Als die zwei Freunde nach Hause kamen, fanden sie einen Brief von Athos, der sie zu einer Zusammenkunft im Grand-Charlemagne auf den andern Morgen beschied.

Beide legten sich früh nieder, aber keiner schlief. Man gelangt nicht so zum Ziel aller seiner Wünsche, ohne daß dieses Ziel, wenigstens für die erste Nacht, den Schlaf verjagte.

Am andern Morgen begaben sich beide zur bezeichneten Stunde zu Athos. Sie fanden den Grafen und Aramis in Reisekleidern.

Gut, sprach Porthos, wir reisen also zusammen.

Oh! mein Gott, ja, versetzte Aramis; seit dem Augenblick, wo es keine Fronde mehr gibt, ist in Paris nichts zu tun. Frau von Longueville hat mich eingeladen, einige Tage in der Normandie zuzubringen, und mir den Auftrag gegeben, während man ihren Sohn taufe, ihre Wohnung in Rouen in Bereitschaft halten zu lassen. Ich werde mich dieses Auftrags entledigen und mich dann, wenn es nichts Neues zu tun gibt, wieder in meinem Kloster Noisy-le-Sec begraben.

Und ich, sprach Athos, kehre nach Bragelonne zurück. Ihr wißt, mein lieber d’Artagnan, ich bin nur noch ein Landmann; Raoul hat kein anderes Vermögen, als das meinige, der arme Junge! Ich muß darüber wachen, denn ich gebe gewissermaßen nur den Namen dazu.

Und was wollt Ihr aus Raoul machen?

Ich überlasse ihn Euch, mein Freund. In Flandern gibt’s einen Feldzug; Ihr nehmt ihn mit; denn ich fürchte, der Aufenthalt in Blois ist seinem jungen Kopfe gefährlich. Behaltet ihn bei Euch und lehrt ihn brav und rechtschaffen sein; wie Ihr es seid.

Und ich werde Euch also nicht mehr haben, Athos? Aber ich habe wenigstens ihn, diesen teuern Blondkopf, und obgleich er noch ein Kind ist, so werde ich doch, da Eure ganze Seele sich in ihm wiederbelebt, teurer Athos, stets glauben, Ihr seiet bei mir, Ihr begleitet und unterstützet mich.

Die vier Freunde umarmten sich mit Tränen in den Augen.

Dann trennten sie sich, ohne zu wissen, ob sie einander je wiedersehen würden.

D’Artagnan kehrte in die Rue Tiquetonne mit Porthos zurück. Dieser war beständig in Gedanken versunken und grübelte nach, wer der Mann sei, den er erschlagen hatte. Als man vor den Gasthof zur Rehziege gelangte, fand man die Equipage des Barons bereit und Mousqueton im Sattel.

Hört, d’Artagnan, sagte Porthos, verlaßt den Dienst und kommt mit mir nach Pierrefonds, nach Bracieux oder nach du Vallon. Wir wollen miteinander alt werden und von unsern Kameraden plaudern.

Nein, sagte d’Artagnan, den Teufel! Der Feldzug wird eröffnet, und ich will dabei sein. Ich hoffe wohl etwas dabei zu gewinnen.

Und was hofft Ihr denn zu werden?

Marschall von Frankreich, bei Gott!

Ah, ah! rief Porthos und schaute d’Artagnan an, in dessen Gasconaden er sich nie hatte ganz finden können.

Kommt mit mir, Porthos, sprach d’Artagnan; ich mache Euch zum Herzog.

Nein, versetzte Porthos, Mouston will nicht mehr in den Krieg ziehen. Überdies bereitet man mir zu Hause einen feierlichen Einzug, worüber alle meine Nachbarn vor Ärger bersten werden.

Hierauf habe ich nichts zu erwidern, sprach d’Artagnan, denn er kannte die Eitelkeit des neuen Barons. Auf Wiedersehen also, mein Freund!

Auf Wiedersehen, teurer Kapitän, sagte Porthos. Ihr wißt, daß Ihr, wenn Ihr mich besuchen wollt, stets in meiner Baronie willkommen seid.

Ja, erwiderte d’Artagnan, wenn ich aus dem Feld heimkehre, stelle ich mich bei Euch ein.

Die Equipagen des Herrn Barons warten, sagte Mousqueton.

Die zwei Freunde trennten sich mit einem innigen Händedruck. D’Artagnan blieb auf der Türschwelle und sah mit schwermütigem Auge dem sich entfernenden Porthos nach.

Aber nach zwanzig Schritten hielt Porthos plötzlich an, schlug sich vor die Stirn, kehrte zurück und rief: Jetzt fällt mir’s ein!

Was? fragte d’Artagnan.

Wer der Bettler ist, den ich getötet habe.

Ah! wirklich! Wer ist es denn?

Jene Kanaille von Bonacieux.

Und hocherfreut über diese beruhigende Gewißheit, sprengte Porthos hinter Mouston her, mit dem er an der Straßenecke verschwand.

D’Artagnan blieb einen Augenblick unbeweglich und in Gedanken versunken. Als er sich dann umwandte, erblickte er die schöne Madeleine, die, voll Unruhe auf d’Artagnans Kapitänsuniform schauend, auf der Schwelle stand.

Madeleine, sagte der Gascogner, gebt mir die Wohnung im ersten Stock. Jetzt, da ich Kapitän der Musketiere bin, sehe ich mich genötigt, meiner Würde gemäß zu leben. Aber haltet mir immerhin mein Zimmer im fünften frei, denn man kann nicht wissen, was geschieht.

 

*

Als Fortsetzung und Schluß (dritte Abteilung der »Drei Musketiere«) dieses Romans schrieb Alexander Dumas den ungemein spannenden Roman: » Der Graf von Bragelonne oder Zehn Jahre nachher«, der sieben starke Bände (in 3 Geschenkbände geb. statt früher M 15.– nur noch M 9.25 – K. 11.10 ö. W.) umfaßt und durch jede Buchhandlung zu beziehen ist.

Stuttgart.
Franckh’sche Verlagshandlung.