Die Wünsche des Steinhauers.

Es lebte einmal ein Steinhauer, der mußte sich im Schweiße seines Angesichts plagen; denn sein Handwerk war ein schweres. Doch da seine Arbeiten immer gut waren, so verdiente er so viel, daß er ohne Sorgen und zufrieden leben konnte.

Seine Arbeitsstätte war am Fuße eines hohen Felsens, von dem er Steine losschlug und sie bearbeitete, entweder zu Grabsteinen, zu Türschwellen oder zu irgendwelchen andern Zwecken. Bei diesem Felsen nun hauste ein alter Berggeist, der, wie die Leute erzählten, die Wünsche derjenigen, denen er wohlwollte, erfüllte. Eines Tages hatte der Steinhauer einen großen Gartenstein bei einem reichen Bürger abgeliefert und gesehen, wie wohl der es sich sein lassen könne. Als er an seiner Arbeitsstätte schweißtriefend wieder angekommen war und den Schlegel ergriffen hatte, um seine Arbeit fortzusetzen, da erinnerte er sich des reichen Mannes, der geschützt und wohllebend, daheim sitzen konnte und sich nicht so schwer zu bemühen brauchte wie er, der Steinhauer. »Ach,« seufzte er, »wer es doch auch so gut haben könnte!«

»Dein Wunsch sei dir erfüllt! Gehe heim!« erschallte plötzlich eine dumpfe Stimme, die aus der Höhe zu kommen schien.

Der Steinhauer war sehr verwundert, legte dem aber keine Bedeutung bei, sondern setzte seine Arbeit ruhig fort. Er hatte wohl von jenem Gerede gehört, wonach hier ein Geist hause, der Wünsche erfülle, doch glaubte er nicht daran, sondern war der Meinung, daß ihn irgend ein Schalk, der seine Stoßseufzer gehört habe, äffen wolle.

Während der Arbeit ließen ihm die Gedanken keine Ruhe und da ein besonders heißer Tag war, so machte er früher als sonst Feierabend, lud sein Handwerkzeug auf und ging heim. Wie erstaunte er aber, als er bei seiner Hütte ankam! Diese war verschwunden; an ihrer Stelle stand ein gar stattliches Haus, mit allem eingerichtet, was zu einem sorgenlosen, behaglichen Wohlleben nötig war.

Nun sah er, daß tatsächlich beim Felsen ein guter Geist wohnen müsse, der seinen Wunsch gehört und erfüllt habe.

Sehr erfreut und ganz glücklich warf er sein Handwerkzeug beiseite und ging in das Haus. Ein gutes Essen stand bereit, ebenso war ein warmes Bad vorbereitet, auch fehlten nicht gute Kleider und weiche Polster.

Sein Wunsch war nun erfüllt und er gab sich ganz dem guten Leben hin, das er sich gewünscht hatte. Bald kam ihm sein früherer Beruf als ein böser Traum vor und er wunderte sich oft, wie er hatte so lange zufrieden sein können.

Aber wie es so geht und wie ein Sprichwort sagt: »Auf einen Wunsch folgen mehrere« oder »wer Macht hat, will größere Macht«, so ging es auch dem Steinhauer.

Einmal saß er an einem heißen Sommertage, sich fächelnd, auf der Veranda seines Hauses, als in einer Sänfte ein Fürst vorübergetragen wurde; eine Anzahl Diener schritt rechts und links von der Sänfte; sie trugen große, prachtvolle Fächer, mit denen sie dem Fürsten Kühlung zufächelten. Ein großes Gefolge begleitete ihn und alle Menschen warfen sich zu Boden und grüßten in dieser Weise den Fürsten.

Da ward der Steinhauer mißmutig und sagte: »Ja, der Fürst hat es gut, der braucht nicht zu Fuß zu gehen, braucht sich nicht eigenhändig Kühlung zuzufächeln und alle Welt verneigt sich vor ihm. Wenn es ginge, möchte ich auch so ein Fürst sein!«

Kaum hatte er dies gesagt, da ertönte wieder die Stimme: »Du hast es gewünscht, drum sei es!«

Jetzt war er ein Fürst. Verschwunden war das schöne Häuschen, dafür stand ein herrlicher Palast an der Stelle; zahlreiche Diener liefen hin und her und kamen jedem seiner Befehle nach. Er wurde in einer Sänfte umhergetragen, Diener in kostbarer Kleidung fächelten ihm Kühlung zu und alle Welt verneigte sich vor ihm. Anfänglich machte ihm diese neue Veränderung viel Vergnügen, bald aber ward er des ewigen Einerleis überdrüssig und dachte darüber nach, wie er noch besseres ersinnen könnte. Und als er sah, wie die Sonne so glühend brannte, wie ihre Strahlen Leben spendeten, zugleich aber auch Feld und Flur verbrannten, ja ihn selbst nicht schonten, sondern sein Gesicht trotz Sänfte, Schirmen und Fächern bräunte, da glaubte er, daß die Sonne das allgewaltigste Ding sei, dem nichts unerreichbar wäre, und so rief er aus: »Wenn’s möglich wäre, möchte ich die Sonne sein!«

»Du sollst sie sein!« rief die Stimme und sogleich stand unser Steinhauer oben am Himmel als Sonne und schleuderte mit dem größten Vergnügen seine Strahlen nach allen Seiten, verbrannte das Gras auf den Wiesen, die Ernte auf den Feldern, ja zündete sogar Wälder an. Kurz, er trieb im Übermute seiner Macht allerhand Allotria wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug. Wie dieses aber bald des Spieles überdrüssig wird, so auch der Steinhauer und als sich ihm eine Wolke in den Weg stellte und seinem Treiben Einhalt gebot, indem sie verhinderte, daß die Strahlen die Erde trafen, da wurde er bitterböse und schrie:

»Was, die winzige Wolke hindert mich an meinem Spiel? Dann ist sie ja mächtiger als ich, die Sonne. Da möchte ich denn doch lieber die Wolke sein!«

»Es sei!« hörte er die Stimme zu sich herauftönen.

Jetzt schwebte er als Wolke zwischen Erde und Sonne und freute sich der Sonne einen Schabernack spielen zu können, indem er ihre Strahlen auffing. Jetzt sah er auch, wie infolge des Schattens, den er auf die überhitzte Erde warf, alles zu grünen und blühen begann. Dazu gehört auch Wasser, dachte er, und öffnete seine Schleusen. Hei, wie das prasselte und plätscherte! Er freute sich königlich über das Treiben auf der Erde, wie die Menschen rannten und sich zu schützen suchten, wie die Vöglein sich verbargen und wie die Bäume sich beugten unter der Last des prasselnden Regens. Und immer mehr ließ er es regnen, nicht mehr in kleinen Tropfen, nein, in zerschmetternden Güssen, so daß die Bäche und Flüsse die Wassermenge nicht zu fassen vermochten und über die Ufer traten. Alles Land wurde überschwemmt, Bäume entwurzelt, Dämme fortgerissen und von den Bergen stürzten die Wasser in donnernden Kaskaden hernieder, alles sich ihnen in den Weg Stellende mit sich reißend. Nur ein einsamer Fels stand ruhig und fest, ihm vermochte das rasende Ungewitter nichts anzuhaben; stolz ragte sein Haupt bis nahe zur Wolke empor und die Steinhauer-Wolke glaubte sogar ein spöttisches Lachen zu hören. Das ergrimmte ihn noch mehr und in äußerster Wut sandte er einige Blitze auf den Felsen und goß über ihn den Rest seines Wassers aus. Aber es half alles nichts; der Fels wankte und wich nicht und endlich mußte die Wolke erschöpft ihr Wüten einstellen.

»So will ich denn ein Felsen sein!« lautete nun sein Wunsch und wieder rief ihm die Stimme Erfüllung zu.

Jetzt war er der Fels, stand stolz und selbstbewußt da und freute sich seiner unbegrenzten Macht. Nicht die Strahlen der Sonne, nicht der strömende Regen konnten ihm etwas anhaben. Jetzt glaubte der Steinhauer sein Ziel erreicht zu haben und der Mächtigste dieser Erde zu sein; denn niemand vermochte ihm Schaden zuzufügen oder ihn von seiner Stelle zu bewegen.

Niemand!

Wirklich niemand?

Die Freude währte nicht lange; eines Morgens hörte er an seinem Fuße hämmern und kratzen und als er hinunterschaute, da sah er ein winziges Menschenkind mit Keil und Hammer bewaffnet, Stück für Stück vom Felsen losschlagen.

»Wenn das so weiter geht«, brummte er, »bleibt ja nichts von mir übrig. Sollte man es für möglich halten? Was alle wütenden Elemente nicht vermögen, das tut so ein kleiner Knirps von einem Menschen. Das darf nicht sein, da will ich lieber dieser Mensch sein.«

»So sei, was du vordem warst!« ertönte die Stimme des Berggeistes.

Und der Fels wurde wieder zum Steinhauer, der vom frühen Morgen bis zum späten Abend mühsam die Steine aus dem Felsen brach und zufrieden und glücklich war mit dem, was er hatte.

Er war von seinen Wünschen geheilt und hatte einsehen gelernt, daß in jedem Stande und in jedem Berufe etwas zu wünschen übrig bleibt, weil es auf dieser Erde nichts Vollkommenes gibt.

Japanischer Glücksgott.