»Mehr hat die Erde mir nicht zu geben!« brach Rudi stürmisch aus.
Und die Abendglocken klangen von den Bergen Savoyens, von den Bergen der Schweiz herab. Im Goldglanz erhob sich gegen Westen das dunkelblaue Juragebirge.
»Gott gebe dir das Herrlichste und Beste!« sagte Babette sanft und zärtlich.
Das will er!« entgegnete Rudi. »Morgen habe ich es! Morgen bist du ganz die Meine, mein trautes. Reizendes Weibchen!2
»Das Boot!« rief Babette in demselben Augenblicke.
Das Boot, welches sie zurückbringen sollte, hatte sich gelöst und trieb von der Insel ab.
»Ich hole es!« entgegnete Rudi, warf seinen Rock ab, zog schnell die Stiefel aus, sprang in den See und schwamm mit kräftigen Bewegungen dem Boote nach.
Kalt und tief war das klare, blaugrüne eiswasser aus dem Gletscher. Rudi schaute in die Tiefe, nur einen einigen Blick warf er herab; und es kam ihm vor, als sähe er einen goldenen Ring rollen, blinken und spielen. Er gedachte seines verlorenen Verlobungsringes, und der Ring wurde größer, dehnte sich zu einem funkelnden Kreise aus und darin leuchtete der helle Gletscher. Ringsum gähnten unendlich tiefe Klüfte, und das Wasser tropfte wie ein Glockenspiel und in weißlichblauen Flammen erglänzend hinab. In einem Augenblicke überschaute er, was wir in langen vielen Worten erzählen müssen. Junge Jäger und junge Mädchen, Männer und Weiber, einst in die Spalten des Gletschers gesunken, standen hier lebendig mit offenen Augen und lächelndem Munde. Tief unter ihnen erschallte der Klang der Kirchenglocken aus den begrabenen Dörfern. Die Gemeinde kniete unter dem Kirchengewölbe, Eisstücke bildeten die Orgelpfeifen, der Gebirgsstrom spielte die Orgel. Die Eisjungfrau saß auf dem hellen, durchsichtigen Grunde, sie schwang sich zu Rudi empor, küsste ihm die Füße, und ein Todesschauer durchzitterte seine Glieder, es war, als träfe ihn ein elektrischer Stoß –Eis und Feuer zugleich! Bei der kurzen Berührung fühlt man zwischen ihnen keinen Unterschied.
»Mein, mein!« klang es um ihn und in ihm. »Ich küsste dich, als du noch klein warst, küsste dich auf den Mund! Jetzt küsse ich dich auf die Zehen und Fersen, mein bist du ganz!«
Und er war verschwunden in dem klaren, blauen Wasser.
Alles war still. Die Kirchenglocken hörten auf zu läuten, die letzten Töne verschwanden mit dem Glanze der roten Wolken.