„Das ist gut für den Kohl!“ sagte die Henne. „Übrigens können wir es auch warm haben! Hatten wir nicht vor vier Jahren einen Sommer, der fünf Wochen lang währte?“ Es war so heiß, man konnte nicht atmen! Und dann haben wir nicht alle die giftigen Tiere, die sie dort haben! Und wir sind von Räubern frei! Der ist ein Bösewicht, der nicht findet, daß unser Land das schönste ist! Er verdient wahrlich nicht, hier zu sein!“ Und dann weite die Henne und fuhr fort: „Ich bin auch gereist! Ich bin in einer Bütte über zwölf Meilen gefahren! Es ist durchaus kein Vergnügen beim Reisen!“
„Ja, die Henne ist eine vernünftige Frau!“ sagte die Puppe Bertha. „Ich halte auch nichts davon, Berge zu bereisen, denn das geht nur hinauf und dann wieder herunter! Nein, wir wollen hinaus vors Tor in die Sandgrube ziehen und im Kohlgarten umherspazieren!“ Und dabei blieb es. Sonnabend
„Bekomme ich nun Geschichten zu hören?“ fragte der kleine Hjalmar, sobald Ole Luk-Oie ihn in den Schlag gebracht hatte. „Diesen Abend haben wir keine Zeit dazu“, sagte Ole Luk-Oie und spannte seinen schönsten Regenschirm über ihm auf. „Betrachte nun diese Chinesen!“ Und der ganze Regenschirm sah aus wie eine große chinesische Schale mit blauen Bäumen und spitzen Brücken und mit kleinen Chinesen darauf, die dastanden und mit dem Kopf nickten. „Wir müssen die ganze Welt bis morgen schön aufgeputzt haben“, sagte Ole Luk-Oie; „es ist ja dann ein Feiertag, es ist Sonntag. Ich will zu den Kirchtürmen hin, um zu sehen, ob die kleinen Kirchenkobolde die Glocken polieren, damit sie hübsch klingen! Ich will hinaus auf das Feld und sehen, ob die Winde den Straub von Gras und Blättern blasen; und was die größte Arbeit ist, ich will alle Sterne herunterholen, um sie zu polieren. Ich nehme sie in meine Schürze; aber erst muß ein jeder numeriert werden, damit sie wieder auf den rechten Fleck kommen können, sonst würden sie nicht festsitzen, und wir bekämen zu viele Sternschnuppen, indem der eine nach dem andern herunterpurzeln würde!“
„Hören Sie, wissen Sie was, Herr Luk-Oie!“ sagte ein altes Portrait, welches an der Wand hing, wo Hjalmar schlief; „ich bin Hjalmars Urgroßvater; ich danke Ihnen, daß Sie dem Knaben Geschichten erzählen, aber Sie müssen seine Begriffe nicht verwirren. Die Sterne können nicht herunterkommen und poliert werden: Die Sterne sind Weltkugeln, ebenso wie unsere Erde, und das ist gerade das Gute an Ihnen.“
„Ich danke dir, du alter Urgroßvater“, sagte Ole Luk-Oie; „ich danke dir! Du bist ja das Haupt der Familie; du bist das Urhaupt: aber ich bin doch älter als du! Ich bin ein alter Heide; Römer und Griechen nannten mich den Traumgott! Ich bin in die vornehmsten Häuser gekommen und komme noch dahin! Ich weiß sowohl mit Geringen wie mit Großen umzugehen! Nun kannst du erzählen!“ Und da ging Ole Luk-Oie und nahm seinen Regenschirm mit.
„Nun! Nun! Man darf wohl gar seine Meinung nicht mehr sagen!“ brummte das alte Portrait. Und da erwachte Hjalmar. Sonntag
„Guten Abend!“ sagte Ole Luk-Oie, und Hjalmar nickte und sprang dann hin und kehrte das Portrait des Urgroßvaters gegen die Wand um, damit es nicht wie gestern mit hineinreden könne.
„Nun mußt du mir Geschichten erzählen: von den fünf grünen Erbsen, die in einer Schote wohnten, und von dem Hahnenfuß, der dem Hühnerfuß den Hof machte, und von der Stopfnadel, die so vornehm tat, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein!“
„Man kann auch des Guten zuviel bekommen!“ sagte Ole Luk-Oie. „Du weißt doch wohl, daß ich dir am liebsten etwas zeige! Ich will dir meinen Bruder zeigen. Er heißt auch Ole Luk-Oie; aber er kommt zu keinem öfter als einmal, und zu wem er kommt, den nimmt er mit auf seinem Pferd und erzählt ihm Geschichten. Er kennt nur zwei; die eine ist so außerordentlich schön, daß niemand in der Welt sie sich denken kann, und die andere ist so häßlich und gräßlich, daß sie gar nicht zu beschreiben ist!“ Und dann hob Ole Luk-Oie den kleine Hjalmar zum Fenster hinaus und sagte: „Da wirst du meinen Bruder sehen, den anderen Ole Luk-Oie! Sie nennen ihn auch den Tod! Siehst du, er sieht gar nicht so schlimm aus wie in den Bilderbüchern, wo er nur ein Knochengerippe ist! Nein, das ist Silberstickerei, die er auf dem Kleide hat; das ist die schönste Husaren-Uniform; ein Mantel von schwarzem Samt fliegt hinter ihm über das Pferd! Sie, wie er im Galopp reitet.“
Und Hjalmar sah, wie dieser Ole Luk-Oie davonritt und sowohl junge wie alte Leute auf sein Pferd nahm. Einige setzte er vorne, andere hinten auf, aber immer fragte er erst: „Wie steht es mit dem Zeugnisbuch?“ -„Gut!“ sagten sie allesamt. „Ja, laßt mich selbst sehen!“ sagte er; und dann mußten sie ihm das Buch zeigen, und alle, die „Sehr gut“ und „Ausgezeichnet gut“ hatten, kamen vorne auf das Pferd und bekamen die herrliche Geschichte, die aber, welche „Ziemlich gut“ und „Mittelmäßig“ hatten, mußten hintan auf und bekamen die gräßliche Geschichte zu hören; sie zitterten und weinten sie wollten vom Pferde springen, konnten es aber nicht, denn sie waren sogleich daran festgewachsen.
„Aber der Tod ist ja der prächtigste Ole Luk-Oie!“ sagte Hjalmar. „Vor ihm ist mir nicht bange!“ „Das soll dir auch nicht sein!“ sagte Ole Luk-Oie. „Sieh nur zu, daß du ein gutes Zeugnisbuch hast!“ „Ja, das ist lehrreich!“ murmelte des Urgroßvaters Portrait. „Es hilft doch, wenn man seine Meinung sagt!“ Und nun gab er sich zufrieden.
Sieh, das ist die Geschichte von Ole Luk-Oie; nun mag er dir selber heute abend mehr erzählen.