gehorcht und dachte, daß man ihn im Stich lassen wollte – da entschied er sich dafür, zu fliehen. Als Praye Ihre Mutter aus dem Zimmer schickte, muß sie der Doktor in den Wagen gebracht haben, und als er den Kampf hörte, machte er sich zur Abfahrt fertig.«

 

»Wo wird er sie hinbringen? Was wird geschehen?« fragte sie angsterfüllt. Sie hängte sich wie ein erschrockenes Kind an ihn.

 

Als er die bebende Gestalt in seinen Atmen hielt, dachte er nicht mehr an die Welt und ihre traurigen Schrecken und lebte für einen Augenblick in einem Himmel von Glück.

 

»Liebes Kind!« Seine Hände zitterten, als er ihre Wange streichelte. »Ihre Mutter ist nicht in Gefahr – sie wagen es nicht, etwas gegen sie zu unternehmen.«

 

»Es war zuviel für mich«, sagte sie schluchzend, während sie ihr Gesicht an seine Brust legte. »Michael, ich fürchte mich so sehr was wird mit meiner Mutter geschehen?«

 

»Nichts – niemand wird ihr etwas tun.«

 

Das Feuer hatte sich ausgebreitet, und Flammen schlugen aus dem Dach.

 

»Es wird wie Zunder brennen – es tut mir leid.«

 

»Es tut Ihnen leid?« fragte sie überrascht.

 

»Ich bin traurig, daß Eigentum zerstört wird – ich werde den Buickwagen aus dem Schuppen holen, bevor das Feuer auch dorthin kommt.«

 

Sie gingen quer über den Hof. Er führte sie an seinem Arm.

 

Als sie niederschaute, sah sie einen der Hunde ausgestreckt auf dem Boden liegen.

 

»Ich mußte sie erschießen«, sagte er. »Ich benützte einen Schalldämpfer, weil es der Doktor sonst gehört hätte.«

 

»Man sagte mir, daß Sie tot seien –«

 

»Ich werde Ihnen später alles erklären«, antwortete er kurz und widmete seine ganze Aufmerksamkeit dem Aufbrechen des Schlosses. Gleich darauf holte er den Wagen heraus und prüfte den Inhalt des Benzintanks.

 

»Es ist noch genug Brennstoff vorhanden, um damit zum nächsten Dorf zu kommen«, sagte er. »Der Reservetank ist auch noch gefüllt.«

 

Er fuhr den Wagen vor das Haus und warf noch einen Blick auf die wütenden Flammen, als schon der erste Polizist auf einem Motorrad aus der Richtung von Whitcomb ankam.

 

»Es ist außer mir niemand verletzt«, beantwortete Michael seine Frage. »Und bei mir handelt es sich darum, ob ich einen Antrag auf Verfolgung stelle. Haben Sie nicht ein Auto auf Ihrem Weg hierher gesehen?«

 

»Ja – es fuhren zwei Wagen an mir vorbei. Zuerst ein großes Auto mit drei oder vier Leuten und gleich darauf ein kleiner Wagen.«

 

»Welche Richtung nahmen sie?«

 

»Sie fuhren die Newbury Street entlang.«

 

»Dann werden wir das gleiche tun«, sagte Michael.

 

Und auf der Rückfahrt nach London erzählte er Lois sein Abenteuer.

 

»Ich war mir darüber klar, daß er Sie über Nacht aus dem Haus bringen würde, aber ich wußte auch, daß es nicht weit sein konnte. Leider war es mir unmöglich, alle Seiten des Hauses zu bewachen, und außerdem konnte ich zu Fuß nicht zeitig genug zurückkommen, um ihn zu ertappen. Wie ich erwartet hatte, war das Haus leer, als ich es durchsuchte. Ich überlegte mir nun einen verhältnismäßig einfachen Plan. Als er mir den Kellerraum zeigte, legte ich eine Pistole und einen kleinen Beutel mit allerhand Werkzeugen in das Bett, denn ich vermutete schon, daß er mich dort einsperren wollte, wenn es ihm gelingen würde, mich zu fangen. Offen gestanden glaube ich nicht, daß er schon daran dachte, mich zu betäuben, bis ich es ihm selbst suggerierte. Und dann tat er es in der gröbsten Weise. Er gab vor, draußen jemand zu hören, um meine Aufmerksamkeit abzulenken, und ich ließ mich natürlich auch ablenken. Als er dann das Betäubungsmittel in den Kaffee geschüttet hatte, führte ich ihn hinters Licht. Ich fand einen Vorwand, auf den Hof hinauszugehen, und goß den Kaffee dort aus. Als ich zurückkam, blieb ich in der Tür stehen und tat so, als ob ich den Kaffee austränke. Er ließ sich auch tatsächlich täuschen. Ich stand, und er saß, und so konnte er nicht sehen, ob meine Tasse gefüllt war oder nicht. Er war so befriedigt, daß er genauso handelte, wie ich es vorausgesehen hatte. Er lockte mich in den Kellerraum, und ich ließ mich hineinführen. Ich ahnte, daß er Sie in dem Augenblick zurückbringen würde, in dem er mich hinter Schloß und Riegel wußte. Ich versteckte meine Pistole und meine Werkzeuge, und als er später zu mir kam, fand er mich bewußtlos. Er machte sich nicht die Mühe, den Raum noch einmal zu untersuchen, und wenn er es noch einmal getan hätte, würde er sehr wahrscheinlich sehr erschrocken gewesen sein, wenn er von der hilflosen Gestalt auf dem Bett einen unvorhergesehenen Schlag erhalten hätte!«

 

»Aber wie sind Sie denn herausgekommen?«

 

»Das war leicht – fast jeder Schlüssel hätte das altmodische Schloß geöffnet, und ich hatte einen ganzen Bund Dietriche bei mir. Ich wartete den ganzen Tag, weil ich sicher war, daß er Sie nicht vor Einbruch der Nacht zurückbringen würde. Die Handschellen waren das Schwierigste, denn ich hatte keinen Schlüssel, um sie aufzuschließen. Zwei Stunden mußte ich schwer arbeiten, und einer meiner Daumen ist fast ausgerenkt.«

 

Sie hielten bei der Tankstelle und ließen ihre Benzinbehälter auffüllen. Lois blieb im Wagen sitzen und hörte, wie Michael von der kleinen Station aus telefonierte. Dann setzten sie ihren Weg nach London fort.

 

»Ich weiß jemand, der heute abend sehr glücklich sein wird«, sagte Michael, als der Wagen durch die Bayswater Road fuhr. »Ich bin neugierig, wie sie den Tag verbracht hat.«

 

»Wen meinen Sie denn?« fragte Lois.

 

»Miss Elizabeth Smith.«

 

»Mr. Dorn, glauben Sie wirklich, daß keine Gefahr für meine Mutter besteht?« Sie mußte immer wieder daran denken.

 

Der Wagen hielt vor dem Haus in der Charlotte Street, und Mr. Mackenzie meldete sich auf das Klopfen an der Haustür.

 

»Ist Miss Smith bei Ihnen?« fragte der alte Mann, nachdem er Lois bewillkommnet hatte.

 

»Lizzy?« fragte Lois überrascht. »Sie ist nicht bei uns – ich habe sie nicht gesehen. Warum fragen Sie?«

 

»Sie ist mit Seiner Lordschaft nach Gallows Farm gefahren.«

 

»Meinen Sie Lord Moron?« fragte Michael überrascht.

 

»Sie fuhren um acht Uhr zusammen in einem Taxi fort.«

 

Michael und Lois standen in Mackenzies Zimmer, als er ihnen diese Informationen gab, und sie sahen sich erstaunt an. Das war eine unvorgesehene Entwicklung.

 

»Ich habe keinen Wagen gesehen, weder ein Taxi noch sonst etwas«, sagte Michael. »Graf Moron!« Er pfiff leise vor sich hin.

 

»Vielleicht haben sie sich verirrt«, meinte Lois, und er war nicht abgeneigt, sich ihrer Vermutung anzuschließen.

 

»Wenn Sie nichts dagegen haben, Miss Reddle, möchte ich hier warten, bis sie zurückkommen«, sagte er. »Sie haben doch nicht die Absicht, die Gräfin Moron anzurufen?« fragte er dann.

 

Lois schauderte. »Nein, nein – diese schreckliche Frau!«

 

»So wissen Sie – oder vermuten Sie –«

 

»Ich weiß nichts – mir ist alles noch ein Rätsel. Es ist so widerspruchsvoll und irreführend, daß ich verrückt werden könnte. Aber ich bin so dankbar, daß ich nun hier bin.« Sie lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich wußte, daß Sie mir helfen würden. Und ebenso weiß ich, daß Sie es sein werden, der mir meine Mutter wiederbringt.«

 

Er nahm ihre Hand und hielt sie fest und suchte ihre Augen.

 

»Ich möchte Ihnen etwas gestehen«, sagte er leise. Sie waren allein in dem kleinen Zimmer, und das Herz des Mädchens schlug heftig. »Ich dürfte eigentlich nichts sagen, weil ich nicht das Recht dazu habe, aber ich fühle, daß ich keine Gelegenheit mehr haben werde, es Ihnen zu sagen, wenn ich es jetzt nicht tue.«

 

Sie sah ihm voll in die Augen.

 

»Ich liebe Sie«, sagte er schlicht. »Ich kann Sie nicht heiraten, kann Sie nicht bitten, mich zu heiraten – dies macht meinen Schmerz nur um so größer. Aber ich möchte Ihnen nur sagen, daß es das größte Glück für mich ist, etwas für Sie getan zu haben.«

 

»Ich werde Ihnen immer dankbar sein.«

 

Dann nahm sie ihre Hand aus der seinen und lächelte ihn an.

 

»Zwei Liebeserklärungen in einer Nacht sind mehr, als ein vernünftiges Mädchen erwarten kann«, sagte er halb scherzend.

 

»Eine Liebeserklärung«, entgegnete sie leise, »und ein Heiratsantrag – das ist ein großer Unterschied. Meinen Sie nicht?«

 

»Ich bin keine Autorität in diesen Dingen«, sagte er und schaute auf die tickende Uhr. Dabei kam ihm zu Bewußtsein, wie spät es war.

 

»Ich bin beunruhigt wegen der beiden. Wo mögen sie wohl geblieben sein? Fürchten Sie sich davor, hier allein zu schlafen?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Aber ich mache mir Sorgen über Lizzy – und den armen Lord Moron! Ich möchte nur wissen, was seine Mutter dazu sagt, wenn sie das erfährt!«

 

»Wahrscheinlich weiß sie es«, sagte Michael.

 

In diesem Augenblick hörten sie Lizzys Stimme unten auf dem Gang und gleich darauf Schritte auf der Treppe.

 

Lois lief auf den Vorplatz hinaus und schaute hinunter.

 

»Michael!« rief sie erregt. Er war sofort an ihrer Seite. »Sehen Sie – dort –«, sagte sie mit heiserer Stimme. Michael Dorn schaute hinunter –