427. Sankt Ulrichs Kirche

Da Landgraf Ludwig von Thüringen, der Springer zubenamt, sich durch seinen kühnen Sprung aus dem Turm und vom Fels hinter Giebichenstein in die Saale aus langer Haft errettete, rief er noch einmal im Fliegen: Hilf deinem Knecht, Jungfrau Maria!, und als er nun auf seinem Schwan entrann, nahm er den Fluchtweg nach Sangerhausen zu, wo seine Adelheid weilte, und rief unterwegs St. Ulrich an, seinen Schutzpatron, daß der ihn ferner rette und schirme, und gelobte ihm ein stattliches Gotteshaus. Und bevor noch der Landgraf eine Bußfahrt gen Rom vollbracht, erfüllte er treulich sein Gelübde und ließ die Kirche in Marien und St. Ulrichs Ehre erbauen und weihen und in einen Stein die Worte graben: Suscipe servum, virgo Maria! – welche Worte er ausgerufen, da er von Giebichenstein entsprang. Noch ist St. Ulrichs des Helfers und des Landgrafen Steinbild in dieser Kirche zu sehen, und viele fromme und gläubige Seelen haben durch so viele Jahre in derselben ihre Andacht zu Gott dem Herrn und dem heiligen Mittler verrichtet. Zu einer Zeit aber ist es zu Sangerhausen geschehen, daß der Teufel eine Schar Leute berückte, Männer, Frauen und Kinder, die kamen alldort heimlich in einem Hause zusammen, den Teufel anzubeten, der ihnen, wie behauptet ward, in Gestalt einer Hummel vor das Maul flog, und dann löschten sie die Lichte aus und trieben ganz abscheuliche Unzucht durcheinander, recht hummeltoll. Ein Schmied offenbarte dieser frömmelnden Wollüstler arges Unwesen dem Grafen, der damals, 1454, über Sangerhausen gebot; dieser glaubte nicht an die unerhörte Mär, aber der Schmied führte den Grafen verkappt in die Versammlung, damit er den argen Frevel mit eigenen Augen sehe und höre, und da sah und hörte der Graf sein blaues Wunder, ließ alsbald die Rotte einziehen und Gericht über sie halten. Darauf sind sie samt und sonders zum Feuertod verurteilt und verbrannt worden.

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