327. Capistranus‘ Kardinalsbirne

Als der eifrige Barfüßermönch Johann Capistranus gen Magdeburg kam, um auch allda dem Volke Buße zu predigen, und daß es sich abtue allen eiteln Schmuckes, da zog ihm der Erzbischof Friedrich mit seiner ganzen Klerisei entgegen unter Glockengeläute mit Kreuzen und Fahnen, und viel Volk folgte nach, und ward also prächtig empfangen und ihm auf dem neuen Markt ein hoher Predigtstuhl erbaut, von dem herab er predigte. Da brachten die Männer alle Brett-, Würfel- und Kartenspiele, Larven und Pritschen und Narrengugeln vom Mummenschanz, und die Frauen brachten ihre Schnüre und Schleier und Zöpfe und allerlei Putztand; da ließ der eifrige Volksprediger ein Feuer schüren und alles Dargebrachte darin zu Asche verbrennen. Capistranus predigte so gewaltig, daß die Leute weinen mußten, wenn sie auch zu fern standen, ihn zu verstehen; wie mögen erst die geweint haben, die ihm nahe standen! Er erschloß die Tränenschleusen und ließ sie stromweise rinnen, welches Kunststück ihm noch immer nachzutun versucht wird. Da man nun beim Mahle nach der Predigt dem Capistran ganz besonders gute Birnen auftischte, die ihm sehr trefflich mundeten, zumal er sich den Hals mochte sehr trocken geredet haben, so segnete und weihete er diese Birnen, und dieselben haben von da den Namen Kardinalsbirnen empfangen. Ob sie nun besser von Art und Geschmack sind als die Melanchthonsbirne, welche der Sage nach im Superintendenturgarten zu Pegau seit dreihundert Jahren gepflegt wird, weil Melanchthon sie vortrefflich befand, das werden wohl leichter die Pomologen als die Theologen entscheiden.

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