Der König und sein Volk

Wir sahen sehr wenig von dem gemeinen Volk auf der Insel. Und zuerst trafen wir es am Brunnen, wo die Leute ihre Wäsche wuschen und wir unser Wasser für die Küche schöpften. Diese Verbindung war nicht gerade angenehm, und da wir einen Tyrannen in der Herrschaft wußten, wandten wir uns an den König und ließen den Platz in unseren Tabubezirk einbeziehen, was Tembinok‘ sichtbar zögernd gewährte, und man kann verstehen, wie wenig populär es die Fremdlinge machte. Viele Dorfbewohner gingen täglich an uns vorüber, aber sie machten einen weiten Bogen um unser Tabu herum und schienen ihre Blicke abzuwenden. Manchmal gingen wir selbst ins Dorf, einen sonderbaren Platz. Durch seine Kanäle wirkt es holländisch, durch die Höhe und Steilheit der Dächer, die in der Dämmerung wie Tempel aufragten, orientalisch, aber man rief uns selten in ein Haus, kein Willkommen, keine Freundschaft wurde uns geboten, und vom häuslichen Leben genossen wir nur einen Anblick: eine Totenwache, eine grauenhafte Szene. Die Witwe hielt den erkalteten bläulichen Leichnam des Gatten auf ihrem Schoß, nahm von Zeit zu Zeit von den Erfrischungen, die die Runde machten unter der Gesellschaft, und dann weinte sie und küßte den bleichen Mund. (»Ich fürchte, der Verlust geht Euch tief zu Herzen«, sagte der schottische Geistliche. – »Ja, Herr, so ist es!« antwortete die Witwe, »ich habe die ganze Nacht geweint, und jetzt will ich nur eben ein bißchen Hafergrütze essen und dann wieder anfangen zu weinen.«) Auf unseren Spaziergängen hatte ich immer den Eindruck, die Insulaner wichen uns aus, entweder weil sie uns nicht mochten, oder weil ein Befehl vorlag, und wen wir trafen, den überraschten wir im allgemeinen. Auf der Insel gibt es Palmenhaine, Dickichte und romantische, vier Fuß tiefe Gräben, die Reste alter Taroplantagen, und so ist es möglich, daß man unerwartet auf Leute trifft, die ausruhen oder sich vor der Arbeit verstecken. Ungefähr einen Pistolenschuß von unserer Stadt entfernt lag ein Teich in der Senkung eines Dschungels; hierher kamen die jungen Mädchen der Insel zum Baden und wurden mehrere Male durch unser Dazwischenkommen aufgeschreckt. Für sie gibt es nicht die kühlen Flüsse von Tahiti und Upolu, sie dürfen nicht in den Stunden der Dämmerung mit fröhlichen Dorfgespielinnen planschen und lachen, sondern müssen sich in diese Einsamkeit stehlen und in einen Teich kriechen, der einer Viehtränke gleicht, um sich in lauwarmem Sumpfwasser, das braun ist wie ihre eigene Haut, zu waschen, wenn man das waschen nennen kann. Andere, aber doch sehr seltene Begegnungen treten mir ins Gedächtnis zurück. Einige Male fesselte mich ein zarter Klang von Stimmen im Busch, weich wie Flöten, mit feinen Übergängen. Ich durfte auf eine liebliche Überraschung hoffen, schob die Blätter beiseite und sah an Stelle von Waldnymphen ein paar allzu wohlbeleibte Damen, die im reizlosen Ridi bei einer Tonpfeife plauderten. Die Schönheit der Stimme und des Auges war alles, was diesen ungeheuren Damen geblieben war, aber der Adel der Stimmen war in der Tat hervorragend. Merkwürdig genug, daß ich niemals einen gewinnenderen Klang der Sprache hörte, während der Sprachschatz besonders reich ist an aufdringlichen, häßlichen und ausländischen Worten, so daß Tembinok‘ selbst erklärte, sie ekele ihn an, und er betrachte es als eine Erholung, Englisch zu sprechen.

Die Verfassung dieses Volkes, von dem ich sowenig sah, kann ich nur erraten. Der König selbst gab seine Erklärungen ziemlich spitzfindig ab. »Nein, ich sie nicht bezahlen,« sagte er einmal, »ich ihnen Tabak geben, sie für mich arbeiten wie Bruder.« Es stimmt, einst gab es einen Bruder in Arden! Aber wir ziehen das andere Wort vor. Sie tragen alle Zeichen des Sklaventums an sich: kindische Leichtsinnigkeit, unverbesserliche Trägheit, neugierlose Zufriedenheit. Die Frechheit des Kochs war ein Zug, der nur ihm eigen war, während er seinen Leichtsinn mit dem unschuldigen Onkel Parker teilte. Mit derselben Gleichgültigkeit tanzten beide im Schatten des Galgens umher und spielten mit dem Tode in einer Weise, die jeden unvoreingenommenen Beobachter der menschlichen Natur verblüffen mußte. Ich sagte von Parker, daß er sich wie ein Junge von zehn Jahren benahm: was war er sonst, da er ein Sklave von sechzig Jahren war? Er hatte gewissermaßen sein ganzes Leben in der Schule verbracht, wurde ernährt, gekleidet, geleitet und kommandiert, die Furcht vor Strafe war etwas Alltägliches, er kokettierte mit ihr. Durch Schreckensherrschaft kann man Menschen antreiben, aber nicht höherzüchten. Hier in Apemama arbeiten sie in ewiger und unmittelbarer Lebensgefahr und verfallen einer Art Trägheitslethargie. Man sieht sehr oft jemand auf die Felder gehen, der seine steife Matte losgegürtet hat, so daß er mit eingeklemmten Ellbogen einherschreitet, einem Huhn ähnlich, dem man die Flügel zusammengebunden hat. Arbeitet er mit der rechten Hand, so muß die linke inzwischen untätig das Gewand festhalten. Oft sieht man zwei Männer, die einen einzigen Eimer Wasser zwischen sich an einem Stab tragen. Nun kann man eine Kirsche wohl in zwei Bissen verzehren, aber daß man zwei Träger braucht, um die Ausrüstung eines Soldaten eine halbe Meile weit zu tragen, ist denn doch ein wenig übertrieben. Frauen werden durch sklavenhafte Lebensbedingungen weniger entnervt, da sie weniger kindische Tiere sind. Selbst in der Abwesenheit des Königs und selbst, wenn sie ganz allein waren, habe ich Frauen von Apemama beharrlich weiterarbeiten sehen, aber von einem Manne darf man nur erwarten, daß er seine Aufgabe in kleinen, weit auseinandergezogenen Ansätzen erledigt und zwischendurch faulenzt. So sah ich einen Maler mit brennender Pfeife und einen Freund beim Atelierfeuer arbeiten. Man könnte vermuten, daß diesem Volk Männlichkeit und Lebenskraft fehle, wenn man sie nicht tanzen gesehen hätte. Nacht für Nacht und manchmal Tag für Tag ertönte der Chorgesang in dem großen Sprechhaus, feierliche Andantes und Adagios, von Händeklatschen begleitet und mit einer Energie vorgetragen, die das Dach erzittern ließ. Das Tempo war nicht gerade langsam, doch für diese Inselwelt schleppend, und so habe ich es vorgezogen, die Wirkung auf den Hörer darzustellen. Ihre Musik hatte einen gottesdienstähnlichen Charakter, wenn man sie nahebei hörte, und erschien europäischen Ohren regelmäßiger als die sonstige Insulanermusik. Zweimal hörte ich, wie eine Disharmonie regelrecht aufgelöst wurde. Von fernher, zum Beispiel von Equatorstadt gehört, steigen und jagen sich die Rhythmen wie das Bellen von Hunden in einem fernen Zwinger.

Die Sklaven werden sicher nicht überanstrengt, Kinder von zehn Jahren leisten bei uns ohne Ermüdung mehr, und die Arbeiter von Apemama haben Feiertag, wenn am frühen Nachmittag das Singen beginnt; die Ernährung ist schlecht, Kopra und eine Süßspeise aus zerstampftem Pandanus sind die einzigen Gerichte, die ich außerhalb des Palastes sah, aber die Quantität scheint ausreichend zu sein, und der König teilt seine Schildkröten mit ihnen. Drei kamen in einem Boot von Kuria während unseres Aufenthaltes an, eine wurde für den Palast behalten, eine zu uns geschickt und die dritte dem Dorf geschenkt. Es ist Sitte bei den Insulanern, die Schildkröten in ihrem Panzer zu kochen, und da uns die Schalen versprochen worden waren, baten wir darum, diesen törichten Brauch mit dem Tabu zu belegen. Das Gesicht Tembinok’s verfinsterte sich, und er antwortete nichts. Zögern bei der Anfrage wegen des Brunnens konnte ich verstehen, denn das Wasser ist sparsam auf einer niedrigen Insel, aber daß er sich weigern würde, in einer Kochangelegenheit dreinzureden, habe ich mir niemals träumen lassen, und ich nehme an, zu Recht oder Unrecht, daß er es ängstlich vermied, das Privatleben und die Gebräuche seiner Sklaven im geringsten anzutasten. So hat also auch hier unter einem absoluten Despotismus die öffentliche Meinung Gewicht, und selbst hier inmitten der Sklaverei hat die Freiheit eine Gasse.

Geordnet, nüchtern und unschuldig fließt das Leben auf der Insel dahin von Tag zu Tag wie auf einer Musterfarm und unter einem Musterpflanzer. Man kann die wohltätigen Wirkungen dieses harten Regiments nicht anzweifeln. Zierliche Höflichkeit, geschmeidiges und graziöses Benehmen, etwas weibisch und augendienerisch, zeichnet die Bewohner von Apemama aus; alle Händler sprechen davon, auch Besucher, die sowenig beliebt sind wie wir selbst, empfinden es, und selbst bei dem Koch konnte man es in den Augenblicken der größten Unverschämtheit noch wahrnehmen. Der König stand mit seiner männlichen und einfachen Art allein da. Man könnte sagen, er sei der einzige Gilbertinsulaner auf Apemama. Gewalttaten, die in Butaritari an der Tagesordnung sind, scheinen unbekannt zu sein, ebenso Diebstähle und Trunkenheit. Man versicherte mir, daß man den Versuch gemacht habe, Goldstücke am Strande vor dem Dorfe liegen zu lassen: sie blieben unangetastet. Während meines ganzen Aufenthaltes auf der Insel wurde ich nur einmal um Alkohol angegangen. Es handelte sich um einen höchst beredten Burschen, der europäische Kleider trug und ausgezeichnet Englisch sprach, mit Namen Tamaiti, oder wie die Weißen es verhunzt hatten: Tom White, einer von den Superkargos des Königs, die für drei Pfund monatlich und einen prozentualen Anteil arbeiten, einen Medizinmann, der im Privatleben Zauberer war. Er fand mich eines Tages am Rande des Dorfes an einem einsamen Ort, sonnig und abgeschlossen, wo die Tarofurchen tief und die Pflanzen hoch sind. Hier faßte er mich am Rockknopf, blickte sich wie ein Verschwörer um und fragte, ob ich Gin habe.

Ich sagte ihm, daß ich wohl Gin hätte. Er bemerkte, Gin sei verboten, lobte die Prohibition eine Weile und fuhr dann fort zu erklären, daß er ein Doktor sei oder » dogstar«, wie er das Wort aussprach, daß er Gin brauche für seine medizinischen Aufgüsse, daß er nichts mehr besitze und mir sehr dankbar wäre für eine Kleinigkeit in einer Flasche. Ich erzählte ihm, ich hätte dem König bei der Landung mein Wort verpfändet, aber da sein Fall so außergewöhnlich sei, wolle ich sofort zum Palast gehen und bezweifle nicht, daß Tembinok‘ mich für diesen Fall entbinden würde. Tom White wurde sofort von Angst und Schrecken erfaßt, flehte mich in den beweglichsten Ausdrücken an, ihn nicht zu verraten, und floh meine Nachbarschaft. Er besaß nichts von der Kühnheit des Kochs, Wochen vergingen, ehe er mir wieder unter die Augen zu kommen wagte, und dann nur auf Befehl des Königs und wegen einer besonderen Angelegenheit.

Je mehr ich den Triumph dieser starken Regierung durchschaute und bewunderte, desto mehr beschäftigte mich ein Problem auf das ernsthafteste, das vielleicht schon morgen für uns von Bedeutung sein konnte. Hier lebte ein Volk, geschützt vor allen ernsthaften Schicksalsschlägen, befreit von jeder ernsthaften Sorge und dessen beraubt, was wir unsere Freiheit nennen. Liebten sie diesen Zustand? Und wie waren ihre Gefühle gegenüber dem Herrscher? Die erste Frage konnte ich natürlich nicht stellen, auch konnten die Eingeborenen sie kaum beantworten. Selbst die zweite Frage war heikel, aber schließlich fand ich unter reizvollen und sonderbaren Bedingungen Gelegenheit, sie anzubringen, und einen Mann, der sie beantwortete. Es war nahezu Vollmond, und eine herrliche Brise wehte, die Insel war taghell, es wäre Gotteslästerung gewesen zu schlafen, und ich wanderte im Busch und spielte auf meiner Flöte. Es muß wohl der Ton meiner Musik gewesen sein – oder was ich selbstgefällig so nenne –, der einen anderen Wanderer in meine Richtung lockte. Es war ein junger Mann, mit seiner Matte bekleidet und mit einem Blumenkranz im Haar, denn er war soeben vom Tanzen und Singen in der Volkshalle gekommen. Sein Körper, sein Gesicht und seine Augen waren von entzückender Schönheit. Überall sieht man auf den Gilbertinseln junge Leute von dieser unglaublichen Vollkommenheit, ich beobachtete fünf Leute unserer Reisegesellschaft, die eine halbe Stunde in Bewunderung vor einem Knaben auf Mariki standen, und Te Kop, meinen Freund mit der feinen Matte und dem Blumenkranz, hatte ich schon verschiedentlich bemerkt und längst als das schönste Lebewesen von Apemama bezeichnet. Die Wirkung solcher Bewunderung muß sehr stark gewesen sein, oder die Eingeborenen sind besonders empfänglich dafür, denn ich habe selten auf diesen Inseln jemand bewundert, ohne daß er meine Bekanntschaft gesucht hätte. So war es auch mit Te Kop. Er führte mich zum Meeresstrand, und eine oder zwei Stunden lang saßen wir rauchend und plaudernd auf dem glänzenden Sand im unaussprechlichen Leuchten des Mondes. Mein Freund zeigte sich sehr empfänglich für die Schönheit und Anmut der Stunde. »Gute Nacht! Guter Wind!« rief er unausgesetzt aus, und indem er die Worte sprach, schien er mich zu umarmen. Vor langer Zeit habe ich solche immer wiederkehrenden Ausrufe des Entzückens für einen Typ, nämlich Felipe in meiner Geschichte »Olalla«, erfunden und wollte, daß er dadurch einigermaßen blöde wirkte. Aber in Te Kop war nichts Niedriges, sondern er empfand nur ein kindisches Vergnügen am Augenblick. Auch von seinem Begleiter war er nicht weniger entzückt oder freundlich genug, es zu sagen, und er ehrte mich, bevor er mich verließ, indem er mich Te Kop nannte. Er nannte mich »mein Name!«. Mit einer unaussprechlichen Betonung, indem er seine Hand gleichzeitig leicht auf meine Knie legte; und als wir aufgestanden waren und unsere Wege sich im Busch trennten, rief er mir zweimal in einer Art milder Verzückung nach: »Ich Euch lieben zuviel!« Von Anfang an hatte er kein Geheimnis aus seiner Furcht vor dem König gemacht, er wagte es nicht, sich niederzusetzen oder mehr als flüsternd zu sprechen, bevor er nicht die ganze Breite der Insel zwischen sich und seinem Monarchen wußte, der bereits harmlos schlief; und selbst dort, nicht mehr als einen Steinwurf vom großen Meer entfernt, wo unser Gespräch durch das Rauschen der Brandung und das Brausen des Windes in den Palmen eingehüllt wurde, sprach er immer noch vorsichtig, dämpfte seine Silberstimme, die im Chor laut genug ertönte, und blickte sich um wie ein Mann, der Spione fürchtet. Das sonderbarste ist, daß ich ihn niemals wiedersehen sollte. Auf jeder anderen Insel der ganzen Südsee würde jeder Eingeborene, den ich nur halb so weit an mich herankommen ließ, am nächsten Morgen vor meiner Tür gewesen sein, um Geschenke zu bringen und zu erwarten. Aber Te Kop verschwand für immer im Busch. Mein Haus war selbstverständlich unerreichbar, aber er wußte, daß er mich am Ozeanstrand, wohin ich täglich ging, finden konnte. Ich war der Kaupoi, der reiche Mann, mein Tabak und meine Handelswaren waren als unerschöpflich bekannt, er konnte eines Geschenkes sicher sein. Ich bin nicht imstande, sein Benehmen zu erklären, wenn man nicht vermuten dürfte, daß er sich einer Stelle in unserem Gespräch mit Schrecken und Bedauern erinnerte. Hier ist sie:

»Der König, er guter Mann?« fragte ich.

»Glauben er Euch lieben, er guter Mann«, antwortete Te Kop. »Nicht lieben, nicht gut!«

Das ist allerdings eine besondere Art, die Sache darzustellen. Te Kop war wahrscheinlich nicht beliebt, denn er sah, soweit ich beurteilen kann, nicht gerade wie ein fleißiger Mensch aus. Und eine Menge anderer Leute wird der König, um bei dem Ausdruck zu bleiben, nicht lieben. Lieben diese Unglücklichen den König? Oder ist die Abneigung nicht vielmehr gegenseitig? Ist der gewissenhafte Tembinok‘ genau wie der Braxfield vor ihm und viele andere gewissenhafte Herrscher und Richter vor beiden umgeben von einer beträchtlichen Anzahl von »Nörglern«? Man denke zum Beispiel an den Koch, der uns blau vor Wut und Zorn begegnete. Er war sehr wütend gegen mich, aber ich glaube, daß er nach allen Gesetzen der menschlichen Natur nicht gerade entzückt war von seinem Herrn. Dem reichen Manne wollte er auflauern, aber ich glaube, um Haaresbreite wäre es der König gewesen, dem er statt dessen aufgelauert hätte. Und der König gibt, wenigstens scheinbar, viele Gelegenheiten dazu; Tag und Nacht geht er allein umher, ob bewaffnet oder nicht, kann ich nur erraten, und die Tarofelder, wohin ihn seine Geschäfte sooft führten, scheinen für einen Mord geradezu vorbestimmt zu sein. Der Vorfall mit dem Koch belastete mein Gewissen schwer. Ich wollte meinen Feind nicht von einer zweiten Hand töten lassen, aber hatte ich das Recht, dem König, der mir vertraute, den gefährlichen, heimtückischen Charakter seines Dieners zu verbergen? Und angenommen, der König fiele, was wäre das Schicksal der Freunde des Königs? Damals war unsere Meinung, daß wir für die Inanspruchnahme des Brunnens teuer bezahlen müßten, daß unser Atem in des Königs Brust liege, daß, wenn der König irgendwie auf einem Tarofeld meuchlings getötet werden sollte, die philosophischen und musikliebenden Einwohner von Equatorstadt ihr liebliches Instrument beiseitezulegen und zu allen Waffen zu greifen hätten, die ihnen zur Verfügung standen, mit sehr schwachen Aussichten auf Erfolg. Diese Gedanken wurden uns aufgezwungen durch einen Vorfall, den ich mich schäme zu berichten. Der Schoner H. L. Haseltine, der inzwischen mit Verlust von elf Leben auf See gekentert ist, lief Apemama an zu einer für uns günstigen Zeit, da wir unsere Vorräte nahezu erschöpft hatten. Der König brachte gewohnheitsmäßig Tag für Tag an Bord zu, der Gin war unglücklicherweise nach seinem Geschmack, er brachte einen Vorrat mit an Land, und eine Zeitlang war der einzige Tyrann der Insel stark angeheitert. Er war nicht betrunken – der Mann ist kein Trinker, er hat immer Alkoholvorräte zur Hand, die er mit Mäßigkeit genießt, aber er war benebelt, träge und verworren. Er kam eines Tages zum Frühstück zu uns und verfiel auf seinem Stuhl in Schlaf, während das Gedeck aufgelegt wurde. Seine Verwirrung glich unserem Unbehagen, als er aufwachte und sah, daß er sich verraten habe. Nachdem er gegangen war, saßen wir beisammen und sprachen von der Gefahr, in der er sich befinde, und die nach unserer Ansicht bis zu einem bestimmten Grade auch uns anging. Wie leicht konnte der Mann in solchem Zustande von »Nörglern« überrascht werden! Eigenartige Dinge würden folgen: die königlichen Schätze und Vorräte würden in die Hände des Pöbels geraten, der Palast würde überrannt, die Weibergarnison verjagt werden. Und während wir noch sprachen, erschreckte uns ein Gewehrschuß und ein plötzlicher barbarischer Aufschrei. Ich glaube, wir wechselten alle die Farbe, aber es war nur der König, der auf einen Hund feuerte, und der Chor, der im Sprechhaus zu singen begann. Ein oder zwei Tage später erfuhr ich, daß der König sehr krank sei, ich ging hin, untersuchte den Fall und bewies mich sofort als höchste Autorität auf dem Gebiete der Medizin, indem ich doppelkohlensaures Natron hervorzog. Innerhalb einer Stunde war Richard wieder er selbst, und ich fand ihn bei dem unvollendeten Haus, wie er das doppelte Vergnügen genoß, Rubam Anweisungen zu erteilen und eine Mahlzeit von Kokosnußklößen zu verzehren. Er war sehr begierig, das Rezept dieser neuen Art von Schmerzstiller zu erfahren, denn Schmerzstiller ist auf den Inseln die Generalbezeichnung für jede Medizin. So endete des Königs bescheidene Zecherei und unsere Sorge.

Nach außen schien, wie ich behaupten möchte, die Autorität unangetastet. Als unser Schoner schließlich zurückkam, nach vielen unangenehmen Erfahrungen mit täuschenden Winden, brachte er das Gerücht, Tebureimoa habe Apemama den Krieg erklärt. Tembinok‘ wurde ein neuer Mensch, sein Gesicht strahlte, sein Gebaren war lebendig wie das eines Knaben, als er den Vorsitz führte im Rat der Häuptlinge in einem Maniap‘ des Palastes, seine Stimme ertönte schrill und jubelnd nach draußen über den halben Bezirk. Gerade einen Krieg wünschte er, und hier war die große Gelegenheit. Als der englische Kapitän seine Waffen in die Lagune warf, verbot er ihm alle militärischen Unternehmungen in der Zukunft, ausgenommen in einem einzigen Falle. Hier war der Fall gegeben. Der Rat tagte den ganzen Morgen, Leute wurden gedrillt, Waffen gekauft, das Krachen von Schüssen ertönte den ganzen Nachmittag, der König entwarf den Feldzugsplan und teilte ihn mir mit, er war höchst genau und klug, nur vielleicht ein wenig zu fein gesponnen für die rauhen Zufälligkeiten des Krieges. Und in all diesem Aufruhr schien die Verfassung der Bevölkerung ausgezeichnet zu sein, auf jedem Gesicht zeigte sich ungewohnte Begeisterung, und selbst Onkel Parker brannte vor militärischem Eifer.

Selbstverständlich war es ein falscher Alarm. Tebureimoa hatte andere Fische zu braten. Der Abgesandte, der uns auf unserer Rückkehr nach Butaritari begleitete, fand ihn zurückgezogen auf dem Riff einer kleinen Insel, er schmollte mit seinen Altmännern, war unwillig über die Händler und hatte mehr Furcht vor Aufständen in seinem Reich als Gelüste nach auswärtigen Kriegen. Der Bevollmächtigte war unter meinen Schutz gestellt worden, und wir begrüßten uns feierlich, als wir uns trafen. Er bewies sich als ausgezeichneter Fischer und fing Bonitos von Bord aus. Er ruderte vorzüglich und machte sich einen ganzen glühend heißen Nachmittag über sehr nützlich, indem er die in eine Windstille geratene »Equator« an der Küste von Mariki ins Schlepptau nahm. Er erledigte seinen Auftrag ohne großes Geschick, kehrte aber nach Hause zurück, ohne Unheil angerichtet zu haben.

O si sic omnes!