Graf von Guiche lehnte in einer Nische, als ein Lakai der Herzogin von Orléans zu ihm trat. »Königliche Hoheit hat nach Ihnen gefragt, Herr Graf. Ist es Ihnen möglich, zu Madame zu kommen?« – »Ich stehe zu Ihrer königlichen Hoheit Befehl.« – »So belieben Sie mir zu folgen.« – Guiche trat bei Henriette ein und fand sie bleich und aufgeregt. – »Ah, Sie sind es, Herr Graf!« rief sie ihm entgegen. »Seien Sie willkommen. Fräulein von Montalais, Ihr Dienst ist zu Ende.« – Die Prinzessin blieb mit Guiche allein. – »Sagen Sie, Graf, finden Sie die Geschichte mit den Armbändern nicht sehr sonderbar? Glauben Sie an eine aufrichtige Liebe des Königs?« – Guiche sah sie lange an; sein Blick drang in ihr Herz; sie schlug die Augen nieder. – »Ich glaube, der König hat dabei nur die Absicht, jemand zu quälen,« antwortete er. »Sonst würde er es wohl kaum darauf ankommen lasten, ein junges Mädchen von tadellosem Rufe leichtsinnig zu kompromittieren.« – »O, die Schamlose!« rief Henriette außer sich. – »Hoheit,« entgegnete Guiche ehrfurchtsvoll, aber entschieden, »erlauben Sie mir zu erwidern, Fräulein von Lavallière wird von einem Manne geliebt, den man als Ehrenmann achten muß.« – »Bragelonne wohl, wie?« – »Mein Freund, ja, Madame.« – »Was kümmert’s den König, ob er ihr Freund ist?« – »Der König weiß um Bragelonnes Verlöbnis mit Fräulein von Lavallière; und da Rudolf sich im Dienst ausgezeichnet hat, wird Seine Majestät kein Unglück verursachen, das nicht wieder gutzumachen wäre.« – Madame antwortete mit einem Lachen, das den Grafen schmerzlich berührte. – »Ich wiederhole, Madame, ich glaube nicht, daß der König die Lavallière wirklich liebt. Ich möchte Sie fragen, wem der König damit einen Schabernack spielen will. Eure Hoheit wissen das vielleicht, denn es geht das Gerücht, Sie seien sehr intim mit dem König.« – Madame biß sich auf die Lippen, schien jedoch Guiches Worte zu überhören und sagte, wie zu sich selbst: »Wenn ich an die Armbänder denke, so könnte ich den Verstand verlieren.« – »Hoheit glaubten, der König würde sie Ihnen schenken?« fragte Guiche. – »Warum nicht?« – »Aber Hoheit sind nur des Königs Schwägerin – da wäre doch vor Ihnen erst die Königin selbst gekommen.« – »Und vor der Lavallière,« versetzte die Herzogin gekränkt, »kam ich – kam der gesamte Hof –« – »Wenn man Sie so reden hört, Madame, wenn man Ihre geröteten Augen und diese Träne sieht, die an Ihrer Wimper zittert, dann könnte man wirklich glauben. Königliche Hoheit wären eifersüchtig.«

»Eifersüchtig,« rief die Prinzessin stolz, »auf eine Lavallière?« – Sie erwartete, daß ihr hochfahrender Ton den Grafen überzeugen würde; er aber wiederholte fest und ruhig: »Jawohl, Madame, eifersüchtig auf die Lavallière.« – »Ich glaube, Herr Graf, Sie wollen mich insultieren?« rief sie. – »Ich glaube nicht, Madame,« erwiderte der Graf ein wenig gereizt. – »Gehen Sie!« herrschte sie ihn an, erbittert über seine Kaltblütigkeit.

Der Graf erhob sich, erblaßte, machte aber mit Ruhe seine Verbeugung und schickte sich an zu gehen. »Es war nicht der Mühe wert, mich rufen zu lasten, wenn Sie weiter nichts von mir wollen,« sagte er. – Doch er war kaum fünf Schritte gegangen, als Madame hinter ihm herstürzte, ihn beim Arme faßte und ungestüm zurückzog. »Ihre erheuchelte Ehrerbietung,« stieß sie zitternd hervor, »ist noch beleidigender als die Beleidigung selbst. Sprechen Sie meinetwegen Beleidigungen aus, aber sprechen Sie wenigstens!«

»Und Sie, Madame,« versetzte der Graf und zog den Degen, »durchstoßen Sie mir die Brust, aber martern Sie mich nicht langsam zu Tode!« – Sie weinte. – Guiche nahm sie in seine Arme und trug sie in den Fauteuil zurück. Sie sank wie ohnmächtig nieder. – »Warum bekennen Sie mir nicht Ihren Schmerz?« flüsterte er, ihr zu Füßen knieend. »Lieben Sie jemand anders? Sagen Sie es mir – es wird mich das Leben kosten – aber ehe ich sterbe, werde ich doch noch Ihren Schmerz lindern, Sie trösten, Ihnen dienen können.«

»Wie?« antwortete sie, plötzlich besänftigt, »so lieben Sie mich?« – »Ja, Madame, so liebe ich Sie.« – Sie reichte ihm beide Hände. – »Nun ja, ich liebe,« flüsterte sie so leise, daß die Worte kaum zu verstehen waren. – »Den König?« fragte er. – Sie schüttelte den Kopf und lächelte. »O, nein, in einem Herzen, das sich seines Wertes bewußt ist, wohnt eine andere Liebe. Ich bin auf einem Thron geboren und stolz auf meinen Rang. Graf, warum nähert der König sich unwürdigen Geschöpfen?« – »Madame,« erwiderte er. »Sie sprechen von einem Mädchen, das die Gattin meines Freundes werden wird.«

»Sind Sie wirklich so einfältig, das zu glauben?« fragte sie. – »Wenn ich es nicht glaubte, so würde Bragelonne morgen erfahren, was hier vorgeht,« antwortete der Graf. »Wenn ich glaubte, die Lavallière hätte den Schwur vergessen, den sie Rudolf geleistet – – doch nein! es wäre ein Verbrechen, einen Freund um seine Ruhe zu bringen.« – »Sie meinen, gar nichts davon zu wissen, sei besser?« fragte sie. – »Ich glaube es,« antwortete er. »Und dann – wo sind die Beweise? Einstweilen spricht noch der ganze Hof, der König liebe Sie, und Sie liebten den König.« – »Wie? Sie wollen dem unglücklichen jungen Manne nicht die Augen öffnen?« fragte Madame. »Sie wollen ruhig zusehen, wie er sie trotz allem weiterliebt?« – »Ja, bis ich mich überzeugt habe, daß die Lavallière wirklich treulos ist.«

Die Herzogin schwieg nachdenklich. Sie fühlte, Graf Guiche glaubte schon jetzt an die Treulosigkeit der Lavallière und an die Liebe des Königs, nur wollte er seine Meinung nicht rückhaltlos aussprechen, um ihr nicht wehzutun. Sie mußte sich gestehen, es war das erste Mal, daß ein Liebhaber das gewöhnliche Mittel verschmähte, einen Nebenbuhler aus dem Felde zu schlagen, indem er ihn des Verhältnisses mit einer andern verdächtigte. Kurz, sie erkannte so viel echten Edelmut im Herzen ihres Verehrers, daß ihr eigenes Herz bei der Berührung mit einer so reinen Flamme sich läuterte. Ihre Gefühle für ihn wurden dadurch um vieles inniger und wärmer. »Graf,« sagte sie, ihm die Hand reichend, »mag der König die Lavallière lieben oder nicht, mag die Lavallière den König lieben oder nicht, wir beide wollen uns nicht mehr darum kümmern. Ich bin zwar die Schwester des Königs, die Schwägerin seiner Gemahlin, aber ich will mich mit seinen Familiengeschichten nicht befassen, ich bin ja selbst verheiratet. Und das muß auch für Sie eine Mahnung sein, mir stets mit der größten Ehrerbietung zu nahen. Sie sehen also, Graf, ich habe auf zwei Rollen Bedacht zu nehmen, auf die Rolle der Schwägerin und auf die der Gemahlin –«

»O,« rief Graf Guiche und fiel ihr zu Füßen. – »Doch mich dünkt,« flüsterte sie, »ich habe daneben noch eine dritte Rolle, die ich trotz allem nicht vergessen darf: ich bin ein Weib und liebe!« – Er stand auf, sie breitete die Arme aus, beider Lippen berührten sich.

Hinter der Tapetentür hörte man Tritte. Die Montalais klopfte. »Madame,« rief sie, »man sucht den Grafen von Guiche.« – Der Graf verneigte sich vor der Herzogin und entfernte sich rasch. In seiner Wohnung fand er einen Kurier, der ihm ein Schreiben von Rudolf von Bragelonne überbrachte. Der Graf las es bei der brennenden Kerze.

»Lieber Freund! Auf meiner Reise habe ich Wardes getroffen. Sie wissen, er ist von Charakter gehässig und boshaft. Er sprach von Ihnen und Madame und ließ durchblicken, daß er um Ihre Liebe zur Herzogin wisse. Er sprach auch von einer Person, die mir sehr nahesteht, und zwar in eigentümlichen Ausdrücken des Bedauerns, die mich – so sehr ich mich dagegen sträube – mit ungewisser Furcht erfüllen. Ich weiß, er liebt es, den Geheimnisvollen zu spielen, aber er behauptete, bestimmte Nachricht vom Hofe zu haben. Er deutete an, der König habe seine Liebe inzwischen einer andern Dame zugewandt, von der man infolgedessen allerdings nicht viel Gutes spreche. Wardes ist im Begriff, nach Paris abzureisen; ich habe keine näheren Erklärungen von ihm verlangt, weil ich mich nicht erst wieder mit ihm einlassen wollte. Auf der Weiterreise habe ich mir nun allerhand Gedanken gemacht. Ganz sicher haben die Andeutungen Wardes‘ einen ganz bestimmten Sinn, sofern es sich um jene von mir geliebte Dame handelt. Ich wende mich nun an Sie. Suchen Sie zu erfahren, was er gemeint hat, wenn Sie es nicht schon wissen. Empfehlen Sie mich, lieber Freund, dem Fräulein von Lavallière, dem ich ehrerbietig die Hand küsse. Mit herzlichem Gruße Ihr Vicomte von Bragelonne. – Nachschrift: Sollte sich etwas Wichtiges ereignen, so senden Sie mir einen Eilboten mit dem einzigen Worte: »Kommen Sie!« und in 36 Stunden bin ich in Paris.«

Guiche steckte den Brief seufzend ein. »Eine dumme, dumme Geschichte!« murmelte er. »Wer weiß, wie das noch endet! Und Wardes,« setzte er mit drohender Gebärde hinzu, »mischt sich in meine Angelegenheiten und erlaubt sich, von meinem Verhältnis zu Madame zu sprechen? Warten Sie, Marquis, Sie werden es mit mir zu tun haben! Armer Rudolf, du hast mir ein deinem Herzen teures Gut anvertraut – nun, ich werde auf der Hut sein.«

Von Wardes traf am andern Tage bei Hofe ein und wurde freundlich aufgenommen. Er hatte sich so lange ferngehalten, um den unliebsamen Auftritt im Zimmer d’Artagnans bei allen, die dabei gewesen, in Vergessenheit geraten zu lassen, und nun wurde er namentlich von Monsieur, der gern einmal ein neues Gesicht sah, mit einer Freude begrüßt, die eines bessern würdig gewesen wäre. Das empfand selbst Chevalier von Lorraine, der zusammen mit Guiche diesem Empfange beiwohnte. Als Wardes vom Herzog entlassen worden war, traf Guiche mit ihm zusammen. Beide begrüßten sich nach höfischer Art und wechselten liebenswürdige Komplimente. »Glücklich wieder hier, Herr von Wardes?« sagte Graf Guiche. »Was bringen Sie Neues mit?« – »Nichts,« antwortete der junge Mann. »Neues hoffe ich hier zu erfahren.« – »Pardon, Sie haben doch erst vor kurzem einen meiner Freunde getroffen,« sagte der Graf. – »Richtig, ja, Bragelonne,« versetzte der Marquis, über den Ton des Grafen stutzend. »Ich muß gestehen, ich weiß nicht recht, was wir miteinander geredet haben. Sie wissen ja, es besteht eine gewisse Spannung zwischen uns.« Er merkte an der kalten, würdevollen Haltung Guiches, daß das Gespräch eine für ihn üble Wendung nehmen würde und beschloß, auf der Hut zu sein. »Die Geschichte mit der Lavallière habe ich wohlweislich verschwiegen,« setzte er hinzu.

»Was ist das mit der Lavallière?« fragte Guiche. »Das muß eine seltsame Geschichte sein, daß Bragelonne sie von Ihnen in Calais erfahren mußte, während er doch von hier kam.« – »Wie, Herr Graf! Fragen Sie das im Ernst, Sie, der bevorzugte Günstling unserer schönen Prinzessin?« – »Welcher Prinzessin?« rief Guiche und errötete vor Zorn. – »Ich kenne nur eine, Graf – Madame. Oder sollten Sie noch eine zweite im Herzen tragen?«

Ein Streit zwischen den beiden jungen Kavalieren war kaum noch zu umgehen. Aber von Wardes wollte es so wenden, daß die Prinzessin die Ursache sei, während von Guiche den Zwist nur in Sachen der Lavallière annehmen mochte. Er parierte daher die Finte des Marquis. »Von Madame ist hier gar keine Rede,« versetzte er, »sondern von Bragelonne und Fräulein von Lavallière oder vielmehr von einer Geschichte –« – »Die Ihnen ebenso bekannt ist wie mir,« sagte Wardes.

»Auf Ehre, nein!« – »Sie scherzen! Ich komme von weit her, und Sie haben den Hof keinen Augenblick verlassen. Sie haben mit eigenen Augen gesehen, was mir das Gerücht zugetragen, und Sie geben Ihr Ehrenwort, nichts zu wissen. Sie tun sehr verschwiegen – aber ja doch, die Klugheit gebietet es Ihnen.«

»Sie wollen also weder mir noch Bragelonne etwas sagen?« – »Bragelonne?« entgegnete Wardes. »Der wird sobald nicht wiederkommen. Oder glauben Sie etwa man habe ihn zum Spaße nach London geschickt? Nein, man will ihn sich recht lange vom Halse halten.«

»Ha, Marquis, wenn Sie das Bragelonne gegenüber angedeutet haben, so verstehe ich allerdings, daß er sehr besorgt an mich geschrieben hat,« sagte Graf Guiche.

»Er hat an Sie geschrieben? So!« antwortete der Marquis kalt. »Was denn?« – »Daß Sie boshafte Andeutungen über Fräulein von Lavallière gemacht und über seine Zuversicht zu ihrer Treue gelächelt hätten.«

»Das habe ich allerdings getan, aber der tapfere Bragelonne regte sich nicht auf,« antwortete Wardes. »Da würden Sie es gewiß anders machen, wenn ich Ihnen zum Beispiel sagte, die schöne Prinzessin habe Lord Buckingham nur deshalb weggeschickt, um sich Ihnen zu widmen.« – »Das würde mich gar nicht verletzen,« antwortete der Graf, »denn eine solche Gunst wäre Balsam für mich.«

»Mag sein, aber wenn mir’s um einen Streit zu tun wäre, dann würde ich noch weiter gehen und von einem gewissen Gebüsch sprechen, wo Sie mit der Prinzessin zusammentrafen, von einem Kniefall, von einem Handkusse – und Sie würden dann als diskreter Kavalier –« – »Nein, wahrlich nicht!« rief Guiche, obgleich er totenblaß war, »das würde mich nicht rühren – ich würde Ihnen nicht widersprechen. Alles, was meine Person betrifft, läßt mich kalt, ich erhitze mich nur für meine Freunde. Und für einen Freund besonders gehe ich ins Feuer!«

»Aber, lieber Graf,« erwiderte Wardes, »wir können doch unmöglich so viele Worte um Bragelonne und die unbedeutende Lavallière wechseln.« – In diesem Augenblick gingen mehrere Höflinge vorbei, und Wardes rief, als er dies sah, mit lauter Stimme: »Ja, Herr Graf, wenn die Lavallière kokett wäre, wie Madame, deren freilich harmlose Neckereien erst Lord Buckingham nach England zurückgetrieben und dann Sie in die Verbannung jagten –« – »Mein Gott!« erwiderte Guiche, das Spiel Wardes‘ durchschauend und entschlossen, ihn zu übertrumpfen, »ich bin nun mal ein Geck und bildete mir was ein; aber ich habe meinen Irrtum erkannt, Abbitte getan und meinen Fehler abgelegt. Ich bin ein anderer Mensch geworden und lache jetzt über Dinge, die mir vor vierzehn Tagen noch das Herz zerrissen hätten. Aber Rudolf liebt noch immer wahr und glaubt sich wiedergeliebt. Er kann noch nicht über die Gerüchte lachen, die Sie ihm hinterbracht haben, obwohl Sie so gut, wie einzelne der Herren dort, wissen, daß diese Gerüchte die reine Verleumdung sind.«

Die Herren traten näher, Saint-Aignan und Manicamp an der Spitze.

»Nichts als Verleumdung!« rief Graf Guiche. »Meine Herren, gestatten Sie, daß ich Sie zu Richtern in dieser Sache mache. Hier ist der Brief, den Bragelonne mir geschrieben hat. Er teilt mir darin mit, was Herr von Wardes zu ihm gesagt hat. Hören Sie es!« Und er las Rudolfs Schreiben vor. »Und nun kann ich eben nicht mehr daran zweifeln, daß Herr von Wardes durch boshafte Reden deren Grundlosigkeit er selber kannte, meinen teuren Freund unglücklich machen wollte.«

Von Wardes sah sich um und erkannte, daß er von den Umstehenden keinen Beistand erhoffen durfte; denn bei dem Gedanken, daß er die Lavallière, die jetzt die Göttin des Tages war, beleidigt hätte, schüttelte jedermann den Kopf. Das entging Herrn von Guiche nicht. »Meine Herren,« fuhr er fort, »mein Wortwechsel mit von Wardes darf nur bis hierher von Zeugen gehört werden; das weitere lassen Sie uns bitte unter vier Augen abmachen.« – »Aber, meine Herren!« rief Manicamp, in der Absicht zu vermitteln. – »Oder sollten Sie meinen, ich sei im Unrecht, wenn ich Fräulein von Lavallière gegen seine Beleidigungen in Schutz nehme?« fragte von Guiche. »In diesem Falle müßte ich allerdings –« – »O, keineswegs, keineswegs!« unterbrach ihn Saint-Aignan. »Fräulein von Lavallière ist ein Engel.« – »Sie ist die Tugend, die Keuschheit selbst,« setzte Manicamp hinzu. – »Sie sehen, Herr von Wardes, ich bin nicht der einzige, der das arme Kind verteidigt. Meine Herren, nochmals, lassen Sie uns allein!«

Die Kavaliere entfernten sich.

»Ich muß sagen, das haben Sie gut gemacht,« murmelte Wardes. »Man sieht, in der Provinz rostet man ein; Sie aber haben im Umgang mit gewandten Damen viel gelernt.« – »Herr von Wardes, alle Welt kennt Sie als einen boshaften Menschen. Ich im besonderen kenne Sie jetzt auch noch als Feigling.« – »Sie möchten mich gern totschießen, nicht wahr, Herr Graf?« entgegnete Wardes. »Ich bin aber willens, auf Herrn von Bragelonne zu warten. Er hat das Vorrecht.« – »Nein, Sie werden nicht auf ihn warten,« versetzte der Graf spöttisch. »Sie haben selbst gesagt, er wird lange fortbleiben. Sie wollen die Zeit benützen, um zu flüchten.«

»Sind Sie von Sinnen?« rief der Marquis zurücktretend. – »Sie sind ein erbärmlicher Fant. Wenn Sie sich nicht gutwillig schlagen, so soll der König erfahren, daß Sie das Fräulein von Lavallière beleidigt haben.« »Ah! also doch!« rief Wardes triumphierend, »und das nennen Sie Freundestreue, Herr Graf! Gut, ich nehme an. Setzen wir uns zu Pferde und wechseln wir drei Pistolenschüsse! Sie sind ja ein trefflicher Schütze.« – »Sie nicht minder,« antwortete Guiche. »Ja, Sie sind dabei im Vorteil, denn ich habe Sie mal Schwalben im Fluge schießen sehen.« – »Gut, es bleibt bei der Abrede. Ich lasse sogleich mein Pferd satteln. Wohin reiten wir?« – »In den Wald. Ich weiß einen guten Platz.« – »Reiten wir zusammen?« – »Warum nicht?«

Beide gingen zu den Pferdeställen und waren schon nach wenigen Minuten unterwegs nach einem Orte von dem vielleicht nur einer lebend wiederkehren würde.