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Marborne spielte in letzter Zeit den großen Herrn und besuchte die teuersten Lokale. Als er eines Abends nach einem üppigen Mahl etwas bezecht nach Hause kam, wurde er plötzlich wieder nüchtern. Er hatte das Licht im Schlafzimmer angedreht und sah mit starrem Blick zu dem Geldschrank hinüber, den er sich angeschafft hatte. Die Tür hing nur noch an einem Gelenk, und der Schrank selbst war leer …

 

Nachdem er sich von seinem Schrecken etwas erholt hatte, durchsuchte er in aller Eile den Raum. Es war ihm sofort klar, wie der Dieb hereingekommen war. Er mußte auf der Feuerleiter nach oben gestiegen und durch das Fenster des Schlafzimmers eingedrungen sein.

 

Marborne stürzte hinunter und riß die Haustür auf. Auf dem Gehsteig stand Captain Welling, er hatte die Hände auf den Rücken gelegt und schaute unentwegt zu den erleuchteten Fenstern der Wohnung hinauf.

 

»Kommen Sie mit!« schrie Marborne erregt.

 

»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte der Beamte, als er näher trat. »Es ist doch merkwürdig, daß ich gerade in diesem Augenblick hier sein muß.«

 

»Ich bin bestohlen worden – ausgeplündert!« rief Marborne. »Man hat meinen Geldschrank erbrochen …«

 

Er stieg die Treppe wieder hinauf und redete zusammenhangloses Zeug.

 

Welling untersuchte den Safe.

 

»Der Mann hat gründliche Arbeit geleistet. Am besten rühren Sie den Schrank bis morgen nicht an. Ich will ihn fotografieren lassen, um eventuell Fingerabdrücke zu entdecken.«

 

Er ging zum Fenster und stieg auf der Feuerleiter hinunter.

 

»Oh, was ist dies?« fragte er und nahm einen Gegenstand auf, der auf dem eisernen Podest zu seinen Füßen lag. »Ein Baumwollhandschuh! Dann hat es auch keinen Zweck, nach Fingerabdrücken zu suchen.« Er stieg wieder hinauf und betrachtete den Handschuh genauer unter der elektrischen Lampe.

 

»Daran kann man gar nichts sehen, selbst wenn man sich größte Mühe gäbe. Ich fürchte, der Mann ist gut davongekommen. Wieviel Geld haben Sie verloren?«

 

»Zwischen zwei- und dreitausend Pfund!« schluchzte Marborne.

 

»Sonst noch etwas?« Welling sah ihn scharf an.

 

»Was hätte ich denn sonst noch verlieren sollen?« fragte Marborne plötzlich rauh. »Ist es denn nicht genug, wenn einem zweitausend Pfund gestohlen werden?«

 

»Hatten Sie nicht noch Bücher oder Dokumente in Ihrem Schrank?«

 

»Nein, nicht im Schrank«, erwiderte Marborne schnell. »Auch sonst nirgends.«

 

»Es sieht so aus, als ob es der Schwarze gewesen ist«, meinte Welling fast belustigt und ging wieder zum Safe. »Ich wüßte gar nicht, wer es sonst so gut hätte machen können. Haben Sie Telefon?«

 

»Im Wohnzimmer.«

 

Welling telefonierte lange mit dem Yard und ging dann in das Schlafzimmer zurück, um nach Anhaltspunkten zu suchen. Er wußte aber schon im voraus, daß seine Arbeit ohne Erfolg sein würde.

 

Der Dieb war offenbar nicht mit dem Geld zufrieden gewesen, das er im Safe gefunden hatte, denn alle anderen Schubladen waren durchwühlt, und ihr Inhalt war auf dem Boden verstreut. Das Büfett war aufgebrochen, ein Koffer unter dem Bett mit Gewalt geöffnet, das Bett selbst vollständig abgedeckt. Sogar die Matratzen hatte der Dieb aufgehoben.

 

»Ihr Freund hat etwas gesucht – was mag das nur gewesen sein?«

 

»Zum Teufel, wie soll ich das wissen?« rief Marborne wild. »Auf jeden Fall hat er es nicht bekommen.«

 

»Ich weiß nicht, wie Sie das sagen können, wenn Sie überhaupt keine Ahnung haben, was er gesucht hat«, entgegnete der Beamte.

 

Das Telefon läutete, und das Fernamt meldete sich, denn Welling hatte ein Gespräch nach Creith bestellt.

 

»Captain Welling am Apparat. Sind Sie dort, Finnigan?«

 

»Ja.«

 

»Wo ist Ihr Mann?«

 

»In seinem Haus. Vor fünf Minuten war er noch dort.«

 

»Sind Sie dessen sicher?«

 

»Absolut. Ich habe ihn zwar nicht persönlich, aber seinen Schatten am Fenster gesehen. Es stimmt, daß er hier ist. Außerdem hat er gar kein Auto, denn er mußte es heute nach Horsham zur Reparatur schicken.«

 

»So? Zur Reparatur?« fragte Welling höflich. »Dann ist alles in Ordnung.«

 

Er legte den Hörer wieder auf und ging zu Marborne zurück, der verstört den zertrümmerten Geldschrank betrachtete.

 

»Es wäre ganz gut, wenn Sie die Sache Ihrem Polizeirevier meldeten und bäten, daß ein Mann von dort herkommt«, sagte sein früherer Vorgesetzter. »Ich glaube ja nicht, daß sie Ihnen helfen können. Es ist aber auch zu schlimm, daß Sie soviel Geld verloren haben. Banken sind doch sicherer.«

 

Marborne erwiderte nichts darauf.