839. Das scharfe Eck

Hart an Baiersdorf zwischen Forchheim und Nürnberg sieht man, von Nürnberg kommend, ganz nahe der ersten Stadt zur Linken mitten in dem grünen Tale der Rednitz ein altergraues Ruinenschloß, vier Stockwerke hoch mit vielen Fenstern. Dieses Schloß hieß Scharfeneck, gehörte einst als Sommerlustort einem Abt und barg in seinen Tiefen grauenvolle Kerker, in denen mancher Gefangene schmachtete und verschmachtete, und weil diese Armen so scharf behandelt wurden, nannte das Volk Schloß Scharfeneck das scharfe Eck, und nennt es noch so. In der Ruine soll es gar nicht geheuer sein, zumal in der Mittags- und Mitternachtsstunde. Neugierige werden mit Steinen geworfen oder durch Spukgestalten erschreckt, daher meidet das Volk den öden und verrufenen Bau.

Im markgräflichen Kriege, da der wilde Brandenburger Markgraf Albrecht Alcibiades diese Lande verheerte, hatte er das Schloß Scharfeneck als Eigentum inne und drangsalte von da aus die Umgegend weit und breit. So berannte er auch Kunreuth, das Schloß, welches zwei Herren von Egloffstein verteidigten, da sie es aber nicht halten konnten, so kapitulierten sie auf freien Abzug der Besatzung und räumten die Burg; der Markgraf aber ließ achtzig Landsknechte sotaner Besatzung festhalten, berief den Burgkaplan und gebot diesem, diese Männer zu absolvieren. Als dies geschehen war, ließ er auf einem langen Gang der Burg Kunreuth die achtzig aufhenken, einen hinter dem andern, darum heißt derselbe Gang noch bis heute der Totengang. Darnach nahm der Markgraf den Pfaffen und ließ ihn vor dem Schloß an der großen Linde, die noch steht, gleichermaßen auch henken; heißt noch die Pfaffenlinde. Die beiden Ritter von Egloffstein, welche glücklicherweise entkommen waren, nahmen aber für diesen schändlichen Mord eine empfindliche Rache an dem grausamen Markgrafen; sie sammelten neues Volk, ersahen ihre Zeit und berannten Schloß Scharfeneck, nahmen eö und brannten es aus, daß auch nicht ein Balken darin unverkohlt blieb. Nun steht der einsame Steinbau noch immer da, und – in den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen.

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