geschossen, seitdem Rudi als Kind zum letzten Male hier gewesen war. Es kam ihm vor, als ob alle die niedlichen hölzernen Häuser, welche Großvater ausgeschnitzt hatte und mit denen das Spind zu Hause angefüllt war, sich hier aufgestellt hätten und ebenso kräftig wie die alten, edlen Kastanienbäume aufgewachsen wären. Jedes Haus hieß ein Hotel, Fenster und Altane zeichneten sich durch treffliche Holzarbeiten aus, die durch ihre Schönheit und Zierlichkeit dem Ganzen einen eigentümlichen Reiz verliehen, und vor jedem Hause dehnte sich ein reizender Blumengarten bis an die breite, asphaltierte Landstraße aus. Längs der Straße standen nur auf der einen Seite die Häuser, sie würden sonst die frische, grüne wiese unmittelbar davor versteckt haben, auf welcher die Kühe mit ihren Glocken gingen, die gerade wie auf den hohen Alpenweiden klangen. Die Wiese war von hohen Bergen eingeschlossen, die gerade in der Mitte gleichsam zur Seite traten, so daß man die Jungfrau, diesen leuchtenden, schneebedeckten Berg, recht überschauen konnte, den schönsten aller Schweizerberge.
Was für eine Menge geputzter Herren und Damen aus fremden Ländern, was für ein Gewimmel von Landleuten aus den verschiedenen Kantonen! Die Schützen trugen ihre Schießnummer am Hute. Überall war Musik und Gesang, ließen sich Leierkasten und Blasinstrumente, Rufen und Lärmen vernehmen. Häuser und Brücken waren mit Versen und Emblemen geschmückt. Flaggen und Fahnen wehten, die Büchsen knallten Schuß auf Schuß. Das war die schönste Musik in Rudis Ohren, er vergaß unter all diesen Babette völlig, um derentwillen er doch allein hergekommen war.
Die Schützen drängten sich zum Scheibenschießen, Rudi war bald unter ihnen, und zwar der Geschickteste, der Glücklichste. Immer traf er mitten in das Schwarze.
»Wer ist nur der fremde, blutjunge Jäger?« fragte man. »Er spricht die französische Sprache, wie sie im Kanton Wallis geredet wird. Er drückt sich aber auch in unserer deutschen Sprache ganz verständlich aus!« sagten einige. »Als Kind soll er hier in der Gegend von Grindelwald gelebt haben!« wusste jemand zu berichten.
Es war Leben in dem Burschen, seine Augen leuchteten, sein Blick und Arm war sicher. Glück verleiht Mut, und Mut hatte Rudi ja immer. Bald hatte er hier schon einen großen Kreis von Freunden um sich, man ehrte ihn; man huldigte ihm; Babette war ihm fast ganz aus den Gedanken entschwunden. Da schlug ihm plötzlich eine schwere Hand auf die Schulter, und eine grobe Stimme redete ihn in französischer Sprache an: »Ihr seid aus dem Kanton Wallis?«