hinüberzufahren, damit die Töchter der Frau Patin die Braut schmücken könnten.
»Es wird wohl am nächsten Tage hier im Hause eine Nachfeier geben«, sagte die Stubenkatze. »Sonst ist das Ganze auch nicht ein einziges Miau wert.«
»Hier gibt es natürlich ein Fest«, sagte die Küchenkatze. »Enten sind geschlachtet, Tauben gerupft und eine ganze Gemse hängt an der Wand. Mir wässert ordentlich der Mund, wenn ich sie mir betrachte! – Morgen begeben sie sich schon auf die Reise.«
Ja morgen! Diesen Abend saßen Rudi und Babette zum letztenmal als Verlobte in der Mühle.
Draußen war Alpenglühen, die Abendglocke klang, die Töchter der Sonnenstrahlen sangen: »Das Beste geschehe!«
14. Nächtliche Gesichte
Die Sonne war untergegangen; die Wolken senkten sich zwischen die hohen Berge im Rhonetal hinab; ein Südwind, der über die heißen Sandwüsten Afrikas hinweggebraust war, blies über die hohen Alpen fort, ein Föhn, welcher die Wolken zerriß. Als der Wind vorübergejagdt war, wurde es einen Augenblick ganz still. Die zerrissenen Wolken lagerten sich in phantastischen Gestalten zwischen den waldbedeckten Bergen über die schnell dahinfließende Rhone. Sie bildeten die Gestalten der Seetiere der Urwelt, des schwebenden Adlers der Luft und der springenden Frösche des Sumpfes; sie senkten sich auf den reißenden Strom hinab, sie segelten auf ihm und segelten doch in der Luft. Der Strom führte eine mit den Wurzeln ausgerissenen Tanne mit sich, vor ihr zeigten sich im Wasser kreiselnde Wirbel. Es war der Schwindel, es war mehr als einer seiner Brüder, die sich auf dem rauschenden Strome im Kreise drehten. Der Mond beleuchtete den Schnee der Berggipfel, die dunklen Wälder und die weißen, sonderbaren Wolken, die Gesichte der Nacht, die Geister der Naturkräfte. Der Bauer im Gebirge sah sie durch die Scheiben, scharenweise schwebten sie vor der Eisjungfrau her. Sie kam von ihrem Gletscherschlosse, sie saß auf ihrem zerbrechlichen Schiffe, einer ausgerissenen Tanne, das Gletscherwasser trug sie den Strom abwärts nach dem offenen See.
»Die Hochzeitsgäste kommen!« brauste und sang es in Luft und Wasser.
Gesichte draußen, Gesichte drinnen. Babette hatte einen merkwürdigen Traum.