Bedürfnis

Der Begriff Bedürfnis wird in der Philosophie nicht einheitlich verwendet.

Häufig wird Bedürfnis durch den Mangelzustand eines biologischen Organismus bestimmt.

Die Bedürfnisse werden häufig aus anthropologischen Annahmen abgeleitet.

Diese Annahmen variieren, so dass für die einen Hunger, Durst und Sexualität die Grundbedürfnisse des Menschen sind, für die anderen (z. B. Hobbes) Selbsterhaltungs- und Machtstreben.

Den Kynikern, dem Demokritos und den Stoiker galt im Anschluß an eine Lehre des Sokrates [Xenophon, Memor. I 6, 10] die Autarkie (Selbstgenügsamkeit, Bedürfnislosigkeit) als Ziel des Weisen.

Für Sokrates ist Autarkie die Bedingung der Verwirklichung von Freiheit.

Bei Platon ist Autarkie die Unabhängigkeit von äußeren Dingen und anderen Menschen.

Bei Aristoteles gründet das Gute in der Autarkie.

In der Theologie ist die Autarkie diejenige Eigenschaft Gottes, durch die er keines andern zu seiner Existenz bedarf.

Man nennt eine Volkswirtschaft autark, wenn sie die Selbstversorgung eines Landes garantiert, durch sie alles erzeugt wird, was die Bevölkerung braucht, so dass weder Einfuhr noch Ausfuhr nötig sind. Autarkie in diesem Sinne hat z. B. Fichte für seinen geschlossenen Handelsstaat gefordert.

Im ethischen Kontext wird er Unterschied von höheren und niederen Bedürfnissen thematisiert, wobei zumindest im Utilitarismus der Unterschied zumeist aus dem Gegensatz zwischen sinnlicher Lust und geistigem Interesse abgeleitet wird.

Die sinnlich-vitalen Bedürfnisse, die unmittelbar mit der Lebenserhaltung in Beziehung stehen, hat der Mensch mit den Tieren gemeinsam. Bereits hier gibt es jedoch beim Menschen einige Besonderheit, z. B. die Aufschiebbarkeit der Bedürfnisbefriedigung, die gesellschaftliche Überformung (Vorlieben für Speisen, Mode, Tischsitten, Sexualnormen) und die willentliche Beherrschung.

Mit Hegel [Rechtsphilosophie, &;&; 189-208] kommt eine sozialphilosophische Perspektive ins Spiel. Hegel weist darauf hin, dass der Mensch sich erst durch die Bearbeitung der Natur die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung verschaffen muss. Die Bearbeitung der Natur geschieht in der Form der Arbeitsteilung. Spezifisch für die bürgerliche Gesellschaft ein System der Bedürfnisse und damit ein System gegenseitiger Abhängigkeit.

Da jeder über seine Bedürfnisse hinaus Güter produziert, arbeitet jeder für die Bedürfnisse des anderen. Hegel nennt die Bedürfnisse, die erst in der Gesellschaft über den Austausch der Produkte befriedigt werden können, als gesellschaftliche Bedürfnisse.

Da der Mensch den unmittelbaren Genuß der Natur in einem gesellschaftlich vermittelten Austausch überwindet – so Marx, hat der Mensch die tierische Ebene verlassen. Durch die Produktion von Gütern befriedigt er nicht nur seine Bedürfnisse, sondern produziert auch neue Bedürfnisse und damit seine zweite Natur. Da die Bedürfnisse immer gesellschaftlich produziert und in kulturellen Prozessen geformt sind, erweist sich die Annahme von rein biologischen Bedürfnissen als nicht haltbar.

Gehlen stellt den biologischen Bedürfnissen das sachliche Interesse an der Ausbildung von Handlungsmöglichkeiten gegenüber.

Bei Fromm finden sich neben den biologischen Bedürfnissen auch psychische Bedürfnisse der emotionalen Bezogenheit und Verbundenheit.

Marcuse verbindet die Emanzipation des Menschen mit der Unterscheidung zwischen wahren und falschen Bedürfnissen und dem Recht des Menschen zu entscheiden, welche Bedürfnisse entwickelt und befriedigt werden sollen.