Die Insel Baß

Ich dachte nicht nach, wohin sie mich führten; ich spähte nur hier und dort nach einem Schiff aus, und indessen ging ein Wort Ransomes – »die Zwanzigpfünder« – mir unaufhörlich im Kopfe herum. Sollte ich wiederum der Gefahr einer Verschleppung nach den Plantagen ausgesetzt werden, so würde es mir diesmal, meinte ich, schlecht ergehen; ein zweites Mal würden kein Alan, kein Schiffbruch und keine lose Rahe da sein, und ich sah mich bereits unter der Peitsche Tabak schneiden. Der Gedanke ließ mich frieren; die Luft auf dem Wasser war scharf, die Sitze im Boot waren von eisigem Tau durchnäßt, und ich zitterte vor Kälte auf meinem Platze neben dem Steuermann. Dieser war der Dunkelhäutige, den ich bisher als den Flachländer bezeichnet habe; er hieß Dale und wurde gewöhnlich der »Schwarze Andie« genannt. Als er mich zittern fühlte, reichte er mir freundlichst eine grobe Jacke voller Fischschuppen, und ich war froh, mich damit bedecken zu können. »Ich danke Euch für Eure Güte«, sagte ich, »und erlaube mir, sie durch eine Warnung zu vergelten. Ihr habt mit dieser Sache eine schwere Verantwortung auf Euch geladen. Ihr seid nicht wie diese unwissenden, barbarischen Hochländer, sondern kennt die Gesetze und das Risiko, das jene laufen, die sie übertreten.«

»Ich kann zwar nicht behaupten, daß ich’s mit den Gesetzen so besonders genau nehme, auch in der besten Zeit nicht«, entgegnete er; »aber in dieser Sache handle ich mit sicherer Vollmacht.« »Was wollt Ihr mit mir anfangen?« fragte ich.

»Nichts Schlimmes,« erwiderte er, »durchaus nichts Schlimmes. Ihr habt mächtige Freunde, mein‘ ich. Es wird noch alles gut werden.«

Ein grauer Schleier begann sich auf des Meeres Antlitz zu senken, kleine rosa und rote Flecken, glimmenden Kohlen gleich, tauchten im Osten auf; gleichzeitig erwachte das Wildgeflügel und umkreiste schreiend den Gipfel von Baß. Die Insel besteht, wie jeder weiß, aus einem einzigen Felsen, der jedoch so groß ist, daß man draus eine ganze Stadt hauen könnte. Die See war ungewöhnlich ruhig, aber am Fuß der Klippe tönte ein hohles Plätschern. Mit dem wachsenden Licht konnte ich sie immer deutlicher erkennen; die schiere Felswand war mit Exkrementen von Seegeflügel bemalt wie mit morgendlichem Rauhreif, den schrägen Gipfel deckte grünes Gras, ein Volk von weißen Lummen umschrie ihre Flanken, und die schwarzen, verfallenen Baulichkeiten des Gefängnisses hockten hart neben dem Uferrand. Bei diesem Anblick ging mir plötzlich die Wahrheit auf. »Dorthin schafft Ihr mich also!« rief ich. »Nach Baß, wohin sonst denn, Freundchen?« entgegnete er. »Wo vor Euch die alten Märtyrer waren; doch zweifle ich, ob Ihr Euer Gefängnis auf so redliche Weise verdient habt.«

»Aber jetzt haust niemand mehr hier«, rief ich; »der Ort ist ja längst verfallen.« »Um so angenehmer der Wechsel für die Lummen«, meinte Andie trocken. Als der Tag sich mählich klärte, bemerkte ich zwischen dem Seetang unter großen Steinen, wie die Fischer sie als Ballast wählen, eine Reihe von Fässern und Körben sowie einigen Brennvorrat. All das war auf den Klippen abgeladen worden. Andie, ich und meine drei Hochländer (ich nenne sie »mein«, obwohl es umgekehrt richtiger wäre) landeten neben ihnen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als das Boot sich wieder entfernte, während das Knirschen der Ruder in den Dollen von den Klippen widerhallte, und wir fünf blieben in unserer seltsamen Wüstenei allein. Andie Dale war der Präfekt von Baß (wie ich ihn im Scherz zu nennen pflegte) und gleichzeitig der Schäfer und Wildhüter jener kleinen, aber reichen Herrschaft. Er mußte etwa ein Dutzend Schafe hüten, die dort fett wurden und an den schrägen Hängen weideten gleich Tieren auf den Dächern einer Kathedrale. Außerdem pflegte er die weißen Tölpel – eine Lummenart – die in den Klippen nisteten, und die ein ansehnliches Vermögen repräsentierten. Die Jungen gelten als Delikatesse und werden gewöhnlich von Epikuräern bereitwilligst mit zwei Shilling das Stück bezahlt. Selbst die ausgewachsenen Vögel sind durch die Federn und das Öl, das sie liefern, wertvoll, sodaß ein Teil der Pfründe des Pfarrers von North Berwick bis auf den heutigen Tag in diesem Seegeflügel bezahlt wird, weshalb sie (in mancher Leute Augen) als ungemein begehrenswert gilt. Um diesen mannigfachen Pflichten nachzukommen, auch um die Vögel vor Wilderern zu schützen, mußte Andie häufig Tage und Nächte auf dem Felsen zubringen, und er war dort so vollkommen zu Hause wie ein Bauer auf seinem Hof. Mit der Aufforderung, einen Teil der Vorräte aufzuladen – ein Geheiß, das ich mich zu erfüllen beeilte – führte er uns durch ein verschließbares Tor, den einzigen Zugang zur Insel, und durch die Ruinen der Festung nach dem Gouvernementsgebäude. Dort hatte er, wie wir aus der Asche im Kamin und einem in der Ecke befindlichen Pfostenbett ersahen, seine ständige Wohnstatt aufgeschlagen. Das Bett bot er mir zur Benutzung an, mit der Bemerkung, ich beanspruche vermutlich, vom Adel zu sein. »Mein Adel hat nichts mit der Art meiner Unterkunft zu tun«, entgegnete ich. »Gottlob war ich auch früher schon harte Betten gewöhnt und kann sie mit Dankbarkeit von neuem hinnehmen. Solange ich hier bin, Mr. Andie – falls das Euer Name ist – werde ich genau wie Ihr anderen meine Arbeit tun und meinen Platz an Eurer Seite einnehmen; dagegen bitte ich Euch, mich mit Eurem Spott zu verschonen, der mir, das gebe ich zu, nicht behagt.« Er murrte ein wenig gegen diese Rede, schien sie jedoch nach einigem Nachdenken zu billigen. In Wahrheit war er ein schlauer, vernünftiger Mann, ein guter Whig und Presbyterianer. Täglich las er in seiner Taschenbibel und war sowohl imstande wie begierig, sich ernsthaft über Religion zu unterhalten; dabei zeigte er keine geringe Neigung zu cameronischen Extremen. Seine Moral jedoch war von zweifelhafter Farbe. Ich fand, daß er tief in das Schmugglergewerbe verstrickt war und die Ruinen von Tantallon als Stapelplatz für seine verbotenen Waren benutzte. Und was die Zollbeamten betraf, so war ihm deren Leben, glaube ich, keinen halben Farthing wert. Aber jener Teil von Lothian ist auch heute noch eine wilde Gegend und das Volk so rauh als nur irgendeins in Schottland. Ein Vorfall, der sich während meiner Gefangenschaft ereignete, ist mir dank seiner Folgen im Gedächtnis haften geblieben. Damals war im Firth ein Kriegsschiff stationiert, das »Seepferd«, Kapitän Palliser. Zufällig kreuzte es im Monat September zwischen Fife und Lothian, um die dortigen Untiefen zu loten. Eines schönen Morgens wurde es in aller Frühe etwa zwei Meilen östlich von uns gesichtet, wie es ein Boot zu Wasser ließ, um Wildfire Rocks und Satans Bush, zwei berüchtigt gefährliche Stellen jener Küste, zu sondieren. Nachdem es seine Jolle wieder aufgenommen hatte, hielt das Schiff vor dem Wind unmittelbar auf Baß zu. Das kam Andie und den Hochländern sehr in die Quere; meine Entführung war von Anfang bis zu Ende auf Geheimhaltung berechnet, und jetzt lief ihnen zur Unzeit dieser Kriegsschiffskapitän über den Weg, und es sah ganz so aus, als würde die Sache zum mindesten ruchbar werden, selbst wenn sie keine schlimmeren Folgen hätte. Ich stand allein vier Mann gegenüber; ich bin kein Alan, der über eine ganze Bande herfällt, und ich war durchaus nicht überzeugt, daß das Kriegsschiff meine Lage bessern würde. Alles in allem gab ich daher Andie mein Ehrenwort, verpflichtete mich zu Ruhe und Gehorsam und wurde in aller Eile nach der Felskuppe geschafft, wo wir uns an verschiedenen versteckten Beobachtungsposten hart am Rande der Klippe niederließen. Das »Seepferd« hielt scharf auf uns zu, bis ich dachte, sie würde auflaufen, und wir konnten von unserem schwindeligen Ausguck her die Mannschaft an ihren Plätzen beobachten und hörten den Mann mit dem Lot seine Befunde ausschreien. Dann drehte das Schiff plötzlich bei und gab aus – ich weiß nicht wie vielen – mächtigen Rohren eine Salve ab. Der Felsen bebte unter der Wucht der Detonation, der Rauch ergoß sich über unsere Köpfe, und die Lummen schwärmten in unfaßlicher Zahl auf. Ihr Schreien und das Funkeln ihrer Flügel gestalteten sich zu einem einzigartigen Erlebnis; und ich nehme an, Kapitän Palliser hatte sich nur diesem etwas kindlichen Vergnügen zuliebe der Insel genaht. Das kam ihm später teuer zu stehen. Während das Schiff auf uns zusteuerte, hatte ich Gelegenheit gehabt, mir die Takelung einzuprägen, weshalb ich es von nun an selbst aus meilenweiter Entfernung zu erkennen vermochte; und das sollte (mit Gottes Hilfe) das Mittel werden, um einen Freund vor großem Unglück zu bewahren, Kapitän Palliser dagegen eine empfindliche Enttäuschung zu bereiten.

Die ganze Zeit während meines Aufenthaltes auf dem Felsen lebten wir gut. Wir hatten Dünnbier und Schnaps, sowie Hafermehl, aus dem wir uns abends und morgens unsere Grütze bereiteten. Mitunter setzte von Castleton aus ein Boot zu uns über und brachte uns ein Hammelviertel, da wir die Schafe auf der Klippe, die besonders für den Markt gemästet wurden, nicht anrühren durften. Für die Vögel war es leider nicht die richtige Jahreszeit; so ließen wir sie in Ruhe. Aber wir fischten eigenhändig und ließen öfter noch die Lummen für uns fischen, indem wir ihnen, sobald sie einen Fisch gefangen hatten, die Beute wieder abjagten, ehe sie sie verschlingen konnten.

Die seltsame Natur des Ortes und die Merkwürdigkeiten, von denen es dort wimmelte, bildeten meine Beschäftigung und mein Vergnügen. Da eine Flucht unmöglich war, ließ man mir volle Freiheit, und ich fuhr fort, die Oberfläche der Insel zu erforschen, so weit ein Menschenfuß sich wagen konnte. Der alte Gefängnisgarten war noch klar zu erkennen; Blumen und Pflanzen wucherten dort wild, und eines der Bäumchen trug reife Kirschen. Etwas unterhalb des Gartens lag eine Kapelle oder Eremitenklause; wer sie erbaut oder bewohnt hatte, wußte niemand, und der Gedanke an ihr Alter versenkte mich oft in tiefes Sinnen. Auch das Gefängnis, in dem ich jetzt mit meinen hochländischen Viehräubern biwakierte, war in weltlichem wie religiösem Sinne eine historische Stätte. Mich berührte es seltsam, daß so viele Heilige und Märtyrer erst vor kurzem hier geweilt hatten, ohne auch nur ein Bibelblatt oder einen eingeschnitzten Namen als Andenken zu hinterlassen, während die rauhen Soldatenkerls, die auf den Bastionen Wache gehalten, die ganze Umgebung mit Spuren übersät hatten – zumeist mit einer erstaunlichen Menge zerbrochener Pfeifenköpfe, daneben aber auch mit Uniformknöpfen. Zeitweise glaubte ich aus den Gefängnissen der Märtyrer fromme Psalmen klingen zu hören und sah im Geiste die Soldaten, glimmende Pfeifen im Maul, auf der Bastei auf und ab marschieren, während ihnen im Rücken aus der Nordsee der Morgen aufstieg.

Zweifellos trug Andie mit seinen Erzählungen viel dazu bei, mein Hirn mit diesen Träumen zu bevölkern. Er war in der Geschichte des Felsens ungewöhnlich beschlagen und wußte alle Einzelheiten bis auf die Namen der gemeinen Soldaten, da sein Vater in dieser Eigenschaft dort gedient hatte. Außerdem besaß er ein natürliches Erzählertalent, so daß die Menschen zu reden und die Dinge sich direkt vor des Hörers Augen zu ereignen schienen. Diese Gabe und meine Freude am Zuhören brachten uns einander näher. Ich kann in Wahrheit nicht leugnen: er gefiel mir gut; bald erkannte ich, daß auch er mich gern hatte, und ich hatte mir ja von Anfang an vorgenommen, sein Wohlwollen zu erringen. Ein seltsamer Umstand (von dem später noch die Rede sein wird) verwirklichte dies über jede Erwartung hinaus; aber selbst in den ersten Tagen unserer Bekanntschaft standen wir für einen Wärter und seinen Gefangenen auf ungemein freundschaftlichem Fuß.

Ich könnte es vor meinem Gewissen nicht verantworten, wenn ich behaupten wollte, mein Aufenthalt auf Baß sei durchwegs unangenehm gewesen. Die Insel erschien mir im Gegenteil als eine Art Zufluchtsstätte, wo ich allen meinen Nöten entronnen war. Niemand durfte mir etwas zuleide tun; physische Hindernisse – der Felsen und die tiefe See – machten jede weitere Anstrengung unmöglich; ich fühlte, mein Leben und meine Ehre waren in sicherem Gewahrsam, und es gab Zeiten, in denen ich mich so weit gehen ließ, mich daran wie an gestohlenem Gut zu weiden. Aber ich hatte auch ganz andere Gedanken. Ich erwog, mit welcher Kraft ich vor Rankeillor und Stuart getreten war; ich überlegte, daß man meine Gefangenschaft auf Baß, hier im Angesicht eines großen Teiles der Küste von Fife und Lothian, als eine Sache ansehen würde, die ich eher gesucht als unfreiwillig über mich hatte ergehen lassen, und daß ich vor jenen beiden Herren als Prahler und Feigling dastehen mußte. Manchmal nahm ich das alles leicht genug und versicherte mir selbst, solang ich mit Catriona Drummond gut stünde, sei die übrige Welt für mich nur Mondschein und flüchtiges Wasser; dann fiel ich unmerklich in jene Betrachtungen, die einem Liebenden so teuer sind, dem Leser jedoch stets erstaunlich eitel dünken. Ein anderes Mal packte mich mit Gewalt die Furcht; dann schüttelte mich förmlich panische Angst um meine Selbstachtung, und jenes vermeintliche, harte Urteil erschien mir als eine Ungerechtigkeit, die ich unmöglich ertragen könnte. Das führte mich wieder zu anderen Gedanken; kaum hatte ich begonnen, mich um der Welt Meinung über mich selbst zu sorgen, da verfolgte mich schon die Erinnerung an James Stuart in seinem Gefängnis und an die Klagen seiner Frau. Dann erst begann sich echte Leidenschaft in mir zu rühren; ich konnte es mir niemals verzeihen, daß ich hier müßig saß; mir war, als müßte ich (wenn nur ein Funken Mannhaftigkeit in mir lebte) fliegend oder schwimmend meinem Asyl entfliehen. In solchen Stimmungen, wie um meiner Selbstquälerei zu fröhnen, machte ich mich daran, Andie Dale zu gewinnen.

Eines schönen Morgens endlich, als wir uns ganz allein auf dem Gipfel des Felsens befanden, ließ ich einen vorsichtigen Wink über eine Bestechung fallen. Er blickte mich an, warf den Kopf zurück und lachte mir ins Gesicht.

»Ah, Ihr lacht, Mr. Dale,« sagte ich, »wenn Ihr aber die Güte hättet, einen Blick auf dieses Papier zu werfen, würdet Ihr vielleicht einen andern Ton anschlagen.«

Die dummen Hochländer hatten mir bei meiner Gefangennahme lediglich mein Bargeld abgenommen, und das Papier, das ich Andie jetzt zeigte, war eine Quittung der British Linen Company über eine beträchtliche Summe.

Er las. »Bei Gott, Ihr seid gar nicht so ein Bettler«, meinte er.

»Dachte ich’s mir doch, daß Ihr Eure Meinung ändern würdet«, sagte ich.

»Pah!« rief er, »das zeigt nur, daß Ihr bestechen könnt; aber ich bin unbestechlich.«

»Das werden wir noch sehen«, entgegnete ich. »Erst will ich Euch beweisen, daß ich weiß, was ich sage. Ihr habt Befehl, mich bis nach Donnerstag, dem 21. September, hier festzuhalten.«

»Da habt Ihr auch nicht so ganz unrecht«, meinte Andie. »Ich soll Euch, falls nicht Gegenorder kommt, Samstag, den 23. September, freilassen.«

Ich konnte nicht anders, mir kam diese Verabredung ungemein raffiniert vor. Daß ich just dann wieder auftauchen sollte, wenn es zu spät war, würde meine Geschichte, falls ich wirklich eine erzählte, um so unglaubhafter machen; das brachte mich erst recht in Harnisch.

»Paßt auf, Andie; Ihr kennt die Welt, also hört mich an und bedenkt, was ich Euch sage«, hub ich an. »Ich weiß, große Herren sind in diese Sache verstrickt, und ich zweifle keinen Augenblick, daß Ihr Euch auf sie berufen könnt. Ich selbst habe auch mit ihnen zu tun gehabt, seit diese Affäre begann, und habe ihnen meine Meinung ins Gesicht gesagt. Was für ein Verbrechen soll ich denn begangen haben? Und nach welchem Verfahren bin ich abgeurteilt? Ich werde von ein paar lumpigen Hochländern am 30. August überfallen, nach diesem alten Steinhaufen geschleppt, der (einerlei was er früher war) weder eine Festung noch ein Gefängnis, sondern lediglich die Behausung des Wildhüters von Baß ist, und soll am 23. September genau so heimlich, wie ich gefangen genommen wurde, wieder freigelassen werden – klingt Euch das nach Gerechtigkeit? Oder klingt es nicht vielmehr nach niedriger, schmutziger Intrige, deren sich sogar die Leute, die sie ersonnen haben, schämen?«

»Ich kann Euch nicht widersprechen, Shaw. Es sieht verteufelt unsauber aus«, erklärte Andie. »Und wären die Leute nicht gute, handfeste Whigs und waschechte Presbyterianer – ich hätte sie eher nach dem Jordan und Jerusalem geschickt, als mich auf so was eingelassen.«

»Der Herr von Lovat ist ein rechter Whig«, entgegnete ich, »und ein großartiger Presbyterianer.«

»Ich weiß nichts von ihm,« beharrte er, »ich habe nichts mit den Lovats zu schaffen.«

»Nein, Ihr werdet mit Prestongrange zu tun haben«, sagte ich.

»A, das sollt Ihr nicht aus mir herauskriegen.«

»Als wenn ich das brauchte, nun ich schon alles weiß«, lautete meine Antwort.

»Auf das eine könnt Ihr Euch verlassen, Shaw«, beteuerte Andie. »Mit Euch habe ich nichts zu schaffen (und wenn Ihr Euch auf den Kopf stellt). Und ich werde auch nichts mit Euch zu schaffen haben«, fügte er hinzu.

»Nun, Andie, ich sehe, ich muß offen mit Euch reden«, erwiderte ich und erzählte ihm die Tatsachen, soweit ich das für nötig hielt.

Er hörte mich mit ernsthaftem Interesse an und schien, als ich geendet hatte, eine Weile zu überlegen.

»Shaw,« sagte er endlich, »ich will frei von der Leber weg reden. ’s ist eine merkwürdige Geschichte und keine sehr schöne, so wie Ihr sie erzählt, womit ich nicht behaupten will, sie hätte sich anders zugetragen, als Ihr glaubt. Was Euch selbst betrifft, so scheint Ihr mir ein recht anständiger junger Mann. Aber ich bin älter und verständiger als Ihr und sehe in dieser Sache vielleicht ein Endchen weiter. Und das hier ist meine ehrliche Meinung: Euch wird’s nicht schaden, wenn ich Euch hier behalte; im Gegenteil, ich glaube, Ihr seid hier ein gut Teil besser aufgehoben als draußen. Dem Lande wird’s auch nicht schaden – bloß ein Hochländer mehr wird aufgeknüpft, und dazu können wir uns, weiß Gott, nur gratulieren! Dagegen würde ich mir selber ziemlich viel schaden, wenn ich Euch laufen ließe. Und darum – als guter Whig und aufrichtiger Freund von Euch und eifriger Freund von mir selbst gesprochen – die nackte Tatsache ist: ich denke, Ihr werdet hier bei Andie und den Lummen bleiben müssen.«

»Andie,« sagte ich, meine Hand auf seine Knie legend, »dieser Hochländer ist unschuldig.«

»Ja, ja, in dem Punkt ist’s schon schade«, meinte er.

»Aber Ihr wißt ja, so wie der Herrgott diese Welt erschaffen hat, kann einer nicht alles haben, wie er sich’s wünscht.«