Vincenzo Bellini

Die Capuleti und die Montecchi

Tragische Oper in vier Akten

Personen

Capellio, Haupt der Capuleti

Giulietta, seine Tochter

Romeo, Haupt der Montecchi

Tebaldo, Anhänger der Capuleti und Giulietta’s bestimmter Gemahl

Lorenzo, Arzt, in Capellio’s Diensten

Anhänger der Familien Capuleti und Montecchi

Damen. Wachen. Bewaffnete

Die Handlung geht in Verona, im dreizehnten Jahrhundert vor.

Erster Akt.

Gallerie in Capellio’s Pallast.

Erste Scene.

Capellio’s Freunde und Verbündete.

EINIGE.

Kaum graut der Morgen, erscheinen wir,

Noch in der Dämm’rung Stunde.

ANDERE.

Was giebt es? – uns zu versammeln hier,

Kam uns die schnelle Kunde.

ALLE.

Schaaren von Kriegern zeigen sich,

Und sind zum Kampf bereit.

EINIGE.

Dinge von hoher Wichtigkeit

Sind wohl indeß geschehen? –

ANDERE.

Wohl mag der Bund der Guelfen

Neu sich bedrohet sehen,

Und die Montecchi rüsten sich

Zu blut’gem Kampf und Streit.

ALLE.

Fluch und Verderben treffe sie! –

Tod sey das Loos der Kühnen!

Eh’ unser Thor sich öffnet

Vor diesen Ghibellinen,

Eh’ sey, in Staub und Schutt zermalmt,

Verona unser Grab! –

Zweite Scene.

Capellio, Tebaldo, Lorenzo, Vorige.

TEBALDO.

Ihr, dieses Hauses treu ergeb’ne Freunde!

Vertheid’ger seines Ruhmes, aus wicht’gen Gründen

Seh’ ich heut Euch versammelt in diesen Hallen.

Wißt, Ezzelino selber

Nimmt Theil an unserm Streite.

Und stellt sich kämpfend an der Montecchi Seite.

Mit mächt’gen Schaaren ist er im Feld erschienen;

An ihrer Spitze steht der verhaßte,

Der übermüth’ge Führer der Ghibellinen.

CHOR.

Sein Name?

TEBALDO.

Romeo! –

CHOR.

Romeo? –

CAPELLIO.

Jener Romeo, der Frevler,

Der mir den Sohn erschlug! Ja er, (wer mag

Die Frechheit glauben?) er, der verhaßte Gegner,

Bietet uns Frieden. Ein Bote ward deshalb

Von ihm an uns beschieden.

CHOR.

Friede, o Herr! –

CAPELLIO.

Nein, nimmer! –

LORENZO.

Laß ihn erscheinen!

Wohl kann, was er verkündet,

Vortheil uns bringen. Zu lang’ ward in Verona

Nur Kampf und Mord geübet,

Zu lang’ schon floß die Etsch von Blut getrübet!

CAPELLIO.

Es ward gerächt! Nur meines floß ohne Rache.

Der es vergoß, er athmet. Nie führt der Zufall

Ihn meinem Blick entgegen. Von Allen ungekannt,

Weil er uns früh verlassen, irrte Romeo

Von Land zu Land. Selbst in Verona’s Mauern

Wußt’ er sich öfters tollkühn einzuschleichen! –

TEBALDO.

So vernehmt meinen Schwur! – Mein Arm soll ihn erreichen!

Diesem Schwerdte wird’s gelingen,

Blut’ge Rache Dir zu bringen;

Ja, ich schwör’s bei meiner Liebe,

Ich entdecke seine Spur.

Laß, o laß mit süßen Banden

Uns’re Herzen bald umschlingen,

Der Gemahl wird dann vollbringen,

Was der Liebende Dir schwur!

CAPELLIO.

Sohn! umarme mich! – Euch soll noch heute

Hymens Fackel sich entzünden.

LORENZO.

Wie? noch heute?

CAPELLIO.

Was soll dies Staunen?

Das mir Deine Worte künden?

LORENZO.

Denk’, o Herr, des Fiebers Schmerzen –

Qual und Kummer im kranken Herzen –

Wisse, Giulietta – ach mit Gewalt nur

Träte sie vor den Altar.

TEBALDO.

Mit Gewalt?

CAPELLIO UND CHOR.

Die Hand der Liebe

Bring’ ihr Trost und Hülfe dar.

TEBALDO.

Theurer noch, als dieses Leben,

Ist die Holde meinem Herzen.

Ihre Liebe ist mein Streben,

Meine Wonne sie allein.

Doch erpreßte mein Entzücken

Ihrer Brust nur eine Klage,

O dann soll mir jede Plage,

Jede Qual beschieden seyn!

CAPELLIO.

Laß die bangen Zweifel schwinden,

Ihre Ruhe soll sie finden,

Wirst Du kämpfend überwinden –

Ihres Bruders Rächer seyn.

CHOR.

Führ’ uns hin zum blut’gen Streite!

Ja, wir kämpfen Dir zur Seite.

Reich belohnt wirst Du Dich finden,

Denn Giulietta harret Dein.

LORENZO.

Wehe ihr! vor dem Geheimniß

Muß nun bald der Schleier schwinden

Und kein Retter wird sich finden, –

Niemand wird ihr Schutz verleih’n.

CAPELLIO.

Eile, Lorenzo! Du vermagst zur heil’gen Feier

Sie zu bewegen. Noch eh’ die Sonne sinkt,

Sey sie vollzogen. Morgen soll Lust und Freude

Aus ihren Blicken uns entgegen strahlen. –

Fort! gehorche! –

Lorenzo ab.

TEBALDO.

Herr, ich fürchte –

CAPELLIO.

Laß jede Sorge! –

Nie wird Capellio’s Tochter

Des Vaters Sinn verleugnen; und hoch geehrt,

So wie uns Allen, sey der Tapfre ihr,

Der sich mit uns verbindet.

TEBALDO.

Mag dieses Hoffen

Ein froher Ausgang krönen! Gern glaubt das Herz,

Was es erstrebet mit heißer Liebe Sehnen.

CAPELLIO.

Schon nahet sich der Sprecher,

Den uns der Feind gesandt. Ist hier wohl Einer,

Der den Montecchi die Hand zum Frieden böte?

ALLE.

Fluch den Montecchi! Tod den Ghibellinen!

Dritte Scene.

Romeo mit kriegerischem Gefolge, Vorige.

ROMEO.

Froh meines heil’gen Amtes, das mir verlieh’n,

Der Ghibellinen Haupt, nah’ ich voll Ehrfurcht,

Ihr edlen Guelfen, Euch. Mit gleicher Freude

Möge Jeder mich hören; mit frohem Munde

Bring’ ich der Freundschaft und des Friedens Kunde.

TEBALDO.

O sprich, wer baute je

Auf der Montecchi Treue?

CAPELLIO.

Oft ward der Friede

Mit Euch geschlossen, stets brach’t Ihr ihn auf’s Neue.

ROMEO.

In Deiner Hand bewahrest Du

Des ew’gen Friedens Pfand; gönn’ in Verona

Gleiches Recht den Montecchi, und gieb Romeo

Der Tochter Hand.

CAPELLIO.

Des Blutes heil’ge Schranke

Trennt uns auf immer, und nimmer kann sie schwinden,

Nimmer! ich schwöre.

ALLE.

Wir Alle schwören!

ROMEO.

O höre!

Wenn Romeo den Sohn erschlagen,

So geschah’s im Schlachtgetümmel –

Nur das Schicksal ist anzuklagen –

Heiße Thränen weiht ihm sein Schmerz.

D’rum Versöhnung! Du findest wieder

In Romeo des Sohnes Herz! –

CAPELLIO.

Kehr’ zurück, und sag’ dem Thoren,

Schon hab’ ich den Sohn erkoren.

ROMEO.

Himmel! – und wen? –

TEBALDO.

Tebaldo! –

ROMEO.

Du!

Noch ein Wort! –

CAPELLIO.

Genug der Worte! –

TEBALDO UND CHOR.

Ew’ger Kampf den Ghibellinen! –

Dies ist unser Feldgeschrei!

ROMEO.

Uebermüth’ge! – Wohlan, es sey!

Vor Romeo’s Rächer-Arme

Soll kein Gott Euch nun beschützen,

Und von seines Schwerdtes Blitzen

Treffe Euch der Todesstreich.

Doch zum Himmel schreit um Rache

All’ das Blut, das Ihr vergossen,

Jede Thräne, die geflossen,

Laste schwer, ja schwer auf Euch! –

ALLE.

Fort, Verweg’ner! – Nur der Himmel

Lenkt gerecht den Todesstreich! –

Vierte Scene.

Giulietta’s Gemach.

GIULIETTA allein.

Festlich steh’ ich geschmücket, gleich einem Opfer,

Das zum Altar man führet. Ach, könnt’ ich Verlass’ne

Als Opfer am Altar mein Leben enden! –

Flammende Hochzeitfackeln,

Die mit verhaßtem Glanz mein Auge blenden,

Leuchtet, ach leuchtet zu meiner Todtenfeier! –

Ich glühe, wildes Feuer durchtobt mich!

Will mich verzehren. Der Lüfte kühlend Fächeln

Such’ ich vergebens. Wo weilst du, o Romeo?

Sieh, mein Herz will verzagen! –

Wohin, ach, send’ ich meiner Sehnsucht Klagen?

Ach, wie so oft vom Himmel

Erfleht’ ich dich mit Thränen!

Getäuscht von meinem Sehnen

Wähn’ ich dich nah’ bei mir.

Ein Strahl aus deinen Blicken.

Scheint mir der Glanz der Sonne.

Lüfte, die mich erquicken,

Scheinen ein Hauch von dir.

Fünfte Scene.

Lorenzo, Giulietta, dann Romeo.

LORENZO.

Die Zeit ist günstig! – Zu unverhoffter Wonne

Muß ich sie vorbereiten. –

Giulietta!

GIULIETTA.

Lorenzo! –

LORENZO.

Nur Ruhe! nur Fassung! –

GIULIETTA.

Bald werd’ ich Ruhe finden,

Ja, lange Ruhe – ich fühl’s in meinem Innern,

Wie mir die Kräfte schwinden. Ha! könnt’ ich einmal,

Nur einmal noch ihn sehen! – Er nur vermag es,

Die verlöschende Flamme neu zu beleben! –

LORENZO.

Nur Muth, Giulietta! Er ist in Verona!

GIULIETTA.

O Himmel!

Und mir noch ferne?

LORENZO.

Die allzu jähe Freude,

Trägt sie Dein Herz?

GIULIETTA.

Mehr als dies Leiden! –

LORENZO.

Wohlan!

So sey gefaßt, ihn zu sehen! Ich führt’ ihn her

Auf dem geheimen, nur uns bekannten Pfade.

ROMEO.

Meine Giulietta! –

GIULIETTA.

Romeo!

LORENZO.

Sprecht nur leise!

Lorenzo ab.

Sechste Scene.

Romeo und Giulietta.

GIULIETTA.

Ich seh’ Dich wieder, o Wonne!

Endlich seh’ ich Dich wieder! –

ROMEO.

Meine Giulietta!

Wie muß ich Dich wiederfinden? –

GIULIETTA.

Ach, ohne Hoffnung,

Gramvoll und leidend. Du siehst es,

Nah’ an des Grabes Rande! Und Du, Romeo?

ROMEO.

Unglückselig, gleich Dir, und endlich müde

Dieses verhaßten, qualvollen Lebens,

Das Deiner Liebe Lächeln mir nicht verkläret,

Komm’ ich, mein Daseyn hier zu enden,

Oder Dich zu entführen aus Feindes Händen.

Du mußt mit mir entflieh’n! –

GIULIETTA.

Entflieh’n? – was sagst Du?

ROMEO.

Ja, wir flieh’n! Uns winket Beiden

Fern die Ruh’ nach schweren Leiden.

Du wirst auch in fremden Auen

Deiner Heimath Fluren schauen, –

Jedes Glück, von dem wir scheiden,

Wird die Lieb’ uns neu verleih’n!

GIULIETTA.

Ach, Romeo! im Schooß der Meinen

Laß mich mein Geschick beweinen.

Höh’rer Liebe feste Bande

Fesseln mich im Vaterlande.

Nur mein Geist darf Dich geleiten,

Ewig wird er bei Dir seyn.

ROMEO.

Ha, was hör’ ich? welche Bande

Sind so stark als Lieb’ und Treue?

GIULIETTA.

Die Gesetze, Pflicht und Ehre,

Und die Furcht vor bitt’rer Reue! –

ROMEO.

Ach, Du sprichst von Pflicht und Ehre,

Da man ewig uns will trennen!

Nur Dein Mund spricht diese Lehre,

Doch Dein Herz erkennt sie nicht.

Soll Romeo ferner leben,

So erhör’ sein dringend Flehen! –

Schlägt Dein Herz mir treu ergeben,

Höre nur, was Liebe spricht! –

GIULIETTA.

Willst Du mehr noch, als mein Leben,

Das ich ewig Dir nur weihte? –

Doch an meines Vaters Seite

Bindet mich der Tochter Pflicht.

Bald wird man in’s Grab mich senken,

Muß ich fern von Dir mich seh’n;

Und Du kannst so tief mich kränken,

Da mein Herz vor Jammer bricht! –

ROMEO.

Hörest Du? es sind die Klänge,

Die die Feier Dir verkünden.

GIULIETTA.

Fliehe! – fort! –

ROMEO.

Nein, nein, ich bleibe! –

GIULIETTA.

Weh’! der Vater wird Dich finden!

ROMEO.

Einer falle von uns Beiden,

Unser Schwerdt soll Richter seyn! –

GIULIETTA.

Ach, Romeo! –

ROMEO.

Du flehst vergebens! –

GIULIETTA.

Ach, erbarm’ Dich Dein und mein! –

ROMEO.

Theure, bau’ auf meine Treue,

Folge mir zum schönsten Bunde!

Ach, sonst wird die günst’ge Stunde

Ewig uns verloren seyn.

Des Geliebten Tod und Leben

Sind in Deine Hand gegeben.

Nein, Du fühlst nicht meine Liebe,

Kennest nicht der Sehnsucht Pein! –

GIULIETTA.

Hör’, o hör’ mein banges Flehen! –

Sieh, Geliebter, meine Leiden! –

Nur Verderben droht uns Beiden,

Nichts kann uns vom Tod’ befrei’n.

Ach, erspare meinem Herzen

Größ’re Qualen, größ’re Schmerzen! –

Dein, nur Dein war ich im Leben,

Auch im Tode bin ich Dein! –

Zweiter Akt.

Innere Halle in Capellio’s Pallast.

Erste Scene.

Ritter und Damen.

CHOR.

Wenn des Tages Stürme verfliegen,

Bringt der Abend Freud’ und Vergnügen,

Zorn und Rache seh’n wir entschwinden,

Wenn Hymens Fackeln hell sich entzünden.

Wo Amors Lächeln freundlich uns winket,

Herrscht nur Entzücken, Jubel und Lust.

Laßt mit Gesängen, mit fröhlichen Klängen

Das heut’ge Fest uns froh begehen.

Ja, diese Stunde der reinsten Freuden

Sey uns Belohnung nach langen Leiden.

Wo der Freude Becher blinket,

Flieht der Gram aus jeder Brust,

Und wo Amor’s Lächeln winket,

Herrscht Entzücken, Wonn’ und Lust.

Ab.

Zweite Scene.

Romeo, Lorenzo.

LORENZO.

Hemme die raschen Schritte! wage

Nicht weiter Dich; des Guelfen Kleidung

Schützt Dich nicht vor Verrath.

ROMEO.

Kann an Gefahren

Ich wohl noch denken, wenn der verhaßte Feind

Mir die Geliebte raubt? Ja doch beim Himmel!

Nie soll’s gescheh’n! Ich schwör’ es!

LORENZO.

Du rasest! entschwand Dir

Nicht jede Hoffnung?

ROMEO.

Eine noch bleibt mir. So höre!

Heimlich verweilen, gleich mir verkleidet,

Im Schutz des Waffenstillstandes, hier in Verona

Tausend der Meinen, zum Kampfe gerüstet.

LORENZO.

Himmel!

ROMEO.

Ganz unerwartet stürzt

Die Schaar sich auf die Feinde, und schnell geendet

Sey das heutige Fest.

LORENZO.

O Nacht voll Schrecken!

Mich machst Du zum Genossen

So blut’ger Gräuel? Machst mich zum Verräther

An diesem Hause?

Welch’ Getümmel!

ROMEO.

O Entzücken!

CHOR.

Die Montecchi!

ROMEO.

Wohl mir!

CHOR.

Zum Kampfe!

LORENZO.

Fliehe! schnell!

ROMEO.

Tebaldo, zitt’re!

Meiner Rache sollst Du fallen!

Die Trompeten hör’ erschallen,

Sie verkünden Dir den Tod!

LORENZO.

Schweige, schweige, flieh’, o fliehe!

Waffenlärm von jeder Seite!

Ach, Du bist des Todes Bente

Vom Verderben rings bedroht.

CHOR.

Bringt Waffen, schnell, ihr Leute!

Wer giebt Schutz in dieser Noth? –

Ab.

Dritte Scene.

Giulietta allein.

Still wird’s umher, – und Schweigen

Folget dem Schlachtgetümmel.

Nimm meinen Dank, o Himmel,

Frei athmet dieses Herz.

Doch an den gold’nen Decken

Sah’ ich das Blut der Meinen, –

Muß ich vielleicht, o Schrecken!

Romeo’s Fall beweinen?

Himmel! diese Angst, dies Beben –

Kaum kann ich widersteh’n.

Du nur kannst Schutz ihm geben,

Ew’ger! o hör’ mein Fleh’n!

Vierte Scene.

Romeo, Giulietta.

ROMEO.

Giulietta!

GIULIETTA.

O Gott! wen seh’ ich?

ROMEO.

Deinen Romeo, o fasse Dich!

GIULIETTA.

Entsetzen, Du wagst es?

ROMEO.

Zur Rettung

Biet’ ich Dir meine Hand.

Folg’ mir!

GIULIETTA.

Laß mich! – o Himmel!

Du tödtest mich und Dich!

ROMEO.

Komm, ich beschwöre Dich

Bei unsrer Liebe Band!

CHOR.

Tod den Montecchi!

GIULIETTA.

Fliehe!

Sie stürmen schon heran!

ROMEO.

Mitten durch ihre Reihen

Macht dieses Schwerdt uns Bahn.

Fünfte Scene.

Tebaldo und Capellio mit Bewaffneten. Lorenzo. Vorige.

CAPELLIO.

Haltet!

TEBALDO.

Was seh’ ich! der Abgesandte,

Der heut’ vom Frieden sprach?

LORENZO.

(O Gott, er ist verloren!)

ROMEO.

Ich wüthe!

GIULIETTA.

Welche Schmach!

CAPELLIO.

Bewaffnet! im Pallaste?

TEBALDO.

Gehüllt in dieses Kleid?

Hältst Du vielleicht auf’s Neue

Ein Bubenstück bereit?

Wachen, herbei!

GIULIETTA.

Haltet ein!

Vater! – O schont! Erbarmen!

CAPELLIO.

Fort von mir!

TEBALDO.

Wie kann um seinetwillen

Sorge Dein Herz erfüllen?

CAPELLIO.

Giulietta!

TEBALDO.

Keine Antwort?

Du zitterst? bist verlegen?

Wer bist Du, Bube?

ROMEO.

So wisse! –

GIULIETTA.

Nein, nein, o sprich es nicht!

ROMEO.

Ich bin Dein Nebenbuhler! –

LORENZO.

(Wie unbedacht!)

GIULIETTA.

Mein Herz – es bricht! –

TEBALDO, CAPELLIO.

Verräther, was hör’ ich? –

GIULIETTA.

Lorenzo, zu Hülfe! –

LORENZO.

O Stunde des Jammers! –

ROMEO.

Durch mich stirbt die Arme! –

TEBALDO, CAPELLIO, LORENZO.

Umflort euch, ihr Sterne! –

Bedeckt euern Schein! –

Tief hüll’ uns’re Schande

In Dunkel sich ein! –

GIULIETTA, ROMEO.

O Vorsicht, du wollest

Ihm / Ihr Rettung verleih’n!

Schwer fall’ ihre Rache

Auf mich nur allein!

CHOR.

Wir sind nah’, Romeo! –

TEBALDO, CAPELLIO.

Welch Schreien! –

ROMEO.

Meine Freunde! –

GIULIETTA.

O Wonne!

CHOR.

Er ist es!

Sieh, es kommen die Getreuen,

Dich, Romeo, zu befreien! –

CAPELLIO.

Du Romeo? – Und noch am Leben?

TEBALDO.

Ha, Verräther! Du sollst erbeben! –

ROMEO.

Blut und Leichen wollt Ihr sehen? –

Nun wohlan! es fließe Blut! –

TEBALDO, CAPELLIO, ROMEO, CHOR.

Von des Kampfes wilden Stürmen,

Die sich tobend nun erheben,

Soll Italien erbeben,

Zittern selbst des Meeres Strand! –

GIULIETTA, LORENZO.

Ende, Gott, des Kampfes Stürme,

Die sich tobend nun erheben,

Und der Rache blutig Streben

Sey in Mitleid umgewandt! –

ROMEO, GIULIETTA.

Mag für dieses Erdenleben

Jede Hoffnung uns entschwinden! –

Ja, wir werden einst uns finden,

Dort, vereint in jenem Land! –

TEBALDO, CAPELLIO, CHOR.

Zu des Kampfes wilden Stürmen,

Die sich tobend nun erheben,

Eile, Sonn’, uns Licht zu geben,

Steig’ hervor am Himmelsrand! –

LORENZO.

Sonne, steig’ mit Widerstreben

Spät hervor am Himmelsrand! –

Dritter Akt.

Gallerie in Capellio’s Pallast.

Erste Scene.

Giulietta allein.

Noch keine Kunde! – O Himmel!

Gieb mir Gewißheit! – Der Lärm der Waffen

Ist nun verstummt. Nur noch zuweilen ertönt

Mit fernen dumpfem Schalle ein leises Murmeln

Wie von Wogen des Meers nach Ungewittern.

Wer fiel im Kampfe? O Gott! wer siegte?

Wen muß ich beweinen? Dürft’ ich nur geh’n und fragen!

Gequält von bangen Zweifeln, muß ich verzagen!

Zweite Scene.

Lorenzo, Giulietta.

GIULIETTA.

Lorenzo, o sprich! –

LORENZO.

Romeo lebet!

GIULIETTA.

Ich athme! –

LORENZO.

Des nahen Felsens Gipfel

Schützt ihn und seine Schaar, bis Ezzelin

Ihm selber helfend erscheint. Doch, wisse! Du Aermste

Bald führt Tebaldo Dich nach seinem Schlosse,

Wenn Du noch zögerst, mit fester Zuversicht

Dem lang’ bewährten Freund Dich zu vertrauen!

GIULIETTA.

Was soll ich thun? – O rede! –

LORENZO.

Hast Du Muth? –

GIULIETTA.

Du fragst noch? –

LORENZO.

Nun denn! – Hier, dieses Fläschchen

Enthält ein Mittel, das in Schlummer wieget,

Aehnlich dem Tode, und Dich, die todt man wähnet,

Legt man in’s Grab an Deiner Ahnen Seite.

GIULIETTA.

Ha! welch ein Plan? Bei ihnen

Ruht auch der Bruder, den Romeo erschlagen.

Drohend wird er erstehen

Aus der modernden Gruft.

LORENZO.

Wenn Du erwachst,

Ist Dein Geliebter sammt mir in Deiner Nähe.

D’rum ohne Furcht! Du zitterst? Du zauderst?

GIULIETTA.

O Himmel! –

Mich kann der Tod nicht schrecken! –

Oft wollt’ ich ihn erflehen;

Doch ihn so nah’ zu sehen,

Erfüllt mein Herz mit Gran’n.

LORENZO.

Muthig! Auf, fasse Vertrau’n! –

Kurz wird das Grab Dich decken!

GIULIETTA.

Doch, wenn, mich zu erwecken,

Dem Trank die Kraft gebricht? –

O welch ein Bild voll Schrecken! –

Nimmer soll ich dann schauen,

Sonne, dein strahlend Licht! –

LORENZO.

Nimm doch – die Stunden fliehen,

Ich hör’ des Vaters Tritte.

GIULIETTA.

Mein Vater! – O gieb und rette mich! –

LORENZO.

Du bist gerettet, fasse Dich!

GIULIETTA.

Komm, laß uns geh’n!

Dritte Scene.

Capellio mit Gefolge. Die Vorigen.

CAPELLIO.

Verweile! –

Noch nicht im Schlummer? –

Der Ruhe kurz zu pflegen,

Gönn’ ich Dir noch die Zeit.

Geh’! dem Gemahl zu folgen,

Sey morgen dann bereit.

CHOR.

Kummer und düst’res Baugen

Hält ihren Geist umfangen.

O gönne doch der Armen

Ein Wort der Zärtlichkeit! –

GIULIETTA.

Ohne daß Du vergeben,

Kann ich von Dir nicht geh’n.

Bald schwindet dieses Leben –

Laß mich versöhnt Dich sch’n! –

Kann der so grausam strafen,

Der mir das Leben gab? –

Laß Deinen Zorn entschlafen –

Senk’ ihn mit mir in’s Grab! –

CAPELLIO.

Laß mich!

LORENZO.

(Sey ruhig! Folge mir!)

CAPELLIO.

Nach Deinen Zimmern gehe! –

CHOR.

Sie ist so nah dem Grabe –

O leg’ Dein Zürnen ab! –

Ab.

Vierte Scene.

Gegend in der Nähe von Capellio’s Pallast.

ROMEO allein.

Rings herrschet Stille! – Lorenzo erwartend

Will ich hier weilen. Saumsel’ger Freund! Auch er

Kann mich im Unglück vergessen.

Und ach, im Bund mit meinem Mißgeschicke

Läßt er mich hier allein mit meinen Qualen!

Fort von hier! Ich höre Tritte!

Grausam Verhängniß! –

Fünfte Scene.

Tebaldo. Romeo.

TEBALDO.

Wer bist Du, der Du’s wagest,

Im Kreise dieser Mauern umher zu schleichen?

Hörst Du mich nicht?

ROMEO.

Bleib ferne! Mein Erkennen

Brächte Dir nur Verderben! –

TEBALDO.

Wohl kenn’ ich Dich

An dem verweg’nen Ton, an dieser Wuth,

Die in mir glühet! –

ROMEO.

Wohlan, so sieh mich, und bebe!

TEBALDO.

Frevler! – Geb’ ich ein Zeichen,

Naht sich die Schaar der Meinen!

Doch nur von meinen Streichen

Ereilt Dich hier Dein Loos! –

ROMEO.

Komm, Feiger! ich verachte Dich,

Und Jene, die Dich umgeben.

Bald bärg’st Du gern Dein Leben

Tief in der Erde Schooß.

BEIDE.

Ein feindliches Geschicke

Umdüstert Deinen Sinn,

Und reißt mit schwarzer Tücke

Dich in’s Verderben hin! –

TEBALDO.

Zum Kampfe! –

ROMEO.

Zum Kampfe! –

TEBALDO.

Verweile! –

ROMEO.

Welche dumpfe Klagetöne! –

CHOR.

Ach, armes Mädchen! –

ROMEO.

Klänge

Der Trauer sind’s.

TEBALDO.

Wem gelten sie? –

Sechste Scene.

Ein Trauerzug erscheint. Vorige.

CHOR.

Friede sey Deiner Seele

Nach so viel bangen Leiden! –

Selige Himmelsfreuden

Winken dort oben Dir! –

ROMEO.

Giulietta!

TEBALDO.

Todt!

ROMEO.

Ha, Barbaren! –

ROMEO, TEBALDO.

Die Sinne schwinden mir! –

ROMEO.

Todt Giulietta! – Ha, Verworfener!

Nur durch Dich sank diese Rose! –

Weide jetzt an ihrem Loose

Dein verruchtes, schwarzes Herz! –

Auf! durchbohre diesen Busen –

Segnen will ich Dich im Scheiden! –

Hohes Glück in meinen Leiden

Kann der Tod mir nur verleih’n! –

TEBALDO.

Mehr als Du fühl’ ich den Jammer! –

Meine Lieb’ ist nun Verbrechen! –

Kannst du, o Himmel, so schwer dich rächen?

Mich durchglüht der Hölle Schmerz! –

Lebe, lebe, Unglücksel’ger! –

Keine Schuld darfst Du bereuen:

Von der Qual mich zu befreien,

Dies vermag der Tod allein! –

Vierter Akt.

Die Grabmäler der Capuleti.

Erste Scene.

Romeo mit seinen Gefährten.

CHOR.

Hier sind wir! – Möge Dein kühnes Wagen,

In diese Gruft zu dringen,

Dir nicht Verderben bringen,

An diesem Ort der Nacht! –

ROMEO.

Hier ist das Grabmal! Mit Blumen noch bestreut,

Ach noch von Thränen feucht! Nimm auch die meinen,

Die bitt’rer Schmerz und Zärtlichkeit ihr weinen.

CHOR.

O Herr, ermanne Dich!

ROMEO.

Ein and’res Opfer, mehr als Thränen,

Soll Dir in Kurzem werden.

CHOR.

Gebieter, o hemme der Seele Schmerz!

ROMEO.

Nächtliches Dunkel, das die Gruft umhüllt,

Weich’ einen Augenblick des Tages lichtem Glanz

Und zeige mir noch einmal deine Beute!

Oeffnet des Sarges Deckel, daß ich sie siehe!

Ha! Giulietta, meine Giulietta!

Du bist’s, – ich sehe Dich! Ja! ich habe Dich wieder!

Nein! nicht verblichen, nur leise schlummernd

Und harrend Deines Freundes, daß er Dich wecke.

Wach’, o erwache bei meinen Klagetönen!

Dich rufet Dein Romeo!

CHOR.

Er redet irre! Komm, folg’ uns, laß uns eilen!

Längeres Weilen bringet uns Gefahr.

ROMEO.

Nur einen Augenblick laßt mich noch hier.

Wohl giebt es manch Geheimniß, das der Kummer,

Ach, nur dem Grabe mag vertrauen.

CHOR.

Dich lassen? einsam? in solchem Schmerz?

Du zerreißest uns das Herz.

ROMEO.

Entfernt Euch! ich will es!

Chor ab.

Zweite Scene.

Romeo allein.

Giulietta, Du sollst allein, Theure,

Mich hören! Ach, eitles Hoffen! Verschlossen

Für meinen Jammer ist das Ohr der Geliebten.

Wie steh’ ich einsam, ach! wie verlassen auf Erden!

Verweile, reine Seele,

Daß ich an Deiner Seite

Dich selig froh geleite

Zu jenen lichten Höh’n. –

Du kannst nicht ohn’ Erbarmen

Mich einsam hier verlassen,

Und, fern von Dir, mich Armen

In meinem Jammer seh’n. –

Hervor, mein einz’ger Retter,

Du Trank des Todes, der ewig uns vereint!

O komm’ an meine Lippen! –

Und ihr empfangt von mir den letzten Athemzug,

Gräber, wo meine Feinde schlafen! –

Dritte Scene.

Giulietta erwacht. Romeo.

GIULIETTA.

Ah! –

ROMEO.

Welcher Seufzer!

GIULIETTA.

Romeo!

ROMEO.

Gott! ihre Stimme!

GIULIETTA.

Romeo!

ROMEO.

Sie spricht zu mir, sie ruft mich zu sich!

Himmel! was erblick’ ich?

GIULIETTA.

Romeo!

ROMEO.

Giulietta! o Gott!

GIULIETTA.

Bist Du’s?

ROMEO.

Du athmest?

GIULIETTA.

Ach, um nimmer Dich zu lassen,

Siehest Du mich hier erwachen;

Nur zum Schein lag ich im Tode.

ROMEO.

Ha! was sagst Du?

GIULIETTA.

Du weißt nicht? sah’st Du Lorenzo nicht?

ROMEO.

Nichts anders sah’ ich,

Nichts anders wußt’ ich,

Als Dich im Grabe,

Und ich eilte, ich Unglücksel’ger!

GIULIETTA.

Wohlan, Geliebter! Dein bin ich nun!

Und aller Schmerz entschwindet

In Deinen Armen! – Nun komm’!

ROMEO.

Hier muß ich weilen, ja, ewig, ewig, hier!

GIULIETTA.

Was muß ich hören? rede, rede! –

Ach Romeo! –

ROMEO.

Du weißt nun Alles!

GIULIETTA.

Unglücksel’ger! welch’ Beginnen!

ROMEO.

Dir zur Seite wollt’ ich erblassen!

GIULIETTA.

Helft! herbei! – Laß mich von hinnen!

ROMEO.

Bleibe, zu spät!

GIULIETTA.

Kann ich es fassen?

ROMEO.

Mir im Busen wühlt das Verderben.

GIULIETTA.

Laß mit Dir, mit Dir mich sterben!

Einen Dolch!

ROMEO.

O nein! vergebens!

GIULIETTA.

Dieses Fläschchen!

ROMEO.

Es ist geleeret! –

Leb’! o leb’, um meinen Leiden

Wehmuths-Thränen einst zu weih’n.

GIULIETTA.

Möge doch vor Deinem Scheiden

Mir der Tod beschieden seyn!

ROMEO.

Laß mich an’s Herz Dich drücken!

Nacht – wird’s – vor meinen Blicken.

GIULIETTA.

Vom Grab’ muß ich erstehen,

Ach, und Du sink’st hinein!

ROMEO.

Schweig! Deinen Schmerz zu sehen,

Ist mehr als Todespein.

Ha! welch ein Schleier, – o rede,

Ein einzig Wort von Dir!

Gedenke unsrer Liebe –

Giulietta – ich sterbe – leb’ wohl!

GIULIETTA.

Romeo! O verlaß mich nicht –

Scheide noch nicht von mir!

Hier soll Dein Ruhbett seyn –

Romeo! – Er stirbt! – O Gott!