Sophie Germain (1776 – 1831)

Sophie Germain wurde 1776 in Paris als mittlere von drei Töchtern geboren.

Sie war Autodidaktin. Mit Hilfe von Büchern, die sie als Dreizehnjährige in der Bibliothek des Vaters entdeckte, erwarb sie Grundkenntnisse der Analysis. Sie brachte sich selbst Latein bei, um die Werke von Newton und Euler lesen zu können.

Als ihr mathematisches Interesse offenkundig wurden, engagierte ihre Familie nicht etwa Privatlehrer zur Förderung der Begabung, sondern versuchte mit allen Mitteln ihre Neigung zu bekämpfen.

Außer für Mathematik interessierte sie sich besonders für philosophische und gesellschaftspolitische Fragen sowie für Literatur und Musik.

Ausgangspunkt ihres 1833 posthum veröffentlichten wissenschaftstheoretischen Essays Considérations générales sur l’état des sciences et des lettres ist ihre Überzeugung einer tiefen Verwandtschaft der Denkweisen in den Natur- und Geisteswissenschaften. Ihrer Ansicht nach liegen alle menschlichen Tätigkeiten bestimmte universale Grundformen des Denkens zugrunde.

Um ihre These zu belegen, weist sie anhand der historischen Wissenschaftsentwicklung nach, dass das menschliche Denken stets eine Strukturierung der Erscheinungen intendierte.

In der Wissenschaftsentwicklung unterscheidet Sophie Germain drei aufeinanderfolgende Stadien.

  1. Auf der ersten Stufe sucht der Mensch überall sein Ebenbild. Zunächst personifiziert er leblose Gegenstände, die ihm Urheber für alle Naturvorgänge sind (Fetichismus). Später erdichtet er unsichtbare Wesen, um sich die Naturerscheinungen zu erklären (Polytheismus). In der letzten Phase führt er die Regelmäßigkeit der Himmelsbewegungen und die Beständigkeit der irdischen Naturphänomene auf das Wirken eines einzigen Gottes zurück.
  2. Das zweite Niveau wird erreicht, wenn der Mensch sich mit einem beliebigen göttlichen Willen nicht mehr begnügt, sondern in allen Dingen das Gesetz der Notwendigkeit sucht und über die gegenseitige Abhängigkeit aller Ereignisse nachdenkt. Was seinen positiven Kenntnissen noch fehlt, versucht er durch seine Systeme zu ersetzen mit dem Ziel, bekannte Tatsachen zu einer Gesamtheit zu vereinen.
  3. Das dritte Stadium folgt auf die Systeme der philosophischen Spekulation als methodische sich an der Erfahrung wendende Forschung.

Die Übereinstimmung mit Comtes Dreistadiengesetz ist frappierend. Es ist unklar, wem die Priorität zukommt.

Im Gegensatz zu Comte räumt sie der Mathematik eine Sonderstellung unter den exakten Wissenschaften ein. Für ihre Idee einer Einheit der Wissenschaft ist der aus eigener Erfahrung in der Forschung gewonnene Begriff der Analogie von entscheidender Bedeutung.

Da die menschlichen Erkenntnisstrukturen auf Einheit ausgerichtet sind, ergeben sich auf allen Gebieten dieselben formalen Ordnungsbeziehungen, wenn auch jeweils zwischen verschiedenen Objekten.

Daher lassen sich Erkenntnisse aus einem Bereich analog stets auf andere Gebiete übertragen. Etliche Theoreme der Physik sind so auch in der Soziologie gültig.

1831 starb sie nach zweijähriger Krankheit an Brustkrebs.

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