Dem ersten Zusammentreffen mit Tembinok‘ hatte unsere ganze Gesellschaft mit Unruhe, ja fast mit Besorgnis entgegengesehen. Wir wollten eine Gunst von ihm erbitten; es galt also, ihm in der richtigen, höfischen Haltung eines Bittstellers zu nahen und ihm zu gefallen – oder wir mußten den Hauptzweck unserer Reise ausgeben. Unser Wunsch war es, auf Apemama landen und uns niederlassen zu dürfen, um den merkwürdigen Charakter des Mannes und die seltsamen (und ziemlich unberührten) Sitten der Insel aus der Nähe zu studieren. Auf allen anderen Südseeinseln darf ein Weißer mit seiner Kiste landen und bis an sein Lebensende wohnen bleiben, falls er dazu Lust hat und das nötige Geld oder ein Geschäft besitzt; ich wüßte nicht, was ihn sonst hindern könnte. Apemama dagegen ist ein unzugängliches Eiland, das mit verschlossenen Toren mitten im Meere daliegt, und der König selbst steht wie ein wachsamer Beamter an der Sperre, um unliebsame Gäste zu mustern und abzuweisen. Daher auch der Reiz, den unser Unternehmen für uns besaß: nicht nur weil es mit Schwierigkeiten verbunden war, sondern weil diese gesellschaftliche Quarantäne, die an sich schon eine Merkwürdigkeit bedeutete, andere Merkwürdigkeiten am Leben erhalten hatte.

Tembinok‘ ist wie die meisten Tyrannen konservativ und begrüßt, auch wie die meisten Tyrannen, jede neue Idee mit Begeisterung, vorausgesetzt, daß sie nicht auf dem Gebiete der Politik liegt und auf praktische Reformen abzielt. Als die Missionare erschienen und behaupteten, sie hätten die Wahrheit entdeckt, empfing er sie mit Freuden, wohnte dem Gottesdienste bei, lernte öffentlich beten und ließ sieh als Lernender zu ihren Füßen nieder. So hat er durch Ausnutzung der sich ihm bietenden Gelegenheiten auch Lesen, Schreiben, Rechnen und sein sonderbares, höchst persönliches Englisch gelernt, das so sehr von dem üblichen »Beach de Mar« abweicht und so viel unklarer, ausdrucksvoller und knapper ist. Nachdem er also seine Ausbildung vollendet hatte, begann er die Ankömmlinge kritisch zu betrachten. Wie Nakaeia von Makin ist er ein Freund des Schweigens; gleich einem Riesenohr schwebt er brütend über der Insel, unterhält Spione, die ihm täglich Bericht erstatten, und zieht Untertanen, die singen, denen, die reden, vor. Unter diesen Umständen war es gar nicht zu vermeiden, daß er früher oder später an dem Gottesdienste, vor allem an der Predigt, Anstoß nahm. »Hie mein Insel, hie splechen ie«, bemerkte er eines Tages zu mir. »Mein Häuplinge, die niß splechen – die tun, was ie sagen.« Er richtete seinen Blick auf den Missionar, und was mußte er entdecken? »Ie sehen Kanake splechen in glosse Haus«, meinte er mit einem starken Unterton von Sarkasmus. Trotzdem duldete er dies aufrührerische Schauspiel und hätte es vielleicht bis auf den heutigen Tag geduldet, wenn nicht ein neuer Streitpunkt entstanden wäre. Um seine eigenen Worte zu gebrauchen – er sah noch einmal hin, und der Kanake begnügte sich nicht nur mit Reden, nein, schlimmer noch, er baute sich ein Koprahaus. Das berührte aber die ureigensten Interessen des Königs: sein Einkommen und seine Vorrechte waren bedroht. Außerdem war er der Ansicht, die viele mit ihm teilen, daß Handel treiben mit dem Berufe eines Missionars unvereinbar sei. »Wenn Mitonar denken ›guta Mann‹: dann seh gut. Wenn eh denken ›Kopla‹: niß gut. Iß ihn ssicken foht Ssiff.« Das war seine kurze Fassung der Geschichte der Mission auf Apemama. Dergleichen Deportationen kommen nicht selten vor. »Iß ihn ssicken foht Ssiff«, so lautet der Epitaph vieler Leute, und seine Majestät bezahlt dem Verbannten das Reisegeld bis zur nächsten Station. So mietete er verschiedene Male, da er eine leidenschaftliche Vorliebe für europäisches Essen hatte, für seinen Haushalt einen weißen Koch, nur um ihn regelmäßig wieder deportieren zu lassen. Die Köche schwören, daß sie niemals ihren Lohn bekommen hätten, er dagegen behauptet, sie hätten ihn unerträglich beschwindelt – beide Parteien werden recht haben. Bedeutsamer ist der Fall eines Agenten, der (wie man mir erzählte) von einer Handelsfirma eigens hinausgeschickt wurde, um sich bei dem König einzuschmeicheln, wenn möglich Premierminister zu werden und den Koprahandel zugunsten seiner Arbeitgeber zu betreiben. Er erhielt in der Tat die Erlaubnis zu landen, wandte alle seine Künste an, wurde geduldig von Tembinok‘ angehört, glaubte sich schon dicht am Ziel und – siehe da! Als das nächste Schiff in Apemama anlief, wurde der künftige Premierminister in ein Boot geworfen, an Bord expediert, erhielt feine Fahrkarte in die Hand gedrückt – und Adieu! Doch es ist überflüssig, weitere Beispiele anzuführen; man koste den Pudding, wenn man seine Güte kennen lernen will. Als wir nach Apemama kamen, war von den vielen Weißen, die versucht hatten, sich auf jenem reichen Markte eine Position zu schaffen, ein einziger geblieben – ein schweigsamer, nüchterner, einsamer, geiziger Menschenfeind, von dem der König bemerkte: »Ie glauben, eh gut; eh niß splechen.«

Von Anfang an machte man mich darauf aufmerksam, daß uns unser Vorhaben vielleicht nicht glücken würde; dennoch ließ ich mir die Wirklichkeit nicht träumen. Tatsächlich hielt man uns vierundzwanzig Stunden in der Schwebe und hätte uns zum Schluß um ein Haar abgewiesen. Kapitän Reid hatte seinen Stolz darein gesetzt, uns zu helfen; kaum war daher der König an Bord gekommen und die Henetti-Frage freundschaftlich erledigt, als unser Freund sich schon beeilte, ihm meine Bitte sowie eine Schilderung meiner Vorzüge vorzutragen. Der Köder von dem Sohn der Königin Victoria war für Butaritari gut genug; hier hätte er nicht verfangen, und so posierte ich denn als einer der »Alten Leute Englands«, eine Persönlichkeit voll tiefen Wissens, die eigens in Tembinoks Reich gekommen wäre, um voller Eifer der ebenso eifrigen Königin Victoria über ihn zu berichten. Der König antwortete indes kein Sterbenswörtchen und ging sehr bald zu einem anderen Thema über. Ebensogut hätte er gar nichts zu hören oder zu verstehen brauchen; wir merkten jedoch später, daß er uns eifrig studierte. Während des Essens betrachtete er uns einzeln und in Gruppen und heftete auf jeden etwa eine Minute lang den gleichen harten, gedankenvollen Blick. Währenddessen schien er sich selbst, die Gesellschaft und das Gespräch gänzlich vergessen zu haben und vollkommen in Gedanken versunken dazusitzen; sein Blick war ganz unpersönlich: genauso habe ich Porträtmaler ihre Studienobjekte prüfend betrachten sehen. Die Grunde, weswegen er die Weißen hatte deportieren lassen, waren viererlei: Betrug, Einmischung in den Koprahandel, der die Quelle seines Reichtums darstellt, »Splechen«, das seine Macht antastete, und politische Intrigen. Ich fühlte mich so unschuldig wie ein kleines Kind, aber wie sollte ich ihm das zeigen? Kopra hätte ich nicht geschenkt haben mögen: wie konnte ich nur diese Eigenschaft in meiner Haltung bei Tische ausdrücken? Die übrige Gesellschaft teilte meine Unschuld wie meine Verlegenheit, und nicht minder meine Enttäuschung, als Tembinok‘ nach zwei Mahlzeiten und den freien Momenten, die ihm für derartige Musterungen übrig blieben, ohne ein Wort das Schiff verließ. Am folgenden Morgen das gleiche ungenierte Studium, das gleiche Schweigen, und auch der zweite Tag ging bereits zur Neige, bevor man mir mitteilte, daß ich die Probe bestanden hätte. »Ie sehen dein Auge. Du gute Mann. Du niß lügen«, erklärte der König – für einen Romanschriftsteller freilich ein etwas zweifelhaftes Kompliment. Später setzte er mir dann auseinander, daß er einen Menschen nicht nur nach den Augen, sondern auch nach dem Munde beurteilte. »Wenn iß sehen Mann«, sagte er, »ie niß wissen gute Mann, slimme Mann. Ie sehen Auge, ie sehen Mund. Dann ie wissen. Sehen Auge, sehen Mund«, wiederholte er. In unserem Falle hatte sogar der Mund das meiste dabei zu tun, denn unseren Reden verdankten wir es in erster Linie, daß wir auf der Insel zugelassen wurden, da sich der König (wie sich später herausstellte, wohl mit Recht) versprach, eine Menge nützlicher Kenntnisse von uns zu erlernen.

Die Bedingungen unserer Zulassung lauteten folgendermaßen: Wir sollten uns eine passende Stelle aussuchen, und der König würde uns eine Stadt aufbauen. Sein Volk sollte für uns arbeiten, aber nur der König durfte befehlen. Einer seiner Köche sollte täglich zu uns kommen, um dem meinigen zu helfen und von ihm zu lernen. Falls unsere Vorräte sich erschöpften, würde der König uns versorgen und dafür bei Wiederkehr der »Äquator« bezahlt werden. Dagegen sollte er mit uns essen, wann immer er Lust hätte; wenn er aber zu Hause blieb, mußte ihm ein Gericht von unserer Tafel geschickt werden; außerdem verpflichtete ich mich feierlich, seinen Untertanen weder Alkohol noch Geld zu geben (was zu besitzen ihnen verboten war), und auch keinen Tabak, der ihnen nur von der Hand des Königs verabreicht werden durfte. Ich kann mich noch erinnern, daß ich gegen diesen letzten, rigorosen Artikel protestierte; wenigstens wurde er später dahin abgeändert, daß ich die Erlaubnis erhielt, einem Manne, wenn er für mich arbeitete, an Ort und Stelle ein Pfeifchen Tabak zu geben, er durfte jedoch keinen Tabak mitnehmen.

Der Bauplatz von Äquatorstadt – wir tauften unsere Stadt nach unserem Schoner – war sehr bald gewählt. Die nächstgelegenen Ufer der Lagune sind windig und blendend sonnig: selbst Tembinok‘ empfindet es als eine Erleichterung, mit einer blauen Brille bewaffnet auf seiner Terrasse herumzutappen. Wir flohen daher die Nachbarschaft der roten »Konjunktiva«, des eiternden Augapfels, und die Bettler, die den Fremden auf Schritt und Tritt verfolgen und um Augenwasser angehen. Hinter der Stadt ist die Gegend abwechslungsreich, mitunter frei, sandig, uneben, mit einzelnen Zwergpalmen bestanden, dann wieder von tiefen und flachen Tarogräben durchzogen, und stellt je nach der Größe der Pflanzen eine sandige Gerberei oder einen grünenden, von Alleen durchschnittenen Garten dar. Ein Pfad führt zum Meere hinunter und steil aufwärts zum Hauptplateau der Insel, das den übrigen Boden um zwanzig bis dreißig Fuß überragt (obwohl Findlay nur fünf angibt); und dicht unter dem Gipfel der Kuppe, grade dort, wo die Kokospalmen eine anständige Höhe zu erreichen beginnen, fanden wir eine Gruppe Pandanus und ein Fleckchen Erde, das angenehm mit grünem Unterholz bedeckt war. Nicht weit davon befanden sich unter einem ländlichen Verschlag ein Brunnen und in noch größerer Nähe ein Teich, in dem wir unsere Wäsche waschen konnten. Der Platz war außerdem windstill, vor der Sonne geschützt und außer Sichtweite des Dorfes. Man zeigte ihn dem König, und er versprach bis zum nächsten Morgen die Stadt zu liefern.

Der Morgen kam. Mr. Osbourne ging an Land, fand daß sich nichts verändert hatte, und wandte sich mit seiner Beschwerde an den König. Tembinok‘ hörte ihn an, erhob sich, rief nach einem Winchester-Gewehr, trat vor die königliche Palisade und feuerte zweimal in die Luft. Ein Schuß in die Luft ist das erste Warnungssignal auf Apemama; in diesem schweigsamen Lande besitzt er die Kraft einer Proklamation, und seine Majestät bemerkte freundlich, das würde seine Arbeiter »meh‘ lustie« machen. Folglich hatten die Männer sich in weniger als einer halben Stunde versammelt, die Arbeit wurde begonnen, und man sagte uns, wir könnten unser Gepäck, wann wir Lust hätten, an Land bringen.

Es wurde zwei Uhr nachmittags, bevor das erste Boot an den Strand gezogen war, und die lange Prozession von Kisten, Koffern und Säcken sich mühsam durch die Sandwüste nach Äquatorstadt hinaufwand. Der Pandanushain gehörte bereits der Vergangenheit an. Feuer umgab den grünen Busch, und Rauch stieg aus ihm auf. Rings im weiten Umkreis krachten die Äxte. Gerade die Vorteile, denen zuliebe wir den Ort gewählt hatten, hatte der König als erstes ausmerzen lassen, und inmitten dieser Zerstörung standen bereits eine ziemlich große Maniap‘, sowie ein kleines, geschlossenes Haus. Ganz in der Nähe war eine Matte für Tembinok‘ ausgebreitet, und da saß er und beaufsichtigte die Arbeiten, ganz in Kardinalrot gekleidet, mit einem Tropenhelm auf dem Kopf, einer Meerschaumpfeife im Munde und einer Gattin als Hüterin der Streichhölzer und des Tabaks hinter seinem Rücken ausgestreckt. Zwanzig bis dreißig Fuß vor ihm hockte die Mehrzahl der Arbeiter auf dem Boden; ein Teil des Buschs war verschont geblieben, und hier saß, fast bis zu den Schultern darin begraben, das gemeine Volk – ein Halbkreis brauner Gesichter und schwarzer Köpfe, die aufmerksamen Augen starr auf seiner Majestät Gesicht geheftet. Lange Pausen entstanden, während der die Untertanen lediglich gafften und der König rauchte. Dann pflegte Tembinok‘ seine Stimme zu erheben und kurz und schrill zu sprechen. Niemals kam die Antwort in Worten, war die Rede jedoch scherzhaft gewesen, so erscholl statt einer Erwiderung ein diskretes, unterwürfiges Lachen – ein Lachen, wie wir alle es von der Schule her kennen –, hatte er aber einen Befehl ausgegeben, dann schnellte die Arbeitskolonne auf die Füße und machte sich an ihr Werk. Zweimal verschwand sie so und kehrte mit weiteren Bausteinen für die Stadt, einem zweiten Haus und einer zweiten Maniap‘, zurück. Es war seltsam, die Maniap‘ lautlos von weither durch die Stämme der Kokospalmen auf uns zuwandeln zu sehen: anfänglich hatte es den Anschein, als schwimme sie durch die Luft, aber im Näherkommen tauchten unter ihrem Giebel viele Dutzende von nackten Beinen auf. An der ganzen Angelegenheit war ein sklavischer Gehorsam nicht weniger auffallend als sklavische Trägheit. Der Klang einer tödlichen Waffe hatte diese Sklaven zusammenberufen; der Mann, der sie beaufsichtigte, war der unumstrittene Herr ihres Lebens, aber was ihre Eile anbetraf, so hätten sie ebensogut eine Schar amerikanischer Hotel-Clerks sein können, nur daß sie höflicher waren. Der Zuschauer fühlte eine gewisse, wenn auch ungreifbare Lässigkeit heraus, die den Kapitän eines schmucken Handelsschiffes veranlaßt hätte, sich die Haare auszuraufen.

Trotzdem wurde das Werk fertig. Bei Anbruch der Dämmerung zog sich seine Majestät zurück, die Stadt war gegründet, die Arbeit vollendet, ein neuer und rauherer Amphion hatte sie kraft zweier Büchsenschüsse aus dem Nichts gerufen. Am folgenden Morgen erfreute uns der gleiche Zauberer durch ein weiteres Wunder: eine mystische Rampe schloß uns ein, so daß der Weg, der an unserer Tür vorbeiführte, plötzlich unpassierbar wurde und die Bevölkerung, die am anderen Ende der Insel etwas zu erledigen hatte, gezwungen war, einen weiten Bogen zu machen. Wir aber saßen in durchsichtiger Abgeschlossenheit, sehend, gesehen, aber unnahbar wie Bienen in einem gläsernen Stock da. Das äußerliche, sichtbare Zeichen dieses Mirakels bestand aus nichts mehr und nichts weniger als ein paar zerfetzten Girlanden von Kokosblättern, die um die Stämme der umstehenden Palmen geschlungen waren, deren Bedeutung jedoch in der allgewaltigen, heiligen Macht des Tapu und der Gewehre Tembinok’s ruhte.

Wir weihten unsere improvisierte Stadt noch am gleichen Abend durch die erste Mahlzeit ein. Zwei Monate wollten wir an unserem neuen Wohnorte bleiben, und sobald wir ihn nicht mehr brauchten, sollte er, ganz wie er entstanden war, innerhalb von Tagesfrist wieder verschwinden. Seine Elemente mußten dorthin zurückkehren, woher sie gekommen waren; das Tapu wurde aufgehoben, der Verkehr auf der Straße wieder eröffnet werden. Sonne und Mond sollten vergeblich zwischen den Palmen nach dem geschwundenen Werke spähen, und die Winde über einen leeren Bauplatz fegen. Und doch schien dies ganze Gebilde, das jetzt nur noch als eine Episode in unseren Erinnerungen weiterlebt, für Jahre gebaut, ja, über die Maßen dauerhaft. Es war ein äußerst rühriges Dörfchen. Die eine Maniap‘ diente uns als Eßzimmer, die andere als Küche. Die Häuser wurden nur zum Schlafen gebraucht. Sie waren nach dem bewährten Apemama-Plan konstruiert, auf Grund dessen bei weitem die besten Häuser in der ganzen Südsee entstehen und lagen etwa drei Fuß über dem Erdboden erhöht. Die Seitenwände bestanden aus geflochtenen Matten, die man hochheben konnte, um Licht und Luft den Eintritt zu gestatten, und die, heruntergelassen, Wind und Regen aussperrten: luftig, hygienisch, sauber und wasserdicht. Außerdem hatten wir eine ganz fabelhafte Henne; meiner Erfahrung nach ein einzigartiges Exemplar, denn gelegentlich legte sie auch Eier. Dicht am Hause lag ein Garten, in welchem meine Frau Salat und Schalotten zog. Der Salat wurde von dem Huhn verschlungen – und sollte ihm schlecht bekommen. Die Schalotten jedoch gelangten blattweise auf die Tafel und wurden mit dem Genuß und dem Behagen verzehrt, als wären sie Pfirsiche. Toddy und grüne Kokosnuß bekamen wir täglich geliefert, und einmal schenkte uns der König Fische, ein anderes Mal sogar eine Schildkröte. Manchmal schossen wir am Strande sogenannte Kiebitze, manchmal auch wilde Hühner im Busch. Das übrige Essen wurde aus Konservenbüchsen geschöpft.

Unsere Beschäftigungen waren zahlreich. Während ein Teil der Gesellschaft aus die Skizzenjagd ging, hämmerten Mr. Osbourne und ich einen Roman zurecht. Wir lasen einander Gibbon und Carlyle vor, bliesen Flageolett, zupften Gitarre, photographierten im Sonnenlicht, bei Mondschein, bei Blitzlicht, und manchmal spielten wir auch Karten. Ein Teil unseres Nichtstuns ging auf die wirkliche Jagd drauf. Ich selbst habe ganze Nachmittage mit der aufregenden aber gänzlich harmlosen Beschäftigung des Pistolenschießens nach allerlei geflügeltem Getier verbracht; ein Glück nur, daß sich bessere Schützen unter uns befanden, und daß der König uns eine passendere Waffe in Gestalt eines ausgezeichneten Jagdgewehres lieh, sonst wäre es um unsere magere Kost noch schlechter bestellt gewesen.

Die richtige Zeit, unsere Stadt zu besichtigen, war aber des Nachts, wenn der Mond am Himmel stand, die Lampen angezündet waren und im Küchenhaus noch Feuer brannte. Wir litten unter einer Plage von Fliegen und Moskitos, die ein würdiges Gegenstück zu den ägyptischen Plagen war; unser Eßtisch, den wir (wie alle unsere Möbel) vom König entliehen hatten, mußte ständig unter einem Netzzelt stehen, das unsere Zitadelle, unsere einzige Zufluchtsstatt, war. Nachts glühte der Platz vor Helligkeit und strahlte und leuchtete unter dem Giebel in das Dunkel hinaus wie eine monströse Lampe unter ihrem Schirm. Unsere Schlafräume, deren Wände in den mannigfachsten Ebenen durcheinander ragten, warfen seltsame, eckige Lichtreflexe in die Nacht. In der bedachten, offenen Küche sah man Ah Fu zwischen den Töpfen hantieren. Über alles aber ergoß sich von Zeit zu Zeit der Glanz und die Pracht weichen, sanftesten Mondlichts. Der Sand glitzerte wie Diamantenstaub; die Sterne waren verblaßt. Von Zeit zu Zeit schwirrte ein dunkler Nachtvogel mit langsamem, schwerfälligem Flügelschlag unter der Kolonnade von Bäumen dicht an uns vorbei und stieß seinen heiseren, krächzenden Ruf aus.