Die beiden Häuptlinge von Atuona

Zufällig hatte die »Casco«, als sie die Bordelais-Meerenge nach Taahauku durchfurchte, sich auf der einen Seite der gegenüberliegenden Insel Tauata stark genähert, wo Häuser in einem Hain hoher Kokospalmen sichtbar wurden. Bruder Michel deutete auf den Fleck. »Ich bin hier zu Hause,« sagte er, »ich glaube, mir gehören viele dieser Kokospalmen, und in jenem Hause wohnt meine Frau Mutter mit ihren zwei Ehegatten!« – »Mit zwei Ehegatten?« fragte jemand. – » C’est ma honte, das ist meine Schande,« antwortete der Bruder trocken.

Ein Wort nebenbei über die beiden Gatten. Ich glaube, der Bruder hatte sich etwas ungenau ausgedrückt. Man findet oft genug eine eingeborene Dame mit zwei Lebensgefährten, aber es sind nicht zwei Gatten. Der erste ist und bleibt der Ehegemahl, die Frau wird nach wie vor mit seinem Namen genannt, und die Stellung des Neuhinzugekommenen oder »Pikio« ist zwar eine durchaus gesetzliche, aber unzweifelhaft untergeordnete. Wir hatten Gelegenheit, einen derartigen Haushalt zu beobachten. Der »Pikio« war voll anerkannt, trat öffentlich zusammen mit dem Gemahl auf, wenn nach ihrer Ansicht die Dame beleidigt worden war, und das Paar machte gemeinsame Sache wie Brüder. Zu Hause trat die Ungleichheit deutlicher hervor. Der Gatte empfing und bewirtete die Gäste sitzend, der »Pikio« mußte indessen wie ein Dienstbote im Laufschritt Kokosnüsse holen, und ich beobachtete, daß er für diese Botengänge noch vor dem Sohn des Hauses auserkoren wurde. Offenbar haben wir hier keinen zweiten Gatten vor uns, sondern den geduldeten Liebhaber. Nur muß er auf den Marquesas, anstatt seiner Dame Fächer und Mantel zu tragen, die Hausarbeit des Mannes verrichten.

Der Anblick des Familienbesitztums Bruder Michels führte für eine Weile das Gespräch auf die Methode der künstlichen Verwandtschaften und ihre Folgeerscheinungen. Unsere Neugier war aufs höchste gereizt, der Bruder schlug vor, uns alle adoptieren zu lassen, und etwa zwei Tage später wurden wir infolgedessen die Kinder von Paaaeua, des von den Franzosen eingesetzten Häuptlings von Atuona. Ich war nicht in der Lage, der Zeremonie beizuwohnen, die außerordentlich einfach verlief. Die beiden Damen Stevenson und Mrs. Osbourne setzten sich mit Paaaeaua, seinem Weibe und einem adoptierten Kind, dem Sohn eines Österreichers, der durch eine Schiffskatastrophe hierher verschlagen war, zu einem ausgezeichneten Insulanermahl nieder, dessen hauptsächlicher und allein vorgeschriebener Gang Schweinefleisch war. Eine große Menschenmenge beobachtete sie durch die Öffnungen des Hauses, aber niemand, selbst Bruder Michel nicht, durfte teilnehmen, denn das Mahl hatte religiösen Charakter und schuf oder verkündete die neue Verwandtschaft. Auf Tahiti sind die Zeremonien nicht so genau vorgeschrieben; als Ori und ich Brüderschaft schlossen, saßen unsere beiden Familien mit zu Tisch, aber nur er und ich, die mit einer bestimmten Absicht gegessen hatten, wurden nach dem Glauben der Eingeborenen von der Zeremonie berührt. Die Adoption eines kleinen Kindes verlangte meines Wissens keine Formalität, das Kind wird von den natürlichen Eltern abgegeben und erbt, wenn es erwachsen ist, das Besitztum der Adoptiveltern. Geschenke werden ohne Zweifel ausgetauscht wie bei allen wichtigen gesellschaftlichen oder staatlichen Ereignissen der Inselwelt, aber ich habe nie etwas von einem Festmahl gehört, vielleicht genügt die Anwesenheit des Kindes bei der Tagesmahlzeit. Vielleicht findet sich die Uridee in der alten arabischen Vorstellung, daß gleiche Nahrung gleiches Blut ergibt, mit dem hieraus abgeleiteten Grundgesetz, daß der der Vater ist, der dem Kinde den Morgentrunk reicht. Im marquesanischen Brauch wäre der Sinn also schon halb verloren, auf Tahiti, wo nur noch Reste bestehen, fast ganz geschwunden. Eine interessante Parallele wird wahrscheinlich manchem meiner Leser einfallen.

Was ist die Natur der Verpflichtung, die bei einem solchen Festessen eingegangen wird? Sie wird je nach den beteiligten Personen und den Umständen des besonderen Falles verschieden sein. So wäre es lächerlich, unsere Adoption in Atuona ernst zu nehmen. Auf seiten Paaaeuas handelte es sich um sozialen Ehrgeiz. Als der Mann einwilligte, uns in seine Familie aufzunehmen, hatte er uns kaum gesehen und wußte nur, daß wir außerordentlich reich seien und in einem schwimmenden Palast reisten. Wir unsererseits aßen von seinen gebratenen Speisen nicht im wahren animus affiliandi, sondern nur vom Gefühl der Neugier gedrängt. Es war eine sehr förmliche Angelegenheit und eine Art Schaustück, wie wenn in Europa Fürsten sich Vettern nennen. Wären wir aber in Atuona geblieben, so hätte Paaaeua sch verpflichtet gefühlt, uns auf seinem Land anzusiedeln und junge Leute zu unserem Dienst und Bäume zu unserer Ernährung zur Verfügung zu stellen. Ich habe den Österreicher erwähnt. Er fuhr auf einem von zwei Schwesterschiffen, die die Clyde mit Kohlenladungen verließen. Beide umsegelten Kap Horn und gerieten mehrere hundert Meilen voneinander entfernt, aber fast zu gleicher Zeit, auf hoher See im Pazifischen Ozean in Brand. Eins ging unter; der verlassene Eisenrumpf des anderen wurde nach langem vergeblichen Suchen endlich gefunden, wieder instand gesetzt und fährt heute von San Franzisko aus. Die Insassen eines Bootes dieser Unglücksschiffe erreichten nach Ertragung großer Strapazen die Insel Hiva-oa. Einige dieser Männer schwuren, sie würden nie wieder das Glück des Meeres erproben, aber nur der Österreicher war seinem Eide ganz treu, er bleibt, wo er landete, und hat beschlossen zu sterben, wo er gelebt hat. Gerät ein solcher Mann unter die Insulaner und faßt dort Fuß, so kann man den beschriebenen Vorgang dem Pfropfen eines Gärtners vergleichen. Er geht körperlich in das Geschlecht der Eingeborenen über, hört völlig auf, ein Fremdling zu sein, er ist in die Blutsgemeinschaft eingegangen, teilt Besitz und Ruf seiner neuen Familie, und man erwartet von ihm, daß er die Früchte seines europäischen Berufes und seine Kenntnisse ebenso bereitwillig zur Verfügung stellt. Diese stillschweigende Verpflichtung stößt den hierher verpflanzten Weißen oft ab. Um einen augenblicklichen Vorteil zu erhaschen, zum Beispiel eine Station für sein Warenlager, macht er sich die einheimischen Gebräuche zunutze und wird Sohn oder Bruder auf Zeit, indem er sich selbst zuschwört, die Leiter fortzustoßen, auf der er emporsteigen will, und die Verwandtschaft zu verleugnen, sobald sie ihm lästig wird. Und plötzlich entdeckt er, daß zwei Parteien zu diesem Geschäft gehören. Vielleicht ist sein polynesischer Verwandter einfältig und faßte die Blutsbrüderschaft wörtlich auf; oder er ist verschlagen und schloß den Pakt um des eigenen Gewinnes wegen. In beiden Fällen wird das Warenlager geplündert, das Haus wimmelt von eingeborenen Tagedieben, und je reicher der Mann wird, desto zahlreicher, fauler und zärtlicher werden seine farbigen Verwandten. Die meisten Leute versuchen sich unter diesen Umständen loszukaufen oder die Unabhängigkeit brutal zu erzwingen, aber viele vegetieren hoffnungslos dahin, erdrosselt von Parasiten.

Wir hatten keine Ursache, mit Bruder Michel zu erröten. Unsere neuen Eltern waren liebenswürdig, höflich, gutgesittet und freigebig mit Geschenken, die Frau war ein höchst mütterliches Weib, der Gatte ein Mann, der bei seinen Vorgesetzten gerechterweise in hohem Ansehen stand. Zur Genüge wurde schon bewiesen, daß Moipu abgesetzt werden mußte, und in Paaaeua hatten die Franzosen einen achtenswerten Ersatz gefunden. Er war stets peinlich sauber gekleidet und sah aus wie die personifizierte Ehrbarkeit, wie ein schwarzer, hübscher, dummer und wahrscheinlich frommer junger Mann, der von einem europäischen Leichenbegängnis heimkehrt. Im Charakter schien er das Ideal des guten Staatsbürgers zu sein. Er trug seine Ernsthaftigkeit wie einen Schmuck. Niemand hätte die Würde eines von Amts wegen eingesetzten Häuptlings besser zur Schau getragen, als Vorbild der Zivilisation und Reform. Und doch: zögen die Franzosen ab, und lebten die Eingeborenensitten wieder auf, so könnte man sich in der Phantasie ausmalen, wie er sich mit Greisenbärten geschmückt unter den allerersten zum Kannibalenmahl drängen würde. Aber ich will nicht den Anschein erwecken, als sei ich ungerecht gegen Paaaeua. Seine Ehrbarkeit ging tiefer als die Haut, sein Sinn für Schicklichkeit trieb ihn manchmal zu überraschender Härte.

Eines Abends waren Kapitän Otis und Mr. Osbourne an Land im Dorf. Alles war in Bewegung, der Tanz hatte begonnen, offenbar sollte eine Festnacht folgen, und unsere Abenteurer waren voll Freude über ihr Glück. Ein starker Regenschauer trieb sie schutzsuchend ins Haus von Paaaeua, wo man sie willkommen hieß, in eine Kammer lockte und einschloß. Bald darauf hörte der Regen auf, das Fest sollte in allem Ernst beginnen, und die jungen Leute von Atuona liefen um das Haus und riefen durch die Spalten der Wände nach meinen Freunden. Bis spät in die Nacht hinein wurden die Rufe fortgesetzt und wiederholt und oft mit Sticheleien gewürzt; bis spät in die Nacht hinein erneuerten die Gefangenen, vom Lärm des Festes gereizt, ihre Anstrengungen, zu entkommen. Aber alles war vergeblich, quer vor der Türe lag der gottesfürchtige Hausherr, Paaaeua, und heuchelte Schlaf, und meine Freunde mußten auf ihre Belustigung verzichten. In diesem Geschehnis, das so reizend europäisch ist, glaubten wir drei verschiedene Gefühlsgruppen entdecken zu können. Zunächst hatte Paaaeua Seelen zu betreuen: es waren junge Leute, und er hielt es für richtig, sie vom Pfade der Liebe fernzuhalten. Zweitens war er eine offizielle Persönlichkeit, und es war nicht angebracht, daß seine Gäste an einer Festlichkeit teilnahmen, die er mißbilligte. So mag ein strenger Geistlicher in der Heimat einen weltlichen Besucher etwa anreden: »Geh zum Theater, wenn du magst, aber bitte nicht von meinem Hause aus!« Drittens war Paaaeua eifersüchtig und, wie wir noch zeigen werden, nicht ohne Grund, und die Festteilnehmer waren Anhänger seines nächsten Rivalen, Moipu.

Denn die Adoption hatte großes Aufsehen erregt im Dorf, es machte die Fremdlinge populär. Paaaeua hatte aus dieser Verbindung für sein schwieriges Amt als ernannter Häuptling Kraft und Ansehen gewonnen, und nur Moipu und seine Anhänger waren verdrossen. Aus irgendeinem Grunde scheint niemand außer mir Moipu ungern zu sehen. Kapitän Hart, der von ihm beraubt und bedroht wurde; Pater Orens, auf den er feuerte, und den er wiederholt in die Wälder jagte; meine eigene Familie und selbst die französischen Beamten: alle schienen von unwiderstehlicher Zuneigung für den Mann hingerissen zu sein. Sein Sturz war sanft erfolgt, sein Sohn sollte bei seinem Tode Paaaeua in der Häuptlingswürde folgen, er lebte zur Zeit unseres Besuches in einem guten Hause im Küstenteil des Dorfes, mit einer zahlreichen Gefolgschaft junger Leute, seinen früheren Kriegern und Jägern. In dieser Gesellschaft wurde die Ankunft der »Casco«, die Adoption, der festliche Gegenbesuch an Bord und der Geschenkaustausch zwischen den Weißen und ihren neuen Eltern ohne Zweifel eifrig und ärgerlich besprochen. Man wußte, daß wenige Jahre zuvor die Ehren auf einen anderen gehäuft worden wären. Bei diesem unerwarteten Ereignis, diesem Empfang eines sagenhaften fremden Machthabers wäre noch vor einigen Jahren Moipu die Aufgabe zugefallen, den Helden und Gastgeber zu spielen, und seine jungen Leute hätten als anerkannte Führer der feinen Gesellschaft die Festlichkeiten mit ihrer Anwesenheit geziert. Und nun mußte Moipu auf Grund eines böswilligen Geschicks gänzlich mißachtet zu Hause sitzen, und seine Anhänger mußten vom Tore aus zuschauen, wenn ihre Gegner Feste feierten. Vielleicht empfand M. Grévy ein Gefühl der Bitterkeit gegen seinen Nachfolger, als er ihn bei der Jahrhundertfeier der Revolution im Jahre 1889 vom Rampenlicht bestrahlt sah: der Besuch der »Casco«, den Moipu um wenige Jahre verfehlt hatte, war für Atuona ein viel ungewöhnlicheres Ereignis als eine Jahrhundertfeier in Frankreich, und der entthronte Häuptling beschloß, in der Öffentlichkeit Eindruck zu machen.

Mr. Osbourne war nach Atuona gegangen, um zu photographieren, die Bevölkerung des Dorfes hatte sich aus diesem Anlaß auf dem Platz vor der Kirche versammelt, und Paaaeua, höchst erfreut über dies neuerliche Auftreten seiner Familie, spielte den Zeremonienmeister. Die Kirche mit ihrem heiteren Baumeister vor der Tür, die Nonnen mit ihren Zöglingen, allerlei junge Mädel in den alten und merkwürdig unkleidsamen Tapagewändern und Pater Orens inmitten einer Gruppe von Pfarrkindern waren aufgenommen worden. Ich weiß nicht, was nun folgen sollte, als der Photograph eine Erregung in der Menge bemerkte, und da er sich umblickte, sah er die hochedle Gestalt eines Mannes am Rande eines Dickichts auftauchen und gleichgültig heranschlendern. Die Gleichgültigkeit war sichtbarlich erkünstelt, offenbar kam er, um Aufsehen zu erregen, und der Erfolg trat sofort ein. Er wurde vorgestellt, er war höflich, verbindlich, war stets vollendet überlegen und selbstsicher, ein gottbegnadeter Schauspieler. Man schlug ihm alsbald vor, in seiner Kriegsausrüstung zu erscheinen, er willigte huldvoll ein, kehrte zurück in jenem sonderbaren, unangebrachten und übelbeleumdeten Aufzug, der seiner hübschen Figur sehr gut stand, umgeben von einer Schar Bewunderer, und war hinfort der Mittelpunkt jeder Photographie. So hatte Moipu es verstanden, sich wie zufällig bei den weißen Fremdlingen einzufinden, er verschenkte seine feinen Manieren wie eine Gnade und wies seinem Rivalen die zweite Rolle auf der Bühne des heiß umstrittenen Dorftheaters zu. Paaaeua fühlte den Hieb und behauptete seine Vormachtstellung mit einem Mut, den wir ihm nie zugetraut hätten. Es stellte sich heraus, daß es an jenem Tage unmöglich sei, eine Photographie von Moipu allein aufzunehmen, denn sobald er sich vor der Kamera aufstellte, trat sein Nachfolger unaufgefordert an seine Seite und verharrte höflich aber energisch auf seinem Posten. Die Porträts des Paares, gleich Jakob und Esau, Schulter an Schulter, der eine in sauberem, europäischem Anzug, der andere in seinem Barbarenstaat, repräsentieren Vergangenheit und Gegenwart ihrer Insel. Ein Friedhof mit bescheidenen Kreuzen würde das geeignetste Symbol der Zukunft sein.

Wir waren alle überzeugt, daß Moipu sein Vorgehen von Anfang bis Ende überlegt hatte. Sicherlich verlor er keine Zeit, seinen Vorteil auszunutzen. Mr. Osbourne wurde in sein Haus genötigt, aus einer alten Seekiste wurden verschiedene Geschenke ausgegraben, Pater Orens wurde gebeten, den Dolmetscher zu spielen, und Moipu schlug in aller Form vor, Bruderschaft zu schließen mit »Mata-Galahi«, Glasauge, dem nicht gerade schmeichelhaften Namen, unter dem Mr. Osbourne unter den Marquesanern bekannt war. Das Festmahl der Bruderschaft fand an Bord der »Casco« statt. Paaaeua war wie ein einfacher Mann mit seiner Familie erschienen, seine zahlreichen Geschenke waren nacheinander im Laufe mehrerer Tage eingetroffen. Moipu trat mit einem gewissen fürstlichen Gepränge auf, als wollte er in jeder Beziehung den Gegensatz unterstreichen, umgeben von Vasallen, die Geschenke aller Art trugen, von Federn aus Altmännerbärten bis zu unscheinbaren, frommen, katholischen Stichen.

Ich war diesem Manne schon vorher im Dorf begegnet und hatte ihn auf den ersten Blick verabscheut, in seinen Augen und Bewegungen lag etwas unbeschreiblich Gemeines, das mir Übelkeit bereitete, und als man die Sitte der Menschenfresserei erwähnte und er ein leises grausames Lachen ausstieß, trotzig und kriecherisch zugleich, als erinnere man ihn an ein wagemutiges Verbrechen, mischte sich Ekel in meinen Abscheu. Das ist kein sehr menschlicher Standpunkt, besonders nicht für einen Reisenden, und je näher man dem Manne kam, desto mehr gewann er. Etwas Negerhaftes im Charakter und Gesicht mißfiel mir stets, aber sein häßlicher Mund wurde anziehend, wenn er lächelte, seine Gestalt und sein Benehmen waren sicherlich edel und seine Augen prachtvoll. In seinem Gefallen an Marmelade und Pickles, in seinem Entzücken über die einander gegenüberliegenden Spiegel und die endlose Reihe von Moipus und Mata-Galahis zeigte er sich kindlich liebenswürdig. Aber ich bin mir nicht sicher: was Kindlichkeit zu sein schien, konnte auch gekünstelte Höflichkeit sein. Sein Benehmen war mir verdächtig, als übertriebe er, er war höflich und zärtlich bis zur Grenze der Belästigung, und wenn ich mich der heiteren Geistesabwesenheit erinnere, mit der er sich uns zum ersten Male näherte, und dann daran denke, wie er auf Händen und Knien über die Kajütensofas lief, den Samt betastete, sich in die Kissen vergrub und wohlgefällige »Mitais« ausstieß wie ein ungeheurer, übermäßig wohlerzogener Affe, so bin ich um so sicherer, daß beides berechnet war. Und daraufhin frage ich mich manchmal, ob Moipu ganz allein dies höfliche Doppelspiel trieb, und ob die »Casco« wirklich so aufrichtig von den Marquesanern angestaunt wurde, wie unsere Besucher uns glauben machen wollten.

Ich will diese Skizze eines unverbesserlichen Kannibalenhäuptlings durch zwei widerspruchsvolle Züge ergänzen. Sein besonderer Leckerbissen war die menschliche Hand, von der er noch heute mit widerlicher Lüsternheit spricht, aber als er sich von meiner Frau verabschiedete, ihre Hand ergriff, sie mit tränenerfüllten Augen anblickte und sein Lebewohlgestammel im Falsett der hohen marquesanischen Gesellschaftssprache vortrug, hinterließ er in ihrem Herzen tiefe Gefühle, die ich vergeblich zu teilen versuche.