John Stuart Mill (1806 – 1873)

Der englische Ökonom, Philosoph und Logiker John Stuart Mill ist einer der Hauptvertreter empriristisch orientierten Denkens und ein Mitbegründer des Utilitarismus.

Sein Vater, James Mill, versuchte ihn von frühester Kindheit an zu einem universal gebildeten Gelehrten heranzuziehen. So wurde er frühzeitig mit zeitgenössischen Gesellschaftswissenschaftem, mit der Mathematik sowie mit alten und modernen Sprachen vertraut gemacht.

Lange Zeit, ab 1823, war John Stuart Mill als Mitglied der ostindischen Kompanie tätig. Er leitete sie von 1856 bis 1858. Bereits als 17jähriger gründete Mill eine Utilitarian Society, die für Redefreiheit und das Wahlrecht der Arbeiter eintrat.

Später vertrat er einige Jahre die Liberalen im Parlament und setzte sich für die Gleichberechtigung der Arbeiter und Frauen ein.

Mill forderte die Geburtenkontrolle als Voraussetzung für die Emanzipation der Frau und sprach sich dafür aus, den Arbeitern Koalitionsfreiheit und Mitbeteiligung an den Betrieben mit gleichem Anteil am Gewinn aus der Arbeit zu gewähren. Dem Eigentumserwerb sollten keinerlei Schranken gesetzt werden. Das Wachstum der Produktion sollte aber hinter eine gerechte Verteilung des Vorhandenen treten.

Der Staat habe dafür zu sorgen, dass allen die gleiche allgemeine Bildung zukomme. Die Regierung solle in den Händen einer von allen ständischen Privilegien freien Bildungselite liegen, zu der jeder nach Befähigung Zutritt haben müsse. Lediglich die Arbeiter können, so meinte Mill, wegen ihrer mmangelnden Reife vorerst noch nicht zum von ihm vorausgesagten allgemeinen Stimmrecht zugelassen werden, ihre Rechte hätten ihnen nahestehende Vertreter der Bildungselite zu vertreten.

Aus Diskussionen mit Anhängern von Owen gelangte Mill zu der Auffassung, dass der Sozialismus ein wünschenswertes Ziel für die ferne Zukunft sei, gegenwärtig aber nur in eingegrenzten Bezirken innerhalb der bestehenden Gesellschaft zu erproben würe.

Aufgabe der Ethik ist nach Mill die sittliche Neugestaltung der Gesellschaft im Sinne befriedigenden Ausgleiches zwischen Individuum und Gemeinschaft. Die sittlichen Werte sind nicht ursprünglich , intuitiv und veränderlich, sondern empirisch und genetisch. Höchstes Ziel sittlichen Handelns ist für Mill (Utilitarism, 1864), nach dem Vorbild von Bentham die Beförderung des größtmöglichen Glücks aller.

Mill modifizierte in seinem Werk Utilitarism (1861) den Utilitarismus von Bentham, indem er über das Programm der Quantifizierung von Lust- und Unlustgefühlen hinaus die freie Entfaltung der Persönlichkeit für das wahre, nicht exakt aufrechenbare Glück des Menschen erklärte.

Er geht damit von einem mehr quantitativen Utilitarismus bei Bentham zu einem mehr qualitativ orientierten über. Er macht auf verschiedene Qualitäten von Lust aufmerksam und wehrt so den Eindruck ab, der Utilitarismus ergreife gegen wissenschaftliche, künstlerische und humanitäre Beschäftigung Partei, indem er unter Glück das verstehe, was die Mehrheit der Menschen sich im allgemeinen wünsche.

Außerdem versucht Mill einige der Einwände gegen den Utilitarismus zu entkräften, so z. B. den der Supererogationen, und versucht einen Beweis des Nützlichkeitsprinzips.

Religiös nimmt Mill, aus ethischen Gründen, ein höchstes, göttliches Wesen an. Aufgrund der kosmologischen Tatsachen bewzweifelt er jedoch die Allmacht Gottes.

In seinem System of logic knüpft Mill an Comte an, geht aber im Gegensatz von diesem von der Psychologie aus und setzt damit die Tradition der von Hume initiierten Assoziationspsychologie fort.

Nach Mill hat die Logik erkenntnistheoretischen Charakter. Sie ist "die Wissenschaft von den Verstandesoperationen, welche zur Schätzung der Evidenz dienen". Die Logik muss die psychologischen Bedingungen des Denkens berücksichtigen. Die Logik ist z. T. Methodenlehre.

Mill negierte die Möglichkeit der Erkenntnis des wahren Wesen von Erscheinungen. Aufgabe des Menschen ist das Erkennen von Erscheinungen, die durch Empfindungen wahrgenommen werden, außerhalb derer keiner Dinge existieren.

Für Mill sind Axiome experimentelle Wahrheiten. Sie werden durch Verallgemeinerung aus der Beobachtung gewonnen und sind das Ergebnis der Induktion. Vorausgesetzt wird die Gleichmäßigkeit des Naturgeschehens.

Das Urteil definierte Mill als Feststellung von Beziehungen zwischen Erscheinungen. Davon ausgehend unterteilte er die Urteile in fünf Arten: Koexistenz, Konsequenz, Existenz, kausale Abhängigkeit und Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Erscheinungen.

Gestützt auf die induktive Logik von Bacon, auf die Arbeiten von Whatley und Whewell, auf die Erfahrung bei der Anwendung induktiver Schlüsse in den kosmischen Forschungen von Herschel, schuf Mill ein logisches System auf psychologischer Grundlage, in der er insbesondere die induktive Logik vorantrieb.

Einen großen Beitrag zur modernen Logik leistete Mill mit der Analyse der Methoden zur Untersuchung kausaler Zusammenhänge.

Diese Methoden waren schon vorher in den Naturwissenschaften bekannt, wurden aber von Mill in die logische Debatte gebracht.

Im Gegensatz zu Hume, fasst Mill auch die Mathematik als rein induktive Wissenschaft auf. Er bemerkt, dass von Wissenschaft nur dann die Rede sein kann, wenn eine Gleichförmigkeit des Naturlaufs, ein Notwendigkeit von der Art der Kausalität vorausgesetzt wird. Kausalität gilt ihm als eine durch Erfahrung verbürgte Verallgemeinerung, die den weiteren Erfahrungen zugrunde gelegt wird. Daraus kommt Mill zu einer Auffassung des Syllogismus: Der Schluss erfolgt nicht von einem Allgemeinen auf ein Besonderes, sondern immer nur von Besonderem auf Besonderes.

Ob Kausalität der Realität an sich zukommt und ob es ein Ding an sich gibt, lässt sich nicht sagen. Dies ist auch nicht erforderlich, da es genügt, wenn die Wissenschaft zu Sätzen kommt, die zwar nicht logisch zwingend sind, aber doch mit einer solchen Konstanz den Erfahrungstatsachen entsprechen, dass ihre Verneinung nicht zulässig ist.

Die Kausalität der Realität, ihr Nicht-anders-sein-Können, ist also nur ein Nicht-anders-denken-Können der menschlichen Psyche. Naturgesetze sind nur als Gesetze der Psychologie oder der Physiologie des Denkens faßbar.

Seine Ökonomie steht in der Tradition von Ricardo. Schon mit 16 Jahren publizierte auf dem Gebiet der politischen Ökonomie.

Ab 1829 arbeitete er an seiner Essay-Sammlung Essays on some unsettled questions of political economy, die er 1830 beendet und die 1844, nach dem Erfolg seines System of logic, erschien. Sein ökonomisches Hauptwerk sind die Principles of political economy (1848). Mill knüpft hier bewuß an Adam Smith an, indem er die Ökonomie als ein Teil einer umfassenderen social philosophy interpretiert.

Ausgehend von einer starken Trennung der Gesetze der Produktion von den Gesetzen der Verteilung und von seiner Überzeugung, dass die Einkommens- und Vermögensverteilung durch Institutionen geprägt werde, die ihrerseits – auch bei gegebenen Eigentumsverhältnissen – durch politische Entscheidungen veränderbar seien, hat Mill den Verteilungsfragen große Aufmerksamkeit geschenkt und z. B. Reformvorstellungen für die Verteilung des Bodeneigentums und für die Erbschaftsbesteuerung entwickelt. Außerdem finden sich einige originäre Gedanken zur Theorie der Kuppelproduktion, zum Begriff der Opportunitätskosten und zum Gesetz von Angebot und Nachfrage.

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