Nun? sagte, im Hofe des Gasthauses zur Rehziege sitzend, Porthos zu seinem Freund d’Artagnan, der mit langem, verdrießlichem Gesicht aus dem Palais-Kardinal zurückkehrte, nun, er hat Euch übel empfangen, mein braver d’Artagnan?

Meiner Treu, ja! dieser Mensch ist offenbar ein abscheuliches Geschöpf. Was eßt Ihr da, Porthos?

Ihr seht ja; ich tauche etwas Zwieback in spanischen Wein. Macht es ebenso.

Ihr habt recht. Gimblou, ein Glas!

Der mit diesem harmonischen Namen angerufene Kellner brachte das verlangte Glas, und d’Artagnan setzte sich zu seinem Freunde.

Wie ist die Sache abgelaufen? – Gott verdamm‘ mich, es war nicht möglich, die Sache auf zweierlei Arten darzustellen; ich trat ein, er schaute mich von der Seite an, ich zuckte die Schultern und sagte: Monseigneur, wir sind nicht die Stärkeren gewesen. – Ja, ich weiß alles, aber erzählt mir die einzelnen Umstände. – Ihr begreift, Porthos, ich konnte die Einzelheiten nicht erzählen, ohne unsere Freunde zu nennen, und wenn ich sie nannte, so richtete ich sie zu Grunde. – Bei Gott! – Monseigneur, sagte ich, sie waren zu fünfzig, und wir waren zu zwei. – Ja, antwortete er, aber das verhinderte keineswegs einen Austausch von Pistolenschüssen, wie ich gehört habe. – Allerdings sind von der einen, wie von der andern Seite einige Patronen verbrannt worden. – Und die Schwerter haben den Tag gesehen? fügte er bei. – Oder vielmehr die Nacht, Monseigneur, antwortete ich. – Ah! ja, fuhr der Kardinal fort; ich hielt Euch für einen Gascogner, mein Lieber. – Ich bin nur Gascogner, wenn ich siege, Monseigneur. – Diese Antwort gefiel ihm, denn er lachte. – Das dient mir zur Lehre, sprach er, daß ich meinen Garden bessere Pferde gebe, denn wenn sie Euch hätten folgen können, und jeder so viel getan hätte, wie Ihr und Euer Freund, so hättet Ihr Euer Wort gehalten und mir ihn tot oder lebendig gebracht.

Das kommt mir gar nicht so schlimm vor, versetzte Porthos.

Ich war im Begriff, mich zu entfernen, als er mich zurückrief. – Drei von Euern Pferden sind tot oder verschlagen? fragte er. – Ja, Monseigneur. – Wieviel waren sie wert? – Das war, scheint mir, ein guter Klang, sprach Porthos. – Tausend Pistolen, antwortete ich. – Tausend Pistolen? sagte Porthos, oh! oh! das ist viel, er versteht sich auf die Pferde und wird wohl gehandelt haben. – Meiner Treu, er hatte Lust dazu, der Filz, denn er machte einen furchtbaren Sprung und schaute mich an. Ich schaute ihn auch an; dann begriff er die Sache, steckte die Hand in einen Schrank und zog Anweisungen auf die Bank von Lyon heraus. – Für tausend Pistolen? – Für tausend Pistolen … der Knauser, nicht eine einzige mehr. – Ihr habt sie? – Hier sind sie. – Meiner Treu, ich finde das anständig, sprach Porthos. – Anständig, gegen Leute, die nicht nur unmittelbar vorher ihre Haut gewagt, sondern ihm einen großen Dienst geleistet haben! – Einen großen Dienst! und welchen? fragte Porthos. – Bei Gott, es scheint, ich habe ihm einen Parlamentsrat zertreten. – Wie, das schwarze Männchen, das wir an der Ecke des Saint-Jean-Kirchhofes niedergeworfen haben? – Ganz richtig, mein Lieber. Dieser Mensch war ihm unbequem. Leider habe ich ihn nicht ganz platt getreten, er wird davonkommen und ihm abermals unbequem sein. – Ei, ei, sagte Porthos, und ich habe erst noch mein Pferd zurückgerissen, das gerade aus ihn losrennen wollte. Ein andermal will ich’s besser machen. – Der Knicker hätte mir den Rat jedenfalls bezahlen müssen. – Ei, meinte Porthos, er war ja nicht ganz zertreten. – Ah! Herr von Richelieu hätte gesagt: Fünfhundert Taler für den Rat! Doch sprechen wir nicht mehr davon. Wieviel kosten Euch Euere Tiere, Porthos? – Ach, mein Freund, wenn der arme Mousqueton da wäre, er könnte es Euch bei Heller und Pfennig sagen. – Gleichviel, schätzt sie zehn Taler mehr oder weniger. – Vulkan und Bayard kosteten mich jeder ungefähr zweihundert Pistolen; schlage ich Phöbus auf hundertundfünfzig an, so wird die Rechnung ungefähr herauskommen. – Dann bleiben also vierhundertundfünfzig Pistolen, sprach d’Artagnan ziemlich zufrieden. – Ja, versetzte Porthos, aber Sattel und Zeug. – Das ist bei Gott wahr. Wieviel hierfür? – Wenn ich hundert Pistolen für alle drei rechne … – Gut, hundert Pistolen, sprach d’Artagnan. Dann bleiben noch dreihundert und fünfzig Pistolen. Porthos nickte beifällig mit dem Kopfe.

Geben wir die fünfzig Pistolen unserer Wirtin für unsere ganze Zeche, sprach d’Artagnan, und teilen wir die übrigen dreihundert.

Teilen wir sie.

In diesem Augenblick schlug es neun Uhr auf der benachbarten Kirche. D’Artagnan bebte.

Ach, es ist wahr, sagte Porthos, es schlägt neun Uhr, und um zehn Uhr sollen wir aus der Place Royale zusammentreffen.

Ach! Porthos, schweigt! rief d’Artagnan mit einer Bewegung der Ungeduld; erinnert mich nicht hieran, das hat mich seit gestern verdrießlich gemacht. Ich gehe nicht hin.

Und warum? fragte Porthos.

Weil es eine schmerzliche Sache ist, zwei Männer zu sehen, die unsere Unternehmung zum Scheitern gebracht haben, und diese Zusammenkunft etwas verbirgt!

Oho! entgegnete Porthos, das glaubt Ihr selbst nicht, d’Artagnan.

Es war so. D’Artagnan hielt Athos nicht für fähig, sich einer List zu bedienen; aber er suchte einen Vorwand, diese Zusammenkunft zu vermeiden.

Wir müssen hingehen, fuhr der stolze Grundherr von Bracieux fort; sie würden glauben, wir haben Angst. Ei, mein lieber Freund, wir haben wohl fünfzig Feinden auf der Landstraße Trotz geboten, wir werden wohl auch zwei Freunden auf der Place Royale stand halten.

Ja, ja, sagte d’Artagnan, ich weiß es; aber sie haben die Partei des Prinzen ergriffen, ohne uns davon in Kenntnis zu setzen; Athos und Aramis trieben ein Spiel mit mir, das mich empört. Gestern haben wir die Wahrheit entdeckt; wozu soll es dienen, heute noch etwas anderes zu erfahren?

Ihr mißtraut also wirklich?

Aramis allerdings, seitdem er Abbé geworden ist. Ihr glaubt gar nicht, mein Lieber, wie er sich verändert hat. Er sieht uns auf dem Wege, der ihn zum Bistum führen soll, und es wäre ihm vielleicht nicht unangenehm, uns auf die Seite zu schaffen.

Ah! bei Aramis ist es etwas anderes, sprach Porthos, das würde mich nicht wundern.

Herr von Beaufort kann auch einen Versuch machen, uns festnehmen zu lassen.

Bah! er hatte uns in der Hand und ließ uns wieder ziehen, übrigens wollen wir aus der Hut sein, uns bewaffnen und Planchet mit einem Karabiner mitnehmen.

Planchet ist Frondeur, sagte d’Artagnan.

Zum Teufel mit den Bürgerkriegen! rief Porthos, man kann weder auf seine Freunde noch auf seine Lakaien mehr rechnen. Ah! wenn der arme Mousqueton da wäre! Das ist ein Mensch, der mich nie verlassen wird.

Ja, solange Ihr reich seid. Ja, Ihr habt recht, Porthos, gehen wir hin, aber wohl bewaffnet. Gingen wir nicht, so würden sie sagen, wir hätten Angst.

Holla! Planchet, rief d’Artagnan. Planchet erschien. – Laß die Pferde satteln und nimm deinen Karabiner. – Aber, gnädiger Herr, gegen wen ziehen wir? – Wir ziehen gegen niemand, antwortete d’Artagnan, es ist eine reine Vorsichtsmaßregel, falls wir angegriffen würden. – Ihr wißt, gnädiger Herr, daß man den guten Rat Broussel, den Vater des Volkes, umbringen wollte. – Wirklich? rief d’Artagnan. – Ja, aber er wurde schön gerächt. Das Volk hat ihn auf seinen Armen nach Hause getragen, und wenn er jetzt wollte … – Nun, wenn er wollte … Planchet fing an zu trällern:

Ein Frondewind
Bläst frisch und munter,
Bläst Mazarin
Den Hut herunter.

Zur selben Zeit ritten Athos und Aramis durch das Faubourg Saint-Antoine in Paris ein. Sie hatten sich auf dem Wege gestärkt und eilten, um nicht zu spät zum Rendezvous zu kommen. Bazin allein folgte ihnen, denn Grimaud war, wie gesagt, zurückgeblieben, um Mousqueton zu pflegen, und sollte sich dann unmittelbar zu dem jungen Grafen Bragelonne begeben, der zu dem Heere nach Flandern ging.

Nun müssen wir irgend eine Herberge aussuchen, sagte Athos, um ein städtisches Gewand anzuziehen, Pistolen und Raufdegen abzulegen und unsern Bedienten zu entwaffnen. – O! keineswegs, mein lieber Graf; erlaubt mir, nicht nur nicht Euerer Meinung zu sein, sondern Euch zu der meinigen zu bringen. – Und warum dies? – Weil wir zu einer Kriegsverhandlung gehen. – Was wollt Ihr damit sagen, Aramis? – Daß sich auf der Place Royale die Landstraße von Vendome fortsetzt. – Wie, unsere Freunde … – Sind unsere gefährlichsten Feinde geworden; Athos, glaubt mir, wir dürfen nicht trauen. – O! d’Herblay! – Wer sagt Euch, daß d’Artagnan nicht seine Niederlage uns schuld gegeben und den Kardinal davon in Kenntnis gesetzt hat? Wer sagt Euch, daß der Kardinal nicht diese Zusammenkunft benutzen wird, um uns fassen zu lassen? – Wie, Aramis, könnt Ihr denken, d’Artagnan und Porthos würden zu einer solchen Niederträchtigkeit die Hand bieten? – Ihr habt recht, unter Freunden wäre es eine Niederträchtigkeit, aber unter Feinden ist es eine List.

Athos kreuzte die Arme und ließ sein schönes Haupt auf die Brust fallen.

Was wollt Ihr, Athos, die Menschen sind einmal so beschaffen und zählen nicht immer zwanzig Jahre, sagte Aramis. Wir haben grausam die Eitelkeit verletzt, von der sich dieser Mann blindlings leiten läßt. Er ist besiegt worden. Habt Ihr nicht gesehen, wie groß seine Verzweiflung war? Was Porthos betrifft, so hing vielleicht sein Baronstitel vom Gelingen dieser Angelegenheit ab. Wir sind ihm im Wege gewesen, und er wird für diesmal noch nicht Baron. Wer weiß, ob diese Baronie nicht in Verbindung mit unserer Zusammenkunft steht! Wir wollen auf unserer Hut sein, Athos.

Aber wenn sie ohne Waffen kämen? Welche Schmach für uns, Aramis!

O! seid unbesorgt, mein Lieber, ich stehe Euch dafür, es wird nicht so sein. Überdies haben wir eine Entschuldigung: wir kommen von der Reise und sind Rebellen.

O! Aramis, Aramis, sagte Athos mit traurigem Kopfschütteln, bei meiner Seele, Ihr macht mich zum unglücklichsten Menschen! Ihr entzaubert ein Herz, das für die Freundschaft nicht ganz abgestorben war; seht, Aramis, es wäre mir beinahe ebenso lieb, wenn man es mir aus der Brust risse, das schwöre ich Euch. Geht hin, wie Ihr wollt, Aramis; ich gehe ohne Waffen.

Nein, ich lasse Euch so nicht gehen. Es handelt sich nicht um einen einzelnen, um Athos allein oder den Grafen de la Fère, durch diese Schwäche verratet Ihr eine ganze Partei, der Ihr angehört und die auf Euch zählt.

Es geschehe, wie Ihr sagt, antwortete Athos.

Und sie setzten in trüber Stimmung ihren Weg fort.

Kaum gelangten sie durch die Rue du Pas-de-la-Mule zu den Gittern des verlassenen Platzes, als sie unter der Arkade an der Mündung der Rue Sainte-Catherine drei Reiter erblickten.

Es waren d’Artagnan und Porthos, die, in ihre Mäntel gehüllt, unter denen die Schwerter hervorsahen, herbeiritten. Hinter ihnen kam Planchet, die Muskete am Schenkel.

Athos und Aramis stiegen vom Pferde, als sie d’Artagnan und Porthos erblickten. D’Artagnan bemerkte, daß die drei Pferde, statt von Bazin gehalten zu werden, an die Ringe der Arkaden gebunden wurden. Er befahl Planchet das gleiche zu tun wie Bazin.

Dann gingen sie zwei und zwei, von den Bedienten gefolgt, einander entgegen und grüßten sich höflich.

Sie beschlossen, um ungestört zu sein, sich in den Garten der Palais Rohan zu begeben, zu dem sich Aramis anheischig machte, den Schlüssel zu holen.

Aramis entfernte sich sogleich, forderte aber Athos zuvor noch auf, nicht so allein im Bereich von d’Artagnan und Porthos zu bleiben; aber Athos lächelte nur verächtlich und machte einen Schritt auf seine alten Freunde zu, die beide auf ihrem Platz blieben.

Aramis klopfte nun am Hotel Rohan an; bald erschien er wieder mit einem Manne, welcher sagte:

Ihr schwört mir, Herr? – Nehmt, erwiderte Aramis und gab ihm einen Louisd’or. – Ah! Ihr wollt nicht schwören, gnädiger Herr? versetzte der Haushofmeister, den Kopf schüttelnd. – Ei! kann man denn wegen gar nichts schwören? sprach Aramis. Ich versichere Euch nur, daß zu dieser Stunde diese Herren unsere Freunde sind. – Ja, gewiß, sagten mit kaltem Tone Athos, d’Artagnan und Porthos.

D’Artagnan hatte das Gespräch gehört und verstanden.

Ihr seht, sagte er zu Porthos. – Was sehe ich? – Daß er nicht schwören wollte. – Schwören, worauf? – Dieser Mann wollte, Aramis solle ihm schwören, daß wir uns nicht schlagen wollen. – Und Aramis wollte nicht schwören? – Nein. – Dann wohl acht gegeben!

Athos verlor die zwei Redenden nicht aus dem Auge. Aramis öffnete das Tor und ging auf die Seite, damit d’Artagnan und Porthos eintreten konnten. Beim Eintreten brachte d’Artagnan den Griff seines Degens in das Gitter und war genötigt, seinen Mantel wegzuschieben. Bei dieser Gelegenheit entblößte er die glänzenden Kolben seiner Pistolen, auf denen sich ein Strahl des Mondes abspiegelte.

Seht Ihr, sagte Aramis, indem er mit der einen Hand Athos‘ Schulter berührte und mit der andern auf d’Artagnans Gürtel deutete.

Ach! ja, sprach Athos mit einem tiefen Seufzer.