Bestrafung der Mägde

Odysseus blickte umher und sah keinen lebenden Feind mehr. Sie lagen hingestreckt in Menge wie Fische, die der Fischer aus dem Netz geschüttet. Da ließ Odysseus durch seinen Sohn die Pflegerin berufen. Sie fand ihren Herrn unter den Leichen wie einen Löwen stehen, der Stiere zerrissen hat, dem der Rachen und die Brust von schwarzem Blute triefen und dessen Auge funkelt. So stand Odysseus, an Händen und Füßen mit Blut befleckt. Frohlockend jauchzte die Schaffnerin, denn der Anblick war groß und fürchterlich. »Freue dich, Mutter«, rief ihr der Held ernsthaft entgegen, »aber jauchze nicht: kein Sterblicher soll über Erschlagene jubeln! Diese hier hat das Gericht der Götter gefället, nicht ich. Jetzt aber nenne mir die Weiber des Palasts: welche mich verachtet haben, welche treu geblieben sind.« »Es sind fünfzig Dienerinnen im Hause«, antwortete Eurykleia, »die wir Kleider wirken, Wolle kämmen, das Hauswesen bestellen gelehrt haben. Von diesen haben sich zwölfe von euch abgewendet und weder mir noch Penelope gehorcht, denn dem Sohn überließ die Mutter das Regiment über die Mägde nicht. – Nun aber laß mich meine schlummernde Herrin erwecken, o König, und ihr die Freudenbotschaft verkünden.« »Wecke jene noch nicht«, antwortete Odysseus, »sondern schicke mir die zwölf treulosen Mägde herunter.« Eurykleia gehorchte, und zitternd erschienen die Dienerinnen. Da rief Odysseus seinen Sohn und die treuen Hirten zu sich heran und sprach: »Traget nun die Leichname hinaus und heißet die Weiber Hand anlegen. Dann lasset sie die Sessel und Tische mit Schwämmen säubern und den ganzen Saal reinigen. Wenn dies geschehen ist, führt mir die Mägde hinaus zwischen Küche und Hofmauer und machet sie alle mit dem Schwerte nieder, daß ihnen der Mutwill ausgetrieben wird, dem sie sich mit den Freiern überlassen haben!« Wehklagend und weinend sammelten sich die Weiber auf einen Haufen, aber Odysseus trieb sie zum Werke und herrschte sie an, bis sie die Toten hinausgetragen, Sessel und Tische gesäubert, den Estrich reingeschaufelt und den Unrat vor die Türe geschleppt hatten. Dann wurden sie von den Hirten zum Palaste hinaus, zwischen Küche und Hofmauer gedrängt, wo kein Ausweg war. Und nun sprach Telemach: »Diese schändlichen Weiber, die mein und meiner Mutter Haupt verunehrt haben, sollen keines ehrlichen Todes sterben!« Mit diesen Worten knüpfte er von Pfeiler zu Pfeiler, das Küchengewölbe entlang, ein ausgespanntes Seil, und bald hingen die Mägde, mit der Schlinge um den Hals, alle zwölf nebeneinander, wie ein Zug Drosseln im Netze und zuckten nur noch eine kurze Weile mit den Füßen in der Luft.

Jetzt wurde auch der boshafte Ziegenhirt Melanthios über den Vorhof herbeigeschleppt und in Stücke gehauen. Als Telemach und die Hirten dies vollbracht hatten, war das Werk der Rache beendigt, und sie kehrten zu Odysseus in den Saal zurück.

Hierauf befahl Odysseus der Schaffnerin Eurykleia, Glut und Schwefel auf einer Pfanne zu bringen und Saal, Haus und Vorhof zu durchräuchern. Noch ehe sie aber dieses Geschäft vornahm, brachte sie ihrem königlichen Herrn Mantel und Leibrock. »Du sollst mir«, sprach sie, »lieber Sohn und unser aller Herr, nicht mehr so mit Lumpen bedeckt im Saale dastehen, du, die herrliche Heldengestalt! Das wäre ja ganz unziemlich.« Odysseus aber ließ die Kleider noch liegen und hieß die Alte an ihr Geschäft gehen. Während diese nun den Saal und das ganze Haus durchräucherte, rief sie auch die treu gebliebenen Dienerinnen herbei. Diese drängten sich bald um ihren geliebten Herrn, hießen ihn mit Freudentränen willkommen, drückten ihr Angesicht auf seine Hände und konnten sich mit Küssen nicht ersättigen. Odysseus aber weinte und schluchzte vor Freuden; denn jetzt erkannte er, wer ihm treu geblieben war.