Shakespeare: Das Winter-Mährchen

Erster Aufzug.

Erste Scene.

Ein Vorzimmer in Leontes Pallast. Die Scene eröfnet sich mit einem höflichen Complimenten-Wechsel zwischen Archidamus, einem böhmischen Edelmann, (der mit seinem Herrn, dem König Polixenes sich an dem Hofe des Königs von Sicilien auf einen Besuch aufgehalten, und im Begriff ist denselben wieder zu verlassen) und Camillo, einem Sicilianischen Cavalier. Man erfährt dadurch, daß zwischen beyden Königen vor ihrer Jugend an die vertrauteste Freundschaft obgewaltet, und bisher aufs sorgfältigste unterhalten worden; und daß der König in Sicilien gesonnen sey, seinem Freunde auf den nächsten Sommer den Gegen-Besuch abzustatten – – In dem Rest dieser Scene ist die Rede von dem Prinzen Mamillius. Ihr seyd sehr glüklich (sagt Archidamus) einen so vortreflichen jungen Prinzen als Mamillius ist, zu haben; niemals hab ich einen jungen Herrn von so grosser Hoffnung gesehen. Ich bin eurer Meynung (versezt Camillo) es ist ein liebenswürdiges Kind: in der That, es ist ein Vergnügen ihn anzuschauen, und alte Leute dünken sich bey seinem Anblik wieder jung: Leute, die auf Krüken giengen, eh er gebohren ward, wünschen izt zu leben, bis er ein Mann seyn werde. Würden sie sonst gerne sterben, wenn das nicht wäre? erwiedert Archidamus. Ja (sagt Camillo) wenn sie keinen andern Vorwand hätten. Hätte der König keinen Sohn, (versezt Archidamus) so würden sie so lange auf ihren Krüken leben wollen, bis er einen hätte.

Zweyte Scene.

Das Königliche Zimmer eröffnet sich. Leontes, Hermione, Mamillius, Polyxenes und Gefolge treten auf.

Polixenes.

Es sind nun neun Monate seitdem wir unsern Thron ledig verlassen haben: Wir würden eben so viele Monate, mein Bruder, mit Danksagungen ausfüllen, und dennoch als euer ewiger Schuldner von hinnen gehen: Lasset also ein einziges Wir danken euch, gleich einer Cypher die an einem vielbedeutenden Plaz steht, die Bedeutung von den vielen Tausenden haben, die wir euch schuldig sind.

Leontes.

Sparet eure Danksagung noch eine Weile und erstattet sie, wenn ihr abreiset.

Polixenes.

Das wird morgen seyn, mein Herr: Ich kan mich nicht entbrechen Zufälle zu besorgen, welche meine Abwesenheit veranlassen könnte – – und wenn auch das nicht wäre, so hab‘ ich mich schon lange genug aufgehalten, um Eurer Majestät beschwerlich zu seyn.

Leontes.

Wir sind von keiner so schwachen Composition, Herr Bruder, daß ihr uns sobald zu schwer seyn solltet.

Polixenes.

Ich kan mich nicht länger aufhalten.

Leontes.

Nur noch eine Woche.

Polixenes.

In vollem Ernst, es muß morgen seyn.

Leontes.

So wollen wir wenigstens noch einen Tag dazu thun: Ihr sehet, daß ich keinen Vortheil bey dieser Theilung habe.

Polixenes.

Sezet nicht weiter in mich, ich bitte euch: Es ist keine so beredte Zunge in der Welt, nein in der ganzen Welt nicht, die mich so bald gewinnen könnte als die eurige: Und sie würde mich auch izt gewinnen, wenn ihr meiner Gegenwart benöthiget wäret, so nöthig es immer auf meiner Seite seyn möchte, wieder abzureisen. Meine Angelegenheiten ziehen mich nach Hause: Eine längere Abwesenheit würde mir, gegen eure freundschaftliche Absicht, nachtheilig seyn; so wie ein längerer Aufenthalt euch nur zur Beschwerde gereicht – – es wird also beydem abgeholfen, mein Bruder, wenn wir uns von euch beurlauben.

Leontes.

Ist euch die Zunge gebunden, meine Königin? Redet ihr – –

Hermione.

Ich dachte, mein Herr, ich wollte nicht eher reden, bis ihr ihn genöthigt haben würdet zu schwören, daß er nicht länger bleiben wolle. Ihr bittet ihn zu kaltsinnig. Sagt ihm, ihr seyd versichert, daß in Böhmen alles wohl stehe; ihr hättet erst gestern Nachrichten erhalten; sagt ihm das, so habt ihr ihn aus seinem besten Posten getrieben.

Leontes.

Wol gesprochen, Hermione.

Hermione.

Wenn er sagte, es verlange ihn seinen Sohn wieder zu sehen, das wäre was gesagt; und so bald er das sagt, so laßt ihn gehen; und schwört er es sey so, so soll er nicht länger bleiben; wir wollten ihn eher selbst mit Steken forttreiben – – (zu Polixenes.) Ich will es doch wagen, nur noch eine Woche von Eurer Königlichen Gegenwart zu entlehnen. Wenn ihr dereinst meinen Herrn in Böhmen aufnehmen werdet, so will ich’s euch dagegen schriftlich geben, daß ihr ihn einen Monat über den bestimmten Tag der Abreise behalten sollet: Und doch, sey versichert, Leontes, daß ich dich nicht weniger lieb habe als irgend eine Frau in der Welt ihren Herrn liebt. Wollt ihr bleiben?

Polixenes.

Nein, Madam.

Hermione.

Ich lasse mich nicht so kurz abweisen.

Polixenes.

Ich kan nicht, wahrhaftig.

Hermione.

Wahrhaftig? Das ist ein zu sanfter Schwur um mich abzuschreken; aber wenn ihr auch die Sterne aus ihren Kreisen herunterschwören wolltet, so würd‘ ich doch sagen: »Nein, mein Herr, ihr sollt wahrhaftig nicht gehen;« einer Dame ihr Wahrhaftig gilt so viel als eines Herrn seines. Wollt ihr nun dennoch gehen? So zwingt ihr mich, daß ich euch als einen Gefangnen, nicht als einen Gast zurükbehalten muß; dann könnt ihr bey eurer Abreise euer Kostgeld bezahlen, und euch eine Danksagung damit ersparen. Was sagt ihr dazu? Was wollt ihr lieber seyn, mein Gefangner oder mein Gast? Bey euerm furchtbaren Wahrhaftig, eines von beyden müßt ihr seyn.

Polixenes.

Also euer Gast, Madam: Euer Gefangner zu seyn, würde eine Beleidigung voraussezen, und diese zu begehen würde mir schwerer fallen als euch, sie zu bestraffen.

Hermione.

So bin ich denn auch nicht eure Kerkermeisterin, sondern eure gute freundliche Wirthin. Kommt, ich muß euch nach meines Herrn Schelmereyen fragen, wie ihr noch Knaben waret: Ich denke, ihr waret ein paar hübsche junge Herrchens damals?

Polixenes.

Schöne Königin, wir waren ein paar Jungens, die sich nicht einfallen liessen weiter hinaus zu denken, als daß morgen wieder so ein Tag kommen werde wie heute, und daß wir ewig kleine Jungens bleiben würden.

Hermione.

War nicht mein Herr der grössere Springinsfeld unter euch beyden?

Polixenes.

Wir waren wie zwey Zwillings-Lämmer, die in der Sonne herumhüpfen und einander anblöken: Was wir tauschten, war Unschuld gegen Unschuld; wir hatten noch keinen Begriff von der Kunst Böses zu thun; und liessen uns auch nichts davon träumen, daß ein andrer einen haben könne: Hätten wir so fortgelebt, und wären unsre schwachen Geister von einem feurigem Blut niemals höher getrieben worden, so würden wir dem Himmel getrost haben antworten können, nicht schuldig; die Erb-Sünde gleichwol ausgenommen.

Hermione.

Hieraus ist zu schliessen, daß ihr seitdem gestrauchelt habt.

Polixenes.

O meine verehrenswürdigste Freundin, diese gute Zeit konnte nicht immer dauern; es kam eine Zeit der Versuchungen: Denn damals war mein Weib noch ein Mädchen, und eure schönen Augen hatten meinem jungen Spiel-Gesellen ihre Macht noch nicht fühlen lassen.

Hermione.

Gut, gut; wenn wir die ersten sind, mit denen ihr gesündigt habt, und wenn ihr seitdem mit keiner andern gefallen seyd, so wollen wir die Verantwortung auf uns nehmen.

Leontes (der sich eine Weile von ihnen entfernt hatte, um sie zu beobachten, und izt wieder auf sie zugeht, zu Hermione.)

Ist er nun gewonnen?

Hermione.

Er will bleiben, mein Herr.

Leontes.

Von mir wollt‘ er sich nicht erbitten lassen. Hermione, meine Theureste, du hast niemals besser gesprochen.

Hermione.

Niemals?

Leontes.

Ein einzigmal ausgenommen – –

Hermione.

Was? Hab ich zweymal was gutes gesagt? Wenn war’s das erste mal? Ich bitte recht schön, sagt mir’s; einer guten That gebührt ihr Lob. Das ist aller Sold, den wir dafür verlangen. Ihr könntet uns mit einem einzigen freundlichen Kuß hundert Meilen lauffen machen, wenn wir durch Spornen nicht hundert Schritte fortzubringen sind. Aber zur Sache. Wenn war’s das erste mal? Es hatte eine ältere Schwester, oder ich versteh euch nicht – – Ich sagte also noch einmal was kluges? Wenn? Nein, ich muß es wissen; ich kan es kaum erwarten.

Leontes.

Wie, das war als nach drey langen schwermüthigen Monaten, in denen ich dich nicht dazu bringen konnte, deine weisse Hand zu öffnen und in die meinige einzuschlagen, du dich endlich erbitten liessest mir zu sagen, daß du auf ewig die Meinige seyn wollest.

Hermione.

Das war wohl gesprochen, in der That. Seht ihr nun? Ich habe zwey mal was gutes gesagt, und habe jedesmal damit gewonnen; das erste mal einen Gemahl, und das andre mal auf einige Zeit einen Freund.

Leontes (für sich.)

Zu warm, zu warm – – zu warme Freundschaft ist mehr als Freundschaft – – mein Herz tanzt, aber nicht vor Freude – – gewiß nicht – – Man kan freylich einem solchen Umgang ein schönes Gesicht geben; man kan es die natürliche Freymüthigkeit eines edeln Gemüths, die Würkung eines guten Herzens, und einer lebhaften Empfindung nennen; es mag an sich selbst schön seyn, und der Person, die so handelt, sehr wohl anstehen – – ich geb‘ es zu – – aber da stehen, und einander die Hände tätscheln, und die Finger zwiken, wie sie’s izt machen, und einander so bedeutungsvoll anlächeln, wie in einen Spiegel in einander hineinschauen – – und dann seufzen – – Nein, wahrlich, das ist ein Umgang der weder nach meinem Geschmak noch für meine Stirne ist – – Mamillius.

Maximillius.

Hier, Gnädigster Papa.

Leontes.

Wie, kleiner Vogel, hast du dir die Nase beschmiert? Sie sagen, es sey die Copey von der meinigen – – Komm, Hauptmann, wir müssen reinlich seyn – – (er beobachtet immer Polixenes und Hermione.) Immer auf seiner Hand Clavier-gespielt – – nun wie? du muthwilliges Kalb! Bist du mein Kalb?

Maximillius.

Ja, wenn ihr wollt, lieber Papa.

Leontes.

Du solltest die Nase stärker eingedrükt haben, und die Schmarren, die ich dran habe, um mir völlig gleich zu sehen – – Und doch sagen sie, wir gleichen einander wie ein Ey dem andern; Weibsleute sagen so, und die sagen was man will, aber wären sie so falsch wie Wind und Wasser, so falsch als sich Einer Würfel wünschen möchte, der keinen Unterscheid zwischen mein und dein macht; so wär‘ es doch wahr, daß mir dieser Junge gleich sieht. Komm, kleiner Junker, sieh mich mit deinen Himmel-blauen Augen an, holdseliger Spizbube – – Allerliebst – – Mein Zukermännchen – – Kan deine Mutter – – ist’s möglich – – Imagination! Du bohrest deinen Dolch bis in den Mittelpunkt des Herzens – – Du machst die blosse Möglichkeit wirklich, Träume zu Wahrheiten, Nichts zu etwas. Wie leicht muß es dir dann seyn, aus etwas mehr zu machen als es ist – – Ich erfahr‘ es nur zu wol, was du kanst; sowol, daß mir der Kopf davon schwindelt und die Stirne jukt – –

Polixenes (zu Hermione.)

Was fehlt dem Könige?

Hermione.

Er sieht aus, als ob ihm was im Kopf herum gehe.

Polixenes (zu Leontes.)

Wie steht’s, mein Herr?

Leontes (der sich schnell recolligiert.)

Wie ists? was macht ihr Gutes, mein liebster Bruder?

Hermione.

Ihr seht aus, als ob ihr eure Gedanken ganz anderswo habet! Fehlt euch was, mein lieber Gemahl?

Leontes.

Nein, in vollem Ernst. Auf was für läppische Einfälle die väterliche Zärtlichkeit manchmal bringen kan! Wie gern die Natur sich selbst hintergeht! Ich betrachtete die Gesichts-Züge meines Jungen hier, und da däuchte mir, ich sehe mich selbst um drey und zwanzig Jahre jünger, ohne Hosen, in meinem grünen Sammet-Kittelchen; mit einem kleinen Hirschfänger an der Seite, der nicht aus der Scheide gieng, damit er seinen Herrn nicht beisse, und so, wie Zierrathen öfters thun, gefährlich werde – – Wie gleich, däuchte mich, war ich damals dieser kleinen Krabbe hier! – – Guter Freund, sag mir einmal, wolltest du dir Eyer-Schaalen für Münze geben lassen?

Maximillius.

Nein, Papa, ich wollte mich schon wehren.

Leontes.

Wolltest du? – – ein braver Junge! – – Mein Bruder seyd ihr auch so verliebt in euern jungen Prinzen, wie wir in den unsrigen zu seyn scheinen?

Polixenes.

Wenn ich zu Hause bin, mein Herr, so macht er alle meine Beschäftigung und meinen Zeitvertreib aus; ist izt mein geschworner Freund, dann wieder mein Feind; mein Hofschranze, mein Soldat, mein Minister, alles; er macht mir einen Sommertag so kurz als den kürzesten December, und vertreibt mir durch seine kindische Lebhaftigkeit Gedanken, welche mein Blut verdikern würden.

Leontes.

Dieser kleine Junker hat das nemliche Amt bey mir: Wir beyde wollen einen Spaziergang mit einander machen, und euch, mein Herr, euerm ernsthaftem Zeitvertreib überlassen. Hermione, du kanst uns deine Liebe nicht besser als durch Freundschaft für unsern Bruder beweisen: Laß was in Sicilien das kostbarste ist, zu seiner Bewirthung verschwendet werden; nach dir und meinem kleinen Schwärmer hier, ist niemand meinem Herzen näher.

Hermione.

Wenn ihr uns suchen wolltet, so werdet ihr uns im Garten antreffen; Sollen wir euch dort erwarten?

Leontes.

Disponiert über euch nach euerm eignen Belieben – – (vor sich.) Wir wollen euch schon finden, ihr werdet doch immer unter dem Himmel bleiben müssen: Ich angle izt, wenn ihr’s schon nicht merket – – Geht nur, geht nur – – Wie sie den Schnabel gegen ihn hinstrekt! – – (Polixenes, Hermione und Gefolge gehen ab; Leontes, Mamillius und Camillo bleiben.) Wie hurtig sie davongehen – – Zolldik, Knie-tief – – über Kopf und Ohren gehörnt – – Geh spiele, Junge, spiele – – Deine Mutter spielt, und ich auch; aber eine so unglükliche Rolle, daß ihre Entwiklung mich ins Grab zischen wird – – Spott und Hohngelächter wird mein Todten-Geläut seyn. Geh, spiele, Junge, spiele – – Es hat doch von jeher, oder ich müßte mich sehr irren, immer Hahnreyen gegeben; und wie mancher Mann hält, in diesem Augenblik da ich diß rede, sein Weib im Arm, der wenig daran denkt, von wem sie in seiner Abwesenheit – – daß sein nächster Nachbar in seinem Teich gefischt hat, Sir Lächler, sein Nachbar – – Nun, es ist eine Art von Trost darinn, daß andre Männer auch Thüren haben, und daß diese Thüren, wie die meinige, wider ihren Willen, aufgehen. Wenn alle verzweifeln wollten, denen ihre Weiber ungetreu sind, so müßte sich der zehnte Theil des männlichen Geschlechts aufhängen. Das ist ein Uebel, wofür kein Mittel in der Natur ist – – Es ist ein gewisser kupplerischer Planet, dessen Wirkung nicht zu vermeiden ist, wo er einmal die Oberhand hat – – Viele tausende sind mit diesem Uebel behaftet, und fühlen’s nicht – – He, wie geht’s, Junge?

Maximillius.

Ich sehe euch so gleich, sagen sie – –

Leontes.

Nun, das ist einiger Trost – – Wie? Ist Camillo hier?

Camillo.

Ja, Gnädigster Herr.

Leontes.

Geh, Mamillius, mach‘ dich lustig – – Du bist ein ehrlicher Kerl. (Mamillius geht ab.)

Dritte Scene.

Leontes.

Camillo, dieser grosse Matador will noch länger bey uns bleiben.

Camillo.

Ihr hattet viel zu thun, seinen Anker halten zu machen; er hatte immer eine Ausrede – –

Leontes.

Merktest du das?

Camillo.

Er wollte sich durch euer Bitten nicht bewegen lassen zu bleiben; seine Geschäfte schlugen immer vor.

Leontes.

Hast du das beobachtet – – (vor sich.) Es war ein Gelispel und Gemurmel um mich herum, wie sie noch hier waren; ich weiß nun was ich bin – – es ist weit gekommen, wenn ich der lezte bin der es merkt – – Wie kam es denn, Camillo, daß er blieb?

Camillo.

Auf das Anhalten der guten Königin.

Leontes.

Der Königin, das mag seyn – – gut, ist eine andre Frage – – Gut sollte immer so seyn – – Aber sind noch mehr Leute als du, die das gemerkt haben? Dein Verstand ist von einer feinern Composition als gewöhnliche Köpfe – – du und einer oder zween, welche weiter sehen als andre, können es ausfündig gemacht haben – – Die übrigen werden doch vielleicht nichts von der Sache gewahr worden seyn? Sprich.

Camillo.

Von der Sache, Gnädiger Herr? Ich denke, das kan jedermann gewahr werden, daß der König von Böhmen länger hier bleibt.

Leontes.

Ha?

Camillo.

Länger hier bleibt.

Leontes.

Ja, aber warum?

Camillo.

Um Euer Majestät, und unsrer gnädigsten Königin zu willen zu seyn.

Leontes.

Um der Königin zu willen zu seyn – – zu willen? Mehr brauch ich nicht – – Höre Camillo; ich habe dir immer das Innerste meines Herzens anvertraut – – Du bist immer in meinen besondern Angelegenheiten wie in meinen öffentlichen, mein Beichtiger gewesen; ich habe dich für einen rechtschaffnen Mann gehalten: Aber nun seh ich, daß ich mich betrogen habe, daß mich der Schein betrogen hat.

Camillo.

Das verhüte der Himmel, Gnädiger Herr – –

Leontes.

Nein, du bist kein ehrlicher Mann, oder wenn du ja ehrlich bist, so bist du eine furchtsam Memme, und das hindert die Ehrlichkeit immer, daß sie den Weg nicht geht den sie gehen sollte: Du bist also entweder ein Verräther, der sich durch sträfliche Nachlässigkeit meines Vertrauens unwürdig gemacht hat; oder ein Thor, welcher ruhig zusieht, wie ich betrogen werde, und alles für blossen Spaß hält.

Camillo.

Mein Gnädigster Oberherr, ich kan nachlässig, thöricht und furchtsam gewesen seyn; das sind Gebrechen, von deren jedem kein Mensch in der Welt zu allen Zeiten frey bleibt – – Ich bitte Eu. Majestät deutlicher mit mir zu reden, und mich meinem Verbrechen ins Gesicht sehen zu lassen; wenn ich es verläugne, so ist es nicht mein.

Leontes.

Hast du nicht gesehen, Camillo, (aber das braucht nur nicht gefragt zu werden, du must es gesehen haben oder dein Augapfel ist diker als ein Hahnrey’s-Horn) oder gehört, (denn bey einer Sache, die so offenbar in die Augen fällt, kan das Gerücht nicht stumm seyn) oder gedacht, (denn wer bey solchen Umständen nichts dächte, müßte gar nichts denken können) daß meine Gemahlin mir ungetreu sey – – Gesteh es wenn du willst – – oder sey unverschämt genug mir abzuläugnen, daß du Augen, Ohren oder Gedanken habest – – Gesteh es, und sage also, mein Weib sey ein Steken-Pferd, verdiene einen garstigern Namen, als irgend ein Flachs-Mensch, die sich beschlaffen läßt, eh sie zu Kirchen und Strassen gegangen ist – – Sag es, und rechtfertige dich.

Camillo.

Wenn ein andrer meine Königliche Gebieterin so lästerte, so würde ich nicht so da stehen, und zuhören, ohne ihn auf der Stelle zur Rechenschaft zu ziehen – – Gütiger Himmel! was für Reden! Sie zu wiederholen wäre eine grössere Sünde als was ihr argwohnet, wenn es sich auch so befände.

Leontes.

Ist Flüstern nichts? Ist die Baken an einander anlehnen, ist Nasen-zusammensteken – – mitten im Lachen mit einem Seufzer innhalten – – ist Fuß auf Fuß sezen – – in Winkel zusammenkriechen – – wünschen, daß die Gloke schneller, daß Stunden Minuten – – daß der Mittag, Mitternacht, und alle Augen, ausser den ihrigen, stokblind wären – – ist das nichts? Nun, wenn das nichts ist, so ist die ganze Welt und alles was drinn ist nichts; so ist dieser umwölbende Himmel nichts; der Böhme nichts; mein Weib nichts; so ist kein Unterscheid zwischen nichts und etwas, wenn das nichts ist.

Camillo.

Mein Gnädiger Herr, laßt euch in Zeiten von dieser kranken Einbildung heilen; denn sie ist sehr gefährlich.

Leontes.

Sag, es sey so, denn es ist so.

Camillo.

Nein, nein, Gnädigster Herr.

Leontes.

Du lügst, es ist so; du lügst; ich sage du lügst, Camillo, und ich hasse dich; gesteh, daß du ein plumper Tölpel, ein gedankenloser Sclave, oder ein wankender Temporisierer bist, der nach Zeit und Umständen, die nemliche Sache für gut und böse ansehen kan. Wäre meines Weibs Leber so angestekt, wie ihre Sitten, sie hätte keine Stunde mehr zu leben.

Camillo.

Wer ist dann ihr Verführer?

Leontes.

Kanst du fragen? Wer anders als der, der sie wie eine Medaille um seinen Hals hangen hat – – der Böhme, der wenn ich Diener hätte, die mir getreu wären, und eben so wohl auf ihren eigenen Vortheil als auf meine Ehre sähen – – Sie würden sich nicht lange mahnen lassen das zu thun, was mich allein gegen das was er thut, sicherstellen kan – – Du, sein Mund-Schenke, (du den ich aus dem niedrigen Stande hervorgezogen, und zu Würde und Ansehen erhoben habe; du, der so gewiß als der Himmel die Erde und die Erde den Himmel sieht, sehen mußt, wie ich beleidiget werde) du könntest meinem Feind einen Becher zubereiten, der ihn auf ewig einschläfern und für mich eine Herzstärkung seyn würde.

Camillo.

Mein Gnädigster Herr, es ist gewiß, daß ich das könnte, und mit einer Art von langsam-würkendem Gift, welches zu keinem Argwohn Anlaß geben würde – – Aber ich kan nicht, nein, ich kan nicht glauben, daß die Königin zu einer so niederträchtigen Verrätherey herabgesunken seyn könne.

Leontes.

Ich liebte dich – – Denke der Sache nach – – Meynst du, daß ich fähig sey aus blosser Laune und leerem Argwohn mir selbst einen so garstigen Handel zuzuziehen? Die Reinigkeit meines Ehebettes zu besudeln – – Die Ehre des Prinzen meines Sohnes, zweifelhaft zu machen, den ich für mein halte, und als mein liebe – – Denkst du daß ich das thun würde, wenn ich nicht die wichtigsten Gründe vor mir hätte? Welcher Mann könnte sich so weit vergehen?

Camillo.

Ich muß mich überwunden geben, mein Königlicher Herr; ich will es thun – – ich will den König von Böhmen aus dem Wege schaffen; aber mit dieser Bedingung, daß wenn er fort ist, ihr eure Gemahlin wieder in eure Liebe aufnehmen, und wenn es auch nur aus Liebe zu euerm Sohne wäre, eben so halten sollet wie vorher, damit alle Zungen versiegelt, und keine nachtheilige Gerüchte in auswärtige und befreundete Höfe ausgestreut werden mögen.

Leontes.

Du rathest mir das nemliche, was ich selbst schon bey mir festgesezt hatte; ihre Ehre soll keinen Fleken bekommen.

Camillo.

So lasset nun mich für alles sorgen, Gnädigster Herr; und nehmet indessen gegen den König und eure Gemahlin ein so offnes Betragen an, wie die Freundschaft bey einem vertraulichen Gastmahl zeigt: Ich bin sein Mund-Schenke; wenn ihm der Trank, den ich ihm mischen will, wohl bekommt, so haltet mich nicht mehr für euern Diener.

Leontes.

Das ist alles was ich will; thu es, so hast du die Hälfte meines Herzens; thu es nicht, so zersplitterst du dein eignes.

Camillo.

Ich will es thun, Gnädiger Herr.

Leontes.

Und ich mich freundlich stellen, wie du mir gerathen hast. (Er geht ab.)

Camillo (allein.)

Unglükliche Dame! Aber in was für einem Falle befind‘ ich mich selbst? Ich soll der Vergifter des rechtschaffnen Polixenes seyn, und was mich dazu bewegen soll, ist der Gehorsam gegen meinen Herrn; der in der Wuth seiner Leidenschaft haben will, daß alle die ihm angehören, von ihr erfüllt seyn sollen. Thu ich’s, so folgt Beförderung. Aber wenn ich tausend Exempel von solchen, die ihre Hand an gesalbete Könige gelegt hätten, und glüklich dadurch worden wären, finden könnte, so wollt‘ ich’s nicht thun – – Nun aber, da weder Erzt, noch Stein, noch Pergament nur eines aufweisen kan, muß die Ruchlosigkeit selbst eine solche That verschwören! Ich muß nur dem Hof gute Nacht sagen – – Gehorsam und Ungehorsam würde mir beydes den Hals brechen – – O, was für ein glüklicher Stern regiert! Hier kommt Polixenes – –

Vierte Scene.

Polixenes bezeugt dem Camillo seine Befremdung über die Veränderung die er an dem König von Sicilien wahrnehme; er sieht nicht anders aus, (spricht er) als ob er eine Provinz verlohren hätte, und eine Provinz, die er wie sich selbst geliebt hätte – – Das trokne, verdrießliche und durch einen sichtbaren Zwang nur wenig bedekte Betragen seines Freundes beunruhigt ihn desto mehr, da er gewahr worden, daß es ihn angehe, ohne daß er begreiffen kan, warum. Camillo läßt sich eine Weile bitten, bis er auf des Polixenes dringendes Anhalten, ihm den erhaltnen Auftrag und die Eifersucht des Königs ohne Umschweiffe entdekt. Der bestürzte Polixenes schwört eine ganze Reihe poetischer Eidsformeln herab, daß er unschuldig sey: Aber Camillo versichert ihn, daß er mit so vielen Schwüren als Sterne am Himmel seyen, die einmal gefaßte Meynung aus dem Gehirn des rasenden Leontes nicht wegschwören könnte. Er schlägt ihm also zu ihrer beyder Rettung vor, daß sie sich, ohne Abschied zu nehmen, in der nemlichen Nacht heimlich davon machen wollten. Polixenes läßt es sich gefallen – – ich habe, (sagt er zu Camillo) die Bestätigung dessen was du mir entdekt hast, in seinen Augen gesehen – – Seine Eifersucht hat eine höchst liebenswürdige Creatur zum Gegenstand; so vortreflich diese ist, so groß muß jene seyn; da er Macht hat, so ist natürlich, daß er auf Rache bedacht ist; und da er sich gerade vor dem Mann, der sich jederzeit für seinen besten Freund ausgegeben hat, beleidigt hält, so muß dieser Umstand seine Rache um so viel bittrer machen – – Polixenes macht aus diesen Prämissen den Schluß, daß er alle Ursache habe, sich in der äussersten Gefahr zu glauben. Er verspricht dem Camillo, daß er ihn als einen Vater ehren wolle, wenn er ihn lebendig von Palermo wegbringen werde. Zu gutem Glüke liegen die Schiffe des Königs zur Abreise bereit, und Camillo hat, seines Hof-Amts wegen, über alle Schlüssel zu disponieren. Weil sie nun keine Zeit zu verliehren haben, so gehen sie ab.

Zweyter Aufzug.

Erste Scene.

Der Pallast. Hermione, Mamillius, und einige Kammer-Frauen treten auf.

Hermione.

Nehmt mir den Knaben ab; er macht mir so viel Unruhe daß es nicht auszustehen ist.

1. Kammerfrau.

Kommt, Gnädiger Herr; wollt ihr mich nicht zu eurer Spiel-Gesellin?

Maximillius.

Nein, ich mag nichts mit euch zu thun haben.

1. Dame.

Warum nicht, mein allerliebstes Prinz?

Maximillius.

Ihr würdet mich immer küssen wollen, und mit mir reden als ob ich noch immer ein Wiegen-Kind wäre – – Euch hab‘ ich lieber.

2. Dame.

Und warum das, Gnädiger Herr?

Maximillius.

Um eurer schwarzen Augbraunen willen nicht; und doch sagen die Leute, schwarze Augbraunen lassen den Weibsbildern am besten; aber es muß nicht zuviel Haar daran seyn, sondern sie müssen einen halben Zirkel machen, oder einen halben Mond, und so fein, wie mit der Feder gezogen.

2. Dame.

Wer lehrte euch das?

Maximillius.

Das hab ich aus Weiber-Gesichtern gelernt: Seyd so gut, ihr, und sagt mir, was für eine Farbe haben eure Augbraunen?

1. Dame.

Blau, Gnädiger Herr.

Maximillius.

Ihr wollt euern Spaß mit mir treiben; ich habe wol eine Frau gesehen, die eine blaue Nase hatte, aber keine mit blauen Augbraunen.

1. Dame.

Hört ihr, die Königin eure Frau Mutter wird bald niederkommen: Dann werden wir unsre Dienste einem hübschen neuen Prinzen anbieten; und dann werdet ihr uns noch recht schön thun, wenn wir euch nur haben wollen.

2. Dame (zur ersten.)

Sie ist seit kurzem überaus dik worden – – Der Himmel gebe, daß es ihr glüklich gehe!

Hermione.

Was führt ihr hier für weise Discurse? Komm, junger Herr, ich bin nun wieder für dich. Komm, sez dich zu uns her, und erzähl uns was.

Maximillius.

Was wollt ihr haben, was lustiges oder was trauriges?

Hermione.

So lustig als du willt.

Maximillius.

Ein trauriges Mährchen schikt sich am besten in den Winter. Ich weiß eines von Feen und Kobolten.

Hermione.

Gut, das erzähl uns, junger Herr. Komm hieher, sez dich. Komm und sieh ob du mich mit deinen Kobolten recht zu fürchten machen kanst: Du kanst meisterlich damit umgehen.

Maximillius.

Es war einmal ein Mann – –

Hermione.

Nein, du must dich erst sezen, hernach fang an – –

Maximillius.

Der wohnte auf einem Kirchhof – – ich will’s euch leise erzählen, damit es die Grillen dort nicht hören können.

Hermione.

So komm dann her, und sag mir’s in’s Ohr.

Zweyte Scene.

Leontes, Antigonus, und einige Herren vom Hofe treten auf.

Leontes.

Ihr traffet ihn dort an, sagt ihr? Seine Leute? den Camillo bey ihm?

Ein Hof-Cavalier.

Hinter dem kleinen Fichten-Wald traf ich sie an; in meinem Leben hab‘ ich keine Leute solche Schritte machen gesehen: Ich folgte ihnen mit den Augen bis in ihre Schiffe.

Leontes.

O! wie vollkommen ist nun mein Verdacht gerechtfertiget! Wie richtig treffen meine Muthmassungen zu! Nur gar zu richtig! Wenn ich weniger wißte, würd‘ ich weniger unglüklich seyn – – Es kan eine Spinne in den Becher gefallen seyn, und einer trinkt; er schlukt sie unbemerkt mit herunter, und es schadet ihm nichts, bloß darum weil er nichts davon weiß; aber wenn einer das ekelhafte Ding im Schluken noch gewahr worden ist, wenn er weiß, daß er’s hinunter geschlukt hat – – Das erschüttert seine Brust und seine Seiten mit Grauen und heftigen Erbrechungen – – Ich habe getrunken, und die Spinne gesehen – – Camillo half ihm dazu; es ist ein Anschlag gegen mein Leben, und gegen meine Crone auf dem Tapet – – Mein Mißtrauen befindet sich nur allzuwahr – – Der treulose Bube den ich gebrauchte, war schon von ihm gedungen: Er hat ihm mein Vorhaben verrathen, und ich bin nun der Narr im Spiele; nun können sie aus mir machen was sie wollen: Wie kam es dann, daß sie die Hinter-Thüren so leicht aufkriegen konnten?

Hof-Cavalier.

Das konnte Camillo leicht erhalten, da sie ihm schon öfters aufgemacht werden mußten, wenn er euern Befehl dazu hatte.

Leontes.

Ich weiß es nur zu wol – – Gebt mir den Jungen; (zu Hermione) ich bin froh, daß ihr ihn nicht gesäugt habt: Und doch, wenn er schon einige Züge von mir hat, so hat er doch zuviel von euerm Blut in sich – –

Hermione.

Was soll das seyn – – Scherz?

Leontes.

Tragt mir den Jungen weg; er soll nicht wieder zu ihr kommen; weg mit ihm, sie mag sich die Zeit mit dem vertreiben, mit dem sie schwanger geht; es ist doch Polixenes, der dir diese Geschwulst gemacht hat.

Hermione (ruhig.)

Und ich wollte wol sagen das hat er nicht; und ich wollte drauf schwören, ihr würdet mir glauben was ich sage, ungeachtet ihr das Gegentheil vorgäbet.

Leontes.

Ihr, meine Herren, schaut sie an, faßt sie wol ins Auge – – Eure Augen werden euch sagen, daß sie eine schöne Frau ist – – Dieses Lob muß ihr eingestanden werden – – Wie Schade, daß die Gerechtigkeit selbst euch zurük hält, wenn ihr hinzusezen wollt, sie sey so tugendhaft als sie schön ist – – Daß sie euch ein Hem! und ein Achsel-Züken abnöthigt, eh ihr die Worte sie ist tugendhaft, herausbringen könnt – – Ich will euch von diesem Zwang befreyen; wisset, und vernehmet es von demjenigen, der am meisten dadurch gekränket wird, sie ist eine Ehebrecherin.

Hermione.

Würde der schändlichste Bube, der in der Welt ist, so sagen, so würde er ein desto schändlicherer Bube seyn: Aber ihr, mein Herr, seyd bloß in einem Irrthum, wenn ihr so redet.

Leontes.

Ihr habt euch geirret, Madam, wie ihr den Polixenes für Leontes angesehen habt. O du, dein rechter Name würde den Mund eines Prinzen zu sehr befleken – – Ich habe es gesagt, sie ist eine Ehbrecherin; und ich habe gesagt mit wem: Ich sage noch mehr; sie ist eine Verrätherin, und Camillo ist ihr Mit-Verschworner – – er weiß um das, was sie erröthen sollte, sich selbst bewußt zu seyn – – er weiß daß sie nichts besser ist als diejenige, denen der Pöbel die unehrbarsten Titel giebt; ja, und daß sie an ihrer Flucht Antheil hat.

Hermione.

Nein, bey meinem Leben, ich weiß von allem diesem nichts: Wie wird euch das schmerzen, wenn euch dereinst die Augen aufgehen werden, daß ihr mich öffentlich so beschimpft habt! Mein liebster Gemahl, ihr werdet mir dann schwerlich eine hinlängliche Genugthüung geben können, wenn ihr sagt, daß ihr euch geirret habet.

Leontes.

Die Umstände, auf welche mein Urtheil sich gründet, lassen keiner Möglichkeit, mich geirret zu haben, Raum – – Hinweg mit ihr ins Gefängniß – – Derjenige, der nur ein Wort zu ihrem Vortheil spricht, muß eine Ursache dazu haben, die ihn mehr als doppelt schuldig macht.

Hermione.

Es regiert irgend ein böser Planet: Ich muß Geduld haben, bis der Himmel günstigere Aspekten giebt. Meine guten Herren, ich bin nicht so fertig zum Weinen, als es unser Geschlecht gröstentheils ist; der Mangel dieses eiteln Thaues wird vielleicht euer Mitleiden auftroknen; aber der ehrenvolle Schmerz den ich schweigend hier verschliesse, brennt heftiger, als daß ihn Thränen löschen könnten – – Ich bitte euch alle, meine Herren, denket das beste von mir was euer gutes Herz euch eingeben mag; und so geschehe dann des Königs Wille!

Leontes.

Werd ich Gehorsam finden?

Hermione.

Wer soll mit mir gehen? – – Ich bitte Eu. Hoheit, meine Kammer-Frauen bey mir zu lassen; denn, wie ihr sehet, so macht meine Figur ihre Gegenwart nothwendig – – Weint nicht, ihr närrischen Dinger, ihr habt keine Ursache dazu; wenn ihr jemals finden werdet, daß eure Frau diese Begegnung verdient hat, dann weint was ihr weinen könnt; die Widerwärtigkeit, die izt über mich kommt, dient zu meinem Besten. Adieu, mein Gemahl – – es ist mir schmerzlich, daß ich erlebt habe, euch bekümmert zu sehen; Kommt, meine Weiber, ihr habt Erlaubniß.

Leontes.

Geht, thut was ihr wollt – – fort. (Die Königin, mit einer Wache, und ihre Frauen, gehen ab.)

Ein Herr von Hofe.

Ich bitte Euer Hoheit, ruffet die Königin zurük.

Antigonus.

Sehet wohl zu, was ihr thut, Gnädigster Herr; wenn ihr Unrecht habt, so leiden drey Personen, und keine geringere als Ihr selbst, eure Königin, und euer Sohn.

Ein andrer Herr von Hofe.

Ich wollte mein Leben für sie sezen können, Gnädigster Herr – – und ich will es hiemit gethan haben, wenn ihr es annehmen wollt – – daß die Königin in den Augen des Himmels selbst unschuldig an dem, wessen ihr sie beschuldiget, ist.

Antigonus.

Findet sich’s, daß sie es nicht ist, so will ich mich mit Ketten an mein Weib schmieden lassen; so will ich ihr nicht weiter trauen als ich sie sehe und fühle – – Wenn die Königin ungetreu ist, so ist jedes Quintchen Weiber-Fleisch, jeder weibliche Bluts-Tropfe in der Welt falsch.

Leontes.

Schweigt – –

Einige Herren.

Gnädigster Herr – –

Antigonus.

Was wir reden ist zu euerm Besten, nicht zum unsrigen – – Ihr seyd betrogen, und von irgend einem Ohrenbläser, der dafür zur Hölle fahren wird – – Wollte Gott ich wißte wer der Bube ist, er sollte sein leztes Brodt gegessen haben: Wenn Sie ihre Ehre verwirkt hat – – ich habe drey Töchter; die älteste ist eilf Jahre alt, die andre neun, und die dritte fünf oder sechs – – Wenn sich’s so befindet, so sollen sie dafür büssen. Bey meiner Ehre, ich will sie alle verschneiden lassen; sie sollen nicht vierzehn Jahre alt werden, um Mütter von andern Spizbübinnen zu werden; sie sind meine einzigen Erben, und ich wollte mich lieber selbst aufhängen, als daß sie keine schöne Nachkommenschaft zur Welt bringen sollten.

Leontes.

Hört auf; nichts mehr; ihr habt zu stumpfe Sinnen für eine solche Sache; ich seh und fühle sie; es ist hier von keinen Muthmassungen die Rede; ich bin gewiß – –

Antigonus.

Wenn das ist, so brauchen wir kein Grab, um die Ehrlichkeit darein zu legen; es ist kein Gran von ihr übrig, nicht ein Gran, um den Gestank der ganzen in Unrath versunknen Erde erträglicher zu machen.

Leontes.

Wie? hab ich keinen Credit mehr, daß ihr noch zweifelt?

Ein Herr vom Hofe.

In dieser Sache wünschte ich daß ihr keinen hättet, Gnädiger Herr; ich wollte lieber, daß sich ihre Unschuld als daß sich euer Argwohn wahr befände, ihr möchtet auch getadelt werden so viel man wollte.

Leontes.

Was haben wir nöthig hierüber mit euch zu conferieren? Es war eine Wirkung unsrer natürlichen Leutseligkeit, daß wir mit euch in einer Sache redeten, wozu ihr keine Stimmen zu geben habt. Wenn ihr also so dumm seyd, oder euch geflissentlich so stellt, und die Wahrheit mit uns nicht sehen könnt, oder nicht sehen wollt; so behaltet eure Meynung für euch; wir bedürfen keiner weiteren Erinnerungen von euch; die Sache, der Gewinn und der Verlust, und die Disposition darüber, alles geht lediglich uns selbst an.

Antigonus.

Ich wünschte auch nur, mein Gebietender Herr, daß ihr sie noch länger bey euch selbst behalten, und nicht so öffentlich kund gemacht hättet.

Leontes.

Wie war das möglich? Entweder hat dich das Alter dummer gemacht, oder du bist zum Narren gebohren worden. Nachdem Camillo’s Entweichung noch zu ihrer vorigen Vertraulichkeit, (welche so in die Augen fallend war, daß zur gänzlichen Evidenz nichts fehlte als sie in der wirklichen That zu ergreiffen) nachdem, sage ich, Camillo’s Entweichung noch dazu gekommen, so war ich gezwungen, auf diese Art zu Werke zu gehen. Indessen und um in einer Sache von solcher Wichtigkeit nichts zu unterlassen, was zu mehrerer Bestätigung der Wahrheit dienen kan, hab‘ ich bereits mit fliegender Eilfertigkeit Dion und Cleomenes nach dem geheiligten Delphi, in Apollo’s Tempel, abgesandt: Ihr wisset, daß es Leute sind, auf die man sich verlassen kan: Und die Antwort, die sie uns von dem Orakel bringen werden, soll mich zurükhalten, oder spornen. Hab ich nicht wol gethan?

Ein Herr vom Hofe.

Sehr wohl, Gnädigster Herr.

Leontes.

Wenn ich gleich für meine eigne Person Proben genug habe, und nicht weiters zu wissen brauche als was ich weiß, so wird das Orakel doch dazu dienen, die Gemüther der übrigen zu beruhigen, deren unwissende Leichtgläubigkeit sie unfähig macht, die Wahrheit durch sich selbst zu entdeken. Inzwischen haben wir für gut angesehen, sie von uns zu entfernen, und in sichre Verwahrung bringen zu lassen; um ihr die Gelegenheit abzuschneiden, das verräthrische Complot der beyden, die sich auf flüchtigen Fuß gesezt haben, auszuführen. Kommt, folgt uns; wir sehen uns bemüssiget öffentlich zu reden; denn dieser Handel wird uns alle aufweken – –

Antigonus.

Ja, zum Lachen, denk‘ ich, wenn die echte Wahrheit bekannt wäre. (Sie gehen ab.)

Dritte Scene.

Verwandelt sich in ein Gefängniß. Paulina, die Gemahlin des Antigonus, läßt den Kerkermeister herausrufen, und bittet vor die gefangne Königin gelassen zu werden: Da ihr aber dieses, vermöge des ausdrüklichen Königlichen Befehls abgeschlagen wird, so verlangt sie, ihr wenigstens eine Unterredung mit einer von ihren Kammer-Frauen zu gestatten. Dieses wird ihr bewilliget, doch so, daß der Kerkermeister dabey zugegen seyn solle. Emilia kommt also heraus und meldet der Paulina, daß Schreken und Kummer die Niederkunft der Königin befördert habe, und daß sie wirklich von einer Tochter entbunden sey; ein holdseliges Mädchen, (sagt Emilia) munter, und voller Leben: Sie gereicht der guten Königin zu vielem Trost: Meine arme Gefangne, sagt sie, ich bin so unschuldig als du – –

Paulina.

Darauf wollt‘ ich schwören: Diese wunderlichen, gefahrvollen Launen des Königs! Der Henker hole sie! Aber man muß es ihm sagen, und das soll auch geschehen; es ist ein Dienst, der sich am besten für ein Frauenzimmer schikt. Ich will ihn auf mich nehmen – – Ich bitte euch, Emilia, versichert die Königin meiner gänzlichen Ergebenheit, und sagt ihr, wenn sie mir ihre kleine Princessin anvertrauen wolle, so woll‘ ich sie dem Könige zeigen und es auf mich nehmen, so laut als nur möglich ihr Fürsprecher zu seyn. Wir wissen nicht, wie ihn vielleicht der Anblik des Kinds erweichen mag; das Stillschweigen der reinen Unschuld überredet oft besser als die beredteste Zunge – – Paulina versichert Aemilien, daß ihr edelmüthiges Anerbieten der Königin desto angenehmer seyn werde, da sie selbst auf diesen Gedanken gekommen, und nur besorgt habe, daß sich niemand finden würde, der es wagen dürfte ihn auszuführen. Inzwischen macht der Kerkermeister auf den Fall daß die Königin einwilligen sollte, Aemilien die neugebohrne Princessin anzuvertrauen einige Schwierigkeit, ob er es, da er keinen Befehl dazu habe, passieren lassen dürfe; läßt sich aber von Aemilien damit beruhigen, daß das Kind eigentlich ein Gefangner im Mutterleib gewesen, und nach Gesez und Ordnung der Natur freygestellt worden, mit nichten aber als Gefangner des Königs anzusehen sey, als gegen welchen es sich auf keinerley Weise habe verfehlen können. Und hierauf begeben sie sich in ein anders Zimmer.

Vierte Scene.

Der Pallast. Leontes, Antigonus, Herren vom Hofe, und Trabanten treten auf.

Leontes (vor sich.)

Keine Ruhe, bey Tag noch Nacht – – es ist eine grosse Schwachheit, sich die Sachen so zu Gemüthe zu ziehen – – es würde so seyn, wenn der Gegenstand meiner Unruhe nicht noch unter den Lebendigen wäre – – wenigstens ein Theil davon, sie, die Ehebrecherin – – Denn was ihren Verführer betrift, den muß ich aus meinem Gehirn auswischen, da ihn mein Arm nicht erreichen kan: Aber sie hab‘ ich in meiner Gewalt – – Könnte mir jemand sagen, daß sie aus der Welt geschafft wäre, die Hälfte meiner Ruhe würde wieder kommen – – Ist niemand hier? – – Ein Bedienter kommt herein.

Bedienter.

Gnädigster Herr – –

Leontes.

Wie steht’s um den Prinzen?

Bedienter.

Er schlief diese Nacht wohl; man hofft er habe das Schlimmste überstanden.

Leontes.

Wie edel sein Gemüth ist! Seitdem er die Schande seiner Mutter gewahr wurde, ist er auf einmal welk worden, geht traurig und niedergeschlagen herum, will nichts essen, und schämt sich, als ob er sich vor sich selbst verbergen möchte – – Lebhaftigkeit, Appetit, Schlaf, alles ist hin; er schwindet zusehends weg – – Laß mich allein, geh, sieh was er macht – – (Der Bediente geht ab.) – – Fie, fie, keinen Gedanken an ihn! – – Hier führt kein Weg zur Rache – – er ist zu mächtig; an sich selbst, und in seinen Freunden und Bundes-Genossen – – Laßt ihn wo er ist, bis die Zeit uns vielleicht einen Dienst thut – – Für izt soll sich unsre Rache an ihr ersättigen – – Camillo und Polixenes lachen izt über mich; machen sich eine Kurzweile aus meinem Kummer; sie sollten nicht lachen wenn ich sie erreichen könnte; noch soll sie lachen, die ich in meiner Gewalt habe – –

Fünfte Scene.

Paulina mit einem Kinde auf dem Arm tritt auf.

Ein Herr vom Hofe, an der Thüre.

Ihr könnt nicht vorkommen.

Paulina.

Ihr solltet euch vielmehr meiner annehmen, meine guten Herren. Ach Gott! ist euch mehr daran gelegen, seine tyrannische Leidenschaft als das Leben der Königin zu schonen? Einer tugendhaften, schuldlosen Seele; welche reiner ist, als er eifersüchtig.

Antigonus.

Laß es genug seyn.

Ein Bedienter vor der Thüre.

Gnädige Frau, er hat diese Nacht nie geschlaffen; wir haben ausdrüklichen Befehl, niemand vor ihn zu lassen.

Paulina.

Nicht so hizig, Herr; ich komme deßwegen, um ihm wieder zu seinem Schlaffe zu helfen. Solche Leute wie ihr, die wie seine Schatten neben ihm her kriechen, und jedem seiner unnöthigen Seufzer mit einem schmeichlerischen Nach-Seufzen antworten – – Solche Leute nähren die Ursache seiner Schlaflosigkeit. Ich komme ihm Wahrheiten zu sagen, die ihn so gewiß curieren können als sie wahr sind – – Laßt mich; ich werde mich nicht abweisen lassen.

Leontes.

Was giebts für ein Getöse hier, he?

Paulina.

Kein Getöse, Gnädigster Herr, sondern eine nothwendige Audienz für ein paar ehrliche Gevatterinnen.

Leontes.

Wie? – – Weg mit dieser zudringlichen Frau – – Antigonus, befahl ich dir nicht, sie sollte nicht vor mich kommen? Ich wußte, daß sie es im Sinn hatte.

Antigonus.

Gnädigster Herr, ich verbott es ihr, auf Gefahr sich euern Unwillen zuzuziehen, und den meinigen – – aber – –

Leontes.

Was? Kanst du sie nicht besser im Zaum halten?

Paulina.

Von allem was unrecht wäre, kan er’s; aber in dieser Sache, verlaßt euch darauf – – er müßte es denn nur machen wie ihr, und mich einsperren lassen, weil ich rechtschaffen gehandelt hätte – – in dieser Sache soll er mich nicht zurükhalten können.

Antigonus.

Seht ihr nun, ihr hört es selbst; wenn sie einmal den Zaum zwischen die Zähne genommen hat, so muß ich sie rennen lassen; aber doch stolpert sie nicht.

Paulina.

Mein Gnädigster Oberherr, ich komme – – und ich bitte euch, hört mich an, eure getreue Magd, euern Arzt, und euere aufrichtige wolmeynende Rathgeberin; ich bin es, ob ich schon weniger Credit habe, als diejenigen, die euch am ergebensten zu seyn scheinen, ohne daß sie den Muth haben, eure Wunde anzurühren – – Ich sage, ich komme von eurer guten Königin.

Leontes.

Guten Königin?

Paulina.

Guten Königin, Gnädigster Herr; ja, von eurer guten Königin, sag‘ ich noch einmal, und wollt‘ es mit Schwerdt und Lanze gegen den Schlimmsten unter euch beweisen, wenn ich ein Mann wäre.

Leontes.

Treibt sie hinaus.

Paulina.

Unterstehe sich einer Hand an mich zu legen, wenn ihm seine Augen nur Kleinigkeiten sind: Ich will von mir selbst wieder gehen, aber zuvor will ich meine Commission ausrichten. Die gute Königin, denn sie ist gut, hat euch eine Tochter gebracht; hier ist sie, und bittet um euern Segen. (Sie legt das Kind vor ihm nieder.)

Leontes.

Hinaus! weg mit der Hexe! zur Thüre hinaus: Die verschmizte Kupplerin!

Paulina.

Das nicht; ich bin so unwissend in dieser Kunst als ihr, wenn ihr mich so betitelt; und nicht weniger ehrlich als ihr unsinnig seyd; und das ist, ich versichre euch, so wie die heutige Welt geht, genug um für ehrlich zu passieren.

Leontes.

Verräther, wollt ihr sie nicht hinausschmeissen? (Zum Antigonus.) Gieb ihr den Bastard; du alter Weiber-Narr, der sich von seiner Henne aus dem Hüner-Stall herauspiken läßt. Nimm den Bastard auf, nimm ihn auf, sag ich; gieb ihn deiner alten Schnarr-Pfeiffe.

Paulina.

Auf ewig ehrlos seyen deine Hände, wenn du die Princessin unter der gewaltthätigen Beschimpfung, womit er sie belegt, aufhebst.

Leontes.

Seht, er muß sein Weib fürchten.

Paulina.

Ich wollte, ihr machtet’s so; so würdet ihr ohne Zweifel eure Kinder nicht verläugnen.

Leontes.

Ein Pak Verräther!

Antigonus.

Ich bin keiner, beym Gott des Tages!

Paulina.

Ich auch nicht, noch sonst jemand hier, als einer; und der ist er selbst – – Er, der die geheiligte Ehre seiner Selbst, seiner Königin, seines hoffnungs-vollen Sohns und seiner neugebohrnen Tochter Preiß gegeben und mit einer Schande gebrandmalet hat, die wenn sie sich einmal in die Meynung der Welt eingefressen hat, durch keinen Widerruf, durch keine ersinnliche Genugthüung wieder auszulöschen ist.

Leontes.

Eine natter-züngichte Beze, die kürzlich ihren Mann geprügelt hat, und nun mich anfällt! – – Diese kleine Roznase geht mich nichts an; Polixenes ist ihr Vater, weg mit ihr und ihrer Alten; werft sie ins Feuer.

Paulina.

Sie ist euer, und wenn wir das alte Sprüchwort auf euch applicieren dürften, sie sieht euch so gleich, daß sie nicht desto schöner ist. Seht hier, meine Herren, so klein der Format ist, das natürliche leibhafte Ebenbild ihres Vaters; Augen, Nase, Lippen, der Zug seiner Augbrauen, seine Stirne, das Grübchen in seinem Kinn, und in den Wangen, sein Lächeln, die völlige Bildung seiner Hand, seine Finger und Nägel. Und du, gute Göttin Natur, die du sie dem, der sie zeugte, so ähnlich machtest, wenn du auch die Gestaltung des Gemüths hast, so brauch alle Farben dazu, nur kein Gelb; sonst könnte die Königin wol, eben sowol wie er, auf den Argwohn gerathen, daß ihre Kinder nicht ihrem Manne gehörten.

Leontes.

Der garstige Schleppsak! Und du, Flegmatischer Geselle, verdienst gehangen zu werden, daß du ihr das Maul nicht stopfest – –

Antigonus.

Wenn ihr alle Männer hängen lassen wollt, die das nicht können, so wird euch schwerlich ein einziger Unterthan übrig bleiben.

Leontes.

Noch einmal, schafft sie fort.

Paulina.

Der unwürdigste, unnatürlichste Herr könnte nicht mehr thun.

Leontes.

Ich will dich zu Asche brennen lassen.

Paulina.

Sey es; so ist der der Kezer, der das Feuer anzünden läßt, nicht ich, die verbrennt wird. Ich will euch eben keinen Tyrannen nennen, aber diese höchst grausame Behandlung eurer Königin, (gegen welche ihr doch nicht im Stande seyd einen andern Zeugen aufzubringen, als eure eigne wakelnde Einbildung) schmekt ein wenig nach Tyranney; und wird euch verächtlich, ja abscheulich in den Augen der Welt machen.

Leontes.

Ich befehl es euch, bey euern Pflichten; werft sie aus dem Zimmer hinaus. Wär‘ ich ein Tyrann, wo wär‘ ihr Leben? Sie würde mich gewiß nicht so nennen, wenn sie wißte daß ich einer wäre. Weg mit ihr.

Paulina.

Ich bitte euch, stoßt mich nicht, ich will gehen. Seht zu euerm Kinde, Gnädigster Herr, es ist euer; die Götter mögen ihr einen bessern Schuzgeist senden! – – Hiemit gehabt euch wol, wir gehen. (Sie geht ab.)

Sechste Scene.

Leontes.

Du hast dein Weib hiezu aufgestiftet, Verräther – – Das soll mein Kind seyn? Weg damit! Eben du, du der ein so zärtliches Herz dagegen gehabt hast, trag es weg, und siehe zu, daß es diesen Augenblik ins Feuer geworfen und verzehret werde; eben du und kein andrer, als du – – Gleich heb‘ es auf. Noch in dieser Stunde bringe mir die Nachricht daß es geschehen sey, und Zeugen, die mir keinen Zweifel übrig lassen, oder dein Leben, und alles was du sonst noch dein nennest, ist verwirkt: Wenn du dich weigern, und mit meinem Grimm zusammenstossen willst, so sag es: Ich will dem Bastard sein Hirn mit meinen eignen Händen ausschlagen – – Geh, wirf es ins Feuer; denn du hast dein Weib aufgestiftet.

Antigonus.

Das that ich nicht, Gnädiger Herr; diese Herren, meine edeln Brüder, können es bezeugen, wenn sie wollen.

Ein Herr vom Hofe.

Wir können es, Gnädiger Herr; er hat keine Schuld daran, daß sie gekommen ist.

Leontes.

Ihr seyd alle Lügner.

Alle.

Wir bitten Eu. Hoheit eine bessere Meynung von uns zu haben. Wir haben euch jederzeit getreulich gedient, und bitten euch, uns hiernach zu beurtheilen; und auf unsern Knien flehen wir, (als um die Belohnung unsrer vergangnen und künftigen Dienste) daß ihr von diesem Vorhaben ablasset, welches so entsezlich, so grausam ist, daß es böse Folgen nach sich ziehen könnte – – Wir alle bitten auf unsern Knien- –

Leontes.

Ich bin wie eine Feder, die jeder Wind herumweht wohin er will – – Soll ich leben, um diesen Bastart vor mir knien und mich Vater nennen zu sehen? Besser ihn izt zu verbrennen als ihm dann meinen Fluch zu geben – – Doch sey es; laßt ihn leben – – Nein, das soll er auch nicht – – Ihr, Herr, kommt ein wenig näher – – (zum Antigonus.) Ihr, der mit Dame Margareth eurer Hebamme hier, so dienstfertig gewesen seyd, um dieses Bastarts Leben zu retten, (denn ein Bastart ist es, so gewiß als dieser Bart grau ist – -) was wollt ihr wagen, um diesem Welchselbalg das Leben zu erhalten?

Antigonus.

Alles, Gnädigster Herr, was ich fähig bin und Großmuth auflegen kan – – zum wenigsten will ich, ein unschuldiges Geschöpf zu retten, das wenige Blut gerne hergeben, das ich noch in meinen Adern habe – – Alles, wenn es nur etwas mögliches ist.

Leontes.

Es soll möglich seyn – – schwöre bey diesem Schwerdt, daß du meinen Befehl vollziehen willt.

Antigonus.

Ich will, mein Gebietender Herr.

Leontes.

Merke wol auf, und halte Wort – – Denn die Unterlassung eines einzigen Punkts soll gegenwärtiger Tod nicht allein für dich, sondern auch für dein scharfzüngiges Weib seyn, welcher wir für diesesmal vergeben. Wir befehlen dir, so wahr du unser Vasall bist, daß du diesen weiblichen Bastart von hier weg, und an einen abgelegnen einöden Ort, ferne von unsern Landen und Gebieten tragen, und daß du es dort, ohne anderweitige Vorsorge, seinem Schiksal und der Gunst des Clima überlassen sollest – – Der Zufall mag dann seine Pfleg-Mutter seyn oder seinem Wesen ein Ende machen – – Thue es, oder erwarte das ärgste von meiner gerechten Rache – – Heb es auf.

Antigonus.

Ich schwöre, daß ich es thun will. Komm dann, armes Kind! Irgend ein mitleidiger Geist lehre Geyer und Raben, deine Ammen zu werden. Man erzählt von Wölfen und Bären daß sie ihre natürliche Wildheit bey Seite gesezt, und dergleichen milde Dienste gethan hätten – – Gnädigster Herr, lebet glüklicher als es diese That verdient – – Armes unschuldiges Geschöpf, sollst du zum Verderben verurtheilt seyn! – – (Er trägt das Kind hinweg.)

Leontes.

Nein, ich will keine fremde Brut in meinem Nest aufziehen. Ein Bote tritt auf.

Bote.

Gnädigster Herr, es ist eine Staffette von euern Abgesandten zum Orakel diese Stunde angekommen. Cleomenes und Dion sind glüklich von Delphi zurük gekommen, und werden in kurzem bey Hofe eintreffen.

Leontes.

Es sind erst drey und zwanzig Tage seitdem sie abgereißt sind: Die schnelle Expedition sagt mir vor, daß Apollo die Wahrheit sobald als nur möglich ans Licht gebracht wissen will. Schiket euch an, meine Herren, laßt den grossen Rath zusammenberuffen, damit unsrer treulosen Gemahlin der Proceß gemacht werde; denn da sie öffentlich angeklagt worden, so soll sie auch gerichtlich verhört und überwiesen werden – – So lange sie lebt, wird mir mein Herz eine Last seyn – – Verlaßt mich, und vollzieht meinen Befehl. (Sie gehen ab.)

Dritter Aufzug.

Erste Scene.

Eine Gegend von Sicilien an der Küste. Cleomenes und Dion treten auf.

Cleomenes.

Das Clima ist ungemein mild, die Luft lieblich, das Erdreich fruchtbar, und der Tempel weit über die gewöhnlichen Beschreibungen, die von ihm gemacht werden.

Dion.

Er beschämt alles was das Gerüchte von ihm rühmt – – Alles darinn kündigt die gegenwärtige Gottheit an – – Die priesterliche Kleidung – – ich möchte sie fast himmlisch nennen – – das ehrwürdige Ansehen der Diener des Gottes – – und o! das Opfer, wie feyerlich, prächtig und mehr als irdisch in seiner ganzen Anordnung!

Cleomenes.

Und was über alles geht, der furchtbare Ausbruch der betäubenden Stimme des Orakels, die, mit Jupiters Donner verwandt, meine Sinne so dahinriß, daß ich vernichtet zu werden glaubte.

Dion.

Wenn der Endzwek unsrer Reise für die Königin so glüklich ausfallen wird, (und o! möcht‘ es so seyn,) als die Reise selbst uns angenehm gewesen, und glüklich von statten gegangen ist, so ist die Zeit wol darauf angewendet worden.

Cleomenes.

Grosser Apollo! wende alles zum Besten! – – Ich kan es gar nicht billigen, daß man mit diesen Bezüchtigungen so öffentlich und auf eine so ungestüme Art gegen Hermione losgebrochen ist.

Dion.

Nach den heftigen Maaßregeln die man genommen hat, wird die Sache bald ins Klare kommen oder geendigt werden – – Das Orakel, welches wir hier unter Apollo’s grossem geheiligten Sigel mit uns bringen, wird den Ausspruch thun; vielleicht werden sehr unerwartete Dinge zum Vorschein kommen – – Geht, frische Pferde: Und erfreulich möge der Ausgang seyn! – – (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Verwandelt sich in einen Gerichts-Hof. Leontes, die vornehmsten Herren vom Hofe, und verschiedene Beysizer und Officianten des Hof-Gerichts, im Cirkel sizend.

Leontes.

Dieses niedergesezte Gericht (mit tiefstem Schmerz müssen wir es sagen) führt den tödtlichen Stoß in unser Herz. Der beklagte Theil ist nichts geringeres als die Tochter eines Königs, unsre Gemahlin, und eine, welche wir nur zu sehr geliebt haben – – Dieses feyrliche Gericht wird uns, hoffentlich, gegen allen Vorwurf der Tyranney sicher stellen; dieses Gericht, wobey die Gerechtigkeit allein den Vorsiz haben, wo der Schuldigen ihre Vertheidigung nicht versagt und nur das Verbrechen gestraft werden soll – – Führet die Gefangene vor – –

Ein Officiant.

Es ist Sr. Hoheit Wille, daß die Königin vor Gericht gebracht werde. Stille! Hermione wird mit einer Wache herein geführt; Paulina und ihre Cammer-Frauen folgen.

Leontes.

Leset die Anklage.

Officiant (ließt.)

Hermione, Königliche Gemahlin des Durchlauchtigsten Leontes, Königs von Sicilien, du wirst hier vorgeladen und des Hochverraths angeklagt, darinn von dir begangen, daß du mit Polixenes, König von Böhmen, geehbruchet, und mit Camillo dich in ein Verständniß gegen das Leben unsers Gnädigsten Herrn, des Königs deines Gemahls, eingelassen; und daß, da dieser Anschlag durch zufällige Umstände zum Theil offenbar worden, du, Hermione, gegen die Treue und Pflicht eines getreuen Unterthanen, ihnen gerathen und Vorschub gethan, um sich bey nächtlicher Weile durch die Flucht zu retten.

Hermione.

Da alles was ich zu sagen haben kan, in dem blossen Widerspruch meiner Anklage besteht; und ich keine andre Zeugschaft meiner Unschuld aufstellen kan, als meine eigne; so wird es mir schwerlich etwas helfen, wenn ich sage, ich bin nicht schuldig: Das gegen meine Redlichkeit einmal gefaßte Vorurtheil, wird alles was sie sagen kan, zu falschen und leeren Ausflüchten machen. Aber, wenn Göttliche Mächte auf unsre menschlichen Handlungen herabschauen, (wie sie es gewiß thun) so zweifle ich nicht, daß Unschuld doch zulezt eine falsche Anklage zu Schanden machen, und Tyranney vor Geduld zittern wird – – Ihr, mein Herr und Gemahl, ihr wißt am besten, ob ihr es gleich am wenigsten zu wissen scheinet, daß mein vormaliger Lebens-Wandel so keusch, so ehrlich, und so untadelhaft gewesen ist, als ich izt unglüklich bin; und das ist mehr als irgend eine Geschichte, ja mehr als irgend ein Trauerspiel, obgleich mit allem Fleiß ausgesonnen, um Zuschauer herbey zu loken, aufweisen kan – – Denn hier steh‘ ich, die Genossin des Königlichen Bettes, die Theilhaberin des Throns, die Tochter eines grossen Königs, die Mutter eines hoffnungsvollen Prinzen, stehe und schwaze für Leben und Ehre, vor einem jeden, dem es gefällig ist zu kommen und zu hören. Was mein Leben betrift, das hat in meinen Augen alles verlohren, was es der Erhaltung werth machen könnte: Aber meine Ehre ist mein eigen, und für diese steh‘ ich hier. Ich appelliere an euer eignes Gewissen, mein Herr, wie ich bey euch in Gnaden gestanden, eh Polixenes an euern Hof kam, und ob ich es verdiente – – und, seitdem er gekommen ist, wie sorgfältig ich bemüht gewesen, mich eurer guten Gedanken von mir würdig zu erhalten; bin ich in Werken oder Gedanken nur Ein Jota über die Schranken der Ehre hinaus gegangen, so möge sich das Herz eines jeden der mich hört, verhärten, und meine nächste Blutsverwandten Fy über mein Grab ruffen!

Leontes.

Ich habe noch nie gehört, daß es einer, welche Muth genug hat so grobe Verbrechen zu wagen, an Verwegenheit gefehlt hätte, sie mit eben der Unverschämtheit wieder wegzuläugnen, womit sie selbige begangen hat.

Hermione.

Das ist wahr genug, aber es ist eine Beobachtung, mein Herr, die gar nicht für mich gemacht ist.

Leontes.

Ihr wollt sie euch nur nicht zueignen.

Hermione.

Mehr Fehler, als ich würklich habe, kan und soll ich auch nicht für mein erkennen. Was den Polyxenes mit dem ich hier angeklagt bin, betrift, so gestehe ich, ich liebte ihn, so wie es seine guten Eigenschaften verdienten, mit solch einer Art von Liebe, wie einer Frau, wie ich, anständig seyn kan; mit einer Liebe, gerade so einer und keiner andern, wie ihr selbst mir ihn zu lieben befahlet; wenn ich weniger gethan hätte, würde ich geglaubt haben, ungehorsam gegen euch, und undankbar gegen euern Freund zu seyn; einen Freund, den ihr mir selbst als den Freund eures Herzens angepriesen habt, und der euch von der Kindheit an bewiesen hatte, daß er’s sey. Was eure Zusammen-Verschwörung betrift, so gestehe ich frey, daß ich gar nicht verstehe was ihr damit wollt: Alles was ich weiß ist, daß Camillo ein ehrlicher Mann war; aber warum er euern Hof verlassen hat, das wissen die Götter selbst nicht, wenn sie nicht mehr davon wissen als ich.

Leontes.

Ihr wußtet so gewiß um seine Flucht, als ihr wisset, was ihr in seiner Abwesenheit zu thun vorhattet.

Hermione.

Mein Herr, ihr redet eine Sprache, die ich nicht verstehe; mein Leben hängt nun einmal von euern Träumen ab; ich überlaß es euch.

Leontes.

Eure Thaten sind meine Träume – – wie? Ihr habt einen Bastart vom Polixenes, und ich träumt es nur so? – – Diese Frechheit hat nur an eurer Schaamlosigkeit ihres gleichen – – Doch läugne immerhin; das kan uns in Erstaunen sezen, aber dir kan es nichts helfen; denn so wie dein Wechselbalg, wie es sich für eine solche Brut schikt, von der niemand Vater seyn will, (ein Umstand der freylich bey ihr nur ein Unglük, aber bey dir ein desto schwereres Verbrechen ist) wie sie hinausgeworfen worden ist, so sollt du unsre Gerechtigkeit fühlen: Erwarte von ihrer äussersten Milde nichts geringere als den Tod.

Hermione.

Sparet eure Drohungen, mein Herr; den Popanz, womit ihr mich schreken wollt, den such ich; Leben kan für mich kein Gut mehr seyn. Die Crone und das Vergnügen meines Lebens, eure Gunst, geb ich verlohren, denn ich fühle, daß sie verlohren ist, ob ich gleich nicht weiß, wie. Meine zweyte Freude, mein Sohn, mein erstgebohrner, von dem werd ich, wie eine angestekte Person durch Schlösser und Riegel versperrt. Mein dritter Trost, (ach! unter einem allzu-unglüklichen Stern gebohren!) ist von meiner Brust (die unschuldige Milch noch in seinem ganz unschuldigen Munde) weggerissen und ermordet worden; ich selbst bin mit einem Haß der keine Grenzen hat, als eine Meze durch alle Strassen ausgeruffen – – Sogar die Kindbett-Freyheiten, die dem geringsten Weibsbild zugestanden werden müssen, sind mir verweigert – – Zulezt, um das Maaß voll zu machen, habt ihr mich an diesen Plaz schleppen lassen in die freye Luft, vor der Zeit, da ich die Kräfte wieder erlangt hätte, es auszuhalten. Nun, mein gebietender Herr, sagt mir, wo sind die Glükseligkeiten, die ich mit dem Leben verliehren könnte? Schreitet also immer zur Sentenz: Aber das höret noch – – Verstehet mich nicht unrecht – – Nicht um mein Leben – – das acht‘ ich nicht soviel als einen Stroh-Halm – – Aber um meiner Ehre willen, muß ich euch sagen, wenn ich auf Bezüchtigungen, die keinen andern Beweis als eure Eifersucht haben, verurtheilt werde, so ist es Härte, nicht Justiz – – Meine Herren alle, ich unterwerfe mich dem Ausspruch des Orakels; Apollo soll mein Richter seyn!

Dritte Scene.

Dion und Cleomenes treten auf.

Ein Richter.

Euer Begehren ist billig; bringet also, und in Apollo’s Namen! sein Orakel hervor!

Hermione.

Der Kaiser von Rußland war mein Vater – – o! daß er noch leben, und dieses Verhör seiner Tochter sehen möchte! daß er dieses volle Maaß meines Elends sehen möchte; nur mit Augen des Mitleidens, nicht der Rache!

Ein Gerichts-Official.

Ihr sollet hier schwören auf das Schwerdt der Gerechtigkeit, daß ihr, Cleomenes und Dion, beyde zu Delphi gewesen seyd, und von da dieses versiegelte Orakel mitgebracht, so wie ihr’s aus den Händen der Priesterin des grossen Apollo empfangen habt; und daß ihr euch seitdem nicht erfrechet habt, das heilige Sigel zu erbrechen, und zu lesen, was es verschlossen hält.

Cleomenes. Dion.

Alles dieses beschwören wir.

Leontes.

Brecht die Sigel auf, und leset.

Der Official ließt:

Hermione ist keusch, Polixenes unschuldig, Camillo ein getreuer Unterthan, Leontes ein eifersüchtiger Tyrann, sein unschuldiges Kind, rechtmässig erzeugt; und ohne einen Erben soll der König leben, wofern das, was verlohren ist, nicht wieder gefunden wird.

Die Herren und Richter alle.

Nun, gelobet sey der grosse Apollo!

Hermione.

Gelobet!

Leontes.

Hast du es so gelesen wie es geschrieben ist?

Official.

Ja, Gnädigster Herr, sehet nur selbst – –

Leontes.

Das Orakel ist falsch – – Der Gerichts-Hof soll fortfahren – – es ist lauter Betrug. Ein Bedienter tritt auf.

Bedienter (erschroken und zitternd.)

Gnädigster, Gnädigster Herr – –

Leontes.

Was willt du? – –

Bedienter.

O, daß ich der unglükselige Bote seyn mußte! Der Prinz – – euer Sohn – – die Alteration über das Verhör der Königin – – er ist todt.

Leontes.

Was? er ist todt?

Bedienter.

Todt.

Leontes.

Apollo ist ergrimmt, und der Himmel selbst schleudert seine Keile auf meine Ungerechtigkeit herab – – Wie, was giebt’s hier? (Die Königin sinkt ohnmächtig hin.)

Paulina.

Die Königin wird diese Zeitung nicht überleben – – Seht hieher, seht was der Tod für Arbeit macht.

Leontes.

Tragt sie fort; ihr Herz ist nur überladen; sie wird sich wieder erholen. – – (Paulina und die Frauen gehen mit Hermione, welche weggetragen wird.)

Vierte Scene.

Leontes.

Ich habe meinem Argwohn zuviel geglaubt: ich bitte euch, wendet alles an ihr Leben zu erhalten – – O Apollo! vergieb – – vergieb meine sinnlose Lästerung gegen dein Orakel! Ich will mich mit dem Polyxenes aussöhnen, mich von neuem um die Liebe meiner Königin bewerben, den ehrlichen Camillo zurük beruffen, ihn, dessen gutes Herz mir die Quaal erspart hat, daß ich mir noch die Ermordung meines Freundes vorwerfen müßte – – denn ihn erkießte ich in der Wuth meines eyfersüchtigen Fiebers zum Werkzeug, den Polixenes zu vergiften; aber ungeachtet ich ihm Belohnung in der einen Hand zeigte und Tod in der andern, war er doch zu edel, zu menschlich, mir zu gehorchen; er entfaltete meinen Anschlag meinem Königlichen Gast, und wollte lieber sein Vaterland und seine Güter, (die wie ihr wisset beträchtlich sind) dahinten lassen, und mit seiner unbeflekten Ehre nakend entfliehen, als meine Gunst mit einer Uebelthat erkauffen. Wie glänzt er neben meinem Rost! Wie viel schwärzer macht seine Tugend meine Aufführung!

Fünfte Scene.

Paulina zu den Vorigen.

Paulina.

O Jammer über Jammer! Schneidet mir meine Schnur-Brust auf, oder mein Herz zersprengt sie, und berstet zugleich.

Ein Herr vom Hofe.

Was ficht euch an, Gnädige Frau? Paulina kündigt dem Könige, nach einer langen Tirade von Schmähungen, und nachdem sie ihm alle seine Vergehungen in den unanständigsten Ausdrüken vorgeworfen, den Tod der Königin an.

Leontes.

Das verhüten die höhern Mächte!

Paulina.

Ich sage dir sie ist todt: Ich will es beschwören: Wenn du an Worten und Schwüren nicht genug hast, so geh und sieh selbst: Wenn ihr Farbe in ihre Lippen oder Glanz in ihre Augen, Wärme in ihre Gliedmaassen oder Athem in ihre Brust bringen könnt, so will ich vor euch niederfallen und euch wie einen Gott anbetten – – Aber, o du Tyrann! Zeige keine Reue über deine Thaten; sie sind zu abscheulich um durch alle Qualen die du fühlen kanst abgebüßt zu werden: Für dich ist nichts übrig als Verzweiflung. Tausend Kniee, zehntausend Jahre in einem fort, nakend, fastend auf einem kahlen Gebürge, in immerwährendem Winter und Sturm, könnten die Götter nicht bewegen, dahin zu sehen, wo du bist.

Leontes.

Fahre immer fort, fahre immer fort: Du kanst nicht zu viel sagen – – ich hab‘ es verdient, daß mir alle Zungen das Bitterste sagen, was sie können.

Ein Herr vom Hofe.

Sagt nichts mehr – – Die Umstände mögen seyn wie sie wollen, so habt ihr euch durch die unanständige Heftigkeit eurer Reden sehr vergangen.

Paulina.

Es ist mir leid; ich bereue alle Fehler, die ich begehen kan, sobald ich sie einsehe. Ach! nun seh ich’s, ich habe mich durch die rasche weibliche Hize zuweit fortreissen lassen; er ist bis ins edle Herz verwundet. Was geschehen ist, und keine Hülfe mehr zuläßt, sollte man aus dem Sinne zu schlagen suchen. Betrübet euch nicht so sehr – – nein, lieber laßt mich dafür bestraft werden, daß ich euch an Dinge erinnert habe, die ihr vergessen solltet. Nun, mein gütigster Gebieter, mein Herr, mein Königlicher Herr, verzeihst einem albernen Weibsbilde; die Liebe, die ich zu eurer Gemahlin trug – – (sie weint.) alberne Weichherzigkeit! – – Ich will nichts mehr von ihr sagen, auch nichts von euern Kindern, ich will nicht mehr an meinen eignen Mann denken, der auch verlohren ist. Fasset nur auch ihr Geduld, so will ich gerne nichts sagen.

Leontes.

Du hast recht gesprochen, denn du sagtest nichts als Wahrheit; und diese höre ich lieber von dir als dein Mitleiden. Ich bitte dich, führe mich dahin wo die Leichen meiner Gemahlin und meines Sohnes liegen; sie sollen beyde Ein Grab haben. Auf ihrem Grabmal sollen zu meiner ewigen Schande die Ursachen ihres Todes zu lesen seyn; alle Tage will ich einmal die Capelle besuchen wo sie liegen, und die Thränen, die ich dort vergiesse, sollen meine Erquikung seyn. So lange als die Natur bey dieser Uebung dauren kan, so lange gelob‘ ich an, sie täglich zu halten. Kommt, und führet mich zu diesem traurigen Geschäfte. (Sie gehen ab.)

Sechste Scene.

Verwandelt sich in eine einöde Gegend in Böhmen nahe an der See.* Antigonus tritt mit einem Kind auf dem Arm und einem Schiffer auf.

Antigonus.

Du bist also gewiß, daß unser Schiff an die Wüsten von Böhmen angeländet hat?

Schiffer.

Ja, Gnädiger Herr, und ich besorge nur daß es zur Unzeit geschehen ist. Der Himmel sieht fürchterlich aus und droht mit einem gegenwärtigen Sturm. Auf mein Gewissen, die Götter sind über das was wir in Handen haben erzörnt, und geben’s uns zu erkennen.

Antigonus.

Ihr heiliger Wille geschehe! Geh du an Bord zurük; sorge für deine Barke, ich will dir bald wieder ruffen.

Schiffer.

Eilet was ihr könnet, und waget euch nicht zu weit in das Land hinein; wir werden, allem Ansehen nach, ein heftiges Ungewitter bekommen – – Und zudem ist diese Gegend wegen der wilden Thiere berüchtiget, die sich hier aufhalten.

Antigonus.

Geh du nur; ich will dir auf dem Fusse folgen.

Schiffer (vor sich.)

Ich bin von Herzen froh, daß ich dieser Bürde los werde. (Er geht ab.)

Antigonus.

Komm, armes Geschöpf; ich habe gehört, obgleich nie geglaubt, daß die Geister der Verstorbnen wieder kommen können; wenn sowas ist, so erschien mir deine Mutter in verwichner Nacht; denn nie hat ein Traum dem Wachen so gleich gesehen. Eine Creatur stellte sich mir vor, deren Haupt bald auf die eine bald auf die andere Seite hieng; nie sah ich ein Gefäß von solchen Schmerzen angefüllt – – und doch so viel Anstand in ihrem ganzen Wesen; ganz weiß gekleidet, wie das Bild der Unschuld, näherte sie sich der Cajüte worinn ich lag; sie neigte sich dreymal vor mir, aber wie sie den Mund zum reden öffnete, barsten ihre Augen in Thränen; endlich da sie sich erleichtert hatte, brachen diese Worte von ihr: Redlicher Antigonus, weil doch nun das Schiksal, gegen deine bessere Gesinnung dich zum Werkzeug der Wegwerfung meines armen Säuglings gemacht hat, so leg es in Böhmen nieder – – es sind Wildnisse genug dort, und sie sind weit genug von Sicilien entlegen, daß dein Eid nicht dadurch gebrochen wird; und weil dieses Kind für immer verlohren geschäzt wird, so gieb ihm, ich bitte dich, den Namen Perdita. Für dieses unfreundliche Geschäfte, das dir mein Gemahl aufgelegt hat, wirst du dein Weib Paulina niemals wieder sehen – – und hier that sie einen ängstlichen Schrey, und zerfloß in Luft. So erschroken ich war, so erholt‘ ich mich doch bald wieder, und dachte bey mir selbst, daß es etwas wirkliches und kein Traum gewesen seyn müsse: Träume sind Tand; aber für dieses einzige mal kan ich mir nicht verwehren abergläubisch zu seyn, und Reflexion auf dieses Gesicht zu machen. Ich glaube, daß Hermione den Tod erlidten haben wird; und daß Apollo, weil er weiß, daß dieses Kind wirklich dem König Polixenes angehört, haben will, daß es hieher, es sey nun zum Leben oder Tod, auf seines wahren Vaters Grund und Boden gelegt werde. (Er legt das Kind nieder.) So gerathe dann wol, du kleiner Sprößling! Hier liege, und hier dein Name; und hier Dinge, welche, wenn das Glük günstig ist, deine Erhaltung befördern, und doch dein bleiben können – – Es fängt an zu stürmen – – Armes unglükliches Geschöpf! das für seiner Mutter Fehler so grausam büssen muß – – Wie wird es dir gehen? – – Weinen kan ich nicht, aber mein Herz blutet – – O des unseligen Eids, durch den ich mich so gebunden habe! – – Lebe wohl! – – Der Tag wird immer dunkler; es sieht aus, als ob du ein rauhes Wiegen-Lied bekommen werdest; nie hab ich bey Tage einen so düstern Himmel gesehen – – Was für ein wildes Geschrey ist das – – ich habe hohe Zeit an Bord zu eilen – – Das ist eine Jagd – – Himmel! Ich bin verlohren. (Er flieht, von einem Bären verfolgt.) * Wie die See nach Böhmen kommen könne, war ein Umstand, den sich unser Autor vielleicht von darum nichts anfechten ließ, weil man in Mährchen auf die Geographie nicht zu achten pflegt.

Siebende Scene.

Ein alter Schäfer tritt auf.

Schäfer.

Ich wollte es wäre kein Alter zwischen zehn und drey und zwanzig, oder die jungen Leute müßten diese ganze Zeit über schlafen: Denn es ist doch in diesem Zwischen nichts als, Menschern Kinder machen, alte Leute foppen, stehlen, rauffen – – Hört ihr nun! Würde sich ein Mensch in der Welt einfallen lassen, bey einem solchen Wetter zu jagen, wenn es nicht diese Tollköpfe von neunzehn und zwey und zwanzig thäten? – – Sie haben mir zwey von meinen besten Schafen verscheucht, die nun, fürcht‘ ich, der Wolf eher finden wird als ihr Herr – – wenn ich sie noch irgendwo kriegen kan, so muß es an der Küste seyn, wo sie Epheu zu fressen finden – – Gut Glük! was haben wir hier? – – (Er hebt das Kind auf.) Gott sey bey uns! Ein Wikel-Kind! Ein recht hübsches Kind! Ein Junge, oder ein Mädchen, das wundert mich! – – Ein artiges Ding, ein recht artiges Ding; richtig, das wird ein Jungfern-Kindchen seyn: Wenn ich schon nicht gestudiert bin, so seh ich ihm doch an der Nase an, daß eine Kammer-Jungfer oder so was dahinter stekt. Das mag eine Stiegen-Arbeit gewesen seyn, eine Rausch-Arbeit, so was hinter der Thür hurtig weggemachtes – – Armes kleines Ding! denen ist wärmer gewesen, die dich gezeugt haben, als dir ist – – Ich will es aus Mitleiden aufheben und mit mir nehmen; aber ich will doch noch warten, bis mein Sohn kommt; ich hört‘ ihn eben holla ruffen – – Wie! he! holla, ho! (Hans Wurst tritt auf.)

Hans Wurst.

Holla, ho! – –

Schäfer.

Was, bist du so nah? Wenn du was sehen willst, von dem noch die Rede seyn wird, wenn du todt und verfault bist, so komm her. Nun, was fehlt dir, Mann?

Hans Wurst.

Ich habe zwey solche Spectakel gesehen, zu Wasser und zu Land; doch ich kan nicht sagen zu Wasser; denn es ist izt alles Himmel; ihr könntet würklich zwischen das Firmament und die See keine Steknadel steken.

Schäfer.

Wie, Junge, was ist es dann?

Hans Wurst.

Ich wollte, ihr hättet nur gesehen, wie es tobt, wie es raßt, wie es das Ufer aufwühlt; aber das ist noch alles nichts; o! das erbärmliche Schreyen der armen Seelen – – sie izt zu sehen, und dann gleich wieder nicht zu sehen – – und wie das Schiff bald mit seinem grossen Mast den Mond durchbohrte, bald wieder von Schaum und Gäscht verschlungen wurde, als ob ihr ein Stükchen Kork in ein Bierfaß geworfen hättet. Und dann zu Lande – – wie ihm der Bär das Schulterbein ausriß, und wie er schrie daß ich ihm zu hülfe kommen sollte, und sagte, er heisse Antigonus, und sey ein Edelmann – – Aber um mit dem Schiff ein Ende zu machen, zu sehen, wie es vom Meer hineingeschlukt wurde; aber vorher, wie die armen Leute heulten, und wie ihnen die See zum Spott nachheulte – – Und wie der arme Herr heulte, und der Bär seiner spottete – – und beyde so laut heulten, daß man weder See noch Wetter davor hören konnte.

Schäfer.

Um Gottes willen, wenn war das, Junge?

Hans Wurst.

Izt, izt, diesen Augenblik erst; die Leute können unterm Wasser noch nicht kalt worden seyn, und der Bär kan den armen Herrn noch nicht halb aufgegessen haben; er ist noch an ihm.

Schäfer.

Ich wollt‘ ich wäre um den Weg gewesen, daß ich dem alten Mann hätte zu hülfe kommen können.

Hans Wurst.

Ich wollt‘ ihr wäret beym Schiff gewesen, daß ihr ihm hättet zu hülf kommen können; da würde euer Mitleiden ein schönes Stük Arbeit vor sich gefunden haben.

Schäfer.

Das sind böse, böse Zeitungen! Aber schau hier, Junge. Siehst du, daß ich glüklicher bin als du; du findest die Leute wenn sie sterben, und ich die neugebohrnen. Das ist was für dich, Junge; sieh hier, gelt, das ist ein Wikel-Tuch für ein Edelmanns-Kind! Schau nur einmal; heb es auf, heb es auf, Junge, mach’s auf; so, laß sehen: Es ist mir geweissagt worden, ich werde noch einmal durch die Feen reich werden – – Das wird so ein ausgetauschtes Kind seyn: Mach‘ es auf; was ist darinn, Junge?

Hans Wurst.

Ihr seyd ein närrischer alter Mann; wenn euch die Sünden eurer Jugend vergeben sind, so wird’s euch wohl kommen – – Gold! lauter Gold! – –

Schäfer.

Das ist Feen-Gold, Junge, es wird sich auch so weisen. Auf damit, heb es wohl auf; heim, heim, den nächsten Weg. Unser Glük ist gemacht, Junge; es kommt izt nur drauf an, daß wirs verschwiegen halten. Laß meine Schafe gehen; komm guter Junge, den nächsten Weg nach Hause.

Hans Wurst.

Geht ihr den nächsten Weg mit euerm Fund, ich will gehen und sehn, ob der Bär von dem Edelmann weggegangen ist; und wieviel er von ihm gegessen hat; Sie sind nie grimmig als wenn sie hungrig sind. Wenn noch was von ihm übrig ist, will ich’s begraben.

Schäfer.

Das ist ein gutes Werk. Wenn du an dem was du noch von ihm findest, erkennen kanst, was er gewesen ist, so hohl mich, daß ichs auch sehe.

Hans Wurst.

Das will ich, ihr könnt mir ihn dann begraben helfen.

Schäfer.

Das ist ein glüklicher Tag für uns, Junge, und wir wollen gute Werke an ihm thun. (Sie gehen ab.) Die Zeit tritt nunmehr, als Chor, auf und bittet in einem Reimen-Spruch voll alltäglicher Sentenzen in schwülstigen Ausdrüken, die Zuschauer um Erlaubniß, in einem Sprung über sechszehn Jahre wegsezen zu dürfen, innerhalb welcher die kleine Perdita ein hübsches aufgeschossenes Mädchen geworden sey, von deren Begebenheiten man in den folgenden Aufzügen das mehrere zu vernehmen haben werde.

Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Der Königliche Hof in Böhmen. Polixenes und Camillo treten auf.

Polixenes.

Ich bitte dich, guter Camillo, laß von mir ab; es ist mir schmerzlich dir irgend etwas abzuschlagen, aber dieses zu bewilligen, wäre gar der Tod.

Camillo.

Es ist nun bereits fünfzehn Jahre seit ich mein Vaterland zum leztenmal gesehen habe; und ob ich gleich den grössesten Theil meines Lebens ausser demselben zugebracht, so wünsch ich doch, daß meine Gebeine dort liegen möchten. Ueberdieß hat der bußfertige König, mein Herr, nach mir gesendet; vielleicht kan ich ihm in seinem kummervollen Zustand zu einigem Troste dienen; wenigstens bild ich mir’s so ein, und das ist ein neuer Antrieb zu meiner Abreise.

Polixenes.

Wenn du noch einige Liebe für mich hast, Camillo, so zernichte nicht alle deine mir bisher geleistete Dienste, indem du mich izt verlässest; schreib‘ es deiner eignen Güte zu, daß ich dich nicht mehr entbehren kan: Es wäre mir besser, dich nie gehabt zu haben, als künftig ohne dich zu seyn. Du hast mir Geschäfte gemacht, die niemand als du, zu Stande bringen kan; gehen und das Angefangene unvollendet lassen, das würde alle Verdienste auslöschen, die du dir dabey um mich gemacht hast. Bin ich dafür nicht erkenntlich genug gewesen, (wie ich es denn nie genug seyn kan,) so will ich beflissen seyn, meine Dankbarkeit besser zu beweisen – – Nur sage mir, ich bitte dich, nichts mehr von diesem fatalen Sicilien – – Der blosse Name davon martert mich mit der Erinnerung an diesen bußfertigen König, wie du ihn nennest, an dessen noch immer blutenden Schmerz über den Verlust seiner Gemahlin und seiner Kinder ich nun gedoppelten Antheil nehme, seitdem uns unsre Aussöhnung wieder zu Brüdern gemacht hat – – Sage mir, wie lang‘ ist es, seit du den Prinzen Florisell meinen Sohn gesehen hast? Könige sind nicht unglüklicher, wenn sie übelgerathene Kinder haben, als sie es durch die Furcht sind, liebenswürdige zu verliehren.

Camillo.

Gnädigster Herr, es sind drey Tage seitdem ich den Prinzen sah; was für angenehme Angelegenheiten er haben mag, ist mir unbekannt; aber ich vermisse ihn so ungern, daß ich nothwendig habe wahrnehmen müssen, daß er sich seit einiger Zeit öfters von Hof entfernt, und seinen fürstlichen Uebungen nicht mehr mit dem vorigen Eifer obliegt.

Polixenes.

Das hab‘ ich auch wahrgenommen, Camillo, und es hat mir wichtig genug geschienen, seine Abwesenheiten durch wachsame Augen beobachten zu lassen. Ich habe durch dieses Mittel erfahren, daß er seine meiste Zeit in dem Hause eines gewissen Schäfers zubringe, eines einfältigen, gemeinen Landmanns, der, wie sie sagen, von nichts, und auf eine seinen Nachbarn unbegreifliche Weise, zu einem unsäglichen Reichthum angewachsen sey.

Camillo.

Ich habe von einem solchen Mann gehört, Sire, der eine wunderschöne Tochter haben soll; man sagt so viel ausserordentliches von ihr, daß es unbegreiflich ist, wie sie das alles in einer Bauer-Hütte habe werden können.

Polixenes.

Auch diß ist mir gesagt worden, und ich fürchte das sey der Angel, der meinen Sohn dahin zieht. Ich habe mir vorgesezt, mich in einer schiklichen Verkleidung selbst dahin zu verfügen, und du sollst mich begleiten; ich will mich mit dem Schäfer in Unterredung einlassen; ich denke, daß seine Einfalt mir leicht machen soll, die Ursache warum mein Sohn sich so viel bey ihm aufhält, heraus zu bringen – – Ich bitte dich, theile dieses Geschäfte mit mir, und leg indessen die Gedanken an Sicilien auf die Seite.

Camillo.

Ich bin gänzlich zu euern Diensten.

Polixenes.

Mein bester Camillo! – – Komm, wir müssen uns verkleiden. (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Florisell und Perdita treten auf.

Florisell.

Wie reizend seyd ihr in diesem ungewöhnlichen Puz! Keine Schäferin, sondern Flora selbst, mitten unter dem schimmernden Gefolge des Frühlings! – – Für andre mag dieß unser Fest eine Schaf-Schur heissen; in meinen Augen ist es eine Zusammenkunft der Liebes-Götter, um euch, ihrer Königin, zu huldigen.

Perdita.

Mein gnädigster Herr, eure Ausschweiffungen zu tadeln, kommt mir nicht zu: O verzeihet, daß ich ihnen diesen Namen geben muß – – aber wie soll ich es anders nennen – – euer hohes Selbst, den grossen Erben dieses Reichs habt ihr durch eine Schäfer-Kleidung verdunkelt; und mich armes schlechtes Mädchen wie eine Göttin herausgepuzt. Glaubet mir, wenn unsre Leute nicht gewohnt wären, bey einem solchen Fest allerley kurzweilige Thorheiten zu sehen, ich würde erröthen, wenn ich euch in diesem Aufzug ansähe; versichert, ich denk‘ ich schaue in einen Spiegel der mir zeigt, wie niedrig ich bin, da ihr euch so weit herablassen müsset, um mir gleich zu werden.

Florisell.

Gesegnet sey die Stunde, da mein guter Falke seinen Flug über deines Vaters Matten nahm.

Perdita.

Nun, der Himmel mög euch Ursache geben diese Stunde zu segnen! Mich macht diese Verwandlung zittern; wenn ihr gleich zu groß seyd, um zu wissen was Furcht ist – – Eben in diesem Augenblik zittre ich vor dem Gedanken, daß irgend ein Zufall euern Vater so gut als euch hieher führen könnte: Gütiger Himmel! Was würde er für Augen machen, seinen Prinzen, auf den er stolz seyn müßte, so unanständig verkleidet zu sehen! Was würde er sagen! Oder wie könnte ich in diesem geborgten fluttrichten Aufzug das Herz haben, die Strenge seines Anbliks auszuhalten?

Florisell.

Weg mit diesen Grillen, meine Schöne; bilde dir nichts als Scherze und Frölichkeit ein: Die Götter selbst haben sich nicht geschämt, wenn es die Liebe wollte, ihre Gottheiten in thierische Gestalten zu verbergen. Jupiter brüllte als Stier; Neptunus blökte als Schafbok; und der goldne Apollo wurde ein armer gemeiner Schäfer, wie ich izt zu seyn scheine. Keiner unter ihnen allen konnte seine Verwandlung mit einer so schönen Ursache rechtfertigen; keiner liebte mit einer so reinen, so tugendhaften Liebe – – Meine Absichten – –

Perdita.

Ach, was vermögen diese Absichten gegen den unwiderstehlichen Willen des Königs? Denn daß er sie billigen könnte, ist unmöglich – – Was wird die Folge davon seyn? – – Eines von diesen beyden unfehlbar – – entweder ihr werdet aufhören zu lieben, oder ich zu leben – –

Florisell.

Allerliebste Perdita, ich bitte dich, verfinstre die Frölichkeit unsers Fests nicht mit diesen selbstgemachten Schrekbildern; entweder will ich dein seyn, meine Schönste, oder mein Vater hat keinen Sohn. Denn ich müßte nur aufhören ich selbst zu seyn, wenn ich nicht dein seyn sollte. Das ist eine ausgemachte unabänderliche Sache, wenn gleich das Schiksal selbst Nein dazu sagen wollte. Sey aufgeräumt, meine Liebe! Erstike solche Gedanken, denk‘ eher an alles andre – – Unsre Gäste kommen schon – – Zeig ihnen ein fröliches Gesicht; bilde dir ein daß dieser Tag der Hochzeit-Tag sey, den wir beyde einander zugeschworen haben, daß er kommen soll.

Perdita.

O Dame Fortuna, sieh uns mit günstigen Augen an!

Dritte Scene.

Der Schäfer, Hans sein Sohn, Mopsa, Dorcas, Bediente, und mit ihnen Polixenes und Camillus, verkleidet, treten auf.

Florisell.

Seht, unsre Gäste! Heisset sie willkommen; muntert sie durch eure eigne Frölichkeit zur Freude auf – – Dieser Tag soll der Freude heilig seyn!

Schäfer.

Nun wie, Tochter – – warum so stille? Mein altes Weib, tröste sie Gott! die machte es ganz anders; die war an einem solchen Tag Haushälterin, Kellerin, Köchin, Frau und Magd, alles in Eigner Person; sie bewillkommte jedermann; sie bediente jedermann; sie sang, wenn der Reyhen an sie kam, ihr Lied, und tanzte ihren Tanz; bald war sie zu oberst am Tisch, bald in der Mitte; hieng izt um dessen Schulter, izt um dessen; ihr Gesicht war lauter Feuer, so viel hatte sie zu thun, und wenn sie endlich löschen mußte, so gieng sie mit ihrem Glas von einem zum andern, und nippte auf seine Gesundheit – – Aber du, du stehst ja bey Seite als ob du nicht dazu gehörtest, oder als ob du ein Gast und nicht die Wirthin wärest – – ich bitte dich, heisse diese unbekannte gute Freunde willkommen; das giebt gleich Gelegenheit besser mit einander bekannt zu werden. Komm, thu nicht so verschämt, zeige daß du Hauswirthin bey unserm Gastmahl bist. Komm und heiß uns willkommen zu deiner Schaf-Schur, so lieb es dir ist, daß deine gute Heerde gedeyhe.

Perdita zu Polixenes und Camillo:

Meine Herren, seyd willkommen, weil es doch meines Vaters Wille ist, daß ich heute die Wirthin vorstellen soll; ihr seyd willkommen, ihr Herren – – Gieb mir die Blumen dort, Dorcas – – Ehrwürdige Herren, dieser Rosmarin und diese Rauten sind für euch, sie behalten Farbe und Geruch den ganzen Winter durch; behaltet sie zu unserm Andenken, und seyd nochmals willkommen zu unserm Fest.

Polixenes.

Schöne Schäferin, ihr denkt, Winterblumen schiken sich am besten für alte Männer wie wir sind.

Perdita.

Herr, wenn das Jahr anfängt zu altern, um die Zeit wenn der Sommer noch nicht todt, und der Winter noch nicht gebohren ist, sind die schönsten Blumen der Jahrszeit unsre Nelken und unsre gestriemten Sommer-Violen, die von einigen die unächten Kinder der Natur genannt werden; an dergleichen Blumen ist unser bäurischer Garten unfruchtbar, und ich bekümmre mich nichts darum, Sezlinge davon zu bekommen.

Polixenes.

Warum verachtet ihr sie so, holdseliges Mädchen?

Perdita.

Weil ich sagen gehört habe, daß diese Blumen ihre bunte Farben der Kunst zu danken haben; und ich liebe die Kunst nicht, welche die Natur verschönern will.

Polixenes.

Gesezt, es gebe eine solche Kunst, so ist es doch allemal die Natur selbst, welche dasjenige macht wodurch sie verschönert wird; ihr seht, holdes Mädchen, wir vermählen einen edlen Zweig mit dem wildesten Stamme, und befruchten einen Baum von schlechterer Art durch die Knospe von einer edlern: Dieß ist Kunst, welche die Natur verbessert, ja so gar verwandelt, und doch ist diese Kunst nichts anders, als die Natur selbst.

Perdita.

So ist es.

Polixenes.

Bereichert also künftig euern Garten mit Sommer-Violen, und nennet sie nicht mehr unächte Kinder der Natur.

Perdita.

Das werd ich alsdann thun, wenn es mir einfallen wird, mich zu mahlen, und dann zu wünschen, daß dieser junge Mensch mich so gemahlt schöner finden möge, als in meiner eignen Farbe – – Hier sind Blumen für euch; Lavendel, Münze, Salvey, Majoran, Ringel-Blumen, die mit der Sonne zu Bette gehen, und weinend mit ihr aufstehen: Das sind Sommer-Blumen, und ich denke, sie schiken sich für Männer von mittlerm Alter – – Ihr seyd von Herzen willkommen.

Camillo.

Wenn ich einer von eurer Heerde wäre, ich würde das Grasen vergessen, und vom blossen Anschauen leben.

Perdita.

Geht, geht; ihr würdet so mager werden, daß euch ein Winter-Sturm durch und durch blasen würde – – Und nun, meine angenehmste Freundin, wollte ich, ich hätte Frühlings-Blumen, die sich für die schöne Jahrszeit euers Lebens schikten, und für euch, deren jüngfräuliche Blühte sich kaum zu öfnen angefangen – – O Proserpina, wer izt die Blumen hätte, die du vor Schreken von Plutons Wagen fallen liessest! Asphodil-Blumen, welche den Schwalben selbst zuvorkommen, und die Merzen-Winde durch ihre Schönheit fesseln; Veylchen, dunkel, aber anmuthiger als die Lider an Junons Augen und Cytherea’s Athem; blasse Primuln, welche unvermählt sterben, eh sie den schimmernden Phöbus in seiner Stärke anschauen können; goldne Schonkiljen, Kayser-Kronen, und Lilien von allen Arten – – Diese möchte ich haben, um euch Kränze daraus zu winden, und dich, mein holder Freund, dich über und über damit zu bestreuen.

Florisell.

Was? Wie eine Leiche?

Perdita.

Nein, wie eine Bank, wo die Liebe ligen und spielen soll, nicht wie eine Leiche; oder (wenn ihr ja dieses Bild wollt) nicht anders begraben zu werden als lebendig, und in meinen Armen. Kommt, nehmt eure Blumen; es ist mir, ich spiele eine Rolle, wie ich in Pfingst-Schäfer-Spielen gesehen habe: Gewiß, dieser seltsame Anzug hat mir den Kopf verrükt – –

Florisell.

Alles was ihr thut ist unverbesserlich, meine Angenehmste. Wenn ihr redet, so möchte ich, daß ihr immer reden müßtet; singt ihr, so wollt‘ ich daß ihr alles was ihr den ganzen Tag zu sagen und zu verrichten habt, so gar euer Gebet, singen möchtet; tanzt ihr, so wünscht‘ ich, ihr wäret eine Welle auf dem Meer, damit ihr ewig nichts anders thätet, euch immer bewegen möchtet, immer so, ohne jemals aufzuhören. So ist es mit allem was ihr thut; jede eurer Handlungen ist, allein betrachtet, so vollkommen, als sich denken läßt, und erhält nichts desto weniger einen neuen Reiz von den übrigen; eine krönt die andre, und so sind alle Königinnen.

Perdita.

O, Dorikles! Euer Lob geht zu weit; würde nicht eure Jugend, und das unverfälschte Blut, das so schön aus ihr hervorscheint, die Gewähr leisten, daß ihr ein echter aufrichtiger Schäfer seyd, so müßt ich mit Recht besorgen, mein lieber Dorikles, ihr suchet mich durch eure Schmeicheleyen nur zu berüken.

Florisell.

Ich denke, ihr habt so wenig Ursache, das zu besorgen, als ich Willen habe, euch Ursache dazu zu geben. Aber, kommt; unsern Tanz, ich bitte euch; eure Hand, meine Perdita; so paaren sich Turtel-Dauben, die sich niemals wieder zu scheiden gedenken.

Perdita.

Ich wollte für sie schweeren können.

Polixenes zu Camillo.

Das ist das artigste Mädchen von ihrem Stande, das jemals über die grüne Flur weggeflogen ist; ihre Mine, ihre Gebehrden, ihr ganzes Wesen hat etwas das über ihren Stand hinausgeht, und zu edel für eine solche Dirne ist.

Camillo.

Eben sagt er ihr was, wovon sie über und über roth wird: In ganzem Ernst; sie ist die Königin aller Milch-Mädchen, und Käß-Nymphen in der Welt.

Hans.

Nun, lustig, ihr Musicanten, macht auf – –

Dorcas.

Mopsa muß deine Liebste seyn; (bey Seite) aber iß erst Knoblauch, damit dir ihre Küsse nichts schaden.

Mopsa.

Gut, ich bins zufrieden.

Hans.

Kein Wort mehr; wir sind nun alle Paar und Paar – – Hey da, macht auf – – Ein Tanz von Schäfern und Schäferinnen.

Polixenes zum alten Schäfer.

Ich bitte dich, guter Schäfer, wer ist der schöne junge Hirt, der mit deiner Tochter tanzt?

Schäfer.

Sie nennen ihn Dorikles, und er rühmt sich daß er von guter Herkunft sey; ich hab‘ es aus seinem eignen Mund, und ich glaub‘ es ihm; er sieht einem ehrlichen Menschen gleich; er sagt, meine Tochter gefall‘ ihm, und ich glaub‘ es auch: Denn er sieht in sie hinein, wie der Mond in ein Wasser, und steht da, und gukt ihr in die Augen, als ob er was lesen wolle, das darinn geschrieben stehe; und wenn ich euch aufrichtig reden soll, ich glaube, der Unterscheid beträgt keinen halben Kuß, welches von beyden das andre lieber habe.

Polixenes.

Sie tanzt artig.

Schäfer.

Sie kan alles, wenn ich es schon nicht selbst sagen sollte; wenn sie der junge Dorikles überkommt, so kriegt er was mit ihr, wovon er sich wol nichts träumen läßt.

Vierte Scene.

Ein Knecht vom Hause tritt auf.

Knecht.

O Herr, wenn ihr nur den Hausirer vor der Thür hörtet, ihr würdet in euerm Leben mehr nach keiner Schellen-Trummel tanzen: Nein, der Dudelsak selbst könnt‘ euch nicht von der Stelle bringen; er singt euch eine Menge Töne, geschwinder als ihr Geld zählen könnet; es geht ihm vom Munde weg, als ob er lauter Balladen im Magen hätte; alle Leute laufen ihm nach, und können sich nicht satt an seinen Liedern hören.

Hans.

Er hätte nie gelegner kommen können; er soll herein kommen; ich bin ein gar zu grosser Liebhaber von Balladen, wenn die Historie recht erbärmlich ist, und die Melodie fein lustig geht; oder auch etwas recht lustiges aber nach einer kläglichen Weise.

Knecht.

Er hat Lieder für Manns- und Weibs-Bilder, lang und kurz, wie man’s haben will; kein Krämer kan seine Kundsleute besser mit Hand-Schuhen versehen; er hat die artigsten Liebes-Lieder für junge Mädel, und so züchtig, alles so verblümt gegeben, daß ihr euch wundern werdet; wo ein andrer unverschämter Bursche die grosse Gloke anziehen würde, da läßt er das Mädel sagen – – Hi, sachte, du wirst mir doch kein Leid thun wollen, guter Freund – – und damit ist er abgewiesen.

Polixenes.

Der Bursche gefällt mir.

Hans.

Du kanst mir’s glauben, der Mann muß Grüze im Kopfe haben; hat er auch hübsche Galanterie-Waaren?

Knecht.

Er hat Bänder von allen Farben im Regenbogen; Spizen; mehr als alle Advocaten in ganz Böhmen zu ihrem Handwerk verbrauchen könnten, wenn sie gleich Regimenterweise zu ihm kämen; Halstücher, Krausen, Nesseltuch, Leinwand; beym Wetter! er singt euch seine Sachen nach einander herunter, als ob es lauter Götter und Göttinnen wären – –

Hans Wurst.

Ich bitte dich, bring ihn herein; aber er muß singend hereinkommen.

Perdita.

Aber verbietet ihm, daß er keine unartige Worte in seinen Liedern gebrauche.

Hans Wurst.

Es giebt unter diesen Hausierern Leute die mehr hinter den Ohren haben als ihr euch einbildet, Schwester.

Perdita.

Oder als ich jemals Lust haben werde mir einzubilden. Autolicus kommt herein, und trägt singend alle seine Galanterie-Waaren an. Mopsa zieht ihren Liebhaber, Hans, auf, daß er ihr Bänder und parfümirte Handschuh kauffen solle; dieser entschuldigt sich damit, daß ihm sein Geld gestohlen worden sey, und erbietet sich endlich ihr Lieder zu kauffen.

Hans Wurst.

Was hast du hier? Lieder?

Mopsa.

Nun, kauffe etliche, ich bitte dich; ich liebe ein gedruktes Lied, wie mein Leben; denn so weiß man doch auch gewiß, daß sie wahr sind.

Autolicus.

Hier ist eins, das nach einer überaus kläglichen Weise geht, wie eines Wucherers Frau auf einmal mit zwanzig Geld-Säken ins Kindbette gekommen; und wie sie einen Gelust gehabt, Schlangen-Köpfe und geröstete Kröten zu essen.

Mopsa.

Meynt ihr, es sey wahr?

Autolicus.

Sehr wahr, und erst einen Monat alt.

Dorcas.

Behüte mich Gott davor, einen Wucherer zum Manne zu kriegen!

Autolicus.

Hier ist auch noch der Name der Hebamme, eine gewisse Frau Mährchen-Trägerin, und fünf oder sechs ehrliche Frauen, die bey der Niederkunft zugegen waren. Meynt ihr ich werde Lügen im Lande herum tragen?

Mopsa.

O, ich bitt‘ euch, kauft es.

Hans Wurst.

Nun, so legt es bey Seite, und laßt uns noch mehr Balladen sehen; wir wollen um die andern Sachen hernach handeln.

Autolicus.

Hier ist eine andre Ballade, von einem Fisch, der sich an einem Mittwoch den achtzigsten April vierzigtausend Faden hoch über dem Wasser an der See-Küste sehen ließ, und dieses Lied gegen die hartherzigen Mädchen sang; man glaubte, es sey ein Weibsbild gewesen, und in einen Fisch verwandelt worden, weil sie ihrem Liebhaber so unbarmherzig begegnet; das Lied ist überaus beweglich, und eben so wahr.

Dorcas.

So meynt ihr würklich, es sey wahr?

Autolicus.

Fünf Beamtete haben es eigenhändig unterschrieben; und Zeugschaften sind mehr da, als mein ganzer Pak fassen könnte.

Hans Wurst.

Legt es auch auf die Seite: Ein anders – –

Autolicus.

Hier ist ein lustiges, gar ein artiges Lied.

Mopsa.

Wir müssen auch etliche lustige haben.

Autolicus.

O, wenn euch damit gedient ist, hier ist eins, das seines gleichen nicht hat, und geht nach der Melodie zwoo Mädchen buhlten um Einen Mann; es ist kaum ein Mädel im ganzen Oberland, die es nicht singt: Man reißt sich darum, das kan ich euch sagen.

Mopsa.

Wir können beyde die Melodie; wenn du eine Stimme nehmen willst, so kanst du’s hören; es hat drey Stimmen.

Dorcas.

Es ist noch kein Monat, so hatten wir die Melodie – –

Autolicus.

Ich will eine Stimme für mich nehmen; ihr müßt wissen, das ist mein Handwerk: Nun, gebt Achtung auf eure Stimmen. (Sie singen das Lied mit einander.)

Hans (der sie unterbricht.)

Wenn ihr singen wollt, so wollen wir hinausgehen; mein Vater und diese Herren sind in einem ernsthaften Gespräch begriffen, und wir wollen sie nicht stören: Kommt, nehmt euern Kram mit. Mädel, ich will euch beyden was kauffen; aber wir müssen die Auswahl haben, Krämer; Kommt, ihr, Schleppsäke – –

Autolicus.

Aber ihr müßt auch brav für sie bezahlen. (Hans, Autolicus, Mopsa und Dorcas gehen ab.)

Fünfte Scene.

Ein Bedienter kündigt einen Tanz von zwölf Hirten an, die sich zur Belustigung der Anwesenden, in Satyren verkleidet haben.

Schäfer.

Weg, weg, wir brauchen sie nicht; es ist ohnehin schon närrisch genug bey uns zugegangen; ich bin gewiß, Herr, daß wir euch lange Weile machen.

Polixenes.

Ihr macht die Weile denen lang, die sie uns kurz machen wollen; ich bitte euch, laßt uns dieses vierfache Kleeblatt von Hirten sehen.

Bedienter.

Drey von ihnen, Herr, haben, ihrer Aussage nach, vor dem Könige getanzt: und der schlechteste von ihnen springt euch, mein Seel! zwölf und einen halben Fuß lang.

Schäfer.

Hör‘ auf zu plaudern; weil es diese guten Herren haben wollen, so laß sie herein kommen; aber gleich – – Ein Tanz von zwölf Satyren.

Polixenes (vor sich.)

Geht das nicht zu weit? – – Es ist Zeit, sie zu trennen; er ist unbesonnen, und spricht sehr lebhaft – – Zu Florisell. Nun, wie? schöner Schäfer? Euer Herz scheint so voll von etwas anderm zu seyn, daß ihr keinen Antheil an den Ergözungen dieses Festes nehmt. Wahrhaftig, wie ich jung war, und verliebt, wie ihr izt seyd, so pflegte ich mein Mädchen mit so vielen hübschen Sachen zu beladen, daß sie darunter hätte einsinken mögen: Ich würde des Krämers ganzen seidenen Schaz ausgekauft und ihr aufgedrungen haben; und ihr laßt ihn gehen, ohne um eines Dreyers werth mit ihm zu handeln. Wenn euer Mädchen das übel aufnähme, und einem Mangel an Liebe oder an Freygebigkeit zuschriebe; so sehe ich nicht, was ihr dagegen sagen könntet.

Florisell.

Alter Herr, ich weiß, daß sie keine Freude an solchen Lappereyen hat, wie diese sind; die Geschenke, die sie von mir erwartet, sind in meinem Herzen verschlossen; und das ist ihr schon geschenkt, obgleich noch nicht überliefert. (Zu Perdita.) O, höre mich meine Liebe vor diesem alten Herrn ausathmen, der wie es scheint, ehmals auch geliebt hat. Hier nehm‘ ich deine Hand, diese Hand, die so sanft ist als der Pflaum einer Daube, und so weiß als eines Mohren Zähne, oder der geläuterte Schnee, den der Nordwind zweymal durchgesiebt hat – –

Polixenes.

Und was folgt nun? Wie artig der junge Schäfer diese Hand zu waschen scheint, die vorher schön genug war! – – Ich habe euch irre gemacht; zu eurer Erklärung! Laßt mich hören was ihr gesinnt seyd.

Florisell.

Ja, und seyd mein Zeuge.

Polixenes.

Und mein Nachbar hier, auch?

Florisell.

Und er, und mehr als er, die Menschen, die Erde, der Himmel, und alles was ist und was Athem hat; seyd Zeugen, daß, wäre ich der gekrönte König des ganzen Erden-Kreises, und unter allen Sterblichen der würdigste, es zu seyn; wär‘ ich der schönste Jüngling, der jemals zärtliche Augen niederschlagen machte; hätte ich Stärke und Wissenschaft, mehr als jemals ein Mensch gehabt hat: So würd‘ ich es ohne ihre Liebe für nichts achten; alle diese Vorzüge für sie anwenden; sie zu ihrem Dienst verurtheilen, oder zu ihrem eignen Untergang.

Polixenes.

Schön gesprochen!

Camillo.

Das nenn‘ ich Liebe!

Schäfer.

Aber du, meine Tochter – – womit beantwortest du das?

Perdita.

Ich kan nicht so gut reden, nein, und es auch nicht besser meynen. Meine eignen Gesinnungen sind der Spiegel, worinn ich die Redlichkeit der seinigen sehe.

Schäfer.

Gebt einander die Hände, zum Unterpfand; und ihr, unbekannte Freunde, seyd ihr meine Zeugen: Ich geb‘ ihm meine Tochter, und soviel Mitgift dazu, bis es seinem eignen Vermögen gleich kommt.

Florisell.

O mein guter Alter, die Tugend eurer Tochter ist Mitgift genug für mich; wenn einer todt seyn wird, so werd‘ ich mehr haben, als ihr euch izt träumen lassen könnt, genug, um euch in Erstaunen zu sezen; Kommt, kommt, verlobet uns vor diesen Zeugen.

Schäfer.

Gebt mir eure Hand, und ihr, meine Tochter, die eurige.

Polixenes.

Sachte, Schäfer, sachte ein wenig; ich bitte euch, habt ihr einen Vater?

Florisell.

Ja; aber was wollt ihr mit ihm?

Polixenes.

Weiß er was hievon?

Florisell.

Nein, und soll auch nichts davon wissen.

Polixenes.

Mich däucht, ein Vater ist bey seines Sohnes Hochzeit ein Gast, der die Tafel am besten ziert: Ich bitte euch, erlaubt mir noch eine Frage: Ist euer Vater nicht zu vernünftigen Geschäften untüchtig worden? Ist er nicht vor Alter kindisch, oder an seinen Sinnen geschwächt? Kan er hören? Kennt er die Leute noch? Kan er sein Vermögen noch verwalten? Oder ligt er zu Bette, und kan nichts weiter thun, als was er in seiner Kindheit that?

Florisell.

Nein, mein guter Herr; er ist gesund, und bey bessern Kräften als die meisten von seinem Alter.

Polixenes.

Bey meinem weissen Bart! wenn das ist, so handelt ihr nicht mit ihm wie ein Sohn mit seinem Vater handeln soll. Es ist billig, daß sich mein Sohn seine Ehgattin selbst wähle; aber es ist eben so billig, daß der Vater (dessen einzige Freude doch sonst nichts ist als eine schöne Nachkommenschaft) zu einem solchen Geschäfte auch ein Wort zu sagen habe.

Florisell.

Das geb‘ ich alles zu; aber aus einigen andern Gründen, mein ernsthafter Herr, welche sich nicht einem jeden sagen lassen, find‘ ich nöthig, meinen Vater nichts von diesem Geschäfte wissen zu lassen.

Polixenes.

Laßt es ihn wissen.

Florisell.

Es kan nicht seyn.

Polixenes.

Ich bitte euch darum.

Florisell.

Nein; er muß nichts davon wissen.

Schäfer.

Laß es ihn wissen, mein Sohn, er wird keine Ursache finden, deine Wahl zu mißbilligen, wenn er sie kennt.

Florisell.

Kommt, kommt; es kan nicht seyn; Höret unsern Bund – –

Polixenes.

Hört eure Ehscheidung, junger Herr, (der König giebt sich zu erkennen) den ich nicht mehr Sohn nennen kan; du bist zu niederträchtig, um für meinen Sohn erkannt zu werden – – Du, der Erbe eines Scepters, du der so begierig ist einen Schäferstab zu führen? – – Was dich betrift, alter Verräther, so bedaur‘ ich nur, daß ich, wenn ich dich hängen lasse, dein Leben bloß um eine Woche verkürzen kan – – Und du, junge Hexe, die den Königlichen Narren notwendig kennen mußtest, mit dem du dich eingelassen hast – –

Schäfer.

O, mein Herz berstet mir!

Polixenes.

Dir will ich dein schönes Gesichtchen so lange mit Dornen haken lassen, bis es noch schlechter aussehen wird als dein Stand ist. Du, verliebter Knabe, merke dir das – – wenn ich jemals finden werde, daß dir nur ein Seufzer darüber entwischt, daß du, wie es mein Wille ist, dieses Puppen-Gesicht in deinem Leben nicht wieder sehen sollst, so hast du einen Thron verlohren – – ich werde dich nicht mehr für mein Blut erkennen, nein, nicht für einen Anverwandten, nicht so nah, als irgend einer der mir von Deucalion her verwandt ist: Merke was ich sage, und folg‘ uns an den Hof – – Du Nichtswürdiger, für diesesmal, obgleich mit unsrer Ungnade sprechen wir dich von ihrem tödlichen Streiche frey: Und du, Zauberin, gut genug für einen Schafhirten, ja noch zu gut für diesen, der sich, wenn nicht unsre eigne Ehre dabey interessirt wäre, so gar deiner unwürdig macht; wenn du, von nun an, ihm jemals diese bäurische Thür eröfnest, oder seinen Leib mehr mit deinen Umarmungen umcirkelst, so will ich einen noch grausamern Tod für dich ausdenken, als du zu zart für ihn seyn wirst. (Er geht ab.)

Sechste Scene.

Perdita (für sich.)

Es ist unnöthig, ich bin schon verlohren – – (zu den übrigen) ich war nicht sehr erschroken; denn es war mir ein oder zweymal auf der Zunge, daß ich ihm sagen wollte, die nemliche Sonne, die seinen Hof bestralt, verberge ihr Antliz nicht vor unsrer Hütte, sondern schaue sie eben so freundlich an – – Wollt ihr euch nun gefallen lassen zu gehen, mein Herr? Ich sagte euch vor, daß es so kommen werde. Ich bitte euch, seyd für eure eigne Wohlfahrt besorgt: Ich bin nun aus meinem Traum erwacht; ich will ihm keinen Augenblik mehr nachhängen, sondern meine Schafe melken und weinen.

Camillo.

Nun, wie ists, alter Vater; rede noch einmal eh du stirbst.

Schäfer.

Ich kan weder reden noch denken; ich darf nicht an das denken was ich weiß. O Herr, ihr habt einen Mann von drey und achtzig Jahren zu Grunde gerichtet, der sich im Frieden in sein Grab zu legen hoffte; ja, auf dem nemlichen Bette zu sterben, wo mein Vater starb; zunächst an seinen redlichen Gebeinen zu liegen; nun wird mich irgend ein Henker in mein Grabtuch wikeln, und mich dahin legen, wo kein Priester die erste Schauffel voll Erde auf mich werfen wird. (zu Perdita.) O unglükselige! Du wußtest daß es der Kron-Prinz war, und wagtest es dennoch dich so weit mit ihm einzulassen. Alles verlohren! Alles verlohren!

Siebende Scene.

Florisell zu Camillo.

Warum seht ihr mich so an? Ich bin nur bekümmert, nicht erschroken; zurükgeworfen, aber nicht geändert; was ich war, bin ich noch; haltet mich für keinen so geduldigen Thoren, der sich wider seinen Willen, beym Zügel fortreissen läßt.

Camillo.

Mein Gnädigster Prinz, ihr kennet die Gemüthsart des Königs, euers Vaters: Izt ist keine Zeit ihm Vorstellungen zu machen: Er wird izt noch, wie ich besorge, kaum euern Anblik ertragen können; kommet also nicht vor ihn, ich bitte euch, bis sich sein erster Zorn gelegt hat.

Florisell.

Es ist auch mein Vorsaz nicht – – Ihr seyd Camillo, denke ich?

Camillo.

Er selbst, Gnädiger Herr.

Perdita zu Florisell.

Wie oft hab ich euch gesagt, es werde so gehen? Meine Würde werde nicht länger dauren, bis es offenbar werde?

Florisell.

Besorge nichts, so lange ich dir getreu bin; und wenn ich jemals meine Treue breche, dann laßt die Natur die Seiten der Erde zusammendrüken, und alles was zwischen ihnen ist, zermürsen – – Schlage deine Augen auf! – – Lösche mich immerhin aus der Thronfolge aus, Vater; ich bin Erbe von meiner Liebe.

Camillo.

Laßt euch rathen.

Florisell.

Das thue ich; aber von meinem Herzen; will sich meine Vernunft bequemen ihm zu gehorchen, so hab‘ ich Vernunft; wo nicht, so will ich ein Thor seyn, wenn es Thorheit ist seiner Empfindung zu folgen und glüklich dadurch zu seyn.

Camillo.

So spricht die Leidenschaft in Verzweiflung.

Florisell.

Nennt es wie ihr wollt; so bin ich gesinnt; so erfüll‘ ich meine Gelübde, ich kan nicht anders denken, als daß ich so wie ein ehrlicher Mann handle. Camillo, nicht um dieses Königreich, nicht um den Pomp eines vor mir knienden Hofes; nicht um alles was die Sonne sieht, oder der Ocean in unergründeten Tiefen verbirgt, will ich den Eid brechen, den ich dieser meiner schönen Geliebten geschworen habe: Ich bitte euch also, wenn ihr jemals meines Vaters Freund gewesen seyd, so bemühet euch, wenn er mich vermissen wird (denn es ist mein fester Entschluß daß er mich nimmermehr wieder sehen soll) seine Leidenschaft durch euern Zuspruch zu besänftigen; für das übrige lasset mich und mein Schiksal sorgen. Soviel könnet ihr wissen, und das möcht ihr ihm auch sagen, daß ich mich mit ihr zu Schiffe begeben habe. Zu gutem Glüke habe ich eines an dieser Küste in Bereitschaft, ob ich es gleich nicht zu diesem Gebrauch ausrüsten lassen. Wohin ich meinen Lauf zu richten gedenke, nüzt weder euch, zu wissen, noch mir, zu sagen.

Camillo.

O, mein Prinz, ich wollte euer Geist wäre leichter auf einen andern Entschluß zu bringen oder stärker für die gefährlichen Umstände, worein ihr euch stürzen wollt.

Florisell.

Höre, Perdita – – (zu Camillo.) Ich bin in einem Augenblik wieder euer. Unterdessen, daß Florisell mit Perdita bey Seite redet, überlegt Camillo mit sich selbst, daß, da der Prinz nun einmal unveränderlich zur Flucht entschlossen sey, dieses eine Gelegenheit wäre, wo er zu gleicher Zeit dem Prinzen einen wesentlichen Dienst erweisen, und sich selbst wieder den Anblik seines geliebten Siciliens und des unglüklichen Königs, seines Herrn, verschaffen könnte. Er faßt also auf der Stelle seinen Entschluß, und eröffnet dem Prinzen daß er ihm einen Vorschlag thun wolle, wie er seine Geliebte, unter dem Schuze des Königs von Sizilien, ruhig besizen könne, bis seine, des Camillo, Bemühungen und die Zeit seinen Vater dahin gebracht haben würden seine Liebe zu billigen. Damit seine Ankunft in Sicilien nicht das Ansehen eines Abentheuers oder einer Flucht habe, sollte er vorgeben, daß er von seinem Vater abgeschikt worden, um das alte Freundschafts-Bündniß, das unter beyden Königen vorgewaltet, wieder zu erneuern. Der Prinz, welcher ohnehin selbst noch nicht wußte, wohin er entfliehen wollte, nimmt diesen Vorschlag mit grosser Freude an, und Camillo verspricht ihm mit allem was zur glüklichen Ausführung desselben nöthig seyn könnte, an die Hand zu gehen. Indessen findet doch der Prinz noch verschiedene Schwierigkeiten, welche ihm aber Camillo alle beantwortet, und hievon Anlas nimmt, ihn ein wenig auf die Seite zu nehmen; ein bequemer Einfall um dem Autolicus Plaz und Zeit zu geben, die Zuschauer mit seinen Schelmereyen wieder eine Weile zu belustigen.

Achte Scene.

Autolicus tritt auf dem vordern Theil des Theaters auf.

Autolicus.

Ha, ha, was für eine Närrin die Ehrlichkeit ist! und Treuherzigkeit, ihre getreue Gefährtin, eine sehr einfältige Dame! Ich habe meinen ganzen Plunder verkauft; nicht ein einziges falsches Steinchen, nicht ein einziges Stük Band, Sak-Spiegel, Pommade-Kugel, Halsschnur, Schreib-Tafel, Lied, Messer, Handschuh, Borte, Armband, mit einem Wort nicht eines Hellers werth haben sie in meinem Pak übrig gelassen; sie drangen sich, wer das Erste seyn sollte, nicht anders als ob meine Schnurpfeiffereyen lauter Reliquen und Heiligthümer gewesen wären, und dem Käuffer einen sonderbaren Segen zugezogen hätten; bey dieser Gelegenheit machte ich meine Beobachtungen, und bemerkte, wessen Beutel die beste Mine hatte; und was ich bemerkte, das schrieb ich, zu gelegenheitlichem Gebrauch, in mein Gedächtniß. Mein guter Hans (dem nur etwas weniges mangelt, um ein ganz vernünftiger Bursche zu seyn) wurde so gewaltig in den Gesang der zwoo Mädchen verliebt, daß er keine Ruhe gab, bis er beydes Worte und Melodie hatte; und dieses zog den ganzen übrigen Hauffen so aufmerksam um mich her, daß alle ihre Sinnen in den Ohren stekten; man hätte einen Unterrok wegzwaken können ohne daß es jemand gemerkt hätte; ich wollte einen Bund Schlüssel an einer Kette weggefingert haben; sie hörten und fühlten nichts als meinen Gassenhauer, und bewunderten mit offnen Mäulern das Nichts ihres Inhalts. So daß ich während dieser Betäubung, worinn die guten Leute waren, den grösten Theil ihrer festlichen Beutel wegschnappte; und wäre nicht der alte Mann und mit Ach und Weh über seine Tochter und des Königs Sohn dahergekommen, und hätte meine Dolen aus dem Stroh gescheucht, es sollte mir kein lebendiger Beutel in der ganzen Armee übrig geblieben seyn. (Camillo, Florisell und Perdita kommen besser hervor.)

Camillo.

Seyd ruhig; meine Briefe, welche durch diesen Canal so bald anlangen werden, als ihr selbst, sollen diesem Zweifel schon begegnen.

Florisell.

Und diejenige, die ihr mir vom König Leontes verschaffen wollt – –

Camillo.

Sollen euern Vater zufrieden stellen.

Perdita.

Heil euch und euerm Vorhaben! Alles was ihr sagt giebt Hoffnung zu einem glüklichen Ausgang. Camillo wird indem den Autolicus gewahr, der seines Orts nicht wenig besorgt ist, man möchte seinen schönen Monologe gehört haben; Camillo beredet ihn, seine schlechte Kleider mit der Kleidung des Prinzen zu vertauschen; Perdita soll sich gleichfalls so unkenntlich machen als möglich, und beyde sich ohne Verzug zu Schiffe begeben. Sie gehen also mit einander ab, und Camillo bleibt nur noch so lange zurük, um zu sich selbst, oder vielmehr zu den Zuschauern zu sagen, daß er nun gerades Weges zum Könige gehen, und ihm von dieser Flucht und dem Ort wohin sie gerichtet sey, Nachricht geben wolle; er hofft ihn ohne Müh zum Nachsezen zu bewegen, und also in dessen Gesellschaft Sicilien wieder zu sehen, wornach, wie er sagt, er den Gelüsten einer schwängern Frauen habe.

Neunte Scene.

Autolicus (allein.)

Ich merke, wo dieses Geschäfte hinaus will; ein offnes Ohr, ein scharfes Aug und eine leichte Hand, sind drey nothwendige Eigenschaften zu einem Beutelschneider; eine gute Nase kan auch nichts schaden, um Arbeit für die übrigen Sinnen auszuspüren. Wie ich sehe, so leben wir in einer Zeit, wo die Schelmen ihr Glük machen. Das war ein hübscher Tausch, ohne was aufzugeben! In der That, die Götter haben diß Jahr viele Nachsicht für uns, und nehmen’s wie es scheint, mit einem kleinen ex tempore nicht so genau. Der Prinz selbst ist im Begriff eine Büberey auszuführen; von seinem Vater, mit einem Kloz an seinen Füssen, davon zu lauffen. Dächte ich nicht es wäre ein Stük von Ehrlichkeit, wenn ich es dem Könige hinterbrächte, so wollt‘ ich’s thun; aber mich dünkt die Spizbüberey ist grösser, wenn ich es geheim halte; ich will also meinem Handwerk getreu bleiben und schweigen. Inzwischen langen der Schäfer und Hans, sein Sohn, auf dem Theater an; sie sind im Begriff zum Könige zu gehen, ihm zu entdeken, daß Perdita nicht des Schäfers Tochter, sondern ein Fündling ist, und dieses mit den kostbaren Windeln und Kleinodien zu beweisen, die bey ihr gefunden worden, und welche sie in einem Kästchen bey sich haben. Autolicus ist ihnen in seiner Verkleidung unkennbar. Sie sehen ihn für einen Herrn vom Hofe an, und glauben ihm je mehr er pralt. Er läßt sich Geld von ihnen geben, um sie bey dem Könige anzumelden; weil er aber besorgt, ihre Erscheinung bey Hofe möchte der Flucht des Prinzen ein Hinderniß sezen, so macht er ihnen weiß, der König sey nicht in seinem Palast; er sey, um einen Anstoß von Melancholie zu vertreiben, an Bord eines neuen Schiffes gegangen, um eine kleine Lustreise zu machen. Er weiset sie also nach der Küste hin, wo der Prinz im Begriff ist sich einzuschiffen, und sie gehen treuherzig ab.

Autolicus (allein.)

Ich sehe wohl, wenn ich gleich den Vorsaz fassen wollte, ehrlich zu seyn, so giebt es mein Verhängniß nicht zu; es träufelt mir die Gelegenheiten in den Mund; schon wieder mit einer Schelmerey zween Vortheile erhascht! Geld, und den Anlaß mir um den Prinzen ein Verdienst zu machen; denn wer weiß, ob das nicht ein Mittel zu meinem Glüke werden kan. Ich hab‘ ihm nun diese zween einfältige Schöpsen zugewiesen; findt er für besser sie wieder fortzuschiken, und geht sie das was sie bey dem Könige zu thun haben, nichts an, so mag er mich immer hin einen Schurken dafür heissen, daß ich gar zu dienstfertig bin; gegen diesen Titel und die Ehre, die damit verbunden seyn mag, bin ich längst gestählt: ich will sie auf diese Gefahr, immer zu ihm bringen; es kan viel daran gelegen seyn. (Er geht ihnen nach.)

Fünfter Aufzug.

Erste Scene.

Verwandelt sich in Sicilien. Leontes, Cleomenes, Dion, Paulina und Bediente treten auf.

Cleomenes.

Gnädigster Herr, ihr habt genug gethan; ihr habt die Busse eines Heiligen vollbracht: Ihr hättet keinen Fehler begehen können, den ihr nicht dadurch losgekauft hättet; ja, wenn ich reden soll wie ich denke, die Strenge eurer Busse übersteigt alles was ihr verbrochen haben könnet. Thut endlich was der Himmel auch gethan hat, vergesset euer Uebel und verzeiht euch selbst.

Leontes.

So lang‘ ich mich ihrer Person und ihrer Tugenden erinnere, kan ich das Unrecht das ich dadurch mir selbst zugefüget habe, nicht vergessen – – und wie groß ist dieses! Mein Thron ist ohne Erben; Ich habe die süsseste Gesellschaft, den Namen und die Hoffnungen eines Vaters verlohren; und das alles durch meine Schuld – –

Paulina.

Wahr, Gnädigster Herr, nur gar zu wahr; wenn ihr die ganze weibliche Welt, eine nach der andern heyrathetet, oder aus allen, welche sind, das beste nehmet, um ein einziges vollkommenes Weib daraus zu machen; so würde doch die, die ihr getödtet habt, unvergleichlich bleiben.

Leontes.

Ich denke so. Getödtet, sagst du? Getödtet? Ich, sie getödtet? Ich that es, aber du schlägst mich auf eine offene Wunde, indem du so sagst; schone meiner, ich bitte dich – – sage selten so – –

Cleomenes.

Sagt gar nicht so, Madame; ihr hättet tausend andre Sachen sagen können, die sich besser für die Umstände geschikt und euerm guten Herzen mehr Ehre gemacht hätten.

Paulina.

Ihr seyd einer von denen, welche gerne wollten, daß er sich wieder vermähle.

Dion.

Wenn ihr das nicht wollt, so habt ihr kein Mitleiden mit dem Staat, und erinnert euch nicht, was ein Fürst seinem Namen und seinem Volke schuldig ist; betrachtet wenig, was für Gefahren sein Königreich befallen können, wenn seine Majestät ohne Leibes-Erben abgienge, und es ungewissen Prätendenten zur Beute überliesse! Was würde untadelhafter seyn, was würde den abgeschiednen Geist seiner ersten Königin mehr vergnügen, als, zur Erhaltung des Königlichen Stammes, zum Besten des Landes, zu Befestigung seines zukünftigen Wohlstandes, ihren Plaz in dem Königlichen Bette durch eine liebenswürdige Nachfolgerinn eingenommen zu sehen.

Paulina.

Es giebt keine solche, keine die dieser Ehre würdig seyn könnte; und zudem wollen die Götter ihre geheime Absichten erfüllt haben. Sagte nicht das Orakel: Daß König Leontes keinen Erben haben solle, bis sein verlohrnes Kind gefunden worden sey? Und, ach! daß dieses geschehen werde, zu hoffen, wäre eben so ungereimt, als wenn ich hoffen wollte, mein Antigonus werde aus seinem Grab ausbrechen, und wieder zu mir kommen; denn ich wollte mein Leben daran sezen, daß er mit dem Kind umgekommen ist. Ihr sehet also, daß euer Rath den Willen der Götter wider sich hat – – (zum Könige.) Sorget nicht für Nachfolger; eine Krone findet allemal einen Erben. Der grosse Alexander hinterließ die seinige dem würdigsten; und so war sein Thronfolger doch der nächste auf den Besten.

Leontes.

Gute Paulina, ich liebe dich dafür, daß du Hermiones Andenken ehrest. O, hätte ich allezeit deinem Rathe gefolgt! So würde ich in diesem Augenblik an ihren Lippen hangen und glüklich seyn. – – Sagt mir nichts von einer andern Gemahlin; es giebt keine solche mehr; eine andre, die mit weniger Vorzügen eine bessere Begegnung fände, würde ihren seligen Geist bis in den himmlischen Wohnungen kränken; ihn nöthigen, auf diesem Schauplaz, wo wir ihn beleidigten, wieder zu erscheinen, und zu ruffen: Wie, nach mir? – –

Paulina.

Sie würde gerechte Ursache dazu haben.

Leontes.

Das würde sie, und sie würde mich in Wuth sezen, daß ich diejenige ermorden würde, die ich geheyrathet hätte.

Paulina.

Ich machte es so: Wär‘ ich der Geist, der herum gienge, ich wollt‘ euch befehlen ihre Augen anzusehen, und mir zu sagen, was ihr an ihr gesehen hättet, das eure Wahl rechtfertigen könnte; und dann wollt ich schreyen, daß sich eure Ohren spalten sollten, und mein leztes Wort sollte seyn: Gedenk an mich.

Leontes.

Sterne, Sterne, waren sie – – und alle andre Augen, nur todte Kohlen: Besorge du keine Gemahlin; ich will keine Gemahlin haben, Paulina.

Paulina.

Wollt ihr mir schweeren, daß ihr nicht wieder heyrathen wollt, bis ich’s erlaube?

Leontes.

Niemals, Paulina; so möge dereinst mein Schatten Ruhe finden!

Paulina.

Meine Herren, ihr seyd Zeugen dieses Eides.

Cleomenes.

Ihr mißbraucht seine Weichherzigkeit.

Paulina.

Es wäre dann, daß er eine zu sehen bekäme, welche Hermionen so ähnlich wäre, als es ihr Bildniß ist.

Cleomenes.

Ich bitte euch, Madam, laßt es genug seyn.

Paulina.

Und doch, wenn Se. Majestät wieder heyrathen will, wenn ihr es wollt, Gnädigster Herr, und so wollt, daß kein anders Mittel ist; so überlaßt mir die Sorge, euch eine Gemahlin auszusuchen; sie soll nicht so jung seyn als die erste war; aber sie soll so seyn, daß wenn der Geist eurer ersten Gemahlin umgienge, er Freude daran haben sollte, euch in ihren Armen zu sehen.

Leontes.

Meine redliche Paulina, wir werden uns nicht vermählen, bis du es uns rathen wirst.

Paulina.

Das soll geschehen, wenn eure erste Gemahlin wieder athmet; eher gewiß nicht!

Zweyte Scene.

Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.

Hofbedienter.

Einer der sich für den Prinzen Florisell, Sohn des Königs Polixenes ausgiebt, bittet mit seiner Gemahlin, der schönsten Dame die ich jemals gesehen habe, vor Euer Majestät gelassen zu werden.

Leontes.

Wie geht das zu? Er kommt nicht, wie es der Grösse seines Vaters anständig ist; eine so überraschende Erscheinung, ohne Veranlassung, ohne Ankündigung sagt uns, daß dieses kein vorsezlicher Besuch, sondern das Werk irgend eines Zufalls und der Nothwendigkeit seyn müsse. Hat er ein Gefolge?

Hofbedienter.

Nur wenige, und dem Ansehn nach, gemeine Leute.

Leontes.

Und seine Gemahlin, sagt ihr, bey ihm?

Hofbedienter.

Ja; das schönste Geschöpf in meinen Augen, das jemals die Sonne beschienen hat.

Paulina.

O Hermione, so wie die gegenwärtige Zeit sich allemal über eine bessere, die vergangen ist, selbst zu erheben pflegt, so muß deine Grabschrift nun auch dem was man izt siehet, Plaz machen. Ihr selbst, mein Herr, ihr habt einst gesagt, und geschrieben: Sie habe nie ihres gleichen gehabt, und könne nicht ihres gleichen haben; so hoch flog einst eure Muse zum Preiß ihrer Schönheit empor; das ist ein gewaltiger Abfall, nun zu sagen, ihr hättet eine Schönere gesehen.

Hofbedienter.

Um Vergebung, Gnädige Frau; in sechszehn Jahren vergißt sich die grösseste Schönheit, die nicht mehr ist; was diese betrift von der ich rede, so beruf ich mich auf eure eignen Augen, wenn ihr sie gesehen haben werdet; es ist ein Geschöpfe, die, wenn sie eine neue Secte aufbringen wollte, den Eifer aller andern Bekenner auslöschen, und mit ihrem blossen Anblik mehr Proselyten machen würde, als andre mit aller ihrer Redekunst.

Paulina.

Proselyten? Unter diesen würden wol wenig Weibsbilder seyn?

Hofbedienter.

Warum nicht? Die Weiber müssen sie lieben, weil sie ein Weibsbild ist, das alle Männer demüthig machen kan; und die Männer, weil sie die liebenswürdigste unter allen Weibern ist.

Leontes.

Gehe, du, Cleomenes, und führe ihn zu unsrer Umarmung – – Es ist seltsam, daß er uns so unvermuthet überraschen soll!

Paulina.

Hätte unser Prinz diese Stunde gesehen, er würde mit diesem jungen Herrn ein schönes Paar gemacht haben; es war kein voller Monat zwischen ihrem Alter.

Leontes.

Ich bitte dich, nicht weiter; du weissest, daß er für mich wieder stirbt, wenn von ihm gesprochen wird: In der That, deine Reden werden machen, daß mich der Anblik dieses jungen Prinzens ganz aus der Fassung bringen wird – – Da kommen sie ja schon.

Dritte Scene.

Florisell, Perdita, Cleomenes nebst einigen Hofleuten zu den Vorigen.

Leontes.

Ihr habt keine andre Gewähr für das was ihr seyd vonnöthen, mein Prinz, als eure Gestalt und Bildung. Euers Vaters Bild ist so vollkommen in euch abgedrükt, daß ich, wenn ich erst zwanzig Jahre hätte, euch Bruder nennen, und von irgend einem wilden Streich reden würde, wie wir in euerm Alter mit einander spielten – – Seyd mir von Herzen willkommen, wie eure schöne Princessin, Göttin, hätt‘ ich schier gesagt – – Ach! weh mir! Ich verlohr ein Paar, das so, wie ihr liebenswürdige Zwey, zwischen Himmel und Erde gestanden, und jedes Auge mit Wunder erfüllt haben möchte; und dann verlohr ich auch (alles durch meine eigne Thorheit) die Gesellschaft, ja sogar die Freundschaft euers rechtschaffnen Vaters, welchen ich, so traurig sein Anblik für mich seyn würde, dennoch noch einmal in meinem Leben zu sehen wünschte.

Florisell.

Gnädigster Herr, es geschah auf seinen Befehl, daß ich im Vorbeyfahren die Küste von Sicilien betreten habe, um Eu. Majestät von ihm den zärtlichsten Gruß zu überbringen, den ein König seinem Bruder senden kan; hätte ihm ein Anstoß von Unpäßlichkeit, dergleichen das annähernde Alter mit sich zu bringen pflegt, nicht das gewünschte Vermögen auf einige Zeit benommen, so würde er selbst die Länder und Meere zwischen euerm Thron und dem seinigen durchgemessen haben, um euch zu sehen; den er mehr liebt, (so befahl er mir zu sagen) als alle andre Scepter und diejenige, welche sie tragen, so viel ihrer sind.

Leontes.

O mein Bruder! Edelmüthiges Herz! Noch immer blutet das meinige von dem Unrecht, das ich dir gethan habe; diese neue Probe deiner seltnen Güte beschämt und verwirrt mich, so sehr sie mich erfreut – – Seyd willkommen in Sicilien, Prinz; willkommen, wie der Frühling der Erde. Und hat er sich entschliessen können, diese unvergleichliche Princessin dem gefahrvollen, oder doch wenigstens unfreundlichen Neptun auszusezen, um einen Mann zu grüssen, der ihrer Mühe nicht werth ist; vielweniger, daß sie ihre Person seinetwegen wage?

Florisell.

Gnädigster Herr, sie kommt aus Lybien.

Leontes.

Wo der tapfre Smalus, dieser ruhmvolle Beherrscher, sich zugleich lieben und fürchten macht?

Florisell.

Königlicher Herr, von dannen; von ihm, dessen Tochter seine Thränen beym Abschied sie ankündigten; von da haben wir mit einem freundlichen Südwind hieher gekreuzt, um den Auftrag zu vollziehen, den mir mein Vater an Eu. Majestät gegeben hatte; mein bestes Gefolge hab ich von euerm Ufer nach Böhmen vorausgeschikt, um zugleich mit dem guten Erfolg meiner Reise nach Lybien, auch meine und meiner Frauen glükliche Ankunft in Sicilien anzukünden.

Leontes.

Mögen die Götter ihre besten Einflüsse auf unsre Insel herabschütten, so lange ihr euch bey uns aufhaltet. Ihr habt einen tugendhaften Vater, einen verdienstvollen Mann, gegen dessen Person so heilig als sie ist, ich gesündiget habe; Ach! der gerecht-erzürnte Himmel hat mich dafür bestraft; er hat mich meiner Kinder beraubt, und euern Vater, wie er’s verdiente, mit euch gesegnet, einem Erben der seiner würdig ist. Was würd‘ ich gewesen seyn, hätt‘ ich izt einen Sohn und eine Tochter vor mir sehen können, die so liebenswürdige Geschöpfe wären wie ihr beyde!

Vierte Scene.

Ein Herr vom Hofe zu den Vorigen.

Der Herr.

Gnädigster Gebieter, was ich erzählen muß, würde keinen Glauben verdienen, wenn der Beweis nicht so unwidersprechlich wäre – – Der König von Böhmen grüsset euch in eigner Person durch mich, und ersuchet euch, seinen Sohn fest machen zu lassen, der beydes seiner Würde und seiner Pflicht vergessen, von seinem Vater, von seinen Hoffnungen heimlich weggeflohen, und das mit eines Schäfers Tochter.

Leontes.

Der König in Böhmen? Wo ist er? Redet!

Der Herr.

Hier in eurer Stadt; ich komme diesen Augenblik von ihm. Ich merke, daß ich so verwirrt rede, wie es mein Erstaunen und mein Auftrag mit sich bringen: Da er im Begriff war an euern Hof, und wie es scheint, diesem schönen Paar nachzueilen, trift er unterwegs den Vater dieser anscheinenden Dame an, und ihren Bruder, welche beyde ihr Vaterland mit diesem jungen Prinzen verlassen haben.

Florisell.

So hat Camillo mich betrogen! Er, dessen Ehre und Redlichkeit bisher jedes Wetter aushielt – –

Der Herr.

Er ist bey dem König euerm Vater.

Leontes.

Wer? Camillo?

Der Herr.

Camillo, mein gebietender Herr, ich sprach mit ihm; er hat würklich diese armen Leute im Verhör. Niemals sah ich Elende so jämmerlich zittern; sie knien, sie küssen die Erde; sie verschweeren Leib und Leben, so oft sie reden; der König verstopft sich die Ohren, und droht ihnen mit einem vielfachen Tod.

Perdita.

O, mein armer Vater! – – Der Himmel hat Spionen wider uns ausgestellt; er will nicht daß unser Bündniß vollzogen werde.

Leontes.

Seyd ihr verheyrathet?

Florisell.

Wir sind es nicht, Gnädigster Herr, und werden es auch, dem Anschein nach, sobald nicht seyn; ich sehe wol, eh werden die Sterne die Thäler küssen; die Vergleichung paßt nur allzuwol.

Leontes.

Mein Prinz, ist diese Person die Tochter eines Königs?

Florisell.

Sie ist es, wenn sie jemals meine Frau wird.

Leontes.

Euer guter Vater hat sich so sehr beschleuniget, daß dieses jemals, wie ich sehe, wol noch lange dahinten bleiben wird. Es ist mir leid, sehr leid, daß ihr euch seine Ungnade zugezogen habt – – euch von Pflichten losgebrochen habt, welche heilig seyn sollten – – und eben so leid, daß eure Wahl nicht so reich an Stand als Schönheit ist, um sie mit dem Beyfall eines Vaters und der Welt bekrönt sehen zu können.

Florisell (zu Perdita.)

Schaue auf, meine Liebe; wenn uns gleich das Glük, unsre augenscheinliche Feindin, eben so hartherzig verfolgen sollte, wie mein Vater; so hat sie doch nicht die mindeste Gewalt unsre Liebe zu verändern. Ich bitte euch, Gnädigster Herr, erinnert euch der Zeit, da ihr jung waret wie ich izt bin – – Denket an das, was euer Herz damals fähig war, und laßt diese Gedanken meine Fürsprecher seyn; auf eure Bitte würde mein Vater die kostbarsten Sachen als Kleinigkeiten hingeben.

Leontes.

Glaubte ich das, so wollt ich um eure unvergleichliche Liebste bitten, die er nur für eine Kleinigkeit ansieht.

Paulina.

Mein Gnädigster Herr, ich sehe zuviel Jugend in euern Augen; Eure Königin war, keinen Monat lang eh sie starb, mehr solche gierige Blike werth, als was ihr izt anschauet.

Leontes.

Eben an sie dacht‘ ich bey diesen Bliken, die ihr mir unbillig zum Verbrechen macht – – (zu Florisell.) Aber ihr habt noch keine Antwort auf eure Bitte; ich will zu euerm Vater; in so fern eure Ehre von euern Begierden nicht überwältiget wird, bin ich ein Freund von ihnen und euch; mit dieser Gesinnung geh ich ihm entgegen; folget mir, bemerket den Weg den ich neme; kommt mein lieber Prinz. (Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.

Ein Plaz nicht weit vom Hofe. Autolicus und ein Edelmann vom Hofe.

Autolicus.

Ich bitte euch, mein Herr, waret ihr selbst bey dieser Erzählung gegenwärtig?

Edelmann.

Ich war dabey, wie das Kästchen aufgemacht wurde, und hörte den alten Schäfer erzählen, wie er es gefunden habe; auf dieses folgte eine kleine Pause von stillschweigender Erstaunung, und hierauf wurde uns befohlen, das Zimmer zu verlassen: Nur däucht mich, hörte ich den Schäfer sagen, er habe das Kind gefunden.

Autolicus.

Ich bin recht begierig, den Ausgang davon zu wissen.

Edelmann.

Davon kan ich euch nichts sagen; alles was ich bemerken konnte, war, daß der König und Camillo ihr Gesicht veränderten, einander ganz erstaunt ansahen, und durch ihre stummen Blike und blosse Gebehrden verriethen, daß etwas sehr unerwartetes und wichtiges entdekt worden sey – – aber was es sey, oder ob der Inhalt freudig oder traurig sey, das hätte wol der schärfste Beobachter vom blossen Ansehen nicht errathen; und das kan auch, wenn die Freude unverhofft und auf dem äussersten Grad ist, nicht anders seyn. Ein andrer Edelmann zu den Vorigen. Hier kommt jemand, der uns vielleicht mehr von der Sache sagen kan. Was giebts Neues, Rogero?

2. Edelmann.

Nichts als Freuden-Feuer: Das Orakel ist erfüllt; des Königs Tochter ist gefunden; kurz, es haben sich in dieser einzigen Stunde wunderbare Begebenheiten entwikelt, daß die Balladen-Macher das ganze Jahr durch genug zu thun haben werden. Ein dritter Edelmann zu den Vorigen. Hier kommt der Lady Paulina Hausmeister, der wird uns mehr Umstände sagen können. Wie geht’s, mein Herr? Diese Zeitung, die für wahr gegeben wird, sieht einem alten Mährchen so gleich, daß ihre Wahrheit in starken Verdacht gezogen wird; hat der König seine Erbin gefunden?

3. Edelmann.

Nichts wahrers, wenn jemals die Umstände eine Wahrheit ins Licht gesezt haben: Die Beweise stimmen so gut zusammen, daß man schweeren sollte, man sehe mit eignen Augen, was man erzählen höret. Der Mantel der Königin Hermione – – Ihr Hals-Kleinod um den Hals des Kindes – – Briefe vom Antigonus bey ihm gefunden, deren Handschrift nicht zweifeln läßt, daß Antigonus sie geschrieben – – Die majestätische Gestalt dieser Creatur – – ihre vollkommne Aehnlichkeit mit ihrer Mutter – – ein gewisser Adel in ihrer Gemüthsart, und in ihrem Betragen, in welchem die Natur über die niedrige Erziehung zu triumphieren scheint – – und viele andre Umstände beweisen es bis zur Ueberzeugung, daß sie des Königs Tochter ist. Waret ihr bey der Zusammenkunft der beyden Könige gegenwärtig?

2. Edelmann.

Nein.

3. Edelmann.

So habt ihr eine Scene verlohren, die man selbst gesehen haben muß, um sich eine Vorstellung davon zu machen. Da hättet ihr sehen können wie eine Freude die andre krönte; dergestalt daß es nicht anders ließ, als ob die Traurigkeit weine, daß sie Abschied von ihnen nehmen müsse; denn ihre Freude schwamm in Thränen – – Das war ein Augen-Aufreissen, ein Hände-Drüken, ein Tumult von einander drängenden Empfindungen, wie man noch nie gesehen hat! Unser König, in eben dem Augenblik da er vor Freude über seine gefundene Tochter ausser sich selbst war, rief als ob er plözlich von einem schmerzhaften Gedanken getroffen würde: O! deine Mutter, deine Mutter! Dann bat er den König von Böhmen um Vergebung; dann umarmt‘ er seinen Schwieger-Sohn; dann fiel er wieder seiner Tochter um den Hals, und küßt‘ und drükte sie, daß sie hätte erstiken mögen. Einen Augenblik drauf dankt‘ er dem alten Schäfer, der in seinen ehrlichen grauen Haaren seitwärts stand, Augen und Hände aufhub, und vor Bestürzung und Freude nicht reden konnte. In meinem Leben hab‘ ich von keiner solchen Begebenheit gehört; alles ist zu wenig, was man davon sagen kan; wie ich euch sagte, man muß selbst dabey gewesen seyn.

2. Edelmann.

Was wurde dann, ich bitt euch, aus dem Antigonus, der das Kind von hier wegtrug?

3. Edelmann.

Das sieht wieder dem alten Mährchen so gleich, daß man es nur glauben muß, weil man sich nicht anders helfen kan; er wurde von einem Bären zerrissen; so erzählt des Schäfers Sohn, für den nicht nur seine Einfalt und Ehrlichkeit die Gewähr leistet, sondern auch noch ein Schnupf-Tuch und ein Ring, welche Paulina für ihres Gemahls seine erkennt.

1. Edelmann.

Was wurde aus seinem Schiff und aus seinen Leuten?

3. Edelmann.

Diese giengen in dem nemlichen Augenblik da ihr Herr ums Leben kam, und vor den Augen des alten Schäfers, am Strand in einem Sturm zu Grunde; so daß alle Werkzeuge welche zu der Aussezung des Kindes geholfen hatten, zu eben der Zeit verlohren giengen, da es gefunden wurde. Aber, o! den edeln Kampf zwischen Schmerz und Freude, der in Paulina’s Gemüth vorgieng! Indem ihrem einten Aug eine Thräne über den Tod ihres Gemahls entfiel, erhob sich das andre über die Erfüllung des Orakels gen Himmel. Sie hob die Princessin über die Erde, und umarmte sie so inbrünstig als ob sie sie an ihr Herz anheften wollte, um nicht mehr in Gefahr zu kommen, sie zu verliehren.

1. Edelmann.

Wahrhaftig, eine Scene, welche es würdig war, lauter Könige und Prinzen zu Zuschauern zu haben!

3. Edelmann.

Einer von den schönsten Zügen unter allen, und der mir das Wasser in die Augen trieb, war, wie von dem Tode der Königin gesprochen wurde, und der König die Umstände, welche ihr das Leben gekostet, eben so aufrichtig bekannte als wehmüthig bejammerte – – wie während dieser Erzählung Aufmerksamkeit seine Tochter verwundete; bis von einem Zeichen des Schmerzens zum andern, sie mit einem Seufzer, der ihr Herz zerrissen zu haben schien – – fast möchte ich sagen Thränen blutete; denn ich bin gewiß, das meinige weinte Blut. Wer sonst Marmor war, veränderte seine Farbe; einige mußten die Augen wegwenden, alle waren tiefgerührt; wenn die ganze Welt sie in diesem Augenblik hätte sehen können, der Schmerz würde allgemein gewesen seyn.

1. Edelmann.

Sind sie wieder nach Hofe gegangen?

3. Edelmann.

Nein; die Princessin hörte von einer Statue ihrer Mutter, welche Paulina in Verwahrung hat; ein Stük, woran der grosse Meister, Julio Romano* viele Jahre gearbeitet, und welches er nur kürzlich zu Stande gebracht; dieser schöpferische Künstler, der, wenn er selbst Ewigkeit hätte und seinen Werken Athem geben könnte, die Natur um ihre Kundsame bringen würde, so vollkommen ist er ihr Affe. Sie versichern, er habe eine Hermione gemacht, welche der würklichen so sehr gleiche, daß man versucht werde, sie anzureden und auf eine Antwort zu warten. Dahin haben sie sich nun mit aller Begierigkeit der Liebe hin begeben, und dort gedenken sie, zu Nacht zu speisen.

2. Edelmann.

Ich dachte schon lange, Paulina müsse in diesem abgelegenen Hause eine besondere Angelegenheit haben; denn ich weiß, daß sie es, schon seit Hermionens Tod alle Tage zwey bis dreymal, allein und heimlich besucht hat. Wollen wir auch dahin, und die Zuschauer dieses frohen Auftritts vermehren helfen?

1. Edelmann.

Wer wollte wegbleiben, der das Recht des Zutritts hat? Jeder Augenblik muß einen neuen angenehmen Umstand gebähren, den wir verliehren indem wir hier verziehen. Kommt, wir wollen gehen. (Sie gehen ab.)

Autolicus (allein.)

Nun könnte ich mir auf eine hübsche Beförderung Rechnung machen, wenn mir die Schande meines vorigen Lebens nicht im Licht stühnde. Ich brachte den alten Mann und seinen Sohn zum Prinzen an Bord; sagte ihm, ich hätte sie von einem Kistchen reden hören, und ich wisse nicht was; aber damals ließ ihm die übermäßige Liebe zu seiner vermeynten Schäfers-Tochter, welche sehr Seekrank zu werden anfieng, keine Zeit, darauf acht zu geben, und das Geheimniß blieb unentdekt. Aber das ist mir all eins; denn wenn ich selbst der Ausfindig-Macher dieses Geheimnisses gewesen wäre, so würd‘ ich, in dem feinen Ruf worinn ich stehe, wenig Vortheil davon gezogen haben – – Aber da kommen sie ja, denen ich wider meine Absicht gutes gethan habe – – schon ganz in den Schimmer ihres neu aufgeblühten Glüks gekleidet. * Wie Herr Warbürton vermuthet, wollte der Poet Michael Angelo schreiben. Im übrigen ist, ausser dem seltsamen Anachronismus, diese Stelle als eines von den schönsten Exempelchen von Unsinn, die in unserm ganzen Autor vorkommen, zu bemerken.

Sechste Scene.

Der Schäfer, und Hans, sein Sohn, treten auf.

Schäfer.

Komm, Junge; ich kan nun keine Kinder mehr haben; aber deine Söhne und Töchter werden alle hochedelgebohren seyn.

Hans (zu Autolicus.)

Ha, wir treffen einander eben recht an; ihr wolltet euch dieser Tagen nicht mit mir schlagen, weil ich nicht edelgebohren sey: Seht ihr diese Kleider? Sagt, ihr seht sie nicht, wenn ihr noch immer fort denkt, ich sey nicht hochedelgebohren. Ihr möchtet eben so wohl sagen, diese Kleider seyen nicht hochedelgebohren. Heißt mich lügen; thut es, und probiert ob ich izt nicht hochedelgebohren bin.

Autolicus.

Ich weiß es ganz wohl, Herr, daß ihr izt hochedelgebohren seyd.

Hans.

Ja, und das bin ich diese vier Stunden immer gewesen.

Schäfer.

Und ich auch, Junge.

Hans.

Und ihr auch; aber ich war noch vor meinem Vater hochedelgebohren; denn des Königs Sohn nahm mich bey der Hand, und nannte mich Bruder; und dann nannten die zween Könige meinen Vater, Bruder, und dann nannte der Prinz mich, mein Bruder, und die Princessin meine Schwester, meinen Vater, Vater, und da weinten wir zusammen, und das waren die ersten hochadelichen Thränen, die wir jemals vergossen haben.

Schäfer.

Ich hoff‘ es zu erleben, Sohn, daß wir noch andre vergiessen.

Autolicus (zu Hans.)

Gnädiger Herr, ich bitte euch unterthänigst mir alle die Fehler zu verzeihen, die ich gegen Euer Gnaden begangen habe, und mir euer gutes Vorwort bey dem Prinzen, meinem Herren, zu verleihen.

Schäfer.

Ich bitte dich, Sohn, thu’s; wir müssen gnädig seyn, weil wir nun Gnädige Herren sind.

Hans.

Du willt also dein Leben bessern?

Autolicus.

Ja, wenn es Eu. Gnaden erlauben will.

Hans.

Gieb mir die Hand drauf; ich will dem Prinzen schwören, daß du ein so ehrlicher Kerl seyest, als irgend einer in Böhmen lebt.

Schäfer.

Sagen kanst du’s wohl, aber nicht schweeren.

Hans.

Nicht schweeren, und bin nun ein Edelmann? Bauren und gemeines Volk mögen es sagen; ich will es beschweeren, ich.

Schäfer.

Aber, wenn es nun nicht wahr ist, Sohn?

Hans.

Es mag noch einmal so viel nicht wahr seyn, so kan ein wahrer Edelmann seinem Freunde zu gefallen, drauf schweeren: Ich will dem Prinzen schweeren, daß du ein plumper Kerl mit deinen Händen seyst, und daß du dich nie betrinken werdest; und doch weiß ich, daß du kein plumper Kerl mit deinen Händen bist, und daß du dich betrinken wirst; aber ich will drauf schweeren, und ich wollte du wärst ein plumper Kerl mit deinen Händen.

Autolicus.

Ich will es werden, Gnädiger Herr, nach äusserstem Vermögen.

Hans.

Thu‘ das, und wende alles dazu an; wenn ich mich nicht wundre, wie du das Herz hast dich zu betrinken, da du kein plumper Kerl bist, so glaube mir nichts mehr. Aber horcht, die Könige und die Prinzen unsre Vettern kommen, und gehen nun der Königin ihr Bildniß zu sehen. Komm geh mit uns: Wir wollen deine gute Herren seyn. (Sie gehen ab.)

Siebende Scene.

Verwandelt sich in Paulinas Haus. Leontes, Polixenes, Florisell, Perdita, Camillo, Paulina, verschiedene Herren vom Hofe, und Gefolge, treten auf.

Leontes.

O weise und gute Paulina, wie oft bist du mir zum Troste gewesen!

Paulina.

Mein Gnädigster Gebieter, was ich nicht recht that, das meynte ich doch gut; ihr habt mich für alle meine Dienste überflüssig bezahlt. Aber daß Eure Majestät mit dem Könige, ihrem Bruder, und diesen verlobten Erben beyder Kronen, gekommen ist, mein armes Haus zu besuchen; diß ist ein Uebermaaß von Gnade, welche zu verdienen mein übriges Leben nicht zureichen kan.

Leontes.

O Paulina, die Ehre, die wir euch erweisen ist Unruh; – – Aber, wir kamen um die Bildsäule unsrer Königin zu sehen. Eure Galerie haben wir durchgegangen, und mit vielem Vergnügen über manche seltne Stüke; aber das, was meine Tochter so sehnlich zu sehen verlangt, sahen wir nicht – – das Bild ihrer Mutter.

Paulina.

So wie sie im Leben unvergleichlich war, so übertrift auch ihr todtes Ebenbild, wie ich mit Recht glaube, alles was ihr jemals gesehen habt, oder eines Menschen Hand jemals gemacht hat; deßwegen bewahr‘ ich es auch mit mehr als gewöhnlicher Zuneigung auf. Aber hier ist es: Bereitet euch vor, das Leben so lebhaft vorgestellt zu sehen, als jemals der Schlaf den Tod vorgestellt hat. (Paulina zieht einen Vorhang und entdekt Hermione, gleich einer Bildsäule auf einem Fußgestelle stehend.) Euer Schweigen gefällt mir; es beweist euere Erstaunung nur desto besser – – Aber sagt mir nun, ihr zuerst, mein Gebietender Herr, kommt es nicht ziemlich nahe?

Leontes.

Ihre natürliche Stellung! – – O mache mir keine Vorwürfe, theurer Stein! damit ich in der That sagen kan, du seyst Hermione; denn sie war so zärtlich als Kindheit und Unschuld – – Aber, Paulina – – Hermione hatte nicht so viele Falten, war bey weitem nicht so alt, wie diß scheint.

Polixenes.

O, wahrhaftig nicht!

Paulina.

Desto grösser ist die Geschiklichkeit unsers Künstlers, der sechszehn Jahre überspringt, und sie so macht, als lebte sie izt.

Leontes.

Wie sie denn auch gelebt hätte, ach! so sehr zu meinem Trost, als dieser Anblik izt mein Herz durchbort. O! so stuhnd sie; mit dieser lebenden Majestät (warmes Leben, wie sie izt kalt steht) als ich zum erstenmal um ihre Liebe bat – – Ich schäme mich – – wirft mir dieser Stein nicht vor, daß ich mehr Stein sey, als er selbst? O Königliches Stüke! Es ist Zauberey in deiner Majestät, die meine Uebelthaten wieder in mein Gedächtniß gezaubert, und meiner bewundernden Tochter die Lebensgeister geraubt hat, daß sie, wie selbst versteinert, neben dir steht.

Perdita.

Erlaubet mir, und saget nicht, es sey Aberglauben, daß ich niederknien und um ihren Segen bitte – – Theure Königin, Theure Mutter, welche aufhörte, da ich kaum begann, gebt mir diese eure Hand zu küssen – –

Paulina.

O, Geduld; – – die Statue ist ganz neu aufgerichtet, die Farben sind noch nicht troken.

Camillo (zu Leontes.)

Gnädigster Herr, euer Schmerz ist zu dicht aufgetragen, da sechszehn Winter ihn nicht wegblasen, und sechszehn Sommer nicht auftroknen konnten; kaum lebte jemals ein Vergnügen so lange; und eines jeden andern Schmerz würde sich in so viel Zeit selbst aufgerieben haben.

Polixenes.

Mein theurer Bruder, gestattet dem, der die Ursache von allem diesem war, soviel Vermögen, euch soviel Schmerz abzunehmen, als er für seinen eignen Theil fühlt.

Paulina.

In der That, wenn ich gedacht hätte, der Anblik meines armen Bildes würde diese Würkung auf euch thun, so würd‘ ich’s euch nicht haben sehen lassen.

Leontes.

O, zieht den Vorhang nicht.

Paulina.

Ich laß euch nicht länger so stehn und es anstarren; eure Einbildung könnt‘ euch sonst zulezt gar bereden, es rege sich.

Leontes.

Laß es seyn, laß es seyn; ich wollt ich wäre todt, wenn mir nicht izt schon so wäre – – Aber wer war der, der es machte? Sehet her, mein Herr; würdet ihr nicht meynen, es athme? und daß in diesen Adern würkliches Blut sey?

Polixenes.

Es ist meisterlich gemacht! wahres Leben scheint ihre Lippen zu erwärmen.

Leontes.

Es ist Regung in ihren Augen. Ists möglich daß die Kunst so weit gehen kan?

Paulina.

Ich muß den Vorhang ziehen, der König ist so sehr entzükt, daß er bald denken wird es lebe.

Leontes.

O liebe Paulina, mache mich das zwanzig Jahre in einem fort denken: Alle Vernunft in der Welt kan mir das Vergnügen dieses Wahnsinns nicht ersezen. Laß es wie es ist.

Paulina.

Es ist mir leid, Gnädigster Herr, daß ich euch zu einer so grossen Bewegung Anlaß gegeben habe; aber ich könnt euch noch mehr betrüben.

Leontes.

Thu es, Paulina; denn diese Traurigkeit hat etwas herzerquikendes in sich. Mich dünkt immer, es athme etwas von ihr gegen mich her. Welcher Meissel konnte jemals Athem heraus graben? Spotte niemand über mich, aber ich muß sie küssen.

Paulina.

Thut es nicht, Gnädigster Herr; die Röthe auf ihren Lippen ist noch naß; ihr würdet sie verderben, wenn ihr sie küßtet; und eure eignen mit Oel-Farbe befleken; soll ich den Vorhang ziehen?

Leontes.

Nein, nicht in den nächsten zwanzig Jahren.

Perdita.

So lange könnt ich dastehn, und es in Einem fort anschauen.

Paulina.

Entweder entfernt euch von der Nische, oder entschließt euch noch mehr zu erstaunen; wenn ihr es sehen könnt, so will ich machen, daß die Statue sich bewegen soll, in der That; sie soll herunter steigen, und euch bey der Hand nehmen; aber dann werdet ihr denken, ich thue es mit Hülfe böser Geister, und ich schwöre euch, daß es nicht ist.

Leontes.

Ich bin bereit alles zu sehen was ihr sie thun, und alles zu hören, was ihr sie reden machen könnet; denn es ist eben so leicht zu machen, daß sie rede, als daß sie sich bewege.

Paulina.

Es wird erfordert, daß ihr allem euerm Glauben aufbietet; nur dann, so stehet alle still; und diejenige, welche denken, daß es nicht richtig damit zugehe, mögen sich wegbegeben.

Leontes.

Machet fort; kein Fuß soll sich regen.

Paulina.

Musik; erweke sie: erschalle: (Man hört Musik.) Es ist Zeit; steiget herab; seyd nicht mehr Stein; nähert euch und rühret alle die euch ansehen, mit Erstaunen. Kommt; ich will euer Grab einnehmen; nun, so kommt doch; vermachst dem Tod euere Unbeweglichkeit – – ihr seht, sie regt sich; (Hermione steigt herab.) Entsezet euch nicht; ihre Handlungen sollen so heilig seyn, als meine Zauberey erlaubt ist; weichet nicht vor ihr zurük – – nein, gebt ihr die Hand; wie sie jung war, mußtet ihr euch um ihre Gunst bemühen; nun da sie alt ist, muß sie um die eurige buhlen – –

Leontes (Indem er sie umarmt.)

O, sie ist warm; wenn das Zauberey ist, so laßt zaubern eine so erlaubte Kunst seyn als essen.

Polixenes.

Sie umarmt ihn.

Camillo.

Sie hängt sich an seinen Hals; wenn sie Leben in sich hat, so laßt sie auch reden.

Polixenes.

Und uns sagen, wo sie gelebt habe, oder wie sie sich aus dem Reiche der Todten weggestohlen?

Paulina.

Wenn man’s euch nur sagte, daß sie lebt, so würdet ihr’s wie ein altes Mährchen auszischen; aber ihr sehet daß sie lebt, ob sie gleich nicht spricht – – Noch eine kleine Geduld – – Gefällt es euch, schöne Prinzessin, so kommt näher, kniet nieder, und bittet eure Mutter um ihren Segen – – Wendet euch um, meine gnädigste Frau, unsre Perdita ist gefunden. (Sie stellt ihr Perdita vor, die sich vor Hermione auf die Knie wirft.)

Hermione.

Ihr Götter, schaut herab, und schüttet eure besten Segnungen alle auf meiner Tochter Haupt; sage mir, meine Eigne, wo bist du erhalten worden? Wo hast du gelebt? Wie hast du deines Vaters Hof gefunden? Denn du wirst hören, daß ich, von Paulinen versichert, das Orakel gebe Hoffnung daß du noch lebest, mich selbst aufgesparet habe, um diesen Ausgang noch zu sehen.

Paulina.

Zu allem diesem habt ihr nun Zeit genug; geht nun mit einander, ihr erlauchten Glüklichen alle, und theilet eines dem andern sein Entzüken mit; ich alte Turtel-Daube will auf irgend einen verwelkten Ast fliegen, und dort meinen Gatten, der nicht wieder gefunden werden kan, betrauren, bis ich selbst nicht mehr bin.

Leontes.

O, stille, Paulina; hast du mir wieder eine Gemahlin gegeben, so must du auch einen Mann von meiner Hand annehmen. Das ist etwas ausgemachtes zwischen uns und durch Gelübde bekräftiget. Du hast meine Hermione gefunden; wie, begreiffe ich noch nicht; denn ich glaubte, ich sehe sie todt; und habe, glüklicher Weise vergebens, manches Gebet auf ihrem Grabe gethan. Ich will nicht weit suchen, um einen Gemahl für dich zu finden, dessen Achtung für dich mir schon bekannt ist. Kommt, Camillo, und nehmt ihre Hand; ihr, dessen Werth und Rechtschaffenheit sich so vielfältig bewährt hat, und hier von zween Königen bezeugt wird – – Verlassen wir diesen Ort – – wie? Sehet meinen Bruder an: Vergebet mir, vergebet mir beyde, daß ich jemals fähig war, eure tugendhaften Blike durch bösen Argwohn zu trennen: Dieß ist euer Schwieger-Sohn, und der Sohn des Königs – – der durch eine wunderbare Fügung des Himmels mit eurer Tochter verbunden worden ist – – Gute Paulina, führe uns von hinnen, an einen Ort, wo wir einander mit mehr Bequemlichkeit über die Rolle fragen und antworten können, welche jedes in diesem langen Zeitraum, seit dem wir getrennt wurden, gespielt hat. Hurtig führt uns von hier. (Sie gehen ab.)