entlang. Das düstre Chillon spiegelte seine grauen Mauern und schwarzen Türme in dem klaren Wasser. Die kleine Insel mit den drei Akazien lag noch näher, sie sah aus wie ein Blumenstrauß auf dem See.
»Dort drüben muß es lieblich sein!« sagte Babette, sie hatte wieder die größte Lust, hinüberzukommen, und der Wunsch ließ sich sofort erfüllen. Ein Boot lag am Ufer; der Strick, der es hielt, war leicht zu lösen. Man sah niemand, den man hätte um Erlaubnis fragen können, und deshalb nahm man ohne weiteres das Boot. Mit der Ruderkunst war Rudi ganz vertraut.
Die Ruder griffen wie Fischflossen in das nachgiebige Wasser; es ist so gefügig und doch so stark, es ist ganz Rücken zum Tragen, ganz Mund zum Verschlingen, sanft lächeln, die Weichheit und Sanftmut selbst, und doch Schrecken einjagend und stark zum Zerschmettern. Schäumend spritzte das Kielwasser hinter dem Boote auf, das in wenigen Minuten die beiden zur Insel hinübertrug. Dort stiegen sie ans Land. Hier gab es keinen größeren Platz, als gerade zu einem Tänzchen für die beiden hinreichte.
Rudi schwenkte Babetten zwei-, dreimal herum, und dann setzten sie sich auf die kleine Bank unter den herabhängenden Akazien, schauten einander in die Augen, hielten einander an den Händen, und alles ringsumher strahlte im Glanze der sinkenden Sonne. Die Tannenwälder auf den Bergen erhielten dem blühenden Heidekraut gleich ein rötlichlila Aussehen, und wo die Bäume aufhörten und der nackte Fels hervortrat, glühte er, als ob er durchsichtig wäre. Die Wolken am Himmel leuchteten wie das rote Gold, der ganze See glich einem frischen flammenden Rosenblatte. Während sich die Schatten bis zu den schneebedeckten Bergen Savoyens erhoben, wurden diese dunkelblau, aber der oberste Rand leuchtete wie die rote Lava. Er enthüllte einen Moment aus der Gebirgsschöpfung, als sich diese Massen glühend aus dem Schoße der Erde erhoben und noch nicht erloschen waren. Es war ein Alpenglühen, wie Rudi und Babette nie ein ähnliches gesehen zu haben meinten. Der schneebedeckte »Dent du Midi« hatte einen Glanz wie die Scheibe des Vollmondes, wenn er sich am Horizonte erhebt.
»Soviel Schönheit, soviel Glück!« riefen beide. – Mehr hat die Erde nicht zu geben!« sagte Rudi. »Eine Abendstunde wie diese ist doch ein ganzes Leben! Wie oft empfand ich mein Glück, wie ich es jetzt empfinde, und dachte, wenn jetzt plötzlich alles endete, wie glücklich hätte ich doch gelebt! Wie voller Segen ist doch diese Welt! Und der Tag endete, allein ein neuer begann wieder, und es kam mir vor, als wäre dieser noch schöner! Der liebe Gott st doch unendlich gut, Babette!«
»Ich bin so glücklich!« erwiderte sie.