Johannes Scotus Eriugena (ca. 810 – ca. 877)

Johannes Scotus (der Schotte) Eriugena (der Irländer) ist ein in Irland (welches damals Scotia maior hieß) geborener Schotte. Er ging um 840 an den Hof Karls des Kahlen von Frankreich nach Paris. Dort arbeitete er als Lehrer an der Hofschule und übersetzte Schriften des Dionysius Areopagita und dessen Kommentators Maximus Confessor ins Lateinische.

Gegen den Mönch Gottschalk schrieb er eine Abhandlung De divina praedestinatione, wegen welcher er als Ketzer verdächtigt wurde.

Seine Lehre ist der Versuch einer Verschmelzung des neuplatonischen Emanationssystems mit dem christlichen Schöpfungsgedanken und der Trinitätslehre.

Die Heilige Schrift und die Schriften der Kirchenväter sind ihm eine Offenbarung der Vernunft. Wahre Philosophie und wahre Religion sind identisch. Die Philosophie gliedert sich in praktische, physische, theologische und logische Wissenschaft. Wie Pseudo-Dionysios unterscheidet Johannes Scotus Eriugena positive und negative Theologie. Letztere hat den Vorrang, da Gott überber alles, was man von ihm aussagen kann, erhaben ist.

Er ist ein Vertreter des Realismus. Das Allgemeine ist real, als Idee vor den Dingen und als Essenz in den Dingen.

Die Dialektik als die Lehre von den allgemeinen Begriffen und Wesenheiten geht von den Gattungen zu den Arten und von diesen wieder zu den Gattungen. Die Kategorien stehen untereinander in Beziehung, wobei die Substanz (ousia) die Grundlage der anderen ist. Keine Kategorie vermag das Wesen Gottes auszudrücken.

Gott schafft alles und tritt daher in allem aus seiner Verborgenheit hervor. Die Zeit ist erst mit der Welt entstanden. Unmittelbar geht aus Gott die Welt der Ideen hervor, die intelligible, ewiggeschaffene, übersinnliche Welt (mundus intelligibilis).

Die Ideen sind die schöpferischen Urbilder und Urgründe der Dinge. Die Einheit der Ideen ist der Logos. Durch seinen Willen und sein Schauen erschafft nun Gott die raum-zeitliche Welt als Abbild der Idealwelt aus Nichts oder aus seinem Wesen heraus.

Die Körper bestehen aus Form und Materie bzw. aus vier Elementen.

Der Mensch ist ein Mikrokosmus. Die Seele ist eine einfache, sich selbst denkende Substanz, welche den Körper durchdringt, der ihr Abbild ist. Die Seele be- wegt den Leib.

Die Erkenntnis schwingt sich von der sinnlichen Wahrnehmung über die Erfassung der Ideen durch die Vernunft zur Schauung Gottes in seiner Theophanie.

Das Böse existiert nicht in Gott, es ist unnatürlich, beruht nur auf einer Verkehrtheit des freien Willens, einer Privation des Guten.

Die Lehre des Johannes Scotus Eriugena hat u. a. David von Dinant und Amalrich von Bena beeinflußt.