Sagen aus Bayern

Der Bock bein Auraer Kreuz

In alten Zeiten gingen allabendlich junge Burschen und Mädchen aus Burgsinn nach Aura, um sich dort zu vergnügen. Auf ihrem Weg kamen sie auch an einem Steinkreuz vorbei, das man auf der höchsten Stelle des Pfades errichtet hatte. Immer wieder ermahnten die Alten der beiden Dörfer die jungen Leute eindringlich, nicht zu spät nach Hause zu gehen. Denn in der Nähe des Kreuzes sei nach Mitternacht schon mehrmals ein ungewöhnlich großer Bock gesehen worden. Lachend schlugen sie aber alle guten Ratschläge in den Wind und gingen wie ehedem abends nach Aura. Eines Tages vergnügten sie sich besonders ausgelassen, und es wurde sehr spät, bis sie sich auf den Rückweg machten. Als sie am Kreuz vorbeikamen, vernahmen sie ein Rascheln, und da sprang auch schon ein riesiger Bock aus dem Gebüsch hervor. Er spießte eines der Mädchen auf seine Hörner und rannte blitzschnell davon, ohne daß ihre Begleiter eingreifen und es verhindern konnten. Mehrere Tage lang suchten die Bewohner der beiden Orte nach der Verschwundenen, doch sie wurde nie wieder gesehen. Wegen der feurigen Augen und der schwarzen Hörner, die das Ungeheuer hatte, glaubten die Leute, der Teufel sei in Gestalt dieses Bockes erschienen und habe das Mädchen geholt. Noch lange nach diesem Vorfall mieden die Leute der Umgebung den Weg über das Auraer Kreuz zu nächtlicher Stunde.

Die Prophezeiung des Soldaten

Zu Kriegszeiten zogen Soldaten durch eine Flur. Dirnen steckten Krautpflanzen. Da zog einer der vorbeimarschierenden Soldaten die Pflanze, welche soeben ein hübsches Mädchen gesteckt hatte, wieder heraus, legte sie neben hin auf einen Stein, und sagte: »So wahr diese Pflanze hier gedeiht, so wahr wirst du mein.« Und wirklich wuchs die Pflanze auf dem Steine und ward schöner als alle übrigen; auch kehrte der Soldat zurück und das Mädchen ward sein Weib. Zu Waldmünchen geschehen.

Der Künigenbrunnen

In dem Waldtal, durch welches man von Eschau nach Wildensee geht, ist ein Brunnen von seltsamer Beschaffenheit. Sein Wasser ist nicht gut zu trinken: es ist ungesund und hat einen bitteren Geschmack. – Das kommt von den bittern Kummertränen, die einmal in diesen Brunnen sind geweint worden.

Es ist nämlich in der uralten Zeit, als von Eschau noch kein Haus stand, sondern nur das Schloß auf der Wiese zwischen dem Schleifbächlein und der Elsava, welches jetzt spurlos verschwunden ist, eine Königin durchs Tal gegangen – in großem Leide. Ihr Gemahl war geblieben im Krieg, ihre Kinder in Feindesgewalt geraten. Drei Tage lang war sie schon durch den Wald geirrt, ihre Kleider waren zerrissen von den Dornen, und ihre Füße wund vom harten Gestein, und die Augen brannten ihr im Kopfe, denn sie hatte noch keine Träne weinen können. Da legte sie sich nieder unter den Buchen neben dem Brunnen und meinte, das Herz müsse ihr zerspringen vor großem weh, Gott aber hatte endlich Mitleid mit ihr: sie hielt ihr brennendes Gesicht in den kühlen Quell, und ihre Zähren lösten sich und rannen hinein. Seit dem schmeckt der Brunnen nach den Tränen der Königin und heißt der Künigenbrunnen. Was es aber für eine Königin gewesen ist, weiß man nicht.

Der Wallensee

In den bayerischen Alpen unweit Kochel, von ungeheuern Bergen eingeschlossen, liegt ein See, genannt der Waller- oder Walchensee. Seine schwarzen Wasser sind von unergründlicher Tiefe, und er steht mit dem Weltmeere in Verbindung, daher er im Jahre 1755, als Lissabon durch das große Erdbeben zerstört wurde, heftig tobte und brausete. Und auch zu andern Zeiten stürmt und schäumt er oft hoch auf, und würde er einmal sein Felsenbett in seiner Wut zersprengen, so würden sich seine Wasser gegen München ergießen, und diese Stadt ein Raub der Fluten werden. Zur Abwendung dieses entsetzlichen Unglückes wurde in der ehemaligen in der Gruftgasse befindlichen Gruftkirche täglich eigens eine heilige Messe gelesen, und zur Sühne des zürnenden Wassers alle Jahre ein goldener Ring geweiht und in den Wallersee geworfen.

Die drei Späne

Es ist noch bei Menschen Gezeiten in einer Winternacht, da man bei der Gunkel im Gärtnerhaus in Lichtenberg schauerliche Begebenheiten, sonderbar von der Teufelskuchen erzählte, war eine Dirne, ein keckes Ding, so fürwitzig, mancherlei des Gehörten zu verspotten, und vermaß sich jetzt in der Finster allein in die Schlucht zu gehen. Wie nun die einen sich ob solch frevelhafter Herausforderung des Bösen kreuzten, sprachen die andern, die Dirne an Wort zu halten und zum Zeichen, daß sie dort gewesen, drei Spän aus einem alten Eibenbaum zu schneiden, morgen am Tag wollten sie dann nachsehen ob sie wirklich so getan. Das Mädel ließ sich nicht aufhalten und lief richtig hinaus. Bald kam sie zur Schlucht und fand auch den Baum. Hier schnitt sie rasch den ersten Span, aber ihr armes Herz nackelte schon fast, als es ihr war es knisterte wie ein Feuer um sie. Aber schneidig wie sie war, schnitt sie keck den zweiten Span, da fuhren aber ganz deutlich feurige Funken heraus, und wollt es ihr nun doch zaghaft werden; halb wahnsinnig vor Schreck und Wut erschnitt sie aber doch noch den dritten Span, schrie laut hin: es ist doch alles nur Teufelspuk und jagte in einer Furie nach Haus, um sie herum aber war alles ein wildes Feuer.

Es wird eine Gefahr haben, ob sie wieder kommt, sagte gerade die alte Ahnfrau, als die Dirne selber bleich wie der Tod wie eine Erscheinung in die Stuben stürzte und die drei Spän auf den Tisch hinwarf. Wer aber beschreibt das Entsetzen aller, als drei weißgebleichte Totenbeiner auf das Tischbrett rasselten, und die Dirne jählings zusammenfiel. In der Nacht traute sich keins mehr hinaus, bis der Tag zu grauen anhub. Sie beteten inbrünstig ob der armen Dirne, die man so wider Gleich und Recht hinausgelassen, und dieses Frevels halber kam die Mehrsten ein Greuel an. Doch Reu und Leid wurd da zu spät gemacht, in drei Tagen verschied die Dirne in der hitzigen Krankheit, allzeit schüttelte es sie im Fieber bald vor Frost, bald vor Glut, das Erlebte erzählend fiebernd vor Angst.

Freunde in Leben und Tod

Es waren zwei Jugendfreunde in einer Gegend am Böhmerwalde, welche sich sehr liebten und gegenseitig das Versprechen gaben, daß, wer von ihnen zuerst sterbe, dem anderen nach dem Tode Nachricht geben solle, wie es in der anderen Welt gehalten werde. Beide wurden zu Priestern geweiht.

Der eine davon kam als Hilfspriester nach Sch. Einmal läutete es mit der Provisurglocke, als er schon zu Bette und eingeschlafen war; er erwachte darüber und sagte vor sich hin: »Gleich will ich mich aufmachen.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so klopfte es schon, und eine Stimme rief durch die Türe hinein, ob er sich schon versehen hätte, mit ihm zu gehen. Er erwiderte »Ja« – kleidete sich schnell an und ging mit dem Unbekannten, der draußen seiner harrte, ohne ein Wort zu reden, des Weges nach St. Dort angekommen, hieß er den Unbekannten ein wenig warten, bis er die Schlüssel zur Kirche vom Meßner geholt hätte. Dieser bedurfte es aber nicht: denn er sah auf einmal die ganze Kirche erleuchtet und die Flügel der Türe geöffnet. So traten sie beide ein. Da stand der Unbekannte als Priester mit dem Meßgewande bekleidet vor ihm; es war sein Freund, der ihn bat, ihm am Altare zu dienen; er habe als Student U. L. Frauen zu Ehren eine Messe versprochen, sein Versprechen aber vergessen, und müsse es nun nachträglich erfüllen.

So trat der Geist an den Altar, und sein Freund diente ihm. Als die Heilige Messe zu Ende war, wendete sich der Geist zu ihm und sprach: »So, nun habe ich nicht mehr zu leiden. Von der anderen Welt aber kann ich dir nichts sagen, als daß es sehr genau genommen wird.« Mit diesen Worten verschwand er.

Gespenst als Eheweib

Zur Zeit des Herzogs Johann Casimir von Coburg wohnte dessen Stallmeister G. P. v. Z. zuerst in der Spitalgasse, hierauf in dem Hause, welches nach ihm D. Frommann bezogen, dann in dem großen Hause bei der Vorstadt, die Rosenau genannt, endlich im Schloß, darüber er Schloß-Hauptmann war. Zu so vielfachem Wechsel zwang ihn ein Gespenst, welches seiner noch lebenden Ehefrau völlig gleich sah, also daß er, wenn er in die neue Wohnung kam und am Tisch saß, bisweilen darüber zweifelte, welches seine rechte leibhafte Frau wäre, denn es folgte ihm, wenn er gleich aus dem Hause zog, doch allenthalben nach. Als ihm eben seine Frau vorschlug, in die Wohnung, die hernach jener Doktor inne hatte, zu ziehen, dem Gespenst auszuweichen, hub es an mit lauter Stimme zu reden und sprach: »Du ziehest gleich hin, wo du willst, so ziehe ich dir nach, wenn auch durch die ganze Welt.« Und das waren keine bloße Drohworte, denn nachdem der Stallmeister ausgezogen war, ist die Türe des Hinterhauses wie mit übermäßiger Gewalt zugeschlagen worden und von der Zeit an hat sich das Gespenst nie wieder in dem verlassenen Hause sehen lassen, sondern ist in dem neubezogenen wieder erschienen.

Wie die Edelfrau Kleidung anlegte, in derselben ist auch das Gespenst erschienen, es mogte ein Feierkleid oder ein alltägliches sein, und welche Farbe als es nur wollte; weswegen sie niemals allein in ihren Haus-Geschäften, sondern von jemand begleitet, ging. Gemeinlich ist es in der Mittagszeit zwischen elf und zwölf Uhr erschienen. Wenn ein Geistlicher da war, so kam es nicht zum Vorschein. Als einmal der Beichtvater Johann Prüscher eingeladen war und ihn beim Abschied der Edelmann mit seiner Frau und seiner Schwester an die Treppe geleitete, stieg es von unten die Treppe hinauf und faßte durch ein hölzernes Gitter des Fräuleins Schürz und verschwand, als dieses zu schreien anfing. Einsmals ist es auf der Küchen-Schwelle mit dem Arm gelegen und als die Köchin gefragt: »was willst du?« hat es geantwortet: »deine Frau will ich.« Sonst hat es der Edelfrau keinen Schaden zugefügt. Dem Fräulein aber, des Edelmanns Schwester, ist es gefährlich gewesen und hat ihm einmal einen solchen Streich ins Gesicht gegeben, daß die Backe davon aufgeschwollen ist und es in des Vaters Haus zurückkehren mußte. Endlich hat sich das Gespenst verloren und es ist ruhig im Hause geworden.

Der Schmied von Mitterbach

Vor vielen Jahren lebte zu Mitterbach ein Schmied, der hielt sein Hauswesen schlecht instand und vertat alles in Trunk und Spiel. Er wußte sich bald nicht mehr zu helfen und rief den bösen Feind um Beistand an. Dieser stellte sich ungesäumt ein, und der leichtfertige Schmied verschrieb sich ihm mit Leib und Seele; mit seinem eigenen Blut unterfertigte er den Vertrag: der Teufel solle ihn haben, wenn der Böse ihm nur drei Jahre lang in allem zu Willen sei.

Der Mitterbacher schwelgte nun in Lust und Freuden und warf das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus, so daß sich die ganze Nachbarschaft höchlich darob wunderte.

Doch bald war die bedungene Zeit um, und Luzifer kam abends in des Schmiedes Stube und machte Miene, sich auf die Ofenbank zu setzen. Aber die Schmiedin wollte dies nicht zulassen, sondern brachte mit zierlicher Höflichkeit einen gepolsterten Stuhl aus dem schönen Stüble herbei. Luzifer fragte nach ihrem Ehegatten. Die Schmiedin erwiderte, ihr Mann schlage den Rossen des Wirtes in der Schenke Eisen auf. Das war aber nur Weiberlist; denn in seiner großen Angst und Not hatte der Schmied seiner Ehegesponsin das Geheimnis seines Vertrages geoffenbart. Des Schmiedes Ehefrau trug nun dem Bösen gut Essen und Trinken auf und sandte den Gesellen nach dem Schmied, ihrem Mann, der sich indessen bei einem alten Großmütterlein im Dorfe Rat holte. Diese war eine kluge Frau, eine bekannte Wahrsagerin und mit allerlei Zauberkünsten vertraut.

Der Mitterbacher kam schließlich fröhlichen Mutes nach Hause und ging den Satan höflich an, seine Lebensfrist zu verlängern.

Der aber schlug das Verlangen rundweg ab und mahnte den Schmied zum Aufbruch. Als beide hinter dem Haus durch den Garten gingen, wo die Kirschbäume voll reifer Früchte hingen, bewog der Schmied den Teufel, auf einen Baum zu steigen und ihm als letzte Gunst einige Kirschen zu brocken. Der Teufel wollte, nachdem er genug abgepflückt zu haben wähnte, wieder vom Baum herabsteigen, aber siehe da! inzwischen hatte der Schmied mit einer weißen, wundertätigen Kreide, die ihm die kluge alte Wahrsagerin gegeben hatte, einen Kreis um den Baum gezogen – und der Satan saß wie angepicht auf dem Aste.

Da rief ihm der Schmied zu, er solle den Vertrag herabwerfen, dann wolle er ihn loslassen. Der Höllenfürst wollte dieser Aufforderung lange nicht nachkommen. Endlich schleuderte er dem harrenden Mitterbacher eine falsche Urkunde herab. Doch dieser erkannte den Betrug, und so mußte der Teufel fletschend und heulend und unsäglichen Gestank verbreitend viele, viele Stunden auf seinem luftigen Sitz verbringen. Indes nahte die Geisterstunde ihrem Ende, und der Teufel geriet in Gefahr, seine Herrschaft auf immer zu verlieren. Das machte ihn mürbe, wie man leicht begreifen wird. Er drehte sich ein Hörnlein ab, nahm daraus ein vergilbtes Zettlein Pergament und warf es dem Schmied zu, der das Schriftstück als die echte Handschrift erkannte, worauf er den Vertrag in tausend Fetzen zerriß. Dann zog er einen Kreis mit schwarzer Kreide, die von seltsamer Wunderkraft war. Der Satan aber fuhr wie der Wind, großen Gestank verbreitend, sogleich in alle Lüfte davon.

Aber wer sich einmal mit der Hölle eingelassen hat, der ist ihr verfallen und vermag sich nimmer loszumachen. So erging es auch dem Mitterbacher. Er verschrieb sich dem Teufel zum zweitenmal, doch diesmal nahm der betrogene Satan sich wohl in acht, neuerlich geprellt zu werden. Nach Ablauf der Zeit bat der arme Sünder, es möchten ihm nur noch drei irdische Wünsche erfüllt werden, weil er nun doch sein liebes Weib und seine Kinder verlassen müsse; seien die Wünsche erfüllt, dann zöge er gern mit fort in die Hölle. Und mit seinen Bitten vereinte die Frau ihr Flehen, und die jungen, rotbäckigen Töchterlein des Schmiedes streichelten dem Geißfuß die haarige Wange und drangen bittend in ihn. Da wurde der alte Griesgram weichherzig und konnte nicht mehr widerstehen.

Der erste Wunsch aber lautete: über Nacht sollten alle Felder, Wiesen und Gründe des Schmiedes mit einer Mauer aus Quadersteinen umgeben sein, zehn Schuh hoch und fünf Schuh dick. Diesem kühnen Begehren wurde völlig entsprochen; denn als der Mitterbacher morgens aufstand und in seinem Besitztum umherwanderte, sah er eine so starke, prächtige Mauer, wie man sich,s kaum denken kann. Hierauf bestieg der Schmied seinen Schimmel. Der lief so schnell wie ein Lauffeuer; der Schmied aber trug dem Teufel auf, so eilig den Weg vor ihm zu pflastern und hinter ihm wieder aufzureißen, als er reite. Auch dies Verlangen wurde erfüllt, obgleich der Mitterbacher ritt, bis der Gaul verendet hinfiel.

Nun wußte der Schmied nicht mehr, was er noch wünschen könne, und ging deshalb zu der weisen Frau im Dorfe. Diese sagte ihm, er möge dem Teufel eine Locke der krausen Haare seines Kopfes zum Geradeschmieden geben. Da zupfte sich der Schmied, froh, solche Auskunft erhalten zu haben, eine Locke aus und gab sie dem Luzifer zum Geradeschlagen. Dieser klopfte gewaltig auf das Haar los, bis er die Unmöglichkeit des Beginnens begriff. Voll Ärger und Verdruß fuhr der Teufel unter lauten Drohungen davon.

Der Mitterbacher aber, verblendet und frech gemacht durch die wiederholte unverhoffte Rettung, verschrieb sich zum dritten Male dem Teufel und mußte nach Ablauf der Frist ohne Gnade und Barmherzigkeit in die Hölle hinab.

In der Hölle gibt es einen Ort, wo nur solche Menschen hinkommen, die auf der Welt niemand erschlagen, keinen Raub noch andere schwere Verbrechen begangen, sondern nur in Trunk, Spiel und bei anderer Kurzweil ihre Tage verbracht haben. Dort sitzen die lustigen Brüder in einer pechschwarzen Rauchkammer, die gar unheimlich von Spanlichtern erhellt ist. Diese Männer trinken Bier und Schnaps, schnupfen, rauchen, spielen Karten, streiten, raufen, werden wieder gut mitsammen, singen und schnaderhüpfeln. Doch einschenken und Span putzen müssen die Teufel. Diese aber zwicken in ihrer angeborenen Bosheit manchmal die Spieler mit glühenden Zangen und tun ihnen sonst allerlei Übles an; die geplagten Häftlinge aber können sich dagegen nicht wehren und auch keine Rache nehmen an den boshaften Plagegeistern.

Als die Bewohner der Rauchkammer nun den Mitterbacher, der einen Schnappsack, wohlgefüllt mit seinem Handwerkszeug, über den Rücken geworfen trug, mit dem Oberteufel hereinkommen sahen, waren alle freudig bewegt, weil sie schon gar manches lustige Stücklein von jenem Schmied gehört hatten.

Der Schmied aber setzte sich gleich an einen Tisch und begann nach tapferem Begrüßungstrunk ein Spielchen zu machen. Aber bald geriet er mit den Teufeln in Streit, die auch ihn mit ihren Teufeleien nicht verschonten. Da griff der ungebärdige Mann nach seinem guten Hammer, schlug die Hörnleinmänner tüchtig nieder und brachte sie alle nach mannhaftem Kampf in seinem Schnappsack unter, wo er sie mit seiner Beißzange noch gehörig zwickte. Die Teufelchen schrien um Gnade; der Fürst der Hölle aber entließ den Schmied schleunig, weil er so gewalttätig war. Stolz warf der Mitterbacher den Sack mit den kläglich zugerichteten Teufeln in eine Ecke, sagte den fröhlichen Kameraden ein freundliches Lebewohl und ging rasch von dannen, in den Fäusten Hammer und Zange haltend.

Der Mitterbacher ging nun geradewegs dem Himmel zu und klopfte da nach seiner Art mit dem Hämmerlein an die Pforte. Aber St. Petrus öffnete nicht. Da wurde der Schmied zornig, drückte die Tür mit Gewalt ein, warf Petrus die Himmelsleiter hinab und drang bis vor Gottes Angesicht. Gott aber rief ihm zu: »Weiche, Verworfener, und wandere in alle Ewigkeit! Du gehörst nicht in den Himmel, taugst nicht in die Hölle und kannst nimmer zur Erde zurückkehren.«

Seitdem wandert der Schmied von Mitterbach umher, man weiß nicht wo, doch muß er wandern in alle Ewigkeit.

Der Dom zu Bamberg

Baba, Heinrich des Voglers Schwester, und Graf Albrechts Gemahlin, nach andern aber Kunigund, Kaiser Heinrich Il. Gemahlin, stiftete mit eigenem Gut den Dom zu Babenberg. So lange sie baute, setzte sie täglich eine große Schüssel voll Geldes auf für die Taglöhner und ließ einen jeden so viel herausnehmen, als er verdient hatte; denn es konnte keiner mehr nehmen, als er verdient hätte. Sie zwang auch den Teufel, daß er ihr große marmelsteinerne Säulen mußte auf den Berg tragen, auf den sie die Kirche setzte, die man noch heutiges Tages wohl siehet.

Die roten Männlein vom Trauberg

Im Trauberg bei Marlenbrunn hausen kleine rote Männlein, die sind so flüchtig, daß man sie nur selten sehen kann. Sie sammeln viele Schätze und verbergen sie im Erdinnern; davon wird einmal der Berg ausgehöhlt sein und zusammenstürzen.

Einst gelang es einem Mann, ein solch flüchtiges Männlein zu fangen, das bat ihn gar sehr, daß er es ausließe, und weil er es nicht tun wollte, drohte es ihm mit vielem Schaden an seinem Vieh, also ließ er es doch frei. Als er heimging, stolperte er über tausend große Wurzeln und Steine, die plötzlich unter jedem seiner Schritte lagen.

Wenn ein Hüterbub in der Nähe des Traubergs oder gar auf dem Trauberg selber recht schreit, laut mit der Peitsche knallt oder sich aus Übermut einer Kuh an den Schwanz hängt und sich von ihr schleifen läßt, dann kommen in der Nacht die roten Männli vom Trauberg, die hocken sich ihm auf die Brust, dann sind sie so schwer wie Blei und drücken ihn, daß er fast nicht mehr schnaufen kann; wird sich’s fürs nächstemal schon gemerkt sein lassen.

Das Geistermahl

Eine lustige Gesellschaft war noch bis tief in die Nacht beim Pfarrer von Berneck versammelt. Schon gingen die Flaschen zur Neige, die Kerzen waren tief herabgebrannt, auch der Nachtwächter verkündete schon die elfte Stunde. Aber die Gäste des Pfarrherrn zogen es vor, sitzenzubleiben. Da winkte dieser seiner Magd und meinte, da nun der Wein ausgetrunken sei, so sollte sie ihr Glück einmal oben auf dem alten Schloß versuchen, dort zechten die Geister allnächtlich, und die könnten ihm wohl einige Flaschen aus ihrem Keller zukommen lassen.

Die Magd sah ihren Herrn betroffen an, der aber wiederholte ernstlich sein Zumuten, sie sollte nach Wallenroden hinauf. Also faßte die treue Dienerin einen festen Entschluß und machte sich auf den Weg. Als sie sich dem Schloß näherte, riß ein Wirbelwind das Tor vor ihr auf. Wankenden Schrittes ging sie hinein und kam in einen weiten Saal, da saßen wirklich die verstorbenen Ritter im Kreis bei einem Gastmahl zusammen. Sie waren von aschgrauem Aussehen und hatten Totenschädel als Pokale.

Als die Magd eintrat, erhob sich einer der finsteren Männer von seinem Sitz und fragte die Zitternde, was ihr Begehren sei, worauf diese mit bebenden Lippen ihren Auftrag vorbrachte. Darauf nahm der Ritter einen Krug, füllte ihn und gab ihn der Magd mit den Worten: »Deiner Einfalt sei verziehen, die Schuld haftet auf deinem Herrn. Aber laß dich niemals wieder hier sehen, wenn dir Leib und Leben teuer sind.«

Leichenblaß griff die Magd nach dem Krug und eilte damit, so schnell sie konnte, durch das offene Schloßtor hinaus in die finstere Nacht. Im Pfarrhaus angelangt, setzte sie den Krug auf den Tisch und erklärte mit kurzen Worten, daß sie diesmal – aber zum letzten Mal – dem Gebot ihres Herrn getreu auf das alte Schloß gegangen sei. Die Gäste aber spotteten über solche Kunde und schlürften mit Behagen den vortrefflichen Geisterwein. Plötzlich entstand ein wildes Brausen, der Sturm heulte fürchterlich, und Blitze auf Blitze durchzuckten den Saal. Unter Zittern und Beben waren die Gäste einer nach dem anderen verschwunden. Als aber der nächste Morgen tagte, fand man den Herrn des Hauses tot.

Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof

Vor diesem Sterben (der Pest zu Hof im Jahr 1519) hat sich bei Nacht ein großer, schwarzer, langer Mann in der Mordgasse sehen lassen, welcher mit seinen ausgebreiteten Schenkeln die zwei Seiten der Gassen betreten und mit dem Kopf hoch über die Häuser gereicht hat; welchen meine Ahnfrau Walburg Widmännin, da sie einen Abend durch gedachte Gasse gehen müssen, selbst gesehen, daß er den einen Fuß bei der Einfurt des Wirtshauses, den andern gegenüber auf der andern Seite bei dem großen Haus gehabt. Als sie aber vor Schrecken nicht gewußt, ob sie zurück oder fortgehen sollen, hat sie es in Gottes Namen gewagt, ein Kreuz vor sich gemacht, und ist mitten durch die Gasse und also zwischen seinen Beinen hindurchgegangen, weil sie ohne das besorgen müssen, solch Gespenst mögte ihr nacheilen. Da sie kaum hindurchgekommen, schlägt das Gespenst seine beiden Beine hinter ihr so hart zusammen, daß sich ein solch groß Geprassel erhebet, als wann die Häuser der ganzen Mordgasse einfielen. Es folgte darauf die große Pest und fing das Sterben in der Mordgasse am ersten an.

Der versteinerte Ritter

Der Ritter von Chammerau hatte sein Auge auf die schöne Tochter eines Müllers im Regentale geworfen, fand aber bei der sittsamen Maid kein williges Gehör. Eines Tages, als er in gewohnter Weise von seiner Feste auf Raub auszog, überraschte er die Jungfrau auf der Wiese ihres Vaters, wo sie das Linnen bleichte. Stracks faßte er den Entschluß, mit Gewalt zu nehmen, was ihm nicht in Gutem gegeben wurde, und lenkte sein Roß vom Wege ab auf den Grasplatz hin. Das Mädchen aber merkte noch zeitig genug des Ritters böslich Absicht und suchte sich durch die Flucht zu retten. Wie ein gescheuchtes Reh lief es über die Fluren hin; nicht lange jedoch, so stand es an dem Ufer des Regen, über welchen an jener Stelle weder Brücke noch Steg führt. Vor ihr der Tod im Flusse, hinter ihr Entehrung und Schande; die Wahl war kurz, denn schon sprengte der Ritter mit seinem Trosse näher heran. Mit dem Rufe: »Gott gnade meiner Seele!« stürzte sich die Jungfrau in die Fluten. Dies waren barmherziger als die Menschen, und trugen sie nach einer Untiefe hin, wo sie festen Fuß fassen konnte. Doch war sie noch nicht gerettet, denn der Verfolger setzte ihr auch in den Fluß nach, und bald hörte sie dicht hinter sich das Schnauben der Rosse und das Hohngelächter der wilden Schar. Mit einem Male aber war alles still, und als die Jungfrau sich umwendete, sah sie weder Ritter noch Knappen mehr, wohl aber eine lange Reihe ungestalter Felsblöcke, die vom Ufer bis über die Mitte des Flusse sich erstreckte. Die Hand Gottes hatte strafend den Wüstling und seine Helfershelfer erreicht. Die Steine liegen noch heute im Regen, und man sieht sie, wenn man von Chammerau nach Roßbach hinuntergeht.

Die blinde Jungfrau

Heut hat sich die blinde Jungfrau sehen lassen«, oder auch: »Heut hat sich die blinde Gerechtigkeit wieder sehen lassen«, hört man oft sagen. »Ist denn wieder das Buch herabgefallen?« fragt man dann, und die Antwort ist: »Es muß wohl so sein.« Die Geschichte ist folgende: Am alten Dom zu Bamberg, bei dem Prachttor, oben steht eine Jungfrau von Sandstein ausgehauen. In ihrer Rechten hält sie einen Stab, der ist zerbrochen, in ihrer linken Hand zehn Ziegel. Ihre steinernen Augen aber sind verbunden mit einem Tuche, wie’s der Weber macht. Die Figur aber stellt eine Jungfrau vor, die einst öffentlicher Unzucht angeklagt und als schuldig erkannt wurde. Vergebens beteuerte sie ihre Unschuld; wohl mehr als zehnmal fiel sie nieder auf die Knie, rief Pfaff und Laie an, sie doch nicht schmachvoll sterben zu lassen durch Henkerhand; vergebens, man riß sie auf, und schleppte sie halbtot weiter. Als sie an den Dom gekommen war und zum alten Schloß, raffte sie sich noch mal auf, und rief, die Blicke gen Himmel: »Der Mensch hat kein Erbarmen mit meiner Unschuld, ihr Ziegel auf dem Dache habt’s noch eher, so erbarmt ihr euch! « kaum hatte sie das gesprochen, fielen zehn Ziegel vom Dache und schlugen sie tot. Volk und Richter nahmen es als ein Himmelszeichen, und der Jungfrau Bildnis prangt an dem Orte, wo das Wunder geschehen ist. Der Bildhauer, der die Augenbinde vergaß, die das blinde Urteil sollte bedeuten, verband die Augen mit einem rechten Tuche, und so oft es durch das Wetter zu faulen anfängt, geht die Jungfrau wandeln. Um Mitternacht schwebt sie auf dem Domberg auf und nieder, und die Wachtposten haben nicht den Mut, sie anzurufen; sie schwebt dann weiter, und pocht an alle Domherrnwohnungen, jede Nacht es wiederholend, bis ihre Augen ein frisches Tuch bedeckt.

Perlen der Muttergottes

Einst herrschte Hungersnot. Eine Witwe aus Lohr wußte nicht mehr, womit sie ihre Kinder ernähren sollte. in ihrer höchsten Not und Verzweiflung wallfahrtete sie eines Tages zum Gnadenbild am Bauershof und flehte dort so herzinnig um Hilfe, daß die hölzerne Figur der Muttergottes Leben bekam und die schwarzen Perlen ihres Rosenkranzes weit übers Land streute. Wo aber eine Perle zu Boden fiel, entsproß ein Strauch der Erde, über und über mit ebensolchen dunkel glänzenden Perlen bedeckt. Die Kinder entdeckten schnell, daß die Früchte wunderbar schmeckten. Auf die Geschichte von der Entstehung der Heidelbeeren ist es auch zurückzuführen, daß heute noch viele Beerenfrauen im Spessart in dankbarer Erinnerung mit »Gegrüßet seist Du Maria« auf den Lippen das Pflücken beginnen.

Der Teufelsfelsen

Ein hoher Fels an der Donau bei Kelheim heißt die Teufelswand und, nächst dieser, ein anderer den Wasserspiegel der Donau zum Teil überragender Fels, das Teufelsloch. Hier soll die Donau sehr eng gewesen sein und ein Baumeister mit Hilfe des Teufels den Durchgang ausgebrochen haben, wogegen sich dieser zum Lohne die ersten drei Seelen ausbedingte, welche durch das neue Bett fahren würden. Als nun der Teufel den Felsen ausgebrochen hatte, ließ der Baumeister zuerst einen Hirsch, einen Gockel und einen Hund in einem Nachen durchfahren. In seinem Zorn verwandelte der Teufel diese Tiere in Stein. Daher heißt ein Felsen das Teufelsloch und drei andere nennt man Hirschsprung, Gockel und Hund.

Die Glücksrute

Die Glücksrute, von der hier gesprochen wird, bringt kein Glück und ist auch keine Rute, sondern ein dicker Stock, der auf Befehl seines Eigentümers einen, er mag nah oder fern sein, ohne Zutun einer Menschenhand windelweich drischt. Um zu einem solchen Stocke zu gelangen, muß man in der heiligen Christnacht in den Wald gehen, und dort um zwölf Uhr unter Hersagung gewisser Sprüche eine junge Eiche abschneiden; man darf aber auf dem Hin- und Herwege nicht beschrien werden und auch kein Wort sprechen, sonst ist der Stock unkräftig und es kann einem auch sonst ein großes Unglück widerfahren. Gelingt’s und gewinnt einer durch den Frevel einen kräftigen Stock, so mag ein rachsüchtiges Gemüth das wohl für ein Glück ansehen, ob’s aber seiner Seele Gewinn bringt, mag der am besten wissen, der dem Stocke den Segen gibt.

Der Hanskort von Edelbach im Kahlgrunde hatte eben auch ein rachsüchtiges Gemüth; er konnte es nie vergessen, wenn ihn jemand beleidigt hatte, und wenn die Beleidigung auch nur eingebildet war. Einst hatte sein Vetter von ihm eine kleine Summe Geldes, die er jenem schuldig sein sollte, gefordert; Hanskort leugnete mit Recht oder Unrecht die Schuld, mußte sie aber, als der Vetter vor Gericht klagbar ward, bezahlen. Das wurmte den Hanskort, daß er nicht schlafen konnte. Es ging gerade auf Weihnachten und Hanskort hatte auch von der Glücksrute gehört und wußte, wie man ihrer habhaft werde; er nahm sich vor, sich eine zu schneiden und dann auf dem Rücken seines Vetters einen Versuch damit zu machen. Als der heil. Christabend gekommen war und Mitternacht nahte, begab sich Hanskort auf den Weg in den nahen Wald. An dem Eingange in denselben traf er auf einen stattlichen Jäger, der zwei große Hunde mit sich führte. Der Jäger sprach: »Gut‘ Zeit, Hanskort! Wo hinaus so spät?« Hanskort stutzte, als er sich mit seinem Namen anreden hörte, denn es war mondhell und der Jäger stand in vollem Lichte, aber Hanskort kannte ihn nicht; dennoch erwiderte er den Gruß und murmelte etwas von einer unverschieblichen Reise, worauf er seinen Weg fortsetzte. Als er in der stillen Winternacht die Glocken von Ernstkirchen zur Mette läuten hörte, schritt er zum Werk; bald hatte er den Stock in den Händen. Er kehrte sich um und wollte den Rückweg antreten – da stand hinter ihm der Jäger, aber nicht zum freundlichen Gruße, sondern mit gräulichem Gesicht; er ergriff den Hanskort am Kragen, fuhr mit ihm hoch in die Luft, drehte ihm den Hals um und warf ihn zur Erde, daß kein Knochen ganz blieb.

An der Stätte, wo dieses geschehen, wächst heute noch kein Halmen Gras.

Herzog Heinrich in Bayern hält reine Straße

Herzog Heinrich zu Bayern, dessen Tochter Elsbeth nach Brandenburg heiratete, und die Märker nur »dat schon Elsken ut Beyern« nannten, soll das Rotwild zu sehr lieb gehabt und den Bauern die Rüden durch die Zaun gejagt haben. Doch hielt er guten Frieden und litt Reuterei, oder wie die Kaufleute sagten, Räuberei, gar nicht im Lande. Die Kaufleut hießen sein Reich: im Rosengarten. Die Reuter aber klagten und sagten: »Kein Wolf mag sich in seinem Land erhalten, und dem Strang entrinnen.« Man sagt auch sonst von ihm, daß er seine Vormünder, die ihn in großen Verlust gebracht, ehe er zu seinen Jahren kam, gewaltig gehaßt, und einmal, als er über Land geritten, begegnete ihm ein Karren, geladen mit Häfen. Nun kaufte er denselben ganzen Karren, stellte die Häfen nebeneinander her und hob an zu fragen jeglichen Hafen: »Wes bist du?« Antwortete drauf selber »des Herzogs« und sprach dann: »Nun du mußt es bezahlen«, und zerschlug ihn. Welcher Hafen aber sagte, er wäre der Regenten, dem tat er nichts, sondern zog das Hütel vor ihm ab. Sagte nachmals: »So haben meine Regenten mit mir regiert.« Man nannt ihn nur den reichen Herzog; den Turm zu Burghausen füllte er mit Geld aus.

Der schwarze Mann

Einen Kaufmann, welcher die Donau mit Gütern herabfuhr, überfiel bei Höchstädt in Schwaben ein großer Sturm. Das Schiff war nahe daran unterzugehen, da erschien, auf dem Wasser gehend, ein schwarzer Mann, welcher dem Kaufmann versprach, ihn mit seinen Gütern zu retten, wenn er ihm das geben werde, was ihm in seinem Hause unbekannt sei. Der Kaufmann achtete das nicht hoch, versprach es, und mußte die Urkunde mit seinem Blute zeichnen. Der Sturm legte sich, und der Kaufmann kam wohlbehalten mit seinen Gütern nach Hause. Freudig eilte ihm seine Gattin entgegen, aber wie bestürzt war er, als sie ihm kundgab, daß sie guter Hoffnung sei! Sie gebar ein Mädchen, welchem nach 6 Jahren sein Schicksal eröffnet wurde. Einige Jahre später erschien der schwarze Mann, und holte das Mädchen mit der Versicherung ab, daß ihm kein Leid geschehen werde. Der schwarze Mann führte das Mädchen über die Donau in eine Felsenhöhle, und wurde dort zum schwarzen Pudel. Dort war ihr Geschäft den Pudel zu kämmen (strählen) und zu pflegen.

Einige Jahre später heiratete des Mädchens Schwester, und der Pudel erlaubte seiner Pflegerin, auf die Hochzeit zu fahren. In schönen Gewändern, kam sie zur größten Freude der Ihrigen an. Nach drei Tagen kehrte sie zurück, wurde aber unterwegs von einer schwarzen Hexe geraubt und von derselben längere Zeit schlecht behandelt. Der Pudel umschwebte sie stets als unsichtbarer Geist und sagte ihr, wie sie sich gegen die Hexe zu benehmen habe. Einst sagte die Hexe dem Mädchen, es entlassen zu wollen, wenn es drei Bedingungen erfülle. Die erste und zweite sind nicht mehr bekannt; die dritte aber war: einen schwarzen Wollenstrang weiß zu waschen. Diese drei Bedingungen erfüllte das Mädchen; der Hund und die Hexe waren erlöst, und das Mädchen, reich mit Schätzen beladen, kehrte zu seinen Eltern zurück.

Tiere reden in der Christnacht

Der Wolfbauer war ein Mann, der nicht nach altem guten Brauch gehaust hat, sondern alles besser machen wollte als sein Vater und Ahnherr und Urahnherr, die doch die reichsten Bauern in der Gegend gewesen sind. Er las Zeitungen, disputierte mit dem Herrn Pfarrer, sagte zu seinen Ehehalten, man brauche des Pfarrers Predigt und Messe nicht, man könne sich zu Hause mit Gott unterhalten, und stak immer in Prozessen. Der nun in seinem freventlichen Übermut hielt die Geister und alles Überirdische für eitel Lug und Trug und wollte seine Gedanken bei Gelegenheit an den Tag kommen lassen. Da war Christnacht, wo das Vieh um die zwölfte Stunde miteinander redet. Aber sein Mutwille wurde hart bestraft. Der Wolfbauer legte sich im Trunke unter den Barn, wo seine liebsten Ochsen, der Müller und Ruckl, angebunden waren, und freute sich schon im stillen, wie er den Glauben an Geister niederschlagen werde. Als es zwölf Uhr schlug, da hub der Ruckl an: »Schau, Müller! Tut mich recht erbarmen unser Bauer; heut über acht Tag müssen wir ihn auf den Friedhof fahren.« Darauf sagte der Müller: »Ja, ist mir auch ganz zuwider; er ist alleweil so brav gegen uns gewesen; keinen Schlag hat er uns gegeben, und Futter und Ruhe hat er uns genüglich gelassen.«

»Wart, wart! Ich will euch die Faxen austreiben«, schrie der betrunkene Bauer, »ihr sollt mich gewiß nicht in die Grube bringen.« Und gleich in der Frühe verkaufte er die Ochsen an einen andern um ein Spottgeld, nur daß er sie wegbrachte.

Aber eine Viehseuche entstand und raffte alles Vieh des Bauern und seiner Nachbarn hin bis auf die zwei Stierlein, die dem FrevIer sein Ende vorhergesagt. Sogar der Wolfbauer, der viel mit dem kranken Vieh umging und durch Menschenklugheit dem Verderben Einhalt tun wollte, wurde von der bösen Seuche ergriffen und starb, ganz wie es ihm die Tiere in der Christnacht prophezeit hatten, und, da kein ander ›Mähnt‹ da war, weil die Seuche alles Vieh weggerafft hatte, so zogen der Ruckl und der Müller des ungläubigen Bauern Bahre auf den Gottesacker, acht Tage nach jener Begebenheit im Stalle.

Die Waldleute

Die Gegend, wo jetzt das Dorf Kalchsreut in der Oberpfalz steht, war in alten Zeiten ein Wald, in welchem ein Waldmännlein und ein Waldweiblein wohnten. Als die Gegend angebaut und bewohnt wurde, kamen sie nachts in die Häuser der guten Menschen, verrichteten die Hausarbeiten und waren zufrieden mit einem wenigen der übrig gebliebenen Speise. Am liebsten hielten sie sich nachts in der Mühle in Kalchsreut auf; das Männlein hantierte in der Mühle, das Weiblein im Stalle. Dafür stellte ihnen die Müllerin ein wenig von der übriggebliebenen Speise hin. Morgens war alles in schönster Ordnung; das Haus hatte Glück und Segen. Als der Winter nahte, legten ihnen die Müllersleute Kleider hin, denn sie waren nackt. Sie weinten und ließen sich in der Mühle nie wieder sehen.

Lange Zeit hörte man nichts von dem Waldmännlein und Waldweiblein, bis sie sich wieder auf dem Breitenstein zeigten. In diesem Schloß lebte eine fromme Magd, für welche sie nachts arbeiteten und wofür ihnen diese ein wenig von den übriggebliebenen Speisen hinstellte. Alle Arbeiten der frommen Magd gingen ihr besser von der Hand, und sie leistete mehr als die übrigen Mägde, welche sie aus Neid bei dem Schloßherrn verleumdeten. Dieser ließ das Männlein fangen und einsperren. Klagend lief das Weiblein nachts um das Schloß herum und bat, ihr Männlein freizulassen, sie wolle dafür guten Schlehenstein geben. Aber der Schloßherr achtete nicht auf das Flehen des Weibleins und ließ das Männlein verhungern. Das Weiblein umkreiste den Breitenstein und sprach.- »Weil du mein Männlein hast verhungern lassen, so geb ich dir keinen Schlehenstein, deine Nachkommen werden bald aussterben und von deiner Burg wird kein Stein auf dem andern bleiben.« Alles ist eingetroffen; auf Breitenstein sieht man keine Schlehen, welche doch überall in dieser Gegend wachsen. Auf diesem Schlosse lebte damals ein Taglöhner, welcher im Wald Holz fällte. Zu diesem trat das Waldweiblein und bat: »Lieber Mann, wenn du einen Baum fällst, so haue jedesmal drei Kreuze auf den Stock; darauf kann ich ruhen und der wilde Jäger hat keine Gewalt über mich.« Dann bat sie ihn: »Dein Weib backt morgen; sie soll mir einen kleinen, dicken Kuchen backen.« Als der Mann den Kuchen brachte, brach das Weiblein ein kleines Stück von der Rinde, höhlte ihn aus, aß nur die Brosen, füllte den ausgehöhlten Kuchen mit Sägspänen, gab ihn dem Taglöhner zurück und wünschte ihm Glück. Dann ging das Weiblein fort und der Taglöhner hörte sie in der Ferne noch wehklagen. Als dieser nach Hause kam, warf er den Kuchen verdrießlich auf den Tisch, weil er sich Besseres vom Waldweiblein für den guten Kuchen erwartet hatte als Sägspäne. Als aber der Kuchen platzte, fielen drei schöne Taler heraus. Von nun an hat man das Waldweiblein nicht mehr gesehen, aber man hört es zuweilen nachts um den Breitenstein heulen und klagen. Man pflegt dann zu sagen: das Klagweiblein, Klagmütterlein hat sich hören lassen, geschieht gewiß bald ein Unglück.

Das Goldlaiblein

Einst hüteten am Ochsenkopfe zwei Knaben und ein Mädchen die Schafe. Die Knaben waren Kinder wohlhabender Landleute; des Mädchens Eltern aber waren arm. Die kleinen Gefährten erzählten sich allerIei Geschichten. Da gesellte sich zu ihnen ein graues Männlein, das aufmerksam ihren Gesprächen zuhörte. Endlich sprach es: »Ihr seid gute Kinder. Darum will ich auch nicht von euch gehen, ohne euch zu beschenken.« Es zog aus der Tasche drei Laiblein Brot und gab jedem Kind eines. Darauf entfernte es sich.

Die beiden Knaben lachten über das ärmliche Geschenk und achteten es nicht wert. Der eine nahm sein Laiblein und warf es auf die Erde. Es hüpfte den Berg hinab, bis es sich zwischen struppigem Gebüsch verlor. Da sprach der andere Knabe: »Halt, mein Laiblein muß das deinige suchen!« und warf es ebenfalls auf die Erde. Es nahm denselben Weg wie das erste.

Nun wollten die leichtsinnigen Knaben auch das Mädchen bereden, das Geschenk wegzuwerfen. Die Kleine aber hüllte es eilig in ihr Schürzlein und sprach: »Wie wird es meine Eltern freuen, wenn ich ihnen etwas mit nach Hause bringe!«

Als sie aber heimkam und man das Brot aufschnitt, siehe, da war ein Klumpen Gold hineingebacken, und Reichtum zog ein, wo sonst Mangel herrschte.

Als die beiden Knaben von dem Glück ihrer Gefährtin hörten, gingen sie zurück, um die verschmähten Geschenke des grauen MännIeins zu suchen. Allein es war vergeblich.

Die Riesenpflüge

In uralter Zeit war der Main überall in mehrere Arme geteilt. So floß ein Arm da vorbei, wo jetzt Aschaffenburg steht, und ein anderer ging oberhalb Nilkheim ab und vereinigte sich unterhalb Leider wieder mit dem erstern. Bei Dettingen teilte sich der Fluß gar in drei Teile; der eine floß links an Kleinwelzheim vorbei, der zweite in dem jetzigen Mainbette, so daß Kleinwelzheim auf einer Insel gestanden wäre, und der dritte ergoß sich über die Pfaffenwiesen am Häuseracker-Hof vorbei. Der letzte war der stärkste, worauf die Schiffe notdürftig fortkommen konnten; der Weg von dem nun ausgetrockneten Hümmelsee nach Großwelzheim heißt deshalb noch heutzutage der Schiffsweg.

Damals war das ganze Maintal mit Sümpfen bedeckt und der Landwirtschaft unzugänglich; nur der Ur, dessen Hörner noch hie und da aufgefunden werden, hauste in den Weiden- und Erlenwäldern, die an den Ufern und auf den Inseln des Maines wucherten. Die Höhen des Maintals waren von riesenhaften Männern bewohnt. Um den großen Teils guten Boden des Maintals dem Ackerbau zu gewinnen und eine ordentliche Schiffahrt möglich zu machen, unternahmen es diese Männer, ein einziges Flußbett herzustellen. Zu diesem Ende lockerten sie den Grund in dem einen Arme mit Riesenpflügen tief auf, und der Strom ergoß sich nun in den einen und die übrigen legten sich allmählich trocken; aber die alten Flußbetten sind noch heute sichtbar.

Von den Pflügen wurden zum ewigen Gedächtnis eine Schar und eine Segge aufbewahrt; sie hängen in dem Hofe des Schlosses zu Aschaffenburg.

Der Hahnenkampf

Zu einer Zeit kam Karl der Große auf sein Schloß bei Kempten zu seiner Gemahlin Hildgard. Als sie nun eines Tages iiber Tische saßen, und mancherlei von der Vorfahren Regierung redeten, während ihre Söhne Pipin, Karl und Ludwig darneben standen, hub Pipin an und sprach: »Mutter, wann einmal der Vater im Himmel ist, werde ich dann König?« Karl aber wandte sich zum Vater und sagte: »Nicht Pipin, sondern ich folge dir nach im Reich.« Ludwig aber, der jüngste, bat beide Eltern, daß sie ihn doch möchten lassen König werden. Als die Kinder so stritten, sprach die Königin: »Eure Zwist wollen wir bald ausmachen; geht hinab ins Dorf und laßt euch jeder sich einen Hahn von den Bauern geben.« Die Knaben stiegen die Burg hinab mit ihrem Lehrmeister und den übrigen Schülern, und holten die Hähne. Hierauf sagte Hildegard: »Nun laßt die Hähne auf einander los! Wessen Hahn im Kampfe siegt, der soll König werden.« Die Vögel stritten, und Ludwigs Hahn überwand die beiden andern. Dieser Ludwig erlangte auch wirklich nach seines Vaters Tode die Herrschaft.

Der Pestvogel in Gräfendorf

Es war in den Tagen, als in Gräfendorf die Pest wütete. Sie raffte ohne Ansehen des Alters und des Standes die Einwohner hinweg. Schon waren viele Bewohner des Ortes der gefürchteten und erbarmungslosen Seuche zum Opfer gefallen. Da bemerkte man einen schwarzen, unheimlichen Vogel mit auffallenden weißen Punkten über dem Ort kreisen. Keiner kannte seinen Namen und niemand hatte ihn früher schon einmal gesehen. Als der Vogel fortflog, zog die Pest mit ihm, und die Gräfendorfer waren vom Schwarzen Tod befreit. Man sagt, wenn sich dieser Vogel eines Tages wieder in einem Dorf zeige, werde hier die Pest erneut ausbrechen.

Erlebnisse am Fastnachtsdienstag

Am Fastnachtsdienstag darf niemand in den Wald gehen, weil an diesem Tage die unholden Wesen alles Recht haben; wer’s trotzdem tut, kann Arges erleben, und wer’s getan hat, weiß davon zu erzählen.

Mehrere Windheimer Männer fuhren einmal an einem Fastnachtsdienstag in den Wald, um in den Teufelsgrüben, einer Abteilung im Fürstlich-Löwensteinschen Park, Holz zu holen. Als sie eine Fuhre geladen hatten, brach ihnen ein Rad. »Jetzt müssen wir den Wagen stehen lassen«, sagten sie, »das ist recht ärgerlich.« – »O nein!« rief es hinter ihnen, und als sie sich umwandten, sahen sie, daß dort der Teufel stand, der trug ein neues Rad in der Hand. Er steckte es an die Achse und machte es fest; dabei plauderte er ganz leutselig mit ihnen, wie arg es sei, wenn einem unterwegs etwas passiere, wie bitter, wenn man wieder unverrichteterdinge heimgehen müsse und was halt so derlei allgemeiner und unverbindlicher Redensarten sind. So freuten sich denn die Männer, weil der Teufel gar so umgänglich war, und einer meinte: »Diesmal haben wir Glück gehabt.« –»Freilich«, sagte der Teufel, »Glück muß der Mensch haben, ja, und was ich noch sagen wollte: Umsonst ist nicht einmal der Tod, denn der kostet das Leben. Für das Rad muß ich mir einen von euch mitnehmen. Ihr könnt selber aussuchen, welcher es sein soll.« Die Männer erschraken gar sehr und baten ihn, daß er das Rad wieder zurücknehme, aber darauf ließ er sich nicht ein. Sie handelten aus, wer mit dem Teufel gehen solle, konnten sich aber nicht einig werden und begannen zu streiten. Das dauerte dem Teufel zu lange: er packte den Nächstbesten und schleppte ihn davon.

Der Name Aschaffenburg

Dle Mainufer in der Nähe der jetzigen Stadt Aschaffenburg waren ehemals nichts als Wald. Als die erste Ansiedelung sich ausdehnte, bedurfte man Land zum Feldbau; das Abholzen des dichten Urwaldes durch die Axt würde eine Arbeit gewesen sein, der die Ansiedler kaum gewachsen waren: sie steckten deshalb den Wald in Brand. Das ganze Aschafftal ward von Bäumen entblößt, die Asche lag aber so dick darin, daß der Bach ganz davon bedeckt war. Die Ansiedler nannten ihn deshalb Asgaffa oder Ascaffa von den altdeutschen Worten asga, Asche und affa, Fluß, sonach Aschenbach. Die Aschaff floß zu jener Zeit durch die Stadt und die Stadt, die er durchschnitt, ward Aschaffenburg genannt.

Das Weib mit den Läusen

Vor Jahren ging in Wernfeld ein zehnjähriger junge in den Garten seiner Eltern und wollte Salat für seine Mutter holen. Da kam eine ältere Frau auf ihn zu und setzte ihm eine Menge Läuse auf den Kopf. Der Junge lief sogleich ins Haus zu seiner Mutter und berichtete ihr alles. Sofort erkannte sie, daß diese Frau eine Hexe war, und wußte auch, wie man sich an ihr rächen konnte. Sie suchte den Kopf ihres Buben ab, entfernte die Läuse, legte drei davon auf den Deckel eines nagelneuen Kochtopfes und hieb mit einem ungebrauchten Kochlöffel heftig auf das Ungeziefer ein. Während dies geschah, bekam die Hexe eine mächtige Tracht Prügel, ganz gleich, wo sie sich gerade befand. Da erschien auch schon das böse Weib am Fenster und rief: »Hör‘ auf, hör‘ auf! Du schlägst mir dauernd auf den Kopf!« Die Mutter aber schrie zurück: »Wenn du meinem Buben noch einmal Läuse auf den Kopf setzt, so tue ich es wieder!« Daraufhin verschwand die Frau, und bis heute hat niemand mehr etwas von ihr gehört oder gesehen.

Der Weltfisch

Die Stadt Cham soll früher viel größer gewesen sein. Chammünster Iag damals in der Mitte, und Chamereck bildete die östliche Spitze. Die ganze Stadt steht auf dem Schweif eines ungeheuren Fisches. Damit er nicht erschreckt werde und durch seine Bewegung die Stadt zerstöre, durfte früher der Hirt beim Austreiben des Viehes nicht blasen.

Große Feuersnot in Donauwörth

Am Margarethentag 1477 kam ein großes Feuer aus. Vergeblich waren alle, auch die angestrengtesten Löschungsversuche. Schon loderten vier Häuser und die ganze Stadt war in sichtlicher Gefahr. Da wendete man sich an den Abt, und dieser kam, begleitet von dem Klostergeistlichen, mit dem heiligen Kreuz, und umging betend und segnend die Flammen. Da mäßigte sich deren Wut, und es sank in Kurzem in sich selbst zusammen. Schon 1317 bei dem Brande des aus den Trümmern von Mangoldstein erbauten Rathauses hatte man ein gleiches Wunder gesehen.

Die umgehende Wehmutter

In Augsburg lebte gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts die Wehmutter. Sie war Hebamme und taufte die Kinder bei Nottaufen in Teufels Namen. Nach ihrem Tode irrte sie in verschiedenen Gestalten, als Hund, Kalb u. dgl. umher. Sie hauste gräßlich, und war besonders Wöchnerinnen und kleinen Kindern gefährlich, welchen sie sich durch wehmütiges Winseln bemerkbar machte. In den Rauchnächten zog sie durch die Straßen. Wer vorwitzig zum Fenster hinausschaute, dem schwoll der Kopf. Es war nicht eher Ruhe, bis sie ein Geistlicher in die Donau bei Regensburg beschwor. Andere sagen der Kapuziner Köpplin habe die Wehmutter in die Wertach gebannt.

Das Spatzenbild

Eines Tages ging ein Bauer von Hessenthal aus der Stadt nach Hause und nahm seinen Weg über die hohe Wart. Er hatte den Weg schon oft gemacht, achtete deshalb nicht darauf und ging in seinen Gedanken hin. Auf einmal hört er in der Luft ein fürchterliches Geschrei, blickt auf und sieht zwei Raben in einem verzweifelten Kampfe miteinander. Sie steigen auf und sinken nieder, lassen sich aber nicht aus und zerfleischen sich mit ihren starken Schnäbeln. Der Bauer bleibt stehen und will abwarten, was aus der Geschichte wird. Es dauert nicht lange, so wird der Kampf immer schwächer, und der eine Rabe fällt unfern von dem Bauer tot zur Erde und gleich darauf auch der andere. Der Bauer will sich die toten Raben besehen, die nur ein Paar Schritte von ihm auf der Heide liegen müssen: sie sind aber beide verschwunden. Da fällt dem Bauer ein, daß er an der Stelle ist, wo sich vor vielen Jahren zwei Männer in der Hitze des Streites erschlugen; dahingeschieden in ihren Sünden ohne Reue und Buße mochten sie keine Ruhe im Grabe gefunden haben. Der Bauer ließ zu dessen Gedächtnis und daß die Wanderer ein frommes Gebet für die Erschlagenen beten möchten, einen Bildstock dorthin setzen, welcher die Aufschrift hat:

HANS H
ENRICH S
PATZ
VON HE
SLENDA
HL 1745.

Das Spatzenbild steht an dem Wege von Dörmersbach in die hohe Wart unfern der letztern.

Attila vor Augsburg

Das römische Reich kam in Abnahm, hingegen die deutsche und andere mächtige Völker aus den nordlichen Gegenden Europens verbanden sich mit einander, und zogen mit unzählbaren Heeren daher, es gänzlich zu stürzen. Die Goten bemächtigten sich des größten Teils von Italien, die Franken Galliens, die Sachsen Engellands, die Wandalen Spaniens, die Allemannen und Sueven aber beunruhigten unsere Gegenden mit unaufhörlichen Streifereien, biß sie sich endlich auch derselben gänzlich bemächtigten, oder vielmehr die Römer ihnen wichen, und unsere Stadt ihrem Schicksal überließen.

Während dieser Zeit kam noch der Einfall der Hunnen dazu, eines ungezähmten, räuberischen Volkes, welches sich Pannomens, das ist des jetzigen Ungarns, bemächtiget hatte, und in die römischen Provinzen mit großer Macht eingedrungen war; ein Einfall der weit entsetzlicher war als alle vorige. Ihr König Attila ist so bekannt, daß ich ihn nur nennen darf. Er nannte sich selbst die Geißel Gottes und verwüstete alles mit Feuer und Schwert wo er hin kam. Bei Augsburg aber soll sein Mut einen Schandfleck erhalten haben. Man sagt, er habe mit seinem Heere auf unsere Stadt zugehen, und sie gleich andern zu einem Steinhaufen machen wollen. Er soll bis an die Ufer des Lechs gekommen sein, und St. Affra Kapelle verwüstet haben. Als er aber durch den Fluß setzen wollte, sei ihm ein abscheuliches altes Weib, auf einem ebenso häßlichen Pferd entgegengekommen, habe ihn dreimal mit fürchterlicher Stimme angerufen: Zurück Attila, darüber soll der Held so sehr erschrocken sein, daß er mit seinem ganzen Heer die Flucht ergriffen und unsere Gegenden verlassen habe. Die Geschichte ist der Inhalt des Gemäldes am Barfüßer-Tor, das dermalen meistens vergangen ist. Für die Wahrheit will ich nicht gutstehen, dann es gibt Leute welche behaupten Attila wäre nie in unsere Gegenden gekommen. Indessen sollte es mich verdrießen wann sie nicht wahr wäre, dann sie ist einmal recht artig und ganz unwahrscheinlich ist sie eben auch nicht. Dann häßliche böse Weiber können einem wohl Furcht einjagen, sie dürfen nicht einmal Hexen sein.

Traum vom Schatz auf der Brücke

Es hat auf ein Zeit einem geträumt, er solle gen Regensburg gehen auf die Brücken, da sollt er reich werden. Er ist auch hingegangen und da er einen Tag oder vierzehn allda gangen hat, ist ein reicher Kaufmann zu ihm kommen, der sich wunderte, was er alle Tag auf der Brücke mache und ihn fragte: was er da suche? Dieser antwortete. »Es hat mir geträumt, ich soll gen Regensburg auf die Brücke gehen, da würde ich reich werden.« »Ach«, sagte der Kaufmann, »was redest du von Träumen, Träume sind Schäume und Lügen; mir hat auch geträumt, daß unter jenem großen Bäume (und zeigte ihm den Baum) ein großer Kessel mit Geld begraben sei, aber ich acht sein nicht, denn Träume sind Schäume.« Da ging der andere hin, grub unter dem Baum ein, fand einen großen Schatz, der ihn reich machte und sein Traum wurde ihm bestätigt.

Agricola fügt hinzu: »Das hab ich oftmals von meinem lieben Vater gehört.« Es wird aber auch von andern Städten erzählt, wie von Lübeck (Kempen), wo einem Bäckerknecht träumt, er werde einen Schatz auf der Brücke finden. Als er oft darauf hin und hergeht, redet ihn ein Bettler an und fragt nach der Ursache, und sagt hernach, ihm habe geträumt, daß auf dem Kirchhof zu Möllen unter einer Linde (zu Dordrecht unter einem Strauche) ein Schatz liege, aber er wolle den Weg nicht daran wenden. Der Bäckerknecht antwortet: »Ja es träumt einem oft närrisch Ding, ich will mich meines Traums begeben und euch meinen Brückenschatz vermachen«; geht aber hin und hebt den Schatz unter der Linde.

Abkunft der Bayern

Das Geschlecht der Bayern soll aus Armenien eingewandert sein, in welchem Noah aus dem Schiffe landete, als ihm die Taube den grünen Zweig gebracht hatte. In ihrem Wappen führen sie noch die Arche auf dem Berg Ararat. Gegen Indien hin sollen noch deutschredende Völker wohnen.

Die Bayern waren je streitbar und tapfer, und schmiedeten solche Schwerter, daß keine anderen besser bissen. »Reginsburg die märe« heißt ihre Hauptstadt. Den Sieg, den Cäsar über Boemund, ihren Herzog, und Ingram, dessen Bruder, gewann, mußt‘ er mit Römerblute gelten.

Ein verhexter Weg

Von Retzbach nach Thüngen führt ein Weg durch den Wald, der wegen seiner Unheimlichkeit bei Nacht und auch bei Tag von den Leuten alleine nicht gerne begangen wird. Auf diesem Weg erschien den einsamen Wanderern des Nachts fast regelmäßig eine Gestalt in Gehrock und Zylinder. Manch einem folgte der Geist ein Stück weit, ohne daß man sich seiner erwehren konnte. Auch tat er niemand etwas zuleide, sondern zog, an seinem Bestimmungsort angekommen, höflich den Zylinder und ließ den Wanderer allein heimwärts ziehen.

Auf dem gleichen Weg zeigten sich dann und wann noch andere Spukgestalten. Der Bauer Michael Scheeb aus Binsfeld ging eines Nachts von Stetten kommend heimzu. Da kroch auf der Thüngener Höhe ein Untier mit Hörnern, Schwanz und Bockshufen hinter einem Holzwellenhaufen hervor, und mit weitaufgerissenem Maul sprang es dem erschreckten Bäuerlein entgegen. Diesem war Hören und Sehen vergangen, und in seiner übergroßen Not stammelte er ein Stoßgebet. Und siehe da, das Untier wandte sich ab und verschwand.

Der Strumpfstricker zu Ingolstadt

Es geschah im Jahre 1634 um die Zeit des Überfalls des Herzoges Bernhard von Weimar, daß ein Oberst von Farnspach die Festung zu verraten gedachte. Er stund im Bunde mit einem Strumpfstricker von Ingolstadt. Dieser sollte sich mit einem roten und weißen Strumpfe auf dem schwächsten Punkte des Walles sehen lassen. Der Verrat mißglückte; was dem Strumpfstricker widerfahren, ist unbekannt, nur so viel ist gewiß, daß er nachmals auf einem der nördlichen Stadttürme zwischen dem Feldkirchner- und Harder-Tor abgemalt worden. Ein Statthalter Santini soll oftmals in heiligem Eifer auf diese Abbildung geschossen haben. Heutzutage ist auch das Bild verschwunden. Oberst Farnspach wurde zu Regensburg enthauptet.

Eine andere Sage schrieb die Festigkeit dieses Platzes dem Umstande zu, daß der Teufel selbst des Nachts mit einem Zwölfpfünder im Arm auf der sogenannten Teufelsbastei Wache hielt.

Die versunkene Kutsche

Bei Gössenheim fließt die Wern durch ein breites Wiesental. Dort gibt es eine Quelle, die aus großer Tiefe nach oben steigt und in das sogenannte »Bodenlose Loch« mündet. Immer wieder mahnen die älteren Leute die noch unerfahrenen Kinder und sagen: »Geht ja nicht zu nah an das Loch, dort wohnt eine böse Wasserjungfrau, die zieht euch mit sich hinab. Dann müßt ihr ihre goldenen Haare kämmen, und sie läßt euch hernach nie wieder frei. «

Eines Tages fuhr ein Hochzeitspaar nach festlicher Trauung und fröhlichem Hochzeitsmahl von Karlstadt heim nach Gössenheim. Die Jungvermählten saßen in einer goldenen Kutsche. Es war stockfinstere Nacht, als die Brautleute über die Eußenheimer Höhe kamen. Man konnte kaum die eigene Hand vor dem Gesicht sehen. Da verirrte sich der Kutscher und gelangte ins Werntal. Hier kam er vom Weg ab, näherte sich der Quelle und versank mitsamt dem Hochzeitswagen im »Bodenlosen Loch«. Kein Mensch hat die Kutsche jemals wieder gesehen, auch die Brautleute blieben verschwunden. Nur Sonntagskinder sehen bisweilen in der Karfreitagsnacht eine goldene Deichselspitze aus dem Quellwasser am »Bodenlosen Loch« ragen.

Herzog Arnold

Einstimmig brachten die Deutschen, und mit ihnen auch Herzog Arnold, dem Königssohne, Otto, die Krone. Herzog Arnold von Bayern überlebte Heinrichs Todesfall nicht lange. Er starb das Jahr nach ihm, den 12ten Juli 936, und seine Leiche wurde zu St. Emmeram beigesetzt. Eine erst von Schriftstellern des 13. und 14. Jahrhunderts ersonnene Sage behauptete: er seie vom Teufel geholet worden, und man habe, weil er sich an der Geistlichkeit und Kirchengut öfters vergriffen, zu St. Emmeram, wo er beigesetzt worden, den Teufel zischen und die arme Seele heulen hören, so daß die Mönche genötigt gewesen seien, seinen Körper auszugraben, und vor die Tür zu setzen, um ihn den Teufeln preiszugeben. Sein Tod wäre mit den schrecklichsten Umständen begleitet gewesen. Er habe des Bischofs von Augsburg über der Tafel gespottet, der, als einmal auch von ihm Contribution gefordert, ihm verheißen hätte, er würde sterben, wenn er sie nicht wieder herausgäbe, und da der Bischof nun hier angekommen, und Arnold ihm zur Tafel einen Trunk im silbernen Gefäße mit den Worten zugeschickt habe, daß er noch am Leben sei, so wäre jener so sehr darüber entrüstet worden, daß er seinem Diener gesagt, wenn er nach Hause käme, würde er seinen Herrn nicht mehr am Leben treffen; wirklich sei dies eingetroffen, Arnold sei plötzlich vom Schlage gerührt worden, und der Diener habe ihn nicht mehr am Leben getroffen.

Arnold war, so lange er lebte, von Freunden und Feinden gefürchtet, denn er wollte die einmal an sich genommenen Zügel nicht mehr entreißen lassen, aber man verdankte ihm Ruhe und Schutz und Sicherheit vor den Überfällen der barbarischen Ungarn.

Er hinterließ drei Söhne, Eberhard, Herrmann und Arnolf, und eine Tochter, Judith Gisela, die an Kaiser Heinrichs Sohn, Herzog Heinrich I., vermählet gewesen.

Der Karlstein bei Reichenhall

Der Karlstein und Pankratz sind zwei sehr nahe aneinander liegende Felsen. Auf dem westlichen Gipfel, der Karlstein genannt, steht eine Ruine. Am Fuße des Berges liegt der Thumsee. Hier, auf dem Karlstein, berichtet die Sage, waren vor undenklichen Zeiten drei Frauen, welche man vor großen Ereignissen entweder singen oder jammern hörte. In der Waldwiese halfen sie den Haar (Flachs) ausziehen. Von dem Karlstein bis zu dem etwa achthundert Fuß entfernten, auf einem andern Berg liegenden Turm Amering, von welchem noch Überreste stehen, war eine lederne Brücke über das Tal gespannt.

Die rechte Hand

Es war ein junger Graf von Dachau, der liebte ein Ritterfräulein von Wolfratshausen, hatte aber einen Feind am Grafen von Starnberg, der ließ ihm auflauern durch seine Knechte, und da er von oder nach Wolfratshausen ritt, so erschlugen sie ihn nahe bei Berg am See und beraubten ihn und hieben ihm die rechte Hand ab, an deren einem Finger er einen Ring von seiner Braut trug, den wollten sie auch sich aneignen, aber da schnappte des Ermordeten Hund zu und faßte die Hand und trug sie fort, immer fort bis nach Dachau, und legte sie zu den Füßen der Mutter des Erschlagenen nieder. Da schrie die Mutter Ach und Weh zusamt der Braut, und ließen an der Stätte, wo die Tat geschehen, die bald kundbar ward, eine Kapelle bauen, die ist hernachmals aber, weil sie zu fern vom Wege stand, bei die Rotschweig hingebaut worden, und an der Empore der Kapelle ward die Geschichte bildlich dargestellt.

Bei Wolfratshausen hat vordessen auch ein Schloß gestanden, aber es ist versunken; darinnen ruht noch ein großer Schatz, den drei Fräulein und ein Hund hüten. Als diese drei noch beim Leben waren und geerbt hatten, waren zwei blind, die eine aber war halb schwarz, halb weiß und machte es bei der Teilung mit ihren Schwestern gerade so wie die Brüder auf der Burg am Rhein mit ihrer blinden Schwester; sie maß sich den vollen Scheffel Geldes zu und drehte dann den Scheffel um, deckte den Boden und ließ die Blinden fühlen, daß das Gefäß voll sei. Dafür fitzt sie der Teufel mit Ruten, bis die Haut in Fetzen von ihrem Leibe hängt, welche dann in der zwölften Stunde wieder zusammenwächst. Das soll so lange dauern, bis der Schatz gehoben ist.

Die ungerechten Feldschieder

In der Kertelbachswiese, einem Tale zwischen der Kälberauer und Michelbacher Markung, ist eine kleine Anhöhe, worauf vor Zeiten ein Schloß gestanden. In dem Schloßkeller befindet sich ein Kessel bis zum Rande mit Gold gefüllt; dabei steht ein Tisch und darauf ein Glas Wein und an dem Tische sitzt ein graues Männlein mit einer Feder hinter dem Ohre, das beständig rechnet und das Geld zählt und wieder in den Kessel wirft – und das Männlein wird nicht älter und das Weinglas nicht leer, obwohl schon Jahrhunderte darüber hingegangen sind. Und wenn’s Mittag wird, da klopft’s im Keller; das Männlein schlägt seine elf Schläge auf den Deckel des Kessels, worin es seinen Schatz geborgen – und es erwachen drei schwarze Gestalten, die in dem Winkel des Kellers schlafend lagen, und gehen, freilich nicht jedermann sichtbar, hinaus an ihre Arbeit und messen die umliegenden Felder, schlagen Pflöcke und setzen die Steine, die sie ehedem verrückten, an ihren rechten Ort. Mit dem zwölften Glockenschlage verschwinden sie in ihre unterirdische Behausung und schlafen wieder bis Mitternacht, um dann abermals an ihre ewig vergebliche Arbeit zu gehen; jetzt sind sie aber feuerig. Schlägt die Mitternachtsstunde aus, so kehren die feurigen Feldschieder zu dem Männlein zurück, in dessen Solde sie falsch maßen und Steine setzten. Das Männlein empfängt sie mit höllischem Grinsen und beginnt aufs neue zu rechnen und zu zählen, während die Feldmesser in ihren Todesschlaf sinken.

So schaurig es drunten im Schloßkeller auch aussieht, die Habsucht hat es doch versucht, dem Männlein sein Geld wegzuholen. Erst in den 1830er Jahren wagten es kecke Leute, in den Hügel zu graben. Sie fanden verschiedene Geschirre, warfen sie beiseite und sahen sie später nicht wieder; endlich kamen sie auf den Kessel. Greuliche Stimmen aus der Tiefe schleuderten ihnen Verwünschungen und Drohungen entgegen; in der Todesangst stieß einer der Schatzgräber ein paar Worte aus, und der Kessel versank.

Die Drudensteine

Drudensteine nennt man in der Gegend von Kempten und Oberdorf in Schwaben einen kleinen, runden Stein mit einem Loch. Die Drudensteine gehören zur Kalkbildung; ihre Abrundung ist, wie bei allen Flußgeschieben, durch das Abreiben der Kanten und Ecken im strömenden Wasser erfolgt. In dem Loche, welches bei keinem Drudensteine fehlen darf, stak wahrscheinlich ein Belemnit, welchen das Volk Donnerkeil oder Teufelsfinger nennt. An die Drudensteine knüpft sich ein alter Aberglaube, welcher in der genannten Gegend noch nicht ganz erloschen ist: oft fühle man nachts im Bette, wenn man ganz wach sei, ein furchtbares Drücken; man nehme deutlich wahr, wie sich etwas dem Bette nähere, sich allmählich auf das Bett niederlasse und endlich auf dem im Bette liegenden mit solcher Last ruhe, daß dieser sich nicht mehr rühren und selbst nicht um Hilfe rufen könne. Oft komme es vor, daß kleine Kinder in der Wiege in einer Nacht am Leibe große Beulen bekommen, daß sie nicht schlafen und gedeihen können. Oft bemerke man morgens im Pferdestall, daß die Mähnen oder Schweife der Pferde so in Zöpfe verflochten sind, daß man sie kaum auseinanderbringen kann. Dieses alles machen die Druden und das Gegenmittel ist der Drudenstein. Wenn man durch das Loch dieses Steines ein Bändl oder einen Riemen zieht und ihn in der Stube oder an des Kindes Wiege oder im Pferdestall aufhängt, so kann die Drud nichts machen. Alte Hebammen haben solche Steine und leihen sie den Weibern, ihre Kinder zu schützen.

Ausgehackte Frösche

Einem Weinhäcker aus Schweinfurt begegnete unter der Petersstirn bei der Mainleite etwas sehr Seltsames. Er war mit seiner Frau mit Brechen des Weinbergs, der unmittelbar unter der Trümmerstätte liegt, beschäftigt; die Frau hackte sehr fleißig, und mit einem Mal hackte sie bei jedem Schlag in die Erde einen Frosch heraus. So mochte sie wohl fünf oder sechs Frösche herausgehackt haben, als es ihr auffiel und sie zu ihrem Manne sagte: »Pfui! Was sind das garstige Frösche.« Und jetzt kamen keine mehr. Und der Mann, näher tretend, bückte sich nach den Fröschen und sah keine, wohl aber leuchteten so viele Goldstücke, als zuvor Frösche zum Vorschein gekommen waren, am Boden. Die hob er auf und steckte sie ein, und zankte seiner Frau, daß sie nicht stillschweigend fortgehackt. Beide hackten und brachten den ganzen Tag damit zu, es gab aber keine Goldfrösche mehr.

Die Meistersinger von Nürnberg

Die Meistersinger selbst erzählten den Ursprung ihrer zunftmäßig verbundenen Kunstgenossenschaft in sagenhafter Gestaltung folgendermaßen:

Zur Zeit des Kaisers Otto I. und des Papstes Leo VIII. im Jahre 962 erweckte Gottes Gnade zwölf Männer, die, ohne voneinander zu wissen, in deutscher Sprache zu dichten und zu singen anfingen und so den Meistersang in Deutschland stifteten. Unter dieser Zwölfzahl steht Heinrich Frauenlob obenan, demnächst gehört Walter von der Vogelweide dazu, auch Wolfram von Eschenbach, den sie Wolfgang Rohn nannten, Regenbogen der Schmied, Konrad von Würzburg und einige weniger bekannte. Der Anhang des Papstes bezichtigte aber diese Meister bei dem Kaiser der Ketzerei. Der Kaiser meinte anfangs in der Tat, es sei eine neue unreine Sekte, und beraumte einen Tag an, an welchem sie sich auf der hohen Schule zu Pavia stellen sollten.

Das geschah, und vor dem Kaiser, seinem ganzen Rate und vielen Doktoren und Magistern, auch päpstlichen Legaten wurden die zwölf Sänger nach Zahl, Maß und Wort genau abgehört. Der Eindruck war ein günstiger, alle hörten mit Wohlgefallen zu, und der Kaiser wie seine Begleiter überzeugten sich, daß die Zwölf keine Rottengeister seien. Als dann auch Papst Leo vernommen, wie die Lieder dieser Meister Gott nicht zuwider seien, erlaubte er den Meistergesang jedermann und ermahnte sonderlich die Deutschen, weil ihnen Gott die Kunst bekannt gemacht, dieselbe auszubreiten. So erhielt Gott den Meistergesang über sechshundert Jahre bei gutem Klange.

Die Hexe von Menzing

Ein Bursche ging einmal zur Nachtszeit zum Kammerfenster seiner Geliebten, die im Dorfe Menzing an der Würm wohnte. Als er sich dem Hause näherte, sah er das Zimmer der Dirne hell erleuchtet, und als er neugierig hineinblickte, gewahrte er, wie das Mädchen einen Bund Stroh zusammenrichtete, und denselben mit allerlei Bändern und Flitterwerk zierte. Nach einigem Zögern klopfte der Bursche an das Fenster und fragte die Dirne, was sie denn mache. Diese gab zur Antwort: Ich fahre aus; wenn du mit mir reisen willst, so kannst du dich zu mir setzen; rede aber kein Wort, sonst bist du unglücklich. Der Bursche war neugierig, zu wissen, was seine Geliebte treibe, stieg hinein und setzte sich auf den Bund Stroh mit dem Versprechen, zu schweigen. Das Mädchen nahm eine Büchse aus der Tasche ihres Kleides, bestrich sich und dem Geliebten mit einer Salbe die Nase und begann darauf die Reise. Diese ging durch den Kamin hinaus und dann durch die Luft fort und fort in weit entfernte Gegenden. Da fuhren sie einmal ganz nahe an einem Weinkeller vorüber, wo man eben mit Lichtern beschäftigt war. Da der Zug etwas niedrig ging, glaubte der Bursche, die Leute, die dem Strohbunde so nahe kamen, möchten ihn anzünden, und in der Angst schrie er auf. Augenblicklich lag er auf dem Boden, während die Dirne mit dem Strohbunde seinen Blicken entschwand und ihre Luftreise unbekümmert um ihn fortsetzte. Der Keller, bei welchem er auf den Boden gelangte, lag bei Wien. Zufällig war der Kellermeister ein alter Bekannter von ihm, den er früher in München hatte kennen lernen. Mit dessen Hilfe gelang es ihm, seine Reise in die Heimat zu bewerkstelligen. Als er wieder nach Menzing kam, traf er seine Geliebte auf dem Felde bei der Arbeit. Die Vorwürfe, die er ihr machte, rührten sie nicht, sondern sie sprach bloß: »Ich habe dir gesagt, du sollst schweigen; hättest geschwiegen, so hättest du mit mir auf den Blocksberg zum Tanz fahren können. Ich war dort recht lustig und bin in vierzehn Tagen schon wieder zu Hause gewesen, während du einen schönen Umweg hast nehmen müssen.«

Im Backofen

Wenn man zwischen dem Erbig und dem Erbsenraine, zweien Bergen in der Nähe von Schweinheim, hinausgeht, kommt man in eine tellerförmige Vertiefung, welche jetzt »im Backofen« heißt.

Dort wohnte vor vielen Jahren ein Bäcker, der war kein ehrlicher Mann. In der teuern Zeit mischte er Sand unter das Mehl und betrog auch sonst die Leute, wo er konnte. Er ward reich, aber unrecht Gut gedeiht nicht. Als die Schweden kamen, ward sein Haus verbrannt, er verlor seine ganze Habe und starb als ein Bettler.

Viele Jahre vergingen, es dachte kein Mensch mehr an den bösen Bäcker. Da fuhr einmal ein Mann hinaus in das Feld, um seinen Acker zu zackern, der gerade an den Platz stieß, wo das Bäckershaus gestanden hatte. Der Mann war guten Muts und pfiff und sang. Wie er im besten Pflügen ist, hört er ein eifriges Schaffen und eine Stimme, die ruft: »Misch‘ das Brot, Frau, daß wir bald einschießen können« – und ähnliche Reden. Der Mann bleibt stehen und hört dem Treiben eine Weile zu, fürchtet sich aber nicht; er pflügt den Acker hinauf und hinunter, und als er wieder hinkommt, wo sich die Stimme hören läßt, ruft er fröhlich: »Na, backt mir auch einen schönen Kuchen! « Es ist freilich nur sein Spaß und er denkt nichts Arges dabei; als er aber mit seinem Pfluge wieder herunterkommt, liegt am Ende der Furche ein schöner Kuchen.

Jetzt wirds dem Mann doch unheimlich. Er fährt mit seinem Pfluge heim, nimmt aber unwillkürlich den Kuchen mit. Daheim erzählt er seiner Frau die Geschichte; es wird ihr ganz gruselig, allein der Kuchen riecht gar so gut und sie kann sich nicht enthalten, davon zu essen, und der Mann ißt mit. – Nach drei Tagen waren beide tot.

Der betrügerische Anwalt von München

Vor vielen Jahren starb zu München ein Advokat, der sein Leben lang ein arger Rechtsverdreher und Beutelschneider gewesen war. Er hatte sich nie ein Gewissen daraus gemacht, Witwen und Waisen um ihr gutes Recht zu bringen, wenn er dafür bezahlt wurde.

Nach seinem Tode trug sich etwas ganz Absonderes zu. Nachdem der Leichnam aufgebahrt war und man zwei Lichtlein angezündet und ein Kruzifix dazwischen gestellt hatte, gingen die Leute, wie es Brauch war, aus und ein, den Toten anzuschauen. Geweint hat aber niemand. Vor dem Hause waren viele Menschen versammelt, murmelten dies und das, und Gott wolle seiner armen Seele gnädig sein.

Auf einmal rauschte etwas durch die Luft, zwei großmächtige Raben flogen ans Fenster und hackten so lange mit ihren Schnäbeln drauflos, bis die Scheiben klirrend in Trümmer gingen und zum Erstaunen des Volkes – ein schwarzer Vogel aus dem Zimmer herausflog.

Während die Menge auseinanderstob, flogen die drei Raben davon. Im Totenzimmer waren plötzlich die Lichter erloschen und das Kruzifix umgestürzt. Gleich darauf soll auch der Leichnam über und über schwarz geworden sein.

Angsterfüllt vor all dem Geschehen, ging niemand hinter dem Sarg, als der gewissenlose Anwalt zur letzten Ruhe bestattet wurde.

Der Schimmelturm zu Lauingen

In Lauingen an der Donau, der Heimatstadt des weisen Albertus Magnus, kam einst in der Brunnengasse ein prächtiges weißes Füllen zur Welt. Mit der Zeit wurde aus dem Füllen ein Roß, fünfzehn Schuh lang und im Springen und Laufen ohne seinesgleichen.

Von keinem Menschen ließ es sich zäumen als von einem alten, verkrüppelten Knecht namens Stephan, dem man in Lauingen das Gnadenbrot gab. Dieser hatte den Schimmel sehr lieb, striegelte ihn fleißig und führte ihn gern vor, wenn Neugierige kamen, ihn zu beschauen.

Damals erkrankte der Bürgermeister der Stadt schwer, und es war kein Arzt in ganz Lauingen anzutreffen. Da hieß es: »Wenn wir nur den Pater Severin aus dem Heiligenkreuzkloster zu Donauwörth da hätten, der könnte wohl helfen, wenn noch zu helfen ist. Aber die Zeit, ihn zu holen, ist zu kurz. Der Bürgermeister wird nicht mehr viele Schöpplein trinken.«

Sogleich erbot sich Stephan, mit seinem Schimmel den Arzt herbeizuholen. Doch als er zum Dillinger Tor hinausreiten wollte, stand ein Heuwagen unter dem Tor, der zu breit geladen hatte und nun weder vor- noch rückwärts konnte und solcherart das Tor versperrte.

Doch Stephan besann sich nicht lange. Er wandte seinen Schimmel zur Seite, gab ihm die Sporen und sprang mit einem gewaltigen Satz über die Stadtmauer hinweg. Und ehe die Nacht einbrach, war Stephan wieder in Lauingen, den heilkundigen Mönch hinter sich auf dem Roß. Der Schimmel aber konnte den Weg von Lauingen nach Donauwörth und wieder zurück nur deshalb in so kurzer Zeit zurücklegen, weil er zwei Herzen hatte.

Zur Erinnerung an diese wundersame Begebenheit ließen die Lauinger den großen Schimmel an den Hofturm malen und nennen diesen seither den »Schimmelturm.«

Eppela Gaila

Vor nicht lang sangen die Nürnberger Gassenbuben noch diesen alten Reim:

Eppela Galla von Dramaus
reit allzeit zum vierzehnt aus;

und:

Da reit der Nürnberger Feind aus
Eppela Gaila von Dramaus.

In alten Zeiten wohnte im Bayreuthischen bei Drameysel (einem kleinen, nach Muggendorf eingepfarrten Dörfchen) Eppelin von Gailing, ein kühner Ritter, der raubte und heerte dort herum und sonderlich aufgesessen war er den Nürnbergern, denen schadete er, wo er mochte. Er verstand aber das Zaubern und zumal so hatt‘ er ein Rößlein, das konnte wohl reiten und traben, damit setzte er in hohen Sprüngen über Felsen und Risse und sprengte es über den Fluß Wiesent, ohne das Wasser zu rühren, und über Heuwagen auf der Wiese ritt er, daß seines Rosses Huf kein Hälmlein verletzte. Zu Gailenreuth lag sein Hauptsitz, aber rings herum hatte er noch andere seiner Burgen und im Nu wie der Wind flog er von einer zur andern. Von einer Bergseite war er flugs an der gegenüber stehenden und ritt oftmals nach Sankt Lorenz in Muggendorf. Zu Nürnberg hielten ihn weder Burgmauern auf, noch der breite Stadtgraben und viel ander Abenteuer hat er ausgeübt. Endlich aber fingen ihn die Nürnberger und zu Neumarkt ward er mit seinen Helfershelfern an den Galgen gehängt. In der Nürnberger Burg stehen noch seine Waffen zur Schau und an der Mauer ist noch die Spur vom Huf seines Pferdes zu sehen, die sich eingedrückt hatte, als er darüber sprang.

Die langen Schranken bei Schweinfurt

Im Bereich der alten Stadt liegt ein schöner ebener Platz, welcher jetzt mit Obstbäumen bewachsen ist. Hier, sagt man, sei vor Zeiten der Turnierplatz gewesen, daher der Name ›die langen Schranken‹ sich bis auf den heutigen Tag fortgeerbt habe. Einst war ein glänzendes Turnier angestellt; zu dem kamen viele fremde Ritter. Einer derselben erblickte unter den anwesenden Damen eine, die wohl auch fremd sein mochte, und deren Schönheit ihn so bezauberte und umstrickte, daß er sich zu ihrem Kämpfer weihte, und jedem den Handschuh hinwarf, der ihr nicht den Preis der Schönheit zugestehen wollte. Er blieb auch wirklich Sieger, streckte alle Gegner in den Sand, und nahte nun der Holden, die ein meergrünes Kleid trug, sittig ihren Dank zu empfangen. Sie lächelte ihn liebreich und holdselig an, aber wie ward ihm, als er dabei wahrnahm, daß sie grüne Zähne hatte? Er bebte zurück, sie stieß einen Schrei aus, verwandelte sich in ein Seeweiblein und rutschte auf dem Schlangenleib dem Maine zu, in den sie sich stürzte und auf dessen Oberfläche sie eine Weile fortschwamm, bis sie niedertauchte, und den Blicken der staunenden Herrn und Damen entschwand. Da tat sich der Ritter seine Waffen und Rüstung ab, und trat als Mönch in einen der strengsten Orden.

Der kluge Mann

In früher Zeit wohnte in dem Wirtshause der Witwe Hauberstroh zu Dörflas, ein Dorf im Fichtelgebirg, bei dem Markte Redwitz, von welchem es durch die Kössein getrennt ist, ein Hagen, angeblich ein Gastwirt und Bierbrauer, welchem mehrere Sachen entwendet wurden, worüber er so sehr in Harnisch kam, daß er beschloß, dem Dieb das nächstemal den Tod antun zu lassen. Bald darauf kam im Hause eine silberne Kette abhanden. Hagen ritt zum Klugen Mann, welcher den Tod antun konnte. Dieser riet ihm ab, aber er beharrte. Der Kluge Mann sagte ihm nun, wer ihm zuerst im Hofe begegnen werde, habe die silberne Kette. Wie er in seinen Hof hineinritt, kam ihm sein eigenes Kind entgegengelaufen, das sich auf die Ankunft seines Vaters gefreut und ihn erwartet hatte. Es erkrankte aber plötzlich, und als man es entkleidete und in sein Bettchen legte, fand man die silberne Kette, mit welcher es gespielt hatte, in seinem Täschchen. Hagen ritt nun eilig zum Klugen Mann zurück, um den Tod von seinem Kinde abzuwenden; aber das konnte der Kluge Mann nicht, und als er nach Hause kam, war es schon tot. Sein Nachfolger, auch ein Hagen, hatte zwölf Kinder, welche alle zwischen einem und fünf Jahren starben. Auf dem Platze, wo jetzt das Wirtshaus steht, war ein adeliger Hof. Das, behauptete die Erzählerin dieser Sage, Witwe Haberstroh, sei gewiß; denn im Garten lagen noch zwei Särge in einer Gruft, einer von Kupfer, der andere von Zinn. Als sie und ihr Mann das Haus erworben hätten, habe man in der ganzen Gegend geglaubt, sie würden kein Kind am Leben erhalten; ihre Kinder seien aber bis jetzt alle gesund.

Auf dem Kirchhof zeigt man einen Grabstein, auf welchem ein Hagen mit seinen zwölf Kindern, von welchen fünf noch in Wickeln sind, ausgehauen ist.

Johann von Passau

Doktor Martinus Luther erzählt: ein Edelmann hatte ein schön jung Weib gehabt, die war ihm gestorben, und auch begraben worden. Nicht lange darnach, da liegt der Herr und der Knecht in einer Kammer beieinander, da kommt des Nachts die verstorbene Frau und lehnet sich über des Herren Bette, gleich als redete sie mit ihm. Da nun der Knecht sah, daß solches zweimal nacheinander geschah, fraget er den Junkherrn, was es doch sei, daß alle Nacht ein Weibsbild in weißen Kleidern vor sein Bett komme, da saget er nein, er schlafe die ganze Nacht aus, und sehe nichts. Als es nun wieder Nacht ward, gibt der Junker auch acht drauf und wachet im Bette, da kommt die Frau wieder vor das Bett, der Junker fraget: wer sie sei und was sie wolle? Sie antwortet: sie sei seine Hausfrau. Er spricht: »Bist du doch gestorben und begraben!« Da antwortet sie: »Ja, ich habe deines Fluches halben und um deiner Sünden willen sterben müssen, willst du mich aber wieder zu dir haben, so will ich wieder deine Hausfrau. werden.« Er spricht: »Ja, wenns nur sein könnte«; aber sie bedingt aus und vermahnet ihn, er müsse nicht fluchen, wie er denn einen sonderlichen Fluch an ihm gehabt hatte, denn sonst würde sie bald wieder sterben; dieses sagt ihr der Mann zu, da blieb die verstorbene Frau bei ihm, regierte im Haus, schlief bei ihm, aß und trank mit ihm und zeugete Kinder.

Nun begibt sich’s, daß einmal der Edelmann Gäste kriegt und nach gehaltener Mahlzeit auf den Abend das Weib einen Pfefferkuchen zum Obst aus einem Kasten holen soll und bleibet lange außen. Da wird der Mann scheltig und fluchet den gewöhnlichen Fluch, da verschwindet die Frau von Stund an und war mit ihr aus. Da sie nun nicht wieder kommt, gehen sie hinauf in die Kammer, zu sehen, wo die Frau bliebe. Da liegt ihr Rock, den sie angehabt, halb mit den Ärmeln in dem Kasten, das ander Teil aber heraußen, wie sich das Weib hatte in den Kasten gebücket, und war das Weib verschwunden und seit der Zeit nicht gesehen worden.

Der wandelnde Mönch

Es war einmal in Coburg ein Herzog, der führte Krieg mit dem Bischof in Bamberg. In einer Schlacht, welche er seinem Gegner lieferte, nahm er zwölf Junker gefangen und sandte sie nach Coburg auf sein Schloß, die alte Veste. Die Junker wurden dort nicht allzu streng gehalten und trieben oft innerhalb des Hofes und der Stiege mancherlei Kurzweil. Da geschah’s einmal, daß sie auch beisammen waren, und daß der Schloßkaplan, ein finsterer Mönch, die offene Stiege herab in den Hof schreiten wollte, allein er glitt aus und ist herabgefallen. Darüber schlugen die Junker ein helles und anhaltendes Gelächter auf, was den Pfaffen sehr verdroß. Er hob sich zornig von dannen, verklagte die Junker beim Herzog und sagte ihm, unter ihnen sei auch der Mörder des Vaters von dem Herzog. Da befahl dieser in seinem Zorn, um Mitternacht sollten soviel Häupter der Junker durch das Schwert fallen, als der Turmwächter Stunden anblasen würde, und der Türmer erhielt noch dazu den Befehl, zwölfmal zu tuten. Das erfuhr die Herzogin, eine gute und fromme Frau, betrübte sich darüber sehr und hätte die Junker gern gerettet. Sie bat den Herzog um deren Leben, und ihre Bitte besänftigte den strengen Herrn, so daß er sagte, nur einer, und zwar der Mörder seines Vaters, solle des Todes sterben. Die Herzogin wollte auch den Tod des einen hindern, ließ den Türmer rufen und ihn in ein Gemach sperren, daß er nicht tute. Aber der Mönch war im Nebenzimmer und hörte alles mit an. Da es nun nicht mehr weit von zwölf Uhr des Nachts war, so wurden die Junker mit Fackeln unter dem Zulauf einer großen Menschenmenge herab auf das Schafott geführt, um sie mindestens die Angst des Todes empfinden zu lassen. Indes empfing der Türmer in seinem Arrest eine Flasche Wein durch die Herzogin, die ganz heitern Mutes war. Da schlug es auf der großen Glocke zwölf, und nach dem zwölften Schlag schallt schaurig das Horn vom Turm, und zwölfmal rief es, und auf jeden Ruf sank ein Haupt. Die Herzogin erschrak zu Tode, und der Türmer wußte nicht, was das zu bedeuten habe. Und auch der Herzog erschrak heftig, denn er wollte nicht mehr der Junker Tod. Er sandte Reiter nach der Richtstatt, Einspruch zu tun und Gnade zu rufen, aber es war zu spät. Jetzt stieg er selbst auf den Turm, fand da den Mönch, der noch des Türmers Horn in den Händen hielt und frohlockend rief: »So ihr Buben, nun werdet ihr meiner nimmer spotten!« Da ergrimmte der Herzog, packte den Mönch und warf ihn vom Turm hinunter, daß sein Leichnam zerschellte.

Nun tutet immer, wenn diese Nacht wiederkehrt, nicht der Wächter, sondern der Mönch, welcher im Turm der St. Moritzkirche wandelt mit einem Schlüsselbund, Wächterhorn und Rosenkranz, und auch um die Kirche die Runde macht. Es ist nicht gut, ihm zu begegnen.

Die Gretlmühl

Herzog Ott, Ludwigs von Bayern jüngster Sohn, verkaufte Mark Brandenburg an Kaiser Karl IV, um 200.000 Gülden, räumte das Land und zog nach Bayern. Da verzehrte er sein Gut mit einer schönen Müllerin, namens Margret, und wohnte im Schloß Wolfstein, unterhalb Landshut. Dieselbige Mühl wird noch die Gretlmühl genannt, und der Fürst Otto der Finner, darum, weil er also ein solches Land verkauft. Man sagt: Karl hab ihn im Kauf überlistet und die Stricke an den Glocken im Land nicht bezahlt.

Am guten Mann

Am linken Mainufer, wo der Bach aus dem schönen Busch kommt und sich in den Fluß ergießt, ist sumpfiges Land. Der Weg von Leider nach Stockstadt führt dort hindurch und wird eben wegen des sumpfigen Landes gefährlich, noch mehr aber, weil der Graben nur an einer schmalen Stelle überschritten werden kann. Einem verspäteten Wanderer kann leicht ein Unfall begegnen, wenn er von dem rechten Wege abkommt. In jener Gegend lebt aber ein guter Geist, der den Verirrten zurecht weist. Er hat nichts Auffallendes in seiner Erscheinung, sieht vielmehr mit seinem Schlapphut, seiner blauen Jacke und seinen kurzen ledernen Beinkleidern einem Landmann völlig ähnlich – und da er sich dem Wanderer nur gleichsam zufällig nähert, als wenn er eben auch des Wegs ginge, so mag er schon manchen geführt haben, ohne daß dieser den wohltätigen Geist in ihm erkannte. Von diesem guten Mann heißt die Stelle: »am guten Mann.«

Von der Münchner Frauenkirche

In der Liebfrauenkirche zu München gibt es mehr als ein Wahrzeichen und geht mehr als eine Sage von ihr. Die Kirche erhielt dreißig prächtige hohe Fenster, die zum Teil mit den herrlichsten Glasmalereien verziert sind. Als der Teufel einst voll Ärgers über den neuen schönen Tempel durch das Portal unterm Chore hineintrat, kam er auf eine Stelle zu stehen, wo er kein einziges von den Fenstern erblickte, und murmelte: Kein Fenster? Kein Licht? Daran erkenn‘ ich meine Münche – bon! – wandte zufrieden um und brannte nur seine Fußtapfe zum freundlichen Andenken in den Boden, die noch heute zu sehen. Hatte sich aber stark geirrt, der dumme Teufel.

So lang die Kirche ist, fast so hoch sind ihre Türme, dreihundertunddreiunddreißig Fuß. Auf dem linken üblichen Turme ist es nicht geheuer, er wird nur selten betreten. Jörg Gankoffen von Halspach (Haselbach bei Moosburg, wo noch sein Geburtshaus bezeichnet wird) hieß der Kirche Erbauer; er vollführte, wie eine Inschrift besagt, den ersten, den mittleren und den letzten Stein; zwanzig Jahre währte der Bau, und als der fromme Maurermeister den letzten Stein vollführt hatte, da starb er. Sein treues Bildnis ist noch innerhalb der Kirche zu sehen, neben ihm das Bildnis des Zimmermanns, der den Dachstuhl baute. Es wurden dazu nicht minder als vierzehnhundert Flöße, jedes aus fünfzehn bis sechzehn Bäumen bestehend, auf der Isar herabgeflößt. Da der Bau vollendet war, fand sich ein zugerichteter noch unverwendeter Balken, und dennoch fehlte nirgend auch nur eine Latte. Selbiger Turm ist noch heute zu sehen. Der Meister soll selbst den Balken aus dem Gerüst genommen und gesagt haben: Nun komme her, wer da wolle, und sage mir, wo der Balken fehle, und wo er füglich hingehört! – Aber vor wie nach hat sich niemand gemeldet und ist ein Jahrhundert um das andere vorübergegangen, und der überflüssige Balken ist noch immer vorhanden.

Außer dem Hochaltar hat die Frauenkirche dreißig Altäre, einer derselben ist St. Benno geweiht, der nächst der Himmelskönigin Münchens und der Kirche Schutzpatron ist. Der heilige Leichnam Bennos ward aus Meißen, wo er gelebt und manches Wunder vollbracht, gen München geführt, und als er von da in bedrohlicher Zeit nach Salzburg geborgen wurde, später aber von dort zurückkam, übte der Heilige ein neues Wunder, denn alsbald hörte mit seinem Eintreffen die grimme Pest auf, welche damals zu München wütete, darum mit ward diesem Heiligen vorzugsweise der Name Wundertäter, Thaumaturgos, beigelegt.

Die Neumünsterkirche in Würzburg

In der Neumünsterkirche in Würzburg ist ein Kreuzbild. Ein schwedischer Soldat, nach dem Metalle lüstern, schlich sich nachts in die Gruft, um das Bild zu stehlen. Als er aber daran war, schloß der Gekreuzigte die ehernen Arme um ihn und hielt ihn fest, bis des kommenden Morgens der Priester seine Wehklage vernahm und durch sein Gebet den FrevIer aus der Haft befreite.

Die Geisterjagd im Neustadter Forst

Die Klosterherren zu Neustadt versahen den Gottesdienst auf der Burg Rothenfels. Sie waren bei den gastlichen Amtleuten freundlich aufgenommen und es kam manches Mal der späte Abend herbei, bis sie die Burg verließen. Einst an einem Feiertage nach bereits eingebrochener Nacht schritt ein Klosterherr von Rothenfels am Maine hin gegen Neustadt. Da hörte er von Würzburg her lustigen Hörnerschall herüberklingen, der erst sehr entfernt war, aber schnell näher kam. Der Klosterherr lauschte festgebannt den wunderlieblichen Klängen und heller und heller ertönte es und herüber über den Main kam ein glänzender Zug, voraus reitende Jäger mit den klingenden Hörnern, dann stattliche geistliche Herren und Ritter hoch zu Roße mit dem Jagdspeer in der Faust, dann Karossen mit schönen Frauen, endlich ein großer Troß, berittene und unberittene, mit Jagdgeräten und den Bracken an der Leine. Der Zug schwebte, ohne Land oder Wasser zu berühren, an dem erschrockenen Klosterherrn vorüber und verlor sich in dem großen Klosterwalde.

Im darauf folgenden Jahre traf sich’s, daß der nämliche Klosterherr an demselben Feiertage wieder den Gottesdienst auf der Rothenfelser Burg abhielt. Auch dieses Mal ging er in der Nacht nach Neustadt. Und wieder hörte er den Hörnerklang, und wieder erschien der Jagdzug und verlor sich, wie das erste Mal im Neustadter Forst. Daheim im Kloster erzählte der Herr, was er zwei Male erlebt, und hörte, daß vor vielen Jahren eine Gesellschaft von hohen geistlichen Herren, Rittern und Frauen aus Würzburg acht Tage im Kloster sich aufgehalten, um der Jagdlust zu genießen, und daß sie selbst am Feiertage die Jagd nicht ausgesetzt hätten, weshalb sie wohl auch nach ihrem Tode die Geisterjagd abhalten müßten.

Diez Schwinburg

Kaiser Ludwig der Bayer ließ im Jahr 1337 den Landfriedensbrecher Diez Schwinburg, mit seinen vier Knechten gefangen in München einbringen und zum Schwert verurteilen. Da bat Diez die Richter, sie möchten ihn und seine Knechte an eine Zeil, jeden acht Schuhe voneinander stellen, und mit ihm die Enthauptung anfangen; dann wolle er aufstehen und vor den Knechten vorbeilaufen, und vor so vielen er vorbeigelaufen, denen möchte das Leben begnadigt sein. Als ihm dieses die Richter spottweise gewährt, stellte er seine Knechte, je den liebsten am nächsten zu sich, kniete getrost nieder, und wie sein Haupt abgefallen, stand er alsbald auf, lief vor allen vier Knechten hinaus, fiel alsdann hin und blieb liegen. Die Richter getrauten sich doch den Knechten nichts zu tun, berichteten alles dem Kaiser und erlangten, daß den Knechten das Leben geschenkt wurde.

Die Burgruine Rabenschaichen bei Kempten

Wenn man auf der Straße von Kempten nach Memmingen das Anlehen Hirschdorf hinter sich hat, sieht man, etwa eine Viertelstunde Weges unterhalb dieses Dorfes, neben der Straße am nahen Waldsaum eine zerfallene Burgruine, über die junge Birken und Tannen emporragen. Daneben liegt ein Weiler, von mehreren zerstreuten Häusern gebildet, der bis auf den heutigen Tag den Namen von dieser Burg Rabenschaichen trägt. Hier hauste in alten Zeiten ein gewalttätiger Ritter, der Schrecken der ganzen Gegend.

Zogen die Ulmer Kaufleute mit ihren Waren aus Welschland vorbei, so lauerte Kuno mit seinen wilden Gesellen im Gehölz, plünderte die Reisenden aus oder ließ sich das Weiterziehen mit blankem Gold bezahlen. Seine Untertanen bedrückte er auf alle erdenkliche Weise; kam ein Bettler an die Schloßpforte, so hetzte er seine zottigen Rüden auf ihn und sah mit Hohngelächter zu, wenn sie den Armen übel zurichteten. Das unrecht gewonnene Gut wurde dann in schwelgerischen Gelagen verpraßt, wobei die geraubten Weinfässer, wenn sie ihres feurigen Inhalts entleert waren, unter dem Gejauchze der Zechenden in den Burggraben hinabgerollt wurden.

Viele Jahre trieb der Ritter das wilde Raubhandwerk, fragte nicht nach Gott und nach den Menschen, und so kühne Abenteuer er auch unternahm, immer kehrte er siegreich von seinem Strauß heim, so daß es ringsum hieß : Ritter Kuno hat seine Seele dem Teufel verschrieben, deshalb richtet niemand etwas gegen ihn aus.

Plötzlich starb er jedoch um die Mitternachtsstunde, nachdem er von einem blutigen Raubzug heimgekehrt war. Seine Spießgesellen trugen den Leichnam in das oberste Gemach, von dessen Söller sonst Ritter Kuno nach vorüberziehenden Kaufleuten auszuspähen pflegte. Während die Gesellen dann im Erdgeschoß über der Teilung der angehäuften Schätze haderten und lärmten, erscholl plötzlich um die Zinnen der Burg das kreischende Gekrächze einer Schar Raben, die bald durch die geöffneten Fenster in das Totengemach hineinflogen und unter gräßlichem Geschrei das Antlitz des Verstorbenen mit wütenden Schnabelhieben zerfetzten.

Die Totenwächter vermochten die schwarzen Gesellen erst zu verscheuchen, nachdem das Gesicht des aufgebahrten Ritters gänzlich zerfleischt war. Die Zechenden im Hof ergriff kalter Graus; sie ahnten Gottes Strafgericht, verteilten die geraubten Güter teils unter die Armen, teils an Kirchen; das Raubnest aber überlieferten sie den Flammen, die die Burg bis auf die Grundmauern verzehrten.

Nur wenige Trümmer und der Name der Burg – Rabenschaichen – erinnern an den einstigen Glanz dieser Stätte.

Zwerge leihen Brot

Der Pfarrer Hedler zu Selbitz und Marlsreuth erzählte im Jahr 1684 folgendes. Zwischen den zweien genannten Orten liegt im Wald eine Öffnung, die insgemein das Zwergenloch genannt wird, weil ehedessen und vor mehr als hundert Jahren daselbst Zwerge unter der Erde gewohnet, die von gewissen Einwohnern in Naila, die notdürftige Nahrung zugetragen erhalten haben.

Albert Steffel siebenzig Jahr alt und im Jahr 1680 gestorben, und Hans Kohmann drei und sechzig Jahr alt und 1679 gestorben, zwei ehrliche, glaubhafte Männer haben etlichemal ausgesagt, Kohmanns Großvater habe einst auf seinem bei diesem Loch gelegenen Acker geackert und sein Weib ihm frischgebackenes Brot zum Frühstück aufs Feld gebracht und in ein Tüchlein gebunden am Rain hingelegt. Bald sei ein Zwerg-Weiblein gegangen kommen und habe den Ackermann um sein Brot angesprochen: Ihr Brot sei eben auch im Backofen, aber ihre hungrige Kinder könnten nicht darauf warten und sie wolle es ihnen Mittags von dem ihrigen wieder erstatten. Der Großvater habe eingewilligt, auf den Mittag sei sie wiedergekommen, habe ein sehr weißes Tüchlein gebreitet und darauf einen noch warmen Laib gelegt, neben vieler Danksagung und Bitte, er möge ohne Scheu des Brots essen und das Tuch wolle sie schon wieder abholen. Das sei auch geschehen, dann habe sie zu ihm gesagt, es würden jetzt so viel Hammerwerke errichtet, daß sie, dadurch beunruhigt, wohl weichen und den geliebten Sitz verlassen müßte. Auch vertriebe sie das Schwören und große Fluchen der Leute, wie auch die Entheiligung des Sonntags, indem die Bauern vor der Kirche ihr Feld zu beschauen gingen, welches ganz sündlich wäre.

Vor kurzem haben sich an einem Sonntag mehrere Bauernknechte mit angezündeten Spänen in das Loch begeben, inwendig einen schon verfallenen sehr niedrigen Gang gefunden; endlich einen weiten, fleißig in den Fels gearbeiteten Platz, viereckig, höher als Manns hoch, auf jeder Seite viel kleine Türlein. Darüber ist ihnen ein Grausen angekommen und sind herausgegangen, ohne die Kämmerlein zu besehen.

Der Dombaumeister

Der Dombau zu Bamberg war einem griechischen Meister aufgetragen. Zu diesem kam ein Jüngling mit der Bitte, er solle ihn zum Gehilfen nehmen, da man doch zu zweit gewiß weiter komme, als wenn einer das riesenhafte Werk zu fördern habe. Der Dombaumeister willigte in den Vorschlag ein und übertrug dem Gehilfen den Bau des Peterstors, während er selbst das Georgentor übernahm. So arbeiteten die zwei rastlos an dem Werk, ein jeder bemüht, den anderen zu übertreffen.

Bald bemerkte man aber, daß der Bau des Georgentors viel rascher vonstatten ging. Das verdroß den Jüngling sehr, und als er sich nicht mehr zu helfen wußte, verschrieb er seine Seele dem Teufel, auf daß ihm dieser Rat verschaffen sollte. Von Stund‘ an änderte sich die Sache. Das Peterstor stieg rascher in die Höhe, während am Georgentor kein Fortschritt bemerkbar war; was man am Tag schaffte, fiel nachts wieder ein, denn zwei ungeheure Tiere – halb Kröten, halb Löwen – umschlichen das Werk und unterwühlten die Arbeit des Dombaumeisters.

Wie nun der Teufel dachte, sein Versprechen gelöst und den Ehrgeiz des Jünglings befriedigt zu haben, lud er diesen eines Tages ein, mit ihm auf die Höhen des Peterstors zu steigen und sich das Bauwerk von oben herab anzusehen. Der Jüngling folgte; als er nun oben stand, ergriff ihn der Teufel und schleuderte ihn jählings von der Höhe hinab.

Der Lindwurm in Schaippach

In Schaippach wird erzählt, daß es dort vor vielen Jahren einen riesigen Lindwurm gegeben habe. Dieses Ungeheuer richtete viel Schaden an Flur und Vieh an. So beschloß man, das Scheusal zu töten. Lange Zeit aber konnte dieses Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt werden, da sich niemand mehr auf seinen Acker wagte. Eines Tages aber soll ein schneidiger Bauer beim Mistbreiten dem Lindwurm begegnet sein und ihn mit der Mistgabel erstochen haben. Ein Lindwurmdenkmal im Ort erinnert heute noch an die unheilvollen Zeiten und die mutige Tat des wackeren Bauern. Früher war das Denkmal zusammen mit dem Bildstock des heiligen Wendelinus, dem Schutzpatron des Viehs, aufgestellt. Heute hat es in der Nähe des »Dietrichsackers« seinen eigenen Platz gefunden.

Wie Karl der Große geboren ward auf der Reismühle am Würmsee

Pipin wohnte eine Zeit lang auf der Burg zu Weihenstephan bei Freising. Nun gedachte er sich zu vermählen und schickte seinen Hofmeister, einen bösen Ritter, die Braut abzuholen. Da wurde der und sein ruchloses Weib mit einander eins, die fremde Prinzessin zu töten und statt derselben ihre eigene Tochter unterzuschieben, die jener sehr ähnlich sah. Der Hofmeister führte die fremde Königstochter von ihres Vaters Hof im prächtigen Zuge fort. Der Abschied war unendlich traurig, als hätte die Ärmste geahnt, welch‘ Unglück ihrer warte. Nach dem letzten Nachtlager vor Weihenstephan nahm der Hofmeister einen starken Umweg in die tiefe Wildnis zwischen dem Würm- und Ammersee. Dort harrte seiner verborgen Weib und Tochter. Er nahm bei der Nacht der Prinzessin königliche Gewänder und ihren Fingerring, legte ihr dafür seiner Tochter Anzug vor ihr Lager und befahl zweien seiner treuesten Knechte, wie er in aller Stille abgezogen sei, die Königstochter ungestüm aufzuwecken mit dem Begehren, sie sollte ihnen ohne Widerrede folgen. Das tat sie, obgleich mit großem Schrecken. Ihr geliebtes Hündlein folgte ihr. Auch vergaß sie nicht ihr Werkzeug und Gold und Seide, denn sie konnte gar herrlich wirken.

Als sie nun mitten im finstersten Dickicht waren, sagten ihr die Knechte, sie hätten geschworen, sie zu töten, ließen sich aber doch erbarmen an so viel Schönheit und Jugend und brachten als Wahrzeichen, daß sie getan, wie ihnen befohlen, dem bösen Hofmeister ihr blutiges Oberkleid und ihres Hündleins Zunge. Der war dessen froh und die Hochzeit seiner Tochter mit Pipin wurde vollzogen. Die arme Königstochter in der Wildnis trieb aber der Hunger wieder zu den Leuten. Ein häßlicher Köhler, dessen sie anfangs gar sehr erschrak, weil sie ihn für den leibhaftigen bösen Feind hielt, der ihrer Seele nachstelle, führte sie zum Müller in der Reismühle bei dem alten Heidenorte Gauting. Dem Müller war nun des edlen Königs Tochter eine Magd, nur sagte sie nicht, wer sie sei und was mit ihr geschehen. Sie machte wunderschönes Kunstwerk in Gold und Seide, das trug der Müller auf ihr Bitten gen Augsburg und verkaufte es dort fränkischen Handelsleuten.

So schwanden Jahre und Tage dahin. Da verirrte sich einst Pipin in dem weiten Wald mit seinem Knecht, seinem Arzt und Sterndeuter. Der Abend brach herein. Von den Hörnern der Gefährten hatten sie schon seit vielen Stunden keines mehr erschallen gehört. Der Knecht war auf eine Tanne gestiegen, und sah ganz in der Nähe Rauch. Sie ritten rasch darauf los und fanden den Köhler, und verlangten zu essen. Er konnte ihnen nichts geben, denn er hatte selbst nichts, aber er führte sie auf die Reismühle gen Gauting, da erquickten sie sich. Der Sterndeuter trat vor die Hütte und blickte an den Himmel und kam hocherstaunt wieder herein und sprach zu Pipin: »Herr! ihr sollt diese Nacht von Eurer Hausfrau einen Sohn gewinnen, vor dem die Christenkönige und die Heidenkönige sich neigen.« Da sprach Pipin: »Wie kann das sein? Es ist halb Mitternacht und noch weit auf Weihenstephan.« Der Sterndeuter ging noch einmal hinaus und sprach: »Dennoch ist es so, Ihr werdet bei der sein, die Eure Hausfrau ist und schon lange war.« Da stürmte Pipin auf den Müller, er solle sagen, ob nicht jene Frau bei ihm verborgen. Der König hätte ihn getötet, als er gestand, es sei wohl schon sieben Jahre eine engelschöne Jungfrau bei ihm, die keines Menschen Auge gesehen. Da mußte die Jungfrau herfürgehen, und Pipin schmeichelte ihr: »es stehe in den Sternen, sie sei sein ehelich Weib.« Da war zwischen ihnen viel Frage und Antwort, obgleich die Jungfrau ihr Geschick lange nicht offenbaren wollte, wegen des schweren Eides, bis der König ihr erklärte, er sei durch Todesfurcht erzwungen und ungültig. Die edle Bertha zeigte ihm nun seinen eigenen Brautring, den er ihr durch den verräterischen Hofmeister gesendet und Pipin war außer sich vor Freude, gebot den Seinigen Schweigen, so lieb ihnen ihr Leben sei, nahm zärtlichen Urlaub und erreichte des Abends noch die Burg, die jetzund Pael heißt und kam des andern Tages gen Weihenstephan. Dort erzwang er das Geständnis der Knechte, die Bertha verschont, ließ seine Weisesten rufen, den Hofmeister dazu, erzählte seine Falschheit und Missetat, als wäre sie einem andern geschehen, fragte darauf mit schrecklichem Blick und Ton den Hofmeister: »Was gebührt einem für solche Missetat?« Blaß und zitternd sprach dieser: »Ich will kein Urteil fällen über mich selbst.« Da verdammte ihn der gemeine Rat zum schmählichen Tode. Die Hofmeisterin, die den verdammlichen Rat gegeben, ward eingemauert, und ihre Tochter, die unterschobene Königin, in einem besondern Gemach verwahrt, doch starb sie bald aus Gram.

Wie Pipin heimkam aus dem langen Feldzug wider die Sachsen, eilte er auf die Reismühle am Würmsee. Der Müller trat ihm entgegen und reichte ihm einen Pfeil zum Wahrzeichen, in der Mühle sei ihm ein Sohn geboren von der schönen Bertha. Das war der große Karl.

Pipin führte seine Fürsten und Ritter zu seiner Frau, zeigte ihnen ihr armes Kämmerlein, und ihr Lager bloß von weichem Moos und zog dann mit ihr ab unter lauten Schall und Ruf und Waffenklang; auf Weihenstephan zuerst und dann noch Frankreich, wo sie als Königin des Landes gegrüßt und ihr schöner, kühner Knabe getauft wurde. Carolus Magnus, dessen Ruf durch alle Welt ging.

Der Teufelsritt

In Soden wohnten einmal Leute, die gaben sich mit Schatzgraben ab. Gefunden mußten sie noch nicht viel haben, denn sie waren arm an Gut und Geld und nur reich an Hoffnungen, und oft getäuscht wühlten sie dennoch unermüdlich in der Erde.

Auf einem Berg zwischen Soden und Schweinheim hatten sie auch einen Schatz aufgespürt; ob sich eine Glut dort gezeigt, ob ein Lichtchen geleuchtet oder ein Flämmchen getanzt hatte, weiß man nicht, ihrer Sache aber waren die Leute gewiß und darum machten sie sich einst gegen Mitternacht auf und gruben nach dem Schatze. Wer Schätze graben will, muß schweigen können; auf das erste unbedachte Wort sinkt der Schatz tief hinunter in die Erde, wo ihn keines Menschen Arm mehr erreicht.

Das wußten die Sodener wohl, und schweigend schafften sie, daß sie bald ein tiefes Loch ausgegraben hatten. Auf einmal gab’s einen dumpfen Klang; der Spaten hatte auf Eisenblech gestoßen, das konnte nichts anders als eine Truhe und in der mußte der Schatz sein. Sie machten Anstalt, die Truhe herauszubringen: eben schlug es zwölf Uhr. Da hörten sie Hufschläge, die schnell näherkamen, und ein Haufen Reiter sprengte daher grad auf die Schatzgräber zu, und im Galopp sauste er über ihren Köpfen weg. Die Schatzgräber waren keine Leute, die gleich davonliefen, wenn was Unheimliches kam, sie ließen sich darum auch von den Reitern nicht beirren; konnten sie ihnen doch nichts tun, solange sie nur still schwiegen. Bald darauf kam noch einer geritten, aber auf einem Besen. Es war ein altes Männlein mit dünnen schlotternden Beinen, das sich gar sehr abarbeitete, um weiterzukommen; es ging aber nur langsam vorwärts. Der Besenreiter fragte die Schatzgräber wiederholt, wohin die Reiter geritten seien, bekam jedoch keine Antwort. Da sagte er: »Ihr braucht mir gerade keine Antwort zu geben, ihr grobes Volk! Die Reiter hol‘ ich doch ein.« Und nun hob er einen Galopp an, wie ein kleiner Knabe und humpelte so hinein in den Wald. Einem der Schatzgräber kam die Reiterei so possierlich vor, daß er hell auflachte und herausplatzte: »ja, Blasen!« – Klatsch! hatte er eine ungeheure Ohrfeige, daß er umfiel, und der Schatz war verschwunden und ist heute noch nicht wieder aufgefunden worden, der Berg aber, wo er sich gezeigt, heißt jetzt noch der Teufelsritt.

Die drei Götzen

Bis zum Anfang unseres Jahrhunderts befand sich am Karlstor in München ein Torwarthaus samt der Zöllnerstube.

In dieser wurde ein steinerner unförmlich großer Kopf mit drei Gesichtern, einem schwarzen, roten und weißen gezeigt, den man die drei Götzen nannte. Auf demselben waren die Jahreszahlen 1105, 1109 und 1767 eingemeißelt. Der Sage nach soll in uralter Zeit an der Stelle, wo das Karlstor sich befindet, ein heidnischer Götzentempel gestanden und in demselben dieser Kopf verehrt worden sein.

Bei Abbruch der Wälle und des Torwarthäuschens verschwand dieser Kopf spurlos und wurde wahrscheinlich zertrümmert.

Die Flämmchen am Zollstock

Nicht weit von Dattensoll, das früher Tatzenzoll hieß, auf dem Wege nach Hundsbach, steht ein Zollstock. An ihm führte der Weg der Getreidebauern vorüber, die auf die Schweinfurter Schranne fuhren. Da sie hier vom Fuldaischen ins Würzburgische kamen, mußten sie am Mautplatz die Tatze, ihren Zoll, bezahlen.

Wenn die Nächte recht finster und schauerlich waren, besonders in den rauhen Nächten um die Jahreswende, aber auch zur Zeit der Sommer-Sonnenwende, erschreckten den verspäteten Heimkehrer hier am Zollstock zwei flackernde, bläuliche Flämmchen. Es waren die Seelen zweier Bösewichte, die an dieser Stelle einen von der Schranne heimkehrenden Bauern totgeschlagen und seine gespickte Geldkatze unter sich geteilt hatten. Aber die Gesellen kamen nicht weit. Ein Blitzstrahl setzte ihrem Verbrecherleben ein schnelles Ende. Noch heute gehen ihre Seelen am Mordplatz um und schrecken die Leute, die zu später Stunde am Zollstock vorüberkommen.

Kaiser Karl im Brunnen und im Berge

Auf dem Markt zu Nürnberg steht der schöne Brunnen, mit herrlichem Bildwerk geziert und vom künstlichen Gitter umgeben. Der Brunnen soll sechzehnhundert Schuh tief sein, nach andern nur dreihundert, die Kette, an der die Eimer bangen, wiegt dreitausend Pfund. In dieses Brunnens Tiefe hat Kaiser Carolus magnus sich verwünscht, da drunten der Welt Ende zu erwarten. Einst ließen die Herren von Nürnberg einen Verbrecher in die Tiefe des Brunnens hinab, der sah Carolum drunten sitzen an einem Steintisch, wie den Barbarossa im Kyffhäuser. Der Bart war durch den Tisch hindurchgewachsen und reichte schon zweimal um den Tisch herum. Wann er zum dritten umreicht, wird der Welt Ende vor der Türe sein.

Nicht weit von Nürnberg erhebt sich der Kaiser-Karlsberg, auch in diesem soll der Kaiser Karl sitzen und auf der Welt Ende harren mit allen seinen Wappnern. In frühern Zeiten ward aus dem Berge oft ein schöner Gesang vernommen – da waren die Zeiten noch gut –, jetzt hört man aus ihm nur noch klagendes Weinen, weil die Zeiten so schlecht sind. Damit besagtes Weltende nicht allzu schnell herbeirücke, als welches schrecklich und sehr störend wäre, so muß des Kaisers Bart siebenmal um den Tisch wachsen, und da sich nun die Leute darüber gestritten und noch streiten, ob der Bart des verzauberten Kaisers dreimal oder siebenmal um den Tisch wachsen müsse, so ist davon das Sprichwort entstanden, wann über unausgemachte Sachen nutzlos gestritten wird: es ist ein Streit um des Kaisers Bart. Die Sage geht, ein Bäckerjunge aus Fürth habe einst, wie dort der Semmelknabe im Guckenberge, durch einen Gang Brot in den Kaiser-Karlsberg gebracht, es sei ihm aber auch gleich jenem ergangen, oder noch schlimmer, denn als er das Geheimnis zu entdecken gezwungen worden, sei er zum letzten nicht wiedergekehrt, und nur seine Kleider seien zerstückt außen am Berge gefunden worden.

Aus dunkler Mythenzeit klingt schon die Sage herein, daß ein König Noro im Berge verzaubert sitze, der habe der Stadt ihren alten Namen verliehen: Nor im Berg; aus seines Namens spätem Nachhall ist aber ohne Sinn Nero geworden, ein prächtig Fündlein für die Diftler, die nun gleich die Stadt vom Römerkaiser Nero gründen ließen, denn römisch mußte diesen klassischen Narren alles sein, was gelten sollte, Deutsches paßte nicht in ihren gelahrten Kopf, Kropf und Zopf.

Das Hemdabwerfen

Zu Coburg saßen am Weihnachtabend mehrere Mädchen zusammen, waren neugierig und wollten ihre künftige Liebhaber erkündigen. Nun hatten sie tags vorher neunerlei Holz geschnitten und als die Mitternacht kam, machten sie ein Feuer im Gemach und die erste zog ihre Kleider ab, warf ihr Hemd vor die Stubentüre hinaus und sprach bei dem Feuer sitzend:

»Hier sitz ich splitterfasernackt und bloß, wenn doch mein Liebster käme und würfe mir mein Hemde in den Schoß! «

Hernach wurde ihr das Hemd wieder hereingeworfen und sie merkte auf das Gesicht dessen, der es tat; dies kam mit dem überein, der sie nachdem freite. Die andern Mädchen kleideten sich auch aus, allein sie fehlten darin, daß sie ihre Hemder zusammen in einen Klump gewickelt hinauswarfen. Da konnten sich die Geister nicht finden, sondern huben an zu lärmen und zu poltern, dermaßen, daß den Mädchen grausete. Flugs gossen sie ihr Feuer aus und krochen zu Bette bis frühe, da lagen ihre Hemder vor der Türe in viel tausend kleine Fetzen zerrissen.

Der Teufelsbeschwörer

Vor hundert und mehr Jahren lebten zu Keilberg zwei Nachbarn, Hans und Peter geheißen. Beide hatten von ihren Eltern ganz hübsche Gütchen ererbt, worauf sie sich wohl ernähren konnten – und Peter nährte sich auch gut; er war ein fleißiger, sparsamer Mann, der erste aus den Federn, und der letzte in Feld, Hof und Stall. Darum standen seine Felder auch am besten, darum hatte er auch das schönste Vieh im ganzen Dorfe. Hans dagegen war lieber hinter dem Kruge, als hinter dem Pfluge, und wenn er ja zu Hause blieb, so stöberte er in einem alten Buche, das er in einem vergessenen Winkel gefunden hatte, und das von Geisterbeschwörungen und dergleichen Teufelskünsten handelte. Feld und Vieh waren fremden Leuten überlassen: kein Wunder wenn Feld und Vieh gleich mager waren. So kam er immer mehr in Rückgang, während Peter, der von Haus aus nicht mehr hatte als er, täglich wohlhabender wurde. Wenn Hans die vollen Getreidewägen seines Nachbars von glänzenden Kühen mit strotzenden Eutern heimführen sah, während sein hungriges Vieh ein armseliges Führchen mühsam herbeischleppte, so erwachte in ihm ein Neid, der sich zu dem unversöhnlichsten Hasse gegen seinen glücklichen Nachbarn steigerte. Es wurde sein sehnlichster Wunsch, daß sein Nachbar wenigstens so arm, als er selbst werden möge, er versuchte sogar öfters, ihn in Schaden zu bringen, aber alles mißlang. – Eines Tages, als er sich wieder über den Wohlstand seines Nachbars recht erbost hatte, beschloß er, bei dem Teufel Hilfe zu suchen. Er schlug sein Zauberbuch auf, und las laut die Formeln ab, die den Teufel zu seinem Dienste zwingen sollten, – und der Teufel, der immer nahe ist, wenn der Mensch des Herrn vergißt, erschien wirklich. Hans, der doch nicht so recht an das Erscheinen des Teufels geglaubt hatte, erschrak dergestalt, daß er keine Worte finden konnte; aber als der Teufel ihn grimmig aufforderte zu reden, da er ihn doch einmal gerufen, bat er zitternd und bebend um ein Mittel, den Wohlstand seines Nachbars ohne Gefahr für sich zu vernichten. Der Teufel sagte ihm das zu, verlangte jedoch, daß Hans verspreche, nach zehn Jahren sein eigen zu werden. Hans versprachs in seiner Todesangst und der Teufel bezeichnete ihm ein Kraut, das er nachts 12 Uhr im Walde unter Anrufung des Teufels holen und auf das Viehfutter seines Nachbars werfen sollte. Darauf verschwand er im Schwefeldampf.

Hans tat, wie ihm geheißen, und des Tags darauf war sämtliches Vieh des Nachbars gefallen.

Peters Wohlstand war durch den Verlust seines sämtlichen Viehes gänzlich zerrüttet, seine Freude und sein Stolz waren ihm genommen, und er grämte sich so, daß er starb.

Da erwachte in Hans, der im Grunde des Herzens nicht bös war, das Gewissen. Er sah die Schändlichkeit seiner Handlungen ein und verabscheute sie und sich selbst. Er versagte sich alle Freuden der Erde und flehte ganze Nächte auf seinen Knien Gott und die Seele seines Nachbars um Vergebung seiner Missetat an. Endlich unter harter Buße und guten Werken verflossen die zehn Jahre, nach deren Ablauf Hans des Teufels Eigentum werden sollte. Der verhängnisvolle Tag war gekommen. Zu der nämlichen Stunde, wo der Pakt geschlossen worden, erschien der Teufel und ergriff den zitternden halbtoten Hans. Da schwebte im Glanze des Himmels der selige Geist Peters hernieder und sprach zu dem Teufel: »Weiche, Satan, du hast keinen Teil an ihm. Eine zehnjährige Reue hat sein Schuldbuch gelöscht und der Herr hat ihm vergeben, wie ich ihm schon längst verziehen habe, was er an mir getan.« Darauf ließ ihn der Teufel unwillig los und fuhr mit einem Gepolter, als wenn das ganze Haus zusammenstürze, davon. Auch der selige Geist verschwand, nachdem er Hansen noch freundlich angeblickt hatte. Auf den höllischen Lärm kamen Leute herbei, die Hansen sterbend fanden; er konnte ihnen nur noch erzählen, was vorgefallen, und dann verschied er in Frieden.

In dem Walde, wo in des Teufels Namen das Zauberkraut gesucht worden, ist es aber noch heute nicht geheuer.

Die Wirtin von Schweinau

In Schweinau lag die Frau eines Wirtes, der nebenbei auch Metzger und Milchmann war, in den letzten Zügen. Sie war ihr Leben lang habsüchtig und geizig gewesen und blieb es auch noch auf ihrem Sterbelager. Anstatt an den Tod zu denken und sich auf das Jenseits vorzubereiten, hatte sie noch über allerlei Hausgeschäfte mit ihrem Gesinde zu reden. Eben war gemolken worden, und die Milch sollte zum Bäcker gebracht werden, da rief sie unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte: »Bub, in die Maß Bäckermilch gehört immer ein Glas Wasser!« Nach diesen Worten verschied die Frau.

Bald darauf ging,s im Hause um. Alle Dienstboten sahen die Frau, nur ihr Mann nicht, obwohl er es wünschte. Endlich wurde er einmal nachts durch leises Stöhnen und Winseln aus dem Schlaf geweckt, und als er aufstand, sah er sein Weib, wie es leibte und lebte, im großen Lehnstuhl hinter dem Ofen sitzen. Es hatte ein großes Tuch in der Hand, womit es beständig seine tränennassen Augen trocknete.

»Liebes Weib«, fragte der Mann erschrocken, »warum kannst du die ewige Ruhe nicht finden?«

Darauf entgegnete die Frau: »An der Fleischwaage ist ein Haken, der ist zu schwer. Was ich für deine Kinder beiseite gelegt habe, das nimm aus der Truhe und gib es den Vormundskindern. Diese beiden Vergehen kannst du noch gutmachen. Daß ich aber beim Milchschank immer den Daumen ins Maßblech gehalten habe, kannst du nimmer gutmachen, und deswegen habe ich keine Ruhe im Grabe.«

Und so muß es wohl sein, denn noch immer will man in Schweinau das Jammern und Wimmern der Verstorbenen aus Grabestiefe hören.

Die »wilde Jagd« bei Lengenfeld

Zwischen Lengenfeld und Stoffen am Lech liegt auf einer hohen Ebene eine wilde, weite Ödung. Über diesem Gebiet tollt die wilde Jagd immer am wütendsten, und dort verweilt sie am längsten.

Einst wanderte ein Mann aus Hofstätten über dieses unwirtliche Feld. Es dunkelte schon. Da vernahm er aus der Ferne ein Heulen und Sausen, als wolle sich ein furchtbarer Sturm erheben. Sobald er stehenblieb und sich umsah, kam die »Wilde Jagd« in den Lüften daher, und da er, ganz erstarrt vor Schrecken, vergaß, sich sogleich auf den Boden zu werfen, hoben ihn die wilden Jäger leicht vom Erdboden auf und rissen ihn im Zuge mit sich fort. Viele Wochen war er der Erde entrückt, kein Mensch wußte, wohin er gekommen war, und seine Leute hielten ihn schon für tot. Da auf einmal kam er wieder zurück, aber er wußte nicht, wo er gewesen, und wie er daher kam. Sein Sinn war ganz verwirrt; es schwindelte ihn, wenn er an sein Abenteuer dachte, und allen Leuten wurde schwindlig, wenn sie ihn davon reden hörten. Zeit seines Lebens blieb der Mann still und in sich gekehrt, zeigte weder Freude noch Trauer und verbrachte seine Tage in stumpfem Hinbrüten.

Hütte und Herberge sind heute aus diesem Gebiet verschwunden. Wildnis wuchert über felsigem Grund.

Der wilde Jäger in dem Odenwieserwald

Es war vor vielen hundert Jahren ein Köhler in dem Odenwieserwald, der hatte eine einzige, schöne, tugendhafte Tochter Lili. Während ihr Vater bei dem Meiler saß, ging sie in den Wald, um Erdbeeren, das Lieblingsessen ihres Vaters, zu holen. Sie ging tief in den Wald und fand viele Beeren. Sie gelangte an einen Bach und sah unter einer großen Buche einen großen Mann mit blassem Gesichte, daneben sein kohlschwarzes Roß, seine Schweißbracken und seine Falken. Die Maid erschrak, verlor aber alle Furcht, als sie der fremde Ritter freundlich grüßte. Er verlangte Labung, und die schöne Maid reichte ihm ihren Korb mit den Erdbeeren. Darauf setzte er die Maid vor sich hin auf das Roß und trabte der Köhlerhütte zu. Der Köhler freute sich über den vornehmen Besuch, gewährte dem fremden Ritter Nachtlager, welcher mit Sonnenaufgang zärtlichen Abschied von der Lili nahm und wiederzukommen versprach. Die Jungfrau hatte aber einen Geliebten, der die Schafe ihres Vaters hütete. Wie sie sich wiedersahen, errötete Lili und war verwirrt. Der Hirt, vermeinend der Grund hiervon liege in übler Nachrede der Leute, tröstete sie mit der Versicherung, daß sie bald heiraten würden. Der Ritter kam nun öfter in die Köhlerhütte und gewann so die Gunst der Lili, daß sie des Schafhirten nicht mehr gedachte. Der Köhler war es zufrieden, daß Lili eine gnädige Frau werden sollte, und so vergingen den beiden mehrere Monde in süßer Minne. Den Schafhirten fand man zerrissen im Walde, niemand wußte von wem. Die Leute fürchteten die Köhlerhütte sehr, denn es stürmte und brauste da das wilde gjoad.

Lili konnte das lange Schweigen ihres Bräutigams über Herkommen und Stand nicht länger ertragen, und sie und ihr Vater drangen in ihn, sich zu entdecken. Zwar suchte der Ritter sie davon abzubringen, aber sie beharrten darauf. Am Abend vor Neujahr war die Hochzeit; da war ein großer Hofstaat, viele Ritter und Knappen in glänzenden Rüstungen waren zugegen, und es waren Turniere und allerlei Ritterspiele. Die schöne Braut Lili glänzte von eitel Gold und Edelsteinen. Der Ritter wollte seiner Braut erst in der Brautkammer eröffnen, wessen Standes und Abkommen er sei, und wo er Hof halte. Als nun die Stunde der Mitternacht nahte, da brach ein höllisches Wetter los; es blitzte und donnerte, und eine wilde Flamme schlug vom Himmel in die Köhlerhütte, aus deren Mitte der Bräutigam mit der Braut in schneeweißem Gewand auf seinem Rappen fuhr, und dann über die Waldbäume durch die Lüfte sauste. Der Wehruf der Maid ward noch lange gehört, bis er verklang. Von der Köhlerhütte war keine Spur mehr zu sehen, und auch der Köhler verbrannte, den Gott wegen seines Hochmutes strafte. Auf dem Platze, wo die Köhlerhütte stand, war noch vor mehreren Jahren ein Kreuz; da mochte abends niemand weilen. Die Lili sah man oft mit ihrem Korb roter Beeren bei der Buche an der Quelle sitzen, hörte sie klagen und singen mit lieblicher Stimme, und sie geht heutzutag noch.

Der wilde Jäger wurde nachher von Zeit zu Zeit gesehen, wie er in der Nacht bei Mondenschein mit der jammernden Lili auf dem schnaubenden Rappen, wie Sturmwind, durch die Lüfte brauste, und wer das wilde gjoad hört, der spricht den Namen Lili, den läßt es vorüber, und kann ihm nicht schaden.

Vom Mostgeistlein

Bei einem Bauern in Hafenlohr wohnte seit vielen Jahrzehnten ein Geistlein, das hinter dem Herd eine Ritze hatte, in der es schlief. Es war sehr scheu und ließ sich nur selten sehen. In den Nächten aber kam es aus seinem Schlupfwinkel hervor und schlich sich in den Keller. Dort trank es bis zum Morgen. Es war jedoch so klein, daß sein Trinken keinen Schaden machte.

Die Frau des Bauern war ein habsüchtiges Weib und neidete es dem Geistlein sehr, daß es vom Most trank. Eines Abends stellte sie heimlich eine Schüssel voll Wasser auf die Kellertreppe, so daß das Mostgeistlein hineinfiel und ertrank. – Seitdem gerät in diesem Keller kein Most mehr.

Die ‚lange Agnes‘ im Walde bei Furth

Im Wald zwischen dem Grenzstädtlein Furth und dem Markte Eschelkam quillt unfern des Fußpfades ein Brünnlein aus dem Boden, das beim Volk seit altersher verrufen ist. Niemand wagt es, nach dem Abendläuten ihm nahe zu kommen. Denn dort treibt seit undenklichen Zeiten die »Lange Agnes« ihr Unwesen. Wer eine Sünde begangen, namentlich aber ungerechtes Gut an sich gebracht hat, über den gewinnt das boshafte Gespenst Macht und den drangsaliert es in empfindlicher Weise.

Die Marter besteht darin, daß die »Lange Agnes« ihr Opfer in die Wasser des Brünnleins taucht und ihm dann den Kopf mit Bürste und Stahlkamm bearbeitet, daß Haut und Haare abgehen möchten.

Es wird erzählt, die »Lange Agnes« sei in ihrem Leben ein bitterböses, habgieriges Weib gewesen, von hochgestreckter, hagerer Gestalt, und habe sich so ganz und gar in die Sorgen um das Zeitliche versenkt, daß sie sogar den Tag des Herrn nicht heilig gehalten habe. Oft sah man sie an hohen Festtagen im Bach stehen und ihre Wäsche schwemmen. Von diesem sündhaften Tun konnte sie weder durch die Ermahnungen ihrer Angehörigen noch durch die Strafreden des Pfarrherrn abgebracht werden. Ihres verstockten Sinnes wegen wurde ihr nach dem Tode die Ruhe der Seligen versagt, und sie muß bis zum Tage des Gerichtes an jenem Brünnlein als Gespenst umgehen.

Man soll das Klopfen ihres Waschbleuels in der Geisterstunde eine halbe Meile weit durch den Forst erschallen hören, wobei sich in dieses Geräusch das Gekrächze von Nachtvögeln unheimlich einmengt.

Der Spiegelbrunnen in München

Das Eck, welches die Theatinerstraße in das Schrannengäßchen der k. Polizeidirektion gegenüber bildet, hieß in alten Zeiten das Spiegelbrunneneck und kömmt unter diesem Namen schon in einer Urkunde vom Jahre 1543 vor. Noch vor etwa fünfzig Jahren war an diesem Hauseck ein Gemälde angebracht, welches ein hahnartiges Tier, wie man den fabelhaften Basilisken zu malen pflegt, vorstellte. Vor diesem Hause stand damals an derselben Stelle, wo noch jetzt der Schöpfbrunnen steht, ein Zieh- oder Kettenbrunnen. Hierüber geht folgende Sage:

In diesem Brunnen hauste vor uralten Zeiten ein Basilisk. Der Basilisk ist aber ein greuliches Tier, denn seinen Blick kann kein lebendiges Wesen ertragen; wer ihn sieht muß sterben, und auch er selbst, wenn er seiner ansichtig wird. Das war nun ein großer Jammer in München, denn jeder, der in die Tiefe des Brunnens hinabschaute, wurde von dem Blick des Basilisken sogleich getötet, und viele waren auf diese Weise schon umgekommen. Da wurde endlich ein großer Spiegel herbeigebracht und über dem Brunnen aufgestellt, und als gleich darauf der Basilisk aufwärts schaute und in dem Spiegel sein eigenes Bild erblickte, war er sogleich tot. So wurde die Stadt von diesem Unheil errettet, und der Brunnen hieß seitdem der Spiegelbrunnen.

Beschwörung der Bergmännlein

Zu Nürnberg ist einer gewesen, mit Namen Paul Creuz, der eine wunderbare Beschwörung gebraucht hat. In einen gewissen Plan hat er ein neues Tischlein gesetzt, ein weißes Tuch darauf gedeckt, zwei Milchschüßlein drauf gesetzt, ferner: zwei Honigschüßlein, zwei Tellerchen und neun Messerchen. Weiter hat er eine schwarze Henne genommen und sie über einer Kohlpfanne zerrissen, so daß das Blut in das Essen hineingetropft ist. Hernach hat er davon ein Stück gegen Morgen, das andere gegen Abend geworfen und seine Beschwörung begonnen. Wie dies geschehen, ist er hinter einen grünen Baum gelaufen und hat gesehen, daß zwei Bergmännlein sich aus der Erde hervor gefunden, zu Tisch gesetzt, und bei dem kostbaren Rauchwerke, das auch vorhanden gewesen, gleichsam gegessen. Nun hat er ihnen Fragen vorgelegt, worauf sie geantwortet; ja, wenn er das oft getan, sind die kleinen Geschöpfe so vertraut geworden, daß sie auch zu ihm ins Haus zu Gast gekommen. Hat er nicht recht aufgewartet, so sind sie entweder nicht erschienen oder doch bald wieder verschwunden. Er hat auch endlich ihren König zu Wege gebracht, der dann allein gekommen in einem roten scharlachen Mäntlein, darunter er ein Buch gehabt, das er auf den Tisch geworfen und seinem Banner erlaubt hat, so viel und so lange er wollte drinnen zu lesen. Davon hat sich der Mensch große Weisheit und Geheimnisse eingebildet.

Das Bodloser Loch

In der Sauerwiesen bei dem Dorfe Östheim, welches an der Straße von Feuchtwang nach Rothenburg liegt, ist eine sumpfige Vertiefung, welche den Namen: das Bodloserloch führt. Der Erzähler, ein Greis von achtzig Jahren, sagte: »Das Bodloserloch ist eine Meerader, weil das Wasser darin nie versiegt. In demselben waren vor Zeiten die Wasserfräulein, aus welchem sie oft herauskamen und wieder in das Wasser verschwanden. Sie gingen auch in die Häuser, wenn die Leute auf dem Felde waren, kochten den Kindern Brei und pflegten sie. In Oberöstheim ist ein Platz, die Tanzwiese genannt; dahin kamen die Wasserfräulein oft und vergnügten sich am Tanze. Einst verspätete sich eines dieser Fräulein; es eilte zurück nach dem Bodloserloch und sagte ihrem Begleiter: »Siehst du einen Wasserstrahl emporsteigen, so werde ich nicht gestraft, wenn aber ein Blutquell kommt, so habe ich meine Strafe erlitten.« Bald aber stieg ein Blutstrahl aus dem Bodloserloch.

Der bayerische Hiasl

Der bayerische Hiasl, seiner Zeit berüchtigter Spitzbube, geboren in Kissing bei Friedberg, soll sich eine Zeitlang im Jexhof, einer Einöde mitten im Schöngeiseninger Forste, aufgehalten haben. Obwohl er den Jägern sagen ließ, sie sollten herauskommen, wenn sie den bayerischen Hiasl sehen wollten, so wagte es doch keiner derselben, und der Räuber blieb unangefochten. Bei dem Jexhof befand sich eine Höhle im Walde, genannt Kuchelschlag, welche früher Räubern zum Aufenthalt diente, in der auch der bayerische Hiasl mit seinen Leuten auf eine Zeit Quartier nahm. Der gefürchtete Räuber begab sich hierher, und wählte sich unter den Wildschweinen, welche ein eigener Wildhüter füttern mußte, die schönsten aus, die er dann in der Höhle mit seinen Leuten verzehrte, ohne daß der Wildhüter dagegen Einsprache tun konnte. Von hier aus überfielen die Räuber zu gewissen Zeiten die Bauernhöfe der Nachbarschaft. Als sie endlich, von den Gerichten verfolgt, abziehen mußten, hinterließen sie viele Schätze, welche sie in der Eile nicht mitnehmen konnten. Die hat nun der Teufel als herrenloses Gut in Verwahrung genommen. Schatzgräber haben umsonst versucht, diese Schätze zu heben. Sie sollen immer tiefer versinken.

Der Happes-Kippel

Unfern von Kassel bei Orb erhebt sich ein einzeln stehender kegelförmiger Berg, welcher der Happes-Kippel genannt wird.

Auf diesem Berge stand vor vielen, vielen Jahren eine stattliche Burg. Hohe, dicke Mauern umschlossen geräumige Wohngebäude, Ställe und Vorratshäuser und ein mächtiger Turm schaute stolz herab in das Tal und ließ jeden Feind in weiter Ferne erschauen. Drinnen hauste ein gewaltiges Geschlecht, edel dem Stamme nach, aber nicht nach seinem Tun. Mord, Raub und Entführung waren das tägliche Geschäft; das Flehen mißhandelter Weiber, die Drohungen gekränkter Männer rührten die Burgherrn gleich wenig; gegen das eine schützte sie ihr steinern Herz, gegen die andern ihre Felsenmauern.

An dem Fuße des Burgberges hatte sich eine Witwe mit ihren beiden Kindern angesiedelt. Wie die Taube im alten Gemäuer am Meeresstrande friedlich neben dem Turmfalken nistet, so lebte die Witwe ungestört neben dem Horste der adeligen Räuber. Sie hatte freilich nichts, was ihre Habgier reizen konnte: ein paar Ziegen waren ihr ganzer Reichtum.

Einst an einem heißen Junitage übte sich das zehnjährige Söhnlein des Burgherrn vor dem Tore der väterlichen Burg im Armbrustschieß ‚ en. Die beiden Ziegen der Witwe hatten sich in den kühlen Gebüschen, welche an dem Berge wuchsen, ihre Nahrung gesucht, waren immer höher geklettert, und kamen endlich in die Nähe des jungen Schützen. Der war schon lange des Schießens nach einer bloßen Scheibe überdrüßig; in den beiden Ziegen fand er seiner Meinung nach ein weit würdigeres Ziel für seine Kunst – und zwei Bolzen streckten die Ziegen nieder.

Es war Abend geworden, und die Witwe ging, ihre Ziegen heimzuholen. Sie pflegten sich sonst nie weit von der Hütte zu entfernen, aber die Witwe fand sie dieses Mal nicht an den gewohnten Stellen; sie stieg höher und höher und kam endlich an die Stätte, wo der Knabe seinem Vater jubelnd die Opfer seiner gelungenen Schüsse zeigte. Weinend warf sich die Witwe auf ihre eben verbluteten Lieblinge, die Gespielinnen, die Ernährerinnen ihrer Kinder. »O Barmherziger im Himmel«, rief sie verzweifelnd, »wie hast Du zulassen können, daß ein ruchloser Bube in seinem Übermute eine bedrängte Mutter ihrer letzten Stütze beraubt?! Nun kann ich meine armen Kinder nicht mehr ernähren, und es bleibt ihnen nichts übrig, als Hungers zu sterben!« »Hoho«, sprach der Junge, »wozu das Geschrei, das Jammern? Was ist’s für ein Unglück, wenn auch deine Rangen verhungern sollten? Ist’s doch nur Bauernpack – und wie man nicht weiß, von wannen es gekommen, so kümmert’s auch niemanden, wenn es vergangen.« »Meinst du?« rief das Weib, das in seinem Elende aller Furcht vor dem strengen Burgherrn vergaß: »Meinst du, frecher Bube? In deinen Augen und in denen deines Vaters, der für deine Schandtat nur ein beifälliges Hohnlächeln hat, mag der Bauer nichts gelten, aber der Rächer alles Unrechtes wird euch einst sagen, daß der fleißige Bauer mehr wert ist als der räuberische Junker. Ich bin ein schwaches Weib, das mit euch nicht abzurechnen vermag; aber der, dessen Donnerstimme eben spricht, wird meinen Worten Kraft verleihen. Verflucht seist du, übermütiger Bube, und dein ganzes Geschlecht, verflucht sei das Haus, das dich geboren, verflucht sei dein Name und deines Namens Gedächtnis! «

Und eben begann sich das Gewitter zu entladen, das schon früher heraufgezogen war. Ein Blitzstrahl zerriß nach dem andern das Gewölk, und die Donnerschläge erschütterten die Erde, daß sie in ihren Grundfesten bebte. Der Ritter und sein Söhnlein, wie die Witwe eilten hinweg, jene mit Rachegedanken in die stolze Burg, diese trostlos in die arme Hütte. Bis tief in die Nacht tobte ein greuliches Unwetter – am andern Morgen war die Burg nur ein Steinhaufen; das Feuer des Himmels hatte sie verzehrt und mit ihr alle Bewohner. Wie sie sich nannten, ist unbekannt; der Name der Burg ist verschollen; nur einige Mauertrümmer geben Kunde, daß Ritter und Burg gewesen. – Wo die Ziegen der Witwe gemordet wurden, wächst heute noch kein Gras und bleibt kein Schnee liegen; für die Kinder wird Der gesorgt haben, der die jungen Raben speist und die Lilien des Feldes kleidet.

Der kalte Schlag der Schmiede

In Waldkirchen in Niederbayern und in der dortigen Gegend ist es Brauch, daß der letzte der Schmiede, Meister oder Gesell, welcher am Feierabend die Werkstätte verläßt, mit dem Hammer einen kalten Schlag auf den Amboß macht. Das geschieht, damit Luzifer seine Kette nicht abfeilen kann; denn er feilt immer daran, so daß sie immer dünner wird. Am Tage nach Jakobi ist sie so dünn wie ein Zwirnsfaden; aber an diesem Tage wird sie auf einmal wieder ganz. Würden die Schmiede nur einmal vergessen, den kalten Schlag auf den Amboß zu machen, so könnte Luzifer seine Kette ganz abfeilen.

Dreisesselberg

Dreisesselberg heißt der hohe Berg im Bayerischen Wald, an der Böhmischen Grenze. Er erhebt sich 3798 Pariser Fuß über die Meeresfläche. Drei Schwestern hatten auf demselben ihr Schloß und einen ungeheuren Schatz, welchen sie teilen wollten. jede kam mit ihrem Bottig (Bodinga). Eine der drei Schwestern war blind. Sie stellten nun die Bottige auf, aber den Bottig der Blinden mit dem Gupf nach oben. Nun füllten sie die Bottige mit der Wurfschaufel, wobei aber auf die Blinde nur so viel Geld traf, als auf dem umgekehrten Bottig Raum hatte. Diese klopfte aber mit dem Finger an die Wand des Bottigs, und als dieser einen hohlen Klang gab und sie den Betrug merkte, sprach sie: »Alles soll versinken!« So geschah es. Zu heiligen Zeiten steigen sie aus der Tiefe und jede sitzt auf ihrem Sessel.

In den See an dem Dreisesselberg sind viele Geister verschafft, die als wilde Tiere darin hausen. Scheiterhauer hörten die Stimme »alles is do, alles is do! nur der stuzet Stier geht o«. Steine in den See geworfen erregen Sturm und Regen; ein goldner Ring beschwichtiget ihn.

Auf den Dreisesselberg ist im Jahr 1848 vom k. Forstamte ein bequemer Weg gebahnt worden. – Es wird erzählt, daß zur Zeit, als die Fürsten ihre Zusammenkunft auf dem Dreisesselsteine hielten, in den Burgen zu Wolfstein, Hauzenberg und Riedl drei wunderholde Fräulein lebten. Um diese warben drei junge Edelleute aus dem Gefolge der Fürsten, ein Bayer, ein Österreicher und ein Böhme. Aber die Fräulein waren eben so hoffärtig als liebreizend, und ihr Sinn stand nach gräflichen oder wohl gar fürstlichen Freiern, weshalb ihnen die schlichten Ritter nicht gelegen kamen. Um diese abzuschrecken, setzten sie den Preis ihrer Schönheit über die Maßen hoch hinauf und stellten den Jünglingen schier unerfüllbare Bedingnisse. Gleichwohl nahmen die Ritter die harten Satzungen an, denn die Liebe deucht keine Aufgabe zu schwer. Sie empfingen nun aus der Hand der Fräulein jeder ein goldenes Fingerreiflein. Damit sollten sie sich, wenn sie ihre Abenteuer glücklich durchgekämpft, von heute an übers Jahr, am Abende vor dem Dreikönigsfeste, gemeinsam auf dem Dreisesselstein einfinden. In der Mitternachtsstunde würden sodann auf den Warten der drei Burgen Freudenfeuer auflodern, zum Zeichen, daß man der Bräutigame in Jubel harre. Die Ritter zogen nun in den Gauen herum, bestanden manchen heißen Strauß, kämpften mit Riesen und Drachen, und nachdem sie alles, was ihnen geboten war, pünktlich vollführt, arbeiteten sie sich an dem bestimmten Tage mühsam durch den tiefen Schnee zum Dreisesselberge hinan, um auf dem Gipfel desselben die versprochenen Zeichen abzuwarten. Eine Ewigkeit schien ihnen die Zeit bis zur Mitternacht; diese kam und verrann – aber nirgends brannten die ersehnten Feuer. Die Ritter vermerkten jetzt – zu spät – daß sie geäfft seien, und voll Unmutes zogen sie die Ringe von den Fingern und warfen sie, jeder nach einer andern Himmelsgegend, in die mit Schnee bedeckten Abgründe. Darauf zogen sie von dannen auf Nimmerwiederkommen. Die stolzen Dirnen aber führte kein Freier zum Altare. Sie welkten dahin in den freudenleeren Mauern ihrer Schlösser und sanken ins Grab, ohne auch dort Ruhe zu finden. Denn alljährlich in der Dreikönigsnacht sieht man sie die Kuppe des Dreisesselberges umirren, vergeblich die klafterhohe Schneedecke nach ihren Ringen durchwühlend.

Der Teufelsgrund

Zwischen Steinbach im Kahlgrunde und der Oberschur zieht ein kleiner Grund gegen die Kahl, der fast ringsum von Wald umgeben ist und wild genug aussieht. Er heißt jetzt der Teufelsgrund und die Mühle darinnen die Teufelsmühle.

Vor langen Jahren, ehe die Teufelsmühle gebaut war, standen in dem Teufelsgrunde einige kleine Hütten. Die Leute sagten: sie seien von Zigeunerinnen bewohnt, aber niemand sah diese Zigeunerinnen; in die Hütte selbst mochte aber auch niemand gehen.

Es kam ein neuer Jäger aus dem hohen Spessart in den Kahlgrund. Der hörte auch von den Zigeunerinnen erzählen und meinte, wer sich im hohen Spessart vor dem wilden Jäger nicht gefürchtet habe, brauche auch kein Zigeunerweibchen zu scheuen, zudem die Zigeunerinnen, wenn auch ziemlich schwarz, doch meist lieblichen Antlitzes seien. Er dachte ihnen deshalb seinen Besuch zu und betrat, sobald ihn der Weg vorüber führte, eine der Hütten – sie war leer, so auch die zweite, dritte und vierte. Der Waidmann war nun überzeugt, daß die Erzählung von den Zigeunerweibchen nur eine Erfindung müßiger Leute sei und dachte nicht mehr daran.

Einige Zeit danach befand sich der Jäger in einem Walde unfern des Teufelsgrundes, als ein fürchterliches Wetter hereinbrach. Der Wind heulte, daß man sein eigenes Wort nicht hörte, der Regen fiel in Strömen vom Himmel, und es ward so finster, daß man jeden Augenblick in Gefahr war, an einen Baum zu laufen. Der Jäger erinnerte sich der leeren Hütten und nahm seine Zuflucht in eine, um das Unwetter abzuwarten. Gegen draußen war es in dem Hüttchen ganz behaglich; der Jäger machte sich ein Lager zurecht und schlief bald ein.

Um Mitternacht erwachte er von einem Geräusche um sich her; als er die Augen aufschlug, glaubte er zu träumen: das ganze Hüttchen war mit einer unzählbaren Menge Weiblein angefüllt, aber das waren keine rundwangigen, schwarzäugigen Zigeunermädchen, sondern erdfahle kleine Ungeheuer mit unförmlichen Köpfen und Affengesichtern. Eben hatten auch sie den Jäger wahrgenommen und nun fielen sie ihn wütend an. Sie kneipten, bissen und zerkratzten den Mann, der sich der Menge nicht erwehren konnte, dergestalt, daß kein heiler Fleck an seinem Leibe blieb und trieben dieses Unwesen, bis der erste Hahnenschrei erscholl; dann waren sie verschwunden.

Der Jäger dankte Gott, daß er mit dem Leben davongekommen, hat aber die Hütten in der Folge nie mehr betreten und lieber einen Umweg gemacht, als daß er auch nur an ihnen vorbei ging.

Der Geißfuß

Vor vielen Jahren hörte einmal ein Fischer von Langenprozelten auf der anderen Seite des Maines »Fährer hol! « rufen. Es war schon Nacht und ein abscheuliches Wetter; ein dichtes Schneegestöber ließ kaum drei Schritte weit sehen und der Sturm heulte, daß man fast sein eigenes Wort nicht hörte. Dennoch klang das »Fährer hol!« deutlich und laut herüber. Den Fischer dauerte die arme Seele, die bei solchem Unwetter auf die Überfahrt harrte, er entschloß sich, den Rufer abzuholen. Er war noch nicht ganz am linken Ufer, da sprang ein kräftiger, großer Mann in einem dunkeln Mantel hinein, und der Nachen sank augenblicklich so tief ins Wasser, daß der Rand kaum fingersbreit war. Der Fischer ruderte aus Leibeskräften, um den unheimlichen Gast bald ans Land zu bringen, und der sprang auch, sobald er in die Nähe des rechten Ufers gelangte, hinaus, und eilte ohne Lohn und Dank davon. Der Fischer war nur froh, daß der unheimliche Mann fort war, und verzichtete gern auf den Fahrlohn; den andern Morgen betrachtete er sich die Stelle wo der Mann an das Ufer gesprungen, und fand im harten Gestein eine große Geißklaue tief eingedrückt. – Die Geißklaue ist unterhalb Langenprozelten noch zu sehen.

Der Schlorgger in Kaufbeuren

Zur Zeit, als um die St. Martins-Pfarrkirche in Kaufbeuren noch ein Friedhof war, spukte auf demselben nächtlich zu gewissen Zeiten ein Geist, der in Schlappschuhen daher huschte, und den man deshalb den »Schlorgger« nannte. Er ging gewöhnlich um die Kirche herum, während das Innere derselben hell erleuchtet war und man schönen Gesang aus derselben vernahm. Viele fürchteten den Schlorgger sehr und wären um keinen Preis des Nachts auf den Friedhof zu bringen gewesen. Als dann später der Platz für den Friedhof zu klein geworden war, hat man diesen vor die Stadt hinaus verlegt und seitdem ist auch der Schlorgger verschwunden.

Das Obernauer Kapellchen

Zu Obernau lebte ein Mann, den Gott reichlich mit Gütern gesegnet hatte. Er genoß aber seinen Reichtum nicht mit dankbarem Herzen gegen den Geber, sondern trachtete nur darnach, immer mehr Geld aufzuhäufen; er schlief kaum, um nur früh und spät bei der Arbeit zu sein.

An Mariä Geburt hatte er sich vorgenommen, des folgenden Tages Ohmet zu mähen. Um gewiß nicht zu spät zu kommen, stand er lange vor Tags auf und begab sich hinaus auf seine Wiese, die an den Wald stieß. Unter einer Eiche dängelte er im hellen Mondscheine seine Sense. Es war noch nicht Mitternacht vorbei, und es wurde der Feiertag durch seine Habsucht entweiht.

Als er noch bei dem unheiligen Werke war, kam ein Nachbar vorüber, mit dem er in langer Feindschaft lebte. Der Nachbar hatte bis spät in die Nacht in einem nahen Dorfe gezecht, und der Kopf war ihm warm. Da war der Streit schnell entbrannt; sie warfen sich rauhe Worte und Schimpfreden zu, von Worten kam es zu Tätlichkeiten, und der Nachbar erschlug den reichen Mann mit seiner eigenen Sense.

Zur Sühne der doppelten Untat stifteten die Verwandten des Erschlagenen ein Muttergottesbild, welches an dem Eichbaum, dem Zeugen des Mordes, aufgestellt wurde. Keiner ging vorüber, der nicht ein Vaterunser für die Seele des Erschlagenen betete. Als der Jahrestag der Tat herannahte, hörten die Frommen in der Nähe des Bildes von unsichtbaren Händen dängeln und dieses wiederholte sich jedes Jahr acht Tage vor und acht Tage nach Mariä Geburt. Es wurde nun ein Kapellchen unter der Eiche erbaut und das Muttergottes-Bild dort aufgestellt. Das ist das Obernauer Kapellchen an dem Wege von Obernau nach Geilbach – und dort hört man das wundersame Dängeln noch jedes Jahr acht Tage vor und acht Tage nach Mariä Geburt.

Doktor Bach

Zwischen den Hindelangern und den Wertachern ist einmal ein Streit entstanden wegen einer Alpe, welche zwischen den Triften beider Gemeinden inmitten lag. Endlich, nach vielem Hin- und Herzanken, ist der Handel dem Doktor Bach, welcher Dechant in Wertach war, übertragen worden, daß er ihn mit seinem Worte schlichte. Es waren aber die Mitglieder beider Gemeinden auf den Tag wieder nach der streitigen Alpe beschieden worden, um den Ausspruch des Doktors Bach zu vernehmen. Dieser sagte nun und schwor vor den versammelten Gemeindern: so wahr ein Schöpfer über mir ist, so wahr stehe ich auf meinem Grund und Boden. Also mußten die Hindelanger von ihrem Begehren abstehen, und es ward den Wertachern die Alpe als Eigentum zugesprochen. Es hatte aber Doktor Bach, der ein Schalk war, einen Löffel, oder Schöpfer unter seinem Hut verborgen, als er jenes Wort sprach; und zu Hause hatte er aus seinem Garten Erde in die Schuhe getan, so daß er wohl sagen konnte: so wahr ein Schöpfer über mir ist, so wahr stehe ich auf meinem Grund und Boden. Gott aber strafte ihn nach seinem Tode wegen dieses hinterlistigen und gottlosen Benehmens; denn er muß noch immer auf seinem Schimmel, den er im Leben geritten, auf jener Alpe umherreiten und wird oft gesehen von Leuten, die spät des Weges gehen; und, wer ihm nahe kommt und ihm traut, den betrügt er noch jetzt nach dem Tode mit seiner Arglist und führt ihn irre.

Der Teufel im Sack

In Gräfendorf war eine Frau als Hexe verschrien, und die Leute sagten ihr nach, sie stehe mit bösen Mächten und Geistern im Bunde. Zur gleichen Zeit gab es im Wiesengrund einen Bauernhof, auf dem sich geheimnisvolle Dinge abspielten. jeden Morgen, wenn der Bauer die Arbeit beginnen wollte und in den Stall kam, waren die Schwänze sämtlicher Pferde zu Zöpfen geflochten. Man glaubte, daß Geister, Teufel und Hexen in der Nacht kämen und die Schwänze zu Zöpfen binden würden.

Um hinter das Geheimnis zu kommen, legte sich der Bauer eines Nachts auf die Lauer. Tatsächlich erschien zu mitternächtlicher Stunde eine abscheuliche Teufelsgestalt, die die Pferdeschwänze zusammenflocht und dann wieder verschwand. Der Bauer wollte den Unhold fangen, er wußte aber, daß dies nur mit einer List gelingen könnte. Er überlegte sich folgendes: »Wenn ich Türen und Fenster im Stall fest verschließe und alle Ritzen zustopfe, bleibt nur noch das Schlüsselloch, durch das der Teufel entkommen kann. Wenn ich dann einen Sack vor das Loch halte, schlüpft er hinein und ich habe ihn.«

Am nächsten Morgen machte er sich mit seinem Knecht ans Werk; sie verstopften alle Fugen, Ritzen und Löcher, nur ein Schlüsselloch blieb frei. Am Abend warteten sie auf Mitternacht, und als die Turmuhr zwölfmal schlug, kam das Ungeheuer wie ehedem in den Stall und machte sich ans Werk. Als die Stunde der Geister zu Ende ging, fand der Teufel keinen anderen Weg nach draußen als durch das Schlüsselloch; und schon war er im Sack gefangen. Der Bauer und der Knecht verschnürten den Sack gut, schlugen dann mit Knüppeln, Prügeln und Stangen nach Kräften auf das Bündel so lange ein, bis der Geprellte jämmerlich schrie und um sein Leben bettelte. Als sie ihm genug Prügel verabreicht hatten, ließen sie ihn aus dem Sack schlüpfen und jagten ihn davon. – Am nächsten Tag hatte die Frau, von der man sagte, sie sei eine Hexe, einen verbundenen Kopf. Zudem hinkte sie und war mit blauen Flecken übersät. Die Pferde und der Bauer aber hatten von diesem Tag an ihre Ruhe.

Das Taubenbrünnlein zu Feuchtwangen

Die Volkssage erzählt die Entstehung des Klosters Feuchtwangen also. An den Abhängen des Sulzbachtales, in dichten Fichtenwäldern, soll Kaiser Karl der Große einstmals Jagd gehalten haben. Vom Fieber überfallen habe er sich matt und müde auf einen Fichtenstock gesetzt. Durstig zum Sterben konnte er kein Wasser bekommen, wie sehr es sich seine Jagdgenossen und die ausgesendeten Boten angelegen sein ließen. Sieh da! Sei eine Wildtaube aus dem Gesträuch aufgeflogen. Sie suchten den Ort auf und fanden da reines frisches Quellwasser im Busche aus verborgenem Gestein herausfließen. Dem müden kranken Kaiser war geholfen: er trank nach Herzenslust und wurde heil und munter. Zum Danke habe er eine Kirche und ein Kloster da zu bauen gelobt. So entstand im feuchten Gelände der Sulzach Feuchtwangen. Noch immer hat das Taubenbrünnlein am Fuße des Klosterberges klares Wasser und nach der Volksmeinung liegt auch der Fichtenstock, auf dem der Kaiser saß, vom Alter versteinert, unter dem Hochaltar der Stiftskirche zu Feuchtwangen. Eine neuere Steinplatte bei dem Brunnen enthält diese Sage in wenigen Zeilen eingemeißelt.

Der Engländer und sein Diener

Zu einem reichen Engländer, welcher immer an den heftigsten Zahnschmerzen zu leiden hatte, sprach einst ein altes Weib: »Wenn du von deinen Schmerzen befreit sein willst, so verschaffe dir von Luthers Bett, welches sich auf der Veste Coburg befindet, einen Span und stochere damit in deine Zähne!«

Kaum hatte der Engländer diesen Rat des Weibes vernommen, so gab er seinem treusten Diener Paddy den Befehl, sofort nach Coburg zu reisen und einen Span von Luthers Bett zur Beseitigung seiner Schmerzen zu holen. Nach langer, mühseliger Reise gelangte Paddy auch an einem heißen Sommertage in Coburg an. Da er großen Durst verspürte, so kehrte er in dem Ratskeller ein, wo er dem schäumenden Zollhofsbier so wacker zusprach, daß sich sein Körper vor lauter Wonne und Wohlbehagen über diesen Zaubertrank in nichts auflöste. Als nun in mitternächtlicher Stunde der Geist Paddys ohne Span vor seinem Herrn erschien, so fuhr dieser aus der Haut. Zur Strafe für diese Freveltaten wurden beide vom Schicksal nach der Coburger Veste verbannt, wo sie sich von Zeit zu Zeit zur Mitternacht als Gespenster bis auf den heutigen Tag sehen lassen.

Die Wetterhexe

An einem schwülen Sommertage kam ein Gewitter gezogen; trotz allen Läutens mit sämtlichen Glocken und immerwährenden Betens blieb das Gewitter über Neuern auf einem Platze stehen, und es blitzte und donnerte fürchterlich. Dazumal hatten die Neuerner einen recht frommen Pfarrer; der ging mit der Monstranz hinaus und gab den Segen zum Gewitter hinauf; es war alles vergebens; er nahm dann eine gläserne hochgeweihte Kugel, lud sie in sein Gewehr und schoß sie ins Gewitter. Da ließ sich eine weibliche Gestalt sanft zur Erde nieder. Er nahm sie mit sich in die Pfarrei und verhörte sie. Das Weib gab ihm zur Antwort, es habe schon öfter mit Gewittern hier durchziehen wollen und jedesmal habe sie heftiges Hundegebell daran verhindert. Das Hundegebell war aber der Glockenschall. Der Pfarrer übergab sie als Hexe dem Gerichte. Sie wurde zum Feuertode verurteilt. Als der Scheiterhaufen fertig war und sie bereits darauf stand, erbat sie sich als Gnade noch einen Knäuel Zwirn; als das Holz unter ihr zu brennen anfing, wickelte sie das Ende des Zwirnsfadens um einen Finger der linken Hand und mit der rechten Hand warf sie den Knäuel mit einem Schrei in die Höhe und fuhr blitzschnell dem Knäuel nach in die Luft und das Holz verbrannte umsonst. Der Teufel hatte sie am Faden fortgezogen.

Der Engelsberg

Eine starke halbe Stunde unterhalb Miltenberg, aber auf dem rechten Mainufer, liegt ein steiler Vorsprung des Spessarts, der Engelsberg – auf ihm eine Kapelle mit einem Klösterlein, zu welchem man von Großheubach auf 670 Staffeln gelangt. Die Kapelle ist im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts zu Ehren des hl. Erzengels Michael und aller andern Engel erbaut worden. Die Erbauer hatten nicht die Absicht, die Kapelle da zu errichten, wo sie jetzt steht, sondern an einer anderen Stelle des Berges und es waren hier bereits Steine und Bauholz aufgefahren, allein in der Nacht trugen die Engel Holz und Steine auf den jetzigen Bauplatz. Und wenn die Engel ein irdisches Haus haben wollten, konnte es nirgends schöner stehen als da, wo es sich jetzt befindet. Rings um den Berg liegt eine Landschaft, wie der Garten Gottes, und der trunkene Blick weiß nicht, soll er auf der entzückenden Nähe haften oder soll er in die herrliche Ferne schweifen. Darum senken sich auch himmlische Lichter auf den Bau herab, Engels-Harmonien umtönen den Berg und sichtbar wandeln die Engel in der Kapelle.

Auf der Stelle, wo der Bau zuerst hatte errichtet werden sollen, eine halbe Stunde hinter der Michels-Kapelle, wurde später die Mariahilf-Kapelle gebaut. 145 Treppen führen von dem Fuße des Bergs zu dieser Kapelle und 116 von da auf den Engelsberg.

In der Michels-Kapelle steht ein gnadenreiches Muttergottesbild, die hl. Maria zu den Engeln, der von den zahlreichen Wallfahrern aus der Nähe und Ferne eine besondere Verehrung gewidmet wird.

Früher stand bei der Michels-Kapelle nur ein kleines Haus, die Wohnung des Kirchendieners. Im Jahre 1629 erhielten die Kapuziner die Erlaubnis, sich auf dem Engelsberge anzusiedeln und diese errichteten in den darauffolgenden Jahren das kleine Kloster, das seit des Jahres 1829 von den Franziskanern bewohnt wird.

Der Spuk in der Universitätsbibliothek zu Würzburg

In dem Gewölbe der Manuskriptensammlung der Universität spukt von Zeit zu Zeit nachts ein graues Männchen, welches einen Pack Pergamentmanuskripte unterm Arme trägt. Dies soll der Geist eines Bibliotheksdieners sein, welcher einst den Schweden die versteckten wertvollen Manuskripte verraten hat. Diese Manuskripte wurden sämtlich von Gustav Adolph nach Schweden geschickt.

Die Kirche des heiligen Leonhard in Kaufring

Das schöne Kirchlein, dem heiligen Leonhard geweiht, soll auf folgende Weise entstanden sein.

Eines Tages – es war in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts – schwamm auf den Wogen des reißenden Lechstromes ein hölzernes Bild des heiligen Leonhard herab. Der Fluß warf dieses Bild einige hundert Schritte oberhalb des Dorfes ans Land. Der Mann, welcher es fand, machte in einer alten Eiche, die neben einer klaren Quelle stand, eine Höhlung und stellte das Bild hinein. Als nach einiger Zeit der Mann sein Bild wieder besuchen wollte, war es verschwunden und wurde auf einer Wiese wiedergefunden, die etwas oberhalb der Quelle lag. Man brachte nun das Bild des heiligen Leonhard abermals in die hohle Eiche. Am andern Tage aber lag es an demselben Platze auf der Wiese. Dieses wiederholte sich öfters und führte das Volk zum Glauben, daß der heilige Leonhard hier sein Bild geehrt wissen wollte. Deshalb baute die Gemeinde Kaufring eine Kirche, und stellte das Bild des heiligen Leonhard in derselben auf. Gegenwärtig befindet sich das Bild oberhalb dem Eingange der Kirche, auf dem Choraltar steht ein schöner gearbeitetes. Dieses Kirchlein erwarb sich bald großen Reichtum so wie nämlich das Vertrauen der Gläubigen wuchs und der Besuch der Andächtigen sich vermehrte, die in frommem Glauben auch stets Hilfe in Viehseuchen gefunden haben. Man erzählt auch, daß zuweilen zur Nachtszeit die Kirche ganz erleuchtet gesehen worden, ohne daß man sich erklären konnte, was Ursache dieser Beleuchtung gewesen sein möge. Der vor einigen Jahren verstorbene Förster Rauch soll selbst einmal in der Kirche zur Nachtszeit Musik gehört haben.

Hexen erkennen

Da muß man sich ein Stühlerl machen von neunerlei Holz: vier Beine, vier Keile und das Brett. In der Christmette muß man sich auf so ein Stühlerl knien. Zwei Kötztinger Burschen haben es probiert und sahen, daß die schönsten Bürgerstöchter des Marktes bei der Wandlung das Gesicht abwendeten. Danach haben die beiden Burschen mit ihren Stühlern dreimal um die Kirche laufen müssen, und die Kötztinger Kirche ist groß! Wie sie endlich zum Torbogen der Burg hinauswollten, haben sie die Hexen schon gehabt und so zerrauft und zerkratzt, daß ihnen das Blut heruntergelaufen ist. Mit Müh und Not konnten sie sich in ein Haus retten, sonst hätten die sie ›aufgearbeitet‹.

Das hohe Kreuz von Hessenthal

Oberhalb der Kapelle zu Hessenthal stand ein kleines Haus. Darin wohnte eine betagte Frau, die Witwe war und kinderlos. Sie hatte ihr gutes Auskommen, gab sich aber nie zufrieden und trachtete nur, immer mehr zu erwerben. Sie gönnte weder sich, noch einem andern etwas, gab keinem Armen ein Almosen und schaffte vom Morgen bis zum Abend, an Werk- und Feiertagen, nur um des leidigen Geldes willen. Denn das war ihr Gott, um den im Himmel kümmerte sie sich wenig, und kam nur höchst selten in die Kirche, die doch nur drei Schritte von ihrer Wohnung lag. Schon oft hatte sie der kleinen Gemeinde durch ihr Schaffen während des Gottesdienstes Ärgernis gegeben, schon oft war sie gemahnt worden, wenigstens die Andacht anderer nicht zu stören, aber vergebens.

Am Samstag vor Pfingsten tief in der Nacht war sie mit dem Flachsspinnen fertiggeworden. Sie war am darauf folgenden Tage noch so müde, daß sie ausruhen mußte, allein am Pfingstmontag schürte sie den Kessel und begann, ihr Garn zu kochen. Eine Nachbarsfrau ging vorüber zur Kirche und sah durch die offene Haustüre das Feuer unter dem Kessel und das Sieden des Garnes. Sie rief der Frau zu: »Ei, Nachbarin, wißt Ihr denn nicht, daß heute Pfingstmontag ist und schämt Ihr Euch denn nicht vor den Leuten? Gleich wird die Wallfahrt zum Herrnbilde abgehen: was werden die Leute dazu sagen, wenn Ihr da steht und Garn kocht, statt daß Ihr andächtig, wie andre, sein solltet?« »Was kümmert mich«, sprach die Frau, »Euer Pfingstmontag und Eure Wallfahrt! Wallfahrten mag gehen, wer nichts Besseres zu tun weiß; ich sage: Pfingstmontag hin, Pfingstmontag her, heute muß mein Garn gekocht sein.«

Als die Prozession von dem Herrnbilde zurückkam, war das Häuschen der Frau mit allem, was es enthielt, in die Erde versunken; nur ein tiefer Schlund war sichtbar und in der Tiefe hörte man das Strudeln des kochenden Wassers.

Lange Zeit war die Öffnung unbedeckt; später ward eine Mauer darüber errichtet und drei steinerne Kruzifixe mit den Bildsäulen der heiligen Mutter Gottes und des heiligen Johannes darauf gestellt. In der Mauer blieb eine viereckige Nische, die keine Öffnung nach innen hat; man hört aber daraus immer noch das Kochen des Wassers, am deutlichsten am Pfingstmontag.

Herrin der Fische

Einst ließen die Fischer den Zauberweiher zu Brückelsdorf ab, um die Fische herauszuholen, da kam ein fremdes Weib mit gelben Wangen und roten Augen, trat, ohne Gruß, in den Schlamm, und nahm den größten Fisch heraus. Der Fischer rief zornig: »Laß du Hex meine Fische, und hole dir vom Teufel aus der Hölle, wenn du deren nötig hast! « Bei dieser Rede schwoll das Weib durch Zorn wie eine Kröte, und sprach im Hinweggehen, mit ihren roten Augen nach den Fischen schielend: »Das ist euer letzter Fang, von nun an gehört der Weiher mein; keinen Fisch werdet ihr je wieder herausnehmen.« Seitdem ruht der Fluch auf dem Zauberweiher; denn man sieht wohl Fische schwimmen, wie aber das Wasser zum Fischen abgelassen wird, ist’s auf dem Grund ganz leer.

Der Seher im Frankental

Bei Frankental, einem Klosterhof des berühmten Stifts Langheim zwischen Lichtenfels und Bamberg, hütete im Jahr 1445 ein junger Schäfer des Namens Hermann seine Herde und wollte sie von der Berghöhe heimwärts treiben, als die Abendglocke von dem Kloster Banz auf gegenüberliegendem Berge in das schöne Maintal niederklang. Da hörte er seitwärts ein Rufen, die Stimme eines weinenden Kindes, und sah ein Knäblein einsam auf dem Acker sitzen; er ging auf dasselbe zu, da fand er ein Kind von strahlender Schönheit, das ihn wunderlieblich anlächelte und gleich darauf vor seinen Augen verschwand. Er ging von der Stelle hinweg, sah sich aber noch einmal um, und siehe – da saß wieder das Kind, noch viel herrlicher anzuschauen, und zwei Kerzen brannten neben ihm. Noch einmal eilte Hermann auf die liebliche Erscheinung zu, und abermals verschwand sie. Beunruhigt in seinem Gemüte trieb der Schäferknabe die Herde heim und sprach zu seinen Eltern von dem Gesicht, allein diese glaubten ihm nicht und geboten ihm zu schweigen; er vertraute aber, was er gesehen hatte, einem frommen Priester an, und der sagte ihm, was er tun solle, falls er noch einmal einer solchen Erscheinung gewürdigt werde. Solches geschah auch, doch erst im folgenden Jahre auf demselben Platze, nur noch viel überirdischer. Das Kindlein, von himmlischer Glorie umstrahlt, hatte ein rotes Kreuz auf der Brust und war umgeben von noch vierzehn andern himmlischen Kindlein, alle rot und weiß (das sind des alten Frankenlandes Farben) gekleidet. Jetzt fragte Hermann: Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes: Wer seid ihr, und was wünschet ihr? – Da antwortete das himmlische Kind: Ich bin Jesus Christus, und diese sind die vierzehn heiligen Nothelfer. Wir wollen hier wohnen und ruhen und euch dienen, so ihr uns dienet! – Darauf schwebte das Jesuskind, und die vierzehn mit ihm, zum Himmel empor. Und am nächsten Sonntag sah der Seher vom Frankental um dieselbe Stunde zwei brennende Kerzen vom Himmel sich auf jene Stelle niedersenken; und eine des Weges daherkommende Frau sah dies Wunder ebenfalls und sah auch, wie die Kerzen wieder himmelan schwebten. Da ging nun Hermann der Schäfer zum Abte von Langheim und verkündete ihm und den Vätern des Klosters die wiederholten Erscheinungen; und es wurde eine Kapelle auf jener Berghöhe gegründet, die bald als besonderer Gnadenort weit und breit in Ruf kam; Wunder geschahen dort, Wallfahrer strömten aus Nähe und Ferne herbei und beteten zu den vierzehn heiligen Nothelfern, auch wurde die Kapelle mit reichem Ablaß begnadet; eine Brüderschaft nannte sich nach den Nothelfern, ein Graf von Henneberg gründete ihnen einen Ritterorden; Kaiser Friedrich III. wallfahrtete dorthin, ein Gelübde zu erfüllen, auch Albrecht Dürer war im Jahre 1519 dort. Und durch gute und schlimme Zeiten hindurch behielt die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen ihren großen, dauernden Ruf und Ruhm; immer schöner und herrlicher wurde sie gebaut, eine Propstei ward neben ihr errichtet. Mitten im Kreuz, das Langhaus und Querschiff bilden, erhebt sich ein dreifacher Altar mit unten offenem Raume über der Stelle, wo der Seher vom Frankental die Erscheinung sah. An dieser Stelle zu beten, zu büßen, zu geloben, wallen alljährlich viele Tausende dem hoch und schön gelegenen Tempel zu. Die Namen der vierzehn heiligen Nothelfer sind: Georgius, Blasius, Erasmus, Pantaleon, Vitus, Christophorus, Dionysius, Cyriakus, Achatius, Eustachius, Aegidius, Margaretha, Barbara und Katharina. Unvergänglich lebt das Andenken an den frommen Schäfer Hermann, den Seher im Frankental.

Das Brandtüchlein von Pflochsbach

Im Pfarrhaus von Pflochsbach wurde noch in den dreißiger Jahren in einem Schaukästchen ein Linnentüchlein gezeigt, in das deutlich sichtbar die Konturen einer Hand eingebrannt waren. Bei einem Besuch erzählte mir damals der Ortsgeistliche zu dem kostbar gehüteten Überlieferungsstück eine Geschichte:

Eine fromme Gräfin, sie stammte wohl von der Burg Rothenfels, war unglücklich über ihren Gemahl, weil dieser auf Abwege geraten und in Sünde gefallen war. Sie betete unablässig für seine Umkehr und gelobte dafür auch eine Wallfahrt nach Rom. Der Graf aber änderte seinen bösen Lebenswandel nicht, und als er nach Jahren in der Fremde starb, wußte die Gräfin nicht, ob er nicht doch zuletzt seine Sünden bereut habe und er doch noch mit Aussicht auf den Himmel ins Jenseits gekommen sei. Deshalb ließ sie in ihrem Gebet nicht nach und fühlte sich auch weiter an ihr Gelübde gebunden.

Da aber die Edelfrau durch den langen Kummer kränklich geworden war, bat sie den befreundeten Abt von Neustadt am Main, für sie die Wallfahrt nach Rom zu unternehmen und dort in der Peterskirche für das Seelenheil ihres Gemahls eine Messe zu lesen. Der Klosterherr war bereit, diese Bitte zu erfüllen, und sagte zur Gräfin, Gott werde ihr sicher ein Zeichen geben, wenn die Seele ihres Mannes gerettet sei. Die fromme Frau wollte in Gedanken die Wallfahrt mitmachen und in dieser Zeit sich besonders dem Gebet und Fasten widmen. Sie vereinbarte mit dem Abt, daß sie zur gleichen Zeit, zu der er in Rom die Messe lese, ein Amt in der Klosterkirche feiern lasse.

Während des vereinbarten Gottesdienstes kniete die Edelfrau in inbrünstigem Gebet an der untersten Altarstufe und hielt ein Linnentüchlein in der Hand, mit dem sie sich zuweilen eine Träne von der Wange wischte. Als nun das Silberglöcklein zur Wandlung ertönte, spürte sie plötzlich einen feurigen Händedruck, und wie sie das Tüchlein anschaute, sah sie darauf die Konturen einer Hand bräunlich eingebrannt. Nach etwa einem Monat kehrte der Abt aus Rom zurück, und als er von dem wunderbaren Ereignis erfuhr, erklärte er der Gräfin mit Freuden, der Graf habe ihr zum Dank für ihr unablässiges Gebet und als Zeichen für seine gerade erfolgte Rettung während der heiligen Wandlung die Hand gereicht.

Die Gräfin aber zog sich für den Rest ihres Lebens in die Einsamkeit zurück, erbaute in Pflochsbach ein Kirchlein, und so ist das Tüchlein dorthin gekommen.

Der Bürgermeisters-Fuchs

In Schweinheim war einmal ein Bürgermeister, der hatte rote Haare, wie der, den man Ischarioth nennt, und war auch nicht viel besser. Den Herrn hatte er zwar nicht verraten, aber desto mehr die Gemeinde, und mancher Taler, der in den Gemeindesäckel hätte kommen sollen, hatte den Weg in seinen eigenen gefunden. Die Leute, wenn sie von dem Bürgermeister sprachen, sagten nur: »der Fuchs«, und sie nannten ihn so nicht bloß der roten Haare wegen. Endlich starb er. Nach ihm kam ein anderer Bürgermeister, aber wie das Sprichwort sagt: es kommt selten was Besseres nach, und der neue Bürgermeister war noch schlimmer, als der alte. Eines Tages, es war schon tief in der Nacht, saß der neue Bürgermeister mit dem Schulzen auf dem Rathaus und pflog mit ihm Rats, wie sie der Gemeinde ein X für ein U machen könnten. Da springt mit einem Male die Stubentür weit auf, und herein tritt ein großer Fuchs mit einem langen Schwanz. Er schaut den Bürgermeister und den Schulzen, denen der Angstschweiß ausbricht, eine Weile starr an, dann spricht er mit einer Stimme nicht wie ein Fuchs, sondern wie ein Bär: »Zur Strafe meiner Diebereien muß ich jetzt, wie ihr mich seht, herumwandern. Wenn ihr so fortfahrt, so geht’s euch auch so, Bessert euch – bessert euch!« Und fort war er.

Der Bürgermeister und der Schulz ließen sichs nicht umsonst gesagt sein, und gingen etwas in sich, aber der große Fuchs soll sich doch von Zeit zu Zeit wieder haben sehen lassen. – Weil nun dieser Fuchs ein Leben ohne Ende hat, so pflegt der Jäger, wenn bei einem Treibjagen ein Fuchs die Schützenlinie hinaufläuft und überall hübsch gefehlt wird, zu sagen: »Das muß der Bürgermeisters-Fuchs sein! «

Der geschundene Wolf

Herzog Otto von Bayern vertrieb des Papstes Legaten Albrecht, daß er flüchten mußte und kam nach Passau. Da zog Otto vor die Stadt, nahm sie ein, und ließ ihn da jämmerlich erwürgen. Etliche sagen: man habe ihn schinden lassen, darum führen noch die von Passau einen geschundenen Wolf. Auch zeigt man einen Stein, der Blutstein geheißen, darauf soll Albrecht geschunden und zu Stücken gehauen sein. Es sei ihm, wie es wolle: er hat den Lohn dafür empfangen, daß er so viel Unglück in der Christenheit angestiftet.

Die Zwoatelsfrau

In Ruppertshütten gibt es auch heute noch die Waldabteilung »Zweitel«, die nach der Mundart »Zwoatel« genannt wird. Vor Jahren kam regelmäßig um sechs Uhr zum Abendläuten eine alte Frau mit einem Huckelkorb, einer sogenannten Kratze, aus der Waldabteilung Zweitel heraus. Sie schaute sich nach den Kindern um, ob sie zur Abenddämmerung auch nach Hause gehen würden. Sie hat nach der Überlieferung sogar einige streunende Kinder im nahegelegenen Wald freundlich an der Hand genommen und nach Hause zu ihren Eltern gebracht. Nachdem sie ihre Aufgabe erledigt hatte, entschwand sie jedoch den Blicken der Ruppertshüttener Bürger. Auch heute noch ermahnen die Eltern von Ruppertshütten ihre Kinder, pünktlich zum Abendläuten zu Hause zu sein, weil sonst die »Zwoatelsfrau« sie heimbringen würde.

Maussee

Zwischen Inning und Seefeld liegt der Wörthsee, auch »Maussee« genannt; letzteren Namen hört die Herrschaft sehr ungerne. War einst ein Graf von Seefeld, der in großer Hungersnot die armen Leute in einem Stadel zusammensperrte, daß sie jämmerlich schrien, da frug er lachend, ob man die Mäuse pfeifen höre; darauf kam deren eine Unzahl zum Vorschein, die ihn überall hin verfolgten; zuletzt flüchtete er sich auf die Insel im Wörthsee, wo sie ihm zu Tausenden nachfolgten und ihn, obwohl er das Bett in eisernen Ketten aufhängen ließ, auffraßen.

Zauberzeddel

Ein Student, Christian Elsenreiter genannt, versuchte zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts in der Stadt Passau in einem Gäßchen, rückwärts dem Rathause, wo er sich aufhielt, durch Verfertigung von Zauberzetteln, die gegen alle Verwundungen schützen sollten, Ansehen und Reichtümer zu erlangen. Es waren auf den Zetteln diese Worte zu lesen: Teufel hilf mir; Leib und Seel‘ geb ich Dir. Wer sich vor jeder Kugel, Lanze und Schwert sicher stellen wollte, verschluckte einen solchen Zettel, und seine Existenz war auf Lebenszeit geschirmt. Starb er aber in den ersten 24 Stunden nach der Verschluckung, so gehörte seine Seele dem bösen Feinde an. Die Vorurteile des Zeitalters kamen dem Erfinder günstig zuguten; in kurzer Zeit war diese Kunst unter dem Namen »Passauer-Kunst« und die Benennung »Passauer-Zeddel« allgemein bekannt. Im dreißigjährigen Kriege, und besonders im oberösterreichischen Bauernkriege unter Kaiser Ferdinands Il. Regierung, bedienten sich sehr viele Soldaten und Bauern dieses Mittels, und selbst der in der Geschichte bekannte Stephan Fädinger soll fest an die Unverletzbarkeit seines Körpers geglaubt haben.

Der Beilstein

Einige Stunden von Orb liegt das Dorf Lettgenbrunn und zwischen diesem und dem Dorfe Villbach eine steile Bergkuppe von Basalt, der Beilstein genannt. Auf diesem Berge stand früher eine Burg. Wer sie gebaut, weiß man nicht, sie muß aber stattlich gewesen sein, denn es hatten mehrere Herren Anteil an derselben, namentlich auch die Erzbischöfe von Mainz. In der Mitte des 14. Jahrhunderts war der Mainzer Anteil am »Haus Bylstein« an Dietzen von Tungede (Thüngen), Friedrich Forstmeister und andre verpfändet. Wann und von wem die Burg Beilstein zerstört wurde, ist ebenso unbekannt, als wann sie gebaut worden. Seit vielen Jahren bezeichnen nur kaum erkennbare Mauertrümmer ihre Stätte. Man hat sie nach Schätzen durchwühlt und zwar Waffenstücke, Pfeilspitzen und ähnliche Gegenstände gefunden, aber kein Gold, kein Silber. Die Reichtümer, die man in den Ruinen zu finden glaubte, liegen tiefer, im Innern des Berges, wohin keine menschliche Macht zu dringen vermag, und werden hier von den Erdgeistern bewacht, die sie aufgehäuft haben.

Einst am frühen Morgen ging ein junger Mann von Lettgenbrunn nach Villbach. Als er an den Beilstein kam, sah er eine wunderschöne Blume. Er brach sie ab und ging seines Weges. Bald kam er an ein hohes gewölbtes Tor, das in das Innere des Beilsteins führte. Unter dem offenen Torbogen standen drei Jungfrauen von überirdischer Schönheit in strahlenden Gewändern, die dem jungen Manne freundlich winkten. Obwohl überrascht von der wunderbaren Erscheinung, fühlte sich der Jüngling doch unwiderstehlich fortgezogen Er trat durch das Tor in eine weite hohe Halle und folgte den Jungfrauen durch eine lange Reihe geräumiger Gemächer, die durch ein unbekanntes Licht prächtig beleuchtet waren. Da glänzte und glitzerte es überall, daß dem Jünglinge fast die Sinne vergingen. In dem einen Gemache lagen große Haufen gediegenen Silbers, in dem andern Haufen Goldes, in dem dritten gar Haufen von Edelgesteinen in allen Farben des Regenbogens. Die Gemächer schienen gar kein Ende zu nehmen. Anfangs hatte in der Seele des Jünglings nur die Bewunderung der nie gesehenen Schätze Raum, bald trat aber die Habsucht an ihre Stelle; er warf die Blume weg und begann, alle Taschen mit den gefundenen Schätzen zu füllen. Die Wahl ward ihm schwer; wenn er sich das Schönste ausgelesen zu haben glaubte, fand er immer noch ein Stück, das ihm schöner zu sein dünkte, und das er nun auch mitnehmen mußte. Endlich glaubte er eine richtige Auswahl getroffen zu haben; schwer bepackt eilte er dem Ausgange zu. Die Jungfrauen hatten dem Jüngling bisher in tiefem Schweigen und mit betrübten Mienen zugeschaut; er hatte sie gar nicht mehr beachtet. Nun sprach die eine: »Vergiß das Beste nicht! « Er kümmerte sich aber nicht darum und eilte weiter. Da rollte ein langer schwerer Donner durch die Hallen, daß die Erde in ihren Grundfesten erbebte; die Decke und die Wände wankten und drohten den Einsturz. Der Jüngling war noch weit von dem Ausgang; immer näher aber kam die Gefahr, verschüttet oder erdrückt zu werden, denn die Wände rückten auch gegen einander. In der Angst seines Herzens warf er ein Stück seines Schatzes nach dem andern von sich und eben hatte er das letzte hinweggeworfen, als mit einem neuen Donnerschlag das Gewölbe sich schloß. Der Jüngling war gerade auf dem Sprung ins Freie, so daß der Fels nur noch seine Ferse packte, die er ihm auch abschlug. Als er sich umschaute, sah das Gestein des Berges aus, wie gewöhnlich, und es war keine Spur eines Einganges zu finden, die Sonne aber war im Untergehen. – Der Jüngling blieb lahm sein Leben lang.

Seit dieser Zeit hat niemand mehr die Wunderblume und den Eingang in den Berg gefunden.

Die Jungfrau im Oselberg

Zwischen Dinkelsbühl und Hahnkamm stand auf dem Oselberg vor alten Zeiten ein Schloß, wo eine einige Jungfrau lebte, die ihrem Vater als Wittiber Haus hielt und den Schlüssel zu allen Gemächern in ihrer Gewalt gehabt. Endlich ist sie mit den Mauern verfallen und umgekommen, und das Geschrei kam aus, daß ihr Geist um das Gemäuer schwebe und nachts an den vier Quatembern in Gestalt einer Fräulein, die ein Schlüsselbund an der Seite trägt, erscheine. Dagegen sagen alte Bauern dieser Orte aus, von ihren Vätern gehört zu haben, diese Jungfer sei eines alten Heiden Tochter gewesen und in eine abscheuliche Schlange verwünscht worden; auch werde sie in Weise einer Schlange, mit Frauenhaupt und Brust, ein Gebund Schlüssel am Hals, zu jener Zeit gesehen.

Der Jungfernturm und die eiserne Jungfrau

An jenem Reste der ehemaligen Stadtmauer, welcher sich vom St. Salvatorplatze – dem sogenannten griechischen Markte – bis Zur Häuserreihe des Maximilians- oder Dultplatzes hinzieht, ist eine Gedenktafel angebracht mit der Inschrift:

Hier stand der
Jungfernthurm,
erbaut im Jahre
1493
Abgebrochen
im Jahre
1804.

Auf diesem Jungfernturm haftet eine schauerlich-romantische Volkssage. Nach dieser soll in demselben eine eiserne Statue der heiligen Jungfrau gewesen sein, welche das Schlachtopfer, dessen Tod beschlossen war, habe küssen müssen, während dem der Boden unter seinen Füßen sich öffnete und der Unglückliche in die Tiefe des Verließes versank. Nach einer anderen Erzählung öffnete sich unter dem Verurteilten eine Falltüre, und derselbe sank in der Tiefe in die Arme der eisernen Jungfrau, die ihn mit denselben umschloß und an ihre mit Dolchen gespickte Brust drückte, während zugleich die mit Schwertern bewaffneten Arme ihn zerfleischten und der Unglückliche hierdurch des qualvollsten Todes starb. Namentlich knüpft die heutige Volkssage dieses geheimnisvolle Walten der eisernen Jungfrau an die Zeit des Kurfürsten Karl Theodor, durch dessen geheimen Ausschuß, an dessen Spitze der berüchtigte geheime Rat Lippert stand, allerdings ohne gerichtliches Urteil Landesverweisungen ausgesprochen, Todesurteile gefällt und ohne Geräusch heimlich vollzogen wurden. Personen, welche durch revolutionäre Grundsätze dem Staate gefährlich schienen, sollen dieser Sage nach plötzlich verhaftet, durch den gespenstigen »Einspänniger« in die Residenz abgeführt, dort im gefürchteten gelben Zimmer von dem geheimen Ausschusse abgehört und verurteilt, und sodann in dem Jungfrauenturm durch die Arme der eisernen Jungfrau ermordet worden sein. Die Münchener Sage benennt sogar mit Bestimmtheit den Hauptmann des churbayerischen Leibregimentes Franz von Unertl, welcher am Abende des 6. Januar 1796 aus einem Gasthause dahier mit dem Einspänniger abgeholt, und am 7. Januar morgens 3 Uhr durch die eiserne Jungfrau hingerichtet worden sein soll.

Otto Seemoser, der Torwart zu Freising

Rechts beim Eingang in den Freisinger Dom befindet sich der Grabstein des bischöflichen Torwarts Otto Seemoser, auf dem er lebensgroß mit einem Laib Brot abgebildet ist. Dieser alte Diener war ein Wohltäter der Armen. Nur spendete er oft reichlicher, als sein Herr, der Bischof Gerold, es wünschte. Einmal begegnete ihm Gerold, als er eben drei Brote, die er unter dem Kleide barg, den Armen zutragen wollte.

Der Bischof fragte, was er da trüge. »Steine!« entgegnete der betroffene Torwart. Und siehe! Die Brote waren in Steine verwandelt, als er sie vorzeigen mußte. Danach aber, als die Gefahr vorüber war, wurden sie wieder zu Broten.

Der Pflug im Straubinger Wappen

In alter Zeit wollte die Donau nicht an die Stadt heran. Weit hinter deren Rücken floß sie breit zwischen Wundermühle und Hornstorf hinab. Aber die Straubinger brauchten den Strom notwendig. Da fertigten sie einen mächtigen Pflug, spannten, ich weiß nicht wie viel der stärksten Pferde daran und rissen ein neues Strombett auf. Das wand sich südwärts ganz nahe zur Stadt heran. Sie pflügten es aus und leiteten mit Kunst und Bedacht das wallende Wasser hinein. Das folgte ihnen gehorsam und hieß fortan die neue Donau. Bei der alten wurde ein Steindamm, die Bschlacht, gebaut, damit es dem neuen Strom nicht wieder einfiel abzukehren. Nur ein kleiner Arm fließt noch an alter Stelle, daß die Hornstorfer und die von der Wundermühle auch noch eine Donau haben. Den Pflug aber erhielten die Straubinger ins Wappen, und sie haben ihn allzeit in Ehren gehalten.

Von dem Böckler

Ein Dillinger, der aus Italien kommend wieder nach Deutschland reiste, fiel, als das Schiff auf welchem er sich befand, nur kurze Zeit den Hafen verlassen hatte, mit allen seinen Reisegefährten in die Hände mohammedanischer Seeräuber, die ihn auf dem Sklavenmarkte in Algier verkauften, an einen grausamen Herrn. Der Unglückliche wurde zur härtesten Arbeit angehalten, an schwere Ketten geschmiedet und mußte mit einem Trupp Leidensgefährten selbst bei brennender Sonnenhitze nur mit einigen Lumpen bedeckt, das Land bebauen. Es vergingen Jahre des Elends und endlich gab er jede Hoffnung auf, jemals wieder in sein geliebtes Vaterland zu kommen. Da fügte es sich, daß in Geschäften, in welchen hat die Sage nicht erwähnt, ein vornehmer Herr, der sich entweder lange in Dillingen aufgehalten oder vielleicht hier geboren war, nach Algier und zu dem Herrn des Sklaven kam. Durch Gottes Fügung kam er mit letzteren zusammen und erstaunte nicht wenig, als ihm dieser Deutschland, Dillingen als seine Heimat bezeichnete. »Um der teuern Stadt willen«, sprach der vornehme Herr, »wollte ich dich gerne loskaufen: doch gib mir einen Beweis, daß du wirklich ein Dillinger bist! Sag an, was hat die Uhr am mittlern Torturm für ein Zeichen?« – »Sonne, Mond und Sterne sind an ihr angebracht«, entgegnete hastig der Sklave, und erzählte dem fremden Herrn eine Menge Umstände, welche die Wahrheit seiner Heimatsangabe bekundeten. Um eine große Summe Geldes kaufte ihn nun der Herr vom Sklavenstande los und stattete ihn mit den Mitteln zur Heimreise aus. Er kam auch glücklich in seiner Vaterstadt Dillingen an, machte sich ansässig und wurde bald ein angesehener begüterter Mann. Zur Erinnerung an seine überstandenen Leiden und seine unverhoffte Erlösung ließ er unterhalb der Uhr am mittlern Tor zwei Böcke anbringen, die mit dem Uhrwerke in Verbindung stehen, zugleich auch als Anspielung auf seinen Namen, denn er soll »Böckler« geheißen haben.

Von sonderbaren Wahrzeichen der Stadt Ingolstadt

Für ein Wahrzeichen kann mancherlei gelten oder gehalten werden; es ist aber gewiß, daß es nicht leicht eine Stadt oder einen Markt gibt, so nicht irgend ein Wahrzeichen oder dergleichen mehrere hätte. Auch Ingolstadt hat solche und dies Kapitel soll davon handeln.

Vom Pfarrer, der klopft, geht eine gar schauerliche Kunde und doch wieder trostreich für die Stadt. Wenn du in die Pfarrkirche ad Stum Mauritium dich begibst und deine Schritte zum Hochaltare lenkest, so siehest du, ehe die Staffeln anheben, einen rötlichen Stein am Boden liegen, darauf ein Kreuz von Messing und ein detto Täfelein mit der Inschrift: Anno 146o obiit Conradus Ulmer, plebanus hujus ecclesiae, zu deutsch: Im Jahre 1460 starb Konrad Ulmer, Pfarrer dieses Gotteshauses. – Selbiger Ulmer, so von 1442 bis 1460 Pfarrherr in der untern Stadt gewesen, war ein gar frommer und heiligmäßiger Mann. Er ist aus Schwaben gebürtig gewesen, nicht unwahrscheinlich aus dem Städtchen Gmünd in Württemberg. Sein Bruder, Petrus Ulmer, aus dem Orden des hl. Augustin, ist insgemein frater de Gamundia d. h. Bruder von Gmünd genennet worden. War der Durchlauchtigen Herzogen in Bayern Hofprediger, der Gottesgelehrtheit Doktor, unter dem Bischof Johann III. von Freising dessen Weihbischof und Bischof von Mitrokomia in part. inf. Er weihte in der Augustinerkirche zu München acht Altäre am 1. Oktober 1449 und ward auf dem Kapitel zu Landau im Jahre 1430 zum Obern der rheinischen und schwäbischen Ordensprovinz erwählet. Ist zu Gmünd selig im Herrn entschlafen und in der Kirche seines Ordens begraben worden. Unser Konradus Ulmer ist wahrscheinlich durch die Fürbitte seines bischöflichen Bruders auf die gute St. Moritz Pfarrei gekommen, so er durch den lichtscheinenden Glanz seiner Tugenden nicht wenig ehrte. Als er Pfarrer zu sein anhob, ist eine gar traurige Zeit im Bayerlande gewesen, sintemalen der alte Herr Ludwig im Barte von seinem unnatürlichen Sohne Ludwig dem Höcker im Schlosse zu Neuburg belagert, gefangen und letztlich auf des Markgrafen Albrecht Schloß nach Onolzbach gebracht wurde. Schon zwei Jahre darauf mußte Konrad Ulmer die Leiche Ludwig des Höckers, den der Tod nicht ohne gerechtes Zulassen Gottes so schnell ereilte, zu Grabe in die Pfarrkirche zur U. L. Sch. Frau begleiten. Im August des Jahres 1447 hielt er in seinem Gotteshause eine feierliche Leichenbesingnis für Herzog Ludwig im Barte, so als 81jähriger Greis aus Herzeleid im Schlosse zu Burghausen verblichen war. – Im Jahre 1430 wurde am 4. Mai in der Sakristei der Frauenkirche eine Kiste, so mit dem Siegel des Grafen von Oettingen verschlossen gewesen, eröffnet und darin überaus kostbare Reliquien gefunden, welche obgenannter Graf wahrscheinlichst aus dem heiligen Lande gebracht und diesem Gotteshause vermacht hatte. Zeugen sind die Prälaten von Thierhaupten, Donauwörth und Würzburg gewesen, item Bartline von der Leiter zu Bern. Selbige Heiltümer nun wurden im Jahre 1444 in Gegenwart beider Stadtpfarrer, nämlich unsers Konrad Ulmer und des Gabriel Klosen wieder in die Truhe zurückgetan und sorgfältig verschlossen. Ulmer hielt dann noch den feierlichen Gottesdienst für den zu Landshut abgeleibten Herzog Heinrich im Jahre 1450, huldigte mit allen seinen Amtsbrüdern dem neuen Herzog Ludwig dem Reichen, hat die Judenvertreibung, so gedachter Herzog wegen ihres Wuchers aus Ingolstadt und vierzig andern Städten des Landes befohlen hatte, mitangesehen, erlebte noch, daß im Jahre 1453 Ingolstadt der Titel einer Hauptstadt verliehen worden ist, nicht minder den Entschluß des Herzogs, allhier eine Universität zu errichten und die päpstliche Bulle vom Jahr 1459 mit der Erlaubnis hierzu. Die Errichtung selbst hat er aber nicht mehr erlebt, sintemalen er bereits im Jahre 1460 selig im Herrn entschlafen ist, den Ruf eines eifrigen Seelenhirten und heiligmäßigen Mannes bis auf diese Stunde zurücklassend. Er verehrte mit absonderlichem Vertrauen die allerseligste Jungfrau Maria und betete eifrig den hl. Rosenkranz. Wohl ist es wenig, was wir von dem frommen Priester wissen und aufgezeichnet finden, doch verspüret die Stadt jetzt noch nach Jahrhunderten den Segen seines heiligen Wirkens und die Kraft seiner mächtigen Fürbitte. Es geht nämlich die Sage und selbige ist durch vielfache Erfahrung bestätigt, daß um der Verdienste jenes heiligen Mannes willen in Ingolstadt nie mehr als ein Haus abbrenne. Auch soll derselbige durch Klopfen in seiner Gruft die baldige Entstehung eines Brandes anzeigen und darauf aufmerksam machen. Es gibt viele, so dieses Klopfen schon gehört haben wollen. Wie dem auch sei, dies ist gewiß, daß seit unfürdenklichen Zeiten selbiger Pfarrer, der klopft, für ein rechtes Wahrzeichen Ingolstadts gehalten worden ist.

Item haben wir ein solches an dem großen rötlichen Stein, so vor dem Hause des Herrn Lebzelters Berthold liegt. Ist früher an der Gottesacker Mauer, so vor Zeiten um die obere Pfarre gegangen, der Konviktkaserne gegenüber, gelegen. Mag vielleicht ein vom Baue der Frauenkirche übriggebliebener Stein gewesen sein, auf welchem den Arbeitern der verdiente Lohn ausbezahlt wurde, aus Ursach dessen selbiger Stein in seiner Mitte eine geringe Höhlung gehabt hat. Gerade das aber hat die Sage, so über diesen Stein geht, benützt, vorgebend, der »Gott sei bei uns« habe selbigen Stein zum Trutz des Baumeisters Konrad Gläzl über die Kirche geworfen und sei leibhaftig darauf gesessen. Gewiß ist, daß sich beim Wegbringen selbigen Steines an seine jetzige Stelle nur mit Mühe jemand gefunden hat, Hand anzulegen und einen Wagen zu dem Zwecke herzugeben, ein Beweis, wie tief obige Sage im Volke bereits eingewurzelt gewesen.

Die treulose Störchin

Cranz, ein Kanzler Herzog Thaßilos lll. schreibt gar ein seltsames Wunder von Störchen, zur Zeit Herzog Haunbrechts. Der Ehebruch sei derselbigen Zeit gemein gewesen, und Gott habe dessen harte Strafe an unvernünftigen Tieren zeigen wollen.

Oberhalb Abach in Unterbayern, nicht weit von der Donau, stand ein Dorf, das man jetzund Teygen nennet. In dem Dorf nisteten ein Paar Störche und hatten Eier zusammen. Während die Störchin brütete und der Storch um Futter ausflog, kam ein fremder Storch, buhlte um die Störchin und überkam sie zuletzt. Nach verbrachtem Ehebruch flog die Störchin überfeld zu einem Brunnen, taufte und wusch sich, und kehrte wieder ins Nest zurück, der Maßen, daß der alte Storch bei seiner Rückkunft nichts von der Untreue empfand. Das trieb nun die Störchin mit dem Ehebrecher fort, einen Tag wie den andern, bis sie die Jungen ausgebrütet hatte. Ein Bauer aber auf dem Felde nahm es wahr und verwunderte sich, was doch die Störchin alle Tage zum Brunnen flöge und badete; vermachte also den Brunnen mit Reisig und Steinen, und sah von ferne zu, was geschehen würde. Als nun die Störchin wiederkam und nicht zum Brunnen konnte, tat sie kläglich, mußte doch zuletzt ins Nest zurückfliegen. Da aber der Storch ihr Mann heimkam, merkte er die Treulosigkeit, fiel die Störchin an, die sich heftig wehrte; endlich flog der Storch davon und kam nimmer wieder, die Störchin mußte die Jungen allein nähren. Nachher um St. Laurenztag, da die Störche fortzuziehen pflegen, kam der alte Storch zurück, brachte unsäglich viel andre Störche mit, die fielen zusammen über die Störchin, erstachen und zerfleckten sie in kleine Flecken. Davon ist das gemeine Sprichwort aufkommen: »Du kannst es nicht schmecken! «

Der Lindwurm in Volkach zu Unterfranken

An der westlichen Seite der an dem Maine liegenden Stadt Volkach ist noch ein Teil der alten Befestigung, nämlich die Ringmauer, Türme, Wall und Gräben, erhalten. Dabei steht eine steinerne Martyrsäule, auf der einen Seite Christus am Kreuze mit Knienden: Ritter, Frau und Kinder, dann auf der anderen Seite St. Georg darstellend, wie er den Drachen tötet. Der Ritter St. Georg ist Schutzpatron der Stadt.

In diesem Graben, weiß die Sage, war sonst ein See, in welchem sich ein Lingwurm (nach der Aussprache des Volkes) aufhielt, der Menschen und Tiere vergiftete. Da aber der See abgelassen, und der Graben ausgetrocknet wurde, so konnte sich das Tier nicht mehr aufhalten, und seit dieser Zeit ist Ruhe. Alle Jahre, am Samstagabend nach Fronleichnam, geht wegen dieses Ereignisses eine große Wallfahrt nach Burgwindheim.

Der Einsturz des Tölzer Schlosses

Auf dem Schlosse zu Tölz hauste ein gottloser Pfleger, der nichts von Gott und den Heiligen wissen wollte und über alles spottete. Einmal am Margarethen-Tage wollten seine Ehhalten (Dienstboten) zur Kirche gehen – er war damals noch ein Feiertag – er aber schickte sie zur Arbeit ins Heu. Eine fromme Dirn mahnte ihn dringend, doch an diesem Tage um günstiges Wetter zum Heiligen bitten zu lassen; da fuhr er sie höhnend an: »Was kümmere ich mich um diese Heubrunzerin!« In derselben Nacht ging ein furchtbarer Wolkenbruch unter Donner und Blitz hernieder, der Ellbach schwoll gewaltig an, riß alles mit sich fort und unterspülte den Berg, das Schloß stürzte plötzlich ein und erschlug seine Bewohner.

Stiftung des Klosters Wettenhausen

Zwischen Ulm und Augsburg, am Flüßchen Camlach, liegt das Augustinerkloster Wettenhausen. Es wurde im Jahr 982 von zwei Brüdern, Conrad und Wernher, Grafen von Rochenstain, oder vielmehr von deren Mutter Gertrud gestiftet. Diese verlangte und erhielt von ihren Söhnen so viel Lands zur Erbauung einer heiligen Stätte, als sie innerhalb eines Tages umpflügen könnte. Dann schaffte sie einen ganz kleinen Pflug, barg ihn in ihrem Busen, und umritt dergestalt das Gebiet, welches noch heutiges Tages dem Kloster unterworfen ist.

Der wilde Jäger

In den Waldschluchten des Spessarts, auf seinen Felsenhöhen haust der wilde Jäger. Der fromme Köhler, der seinen Meiler hütet, der harmlose Wanderer, der seinem ehrlichen Erwerbe nachgeht, die schuldlosen Kindlein, die Beeren suchen, sehen ihn nicht; aber er stellt sich überall ein, wo die Sünde ihm die Pforte öffnet, und wehe dem, der Böses sinnend ihm in den Weg kommt, wenn er in wilder Jagd mit höllischem Halloh über die Baumwipfel hinbraust! – Besonders an St. Petri Stuhlfeier (22. Februar) treibt er sein Unwesen; da ist kein Holzdieb sicher, daß er nicht mit gebrochenen Armen oder Beinen heimkommt: darum haben an diesem Tage der Wald und der Förster ihre gute Ruhe.

So gefährlich es aber auch ist, dem wilden Jäger zu begegnen: es gibt doch FrevIer, die ihn und seine Hilfe sogar aufsuchen. Wer Freikugeln gießen will, der muß ihn dabei haben, denn nur sein Segen gibt den Kugeln die Gabe, niemals zu fehlen. Freilich tut er’s nicht umsonst, aber wer nur der Gegenwart lebt, denkt nicht an die Zukunft.

Zu Orb gab es im Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts einen Mann, der einen gottlosen Lebenswandel führte. Als Knabe war er hinter die Schule geschlichen, als Jüngling und Mann ging er der Arbeit aus dem Wege, aber desto fleißiger ins Wirtshaus. Er war nicht reich; das kleine ererbte Gut war bald durch die Gurgel gejagt und borgen mochte ihm niemand: er war nun gezwungen, auf irgendeinen Erwerb zu denken. Als Kriegsknecht hätte er ihn wohl finden mögen, denn der greuliche dreißigjährige Krieg verwüstete Deutschland schon seit Jahren und das Kriegsvolk führte eben auch kein erbaulicheres Leben, als er selber, aber der Kriegsdienst war ihm zu beschwerlich und gefährlich. Orb ist rings von großen Forsten eingeschlossen, die damals überreich an Wild waren; mit einiger Vorsicht konnte man schon einen Edelhirsch oder einen Rehbock gefahrlos erlangen – und der Mann ward ein Wildschütz.

Wenn man so in der Dämmerung auf ungebahnten Pfaden durch den Wald schleicht, lassen sich mancherlei Bekanntschaften machen. Der Mann mußte sie auch gemacht haben, denn bald verschoß er nur Freikugeln.

Nun lebte er mehrere Jahre in Saus und Braus. Ein einziger Schuß aus sicherer Ferne gab ihm täglich die Mittel, seinen Gelüsten zu frönen – und er tat das reichlich und kümmerte sich nichts darum, was nachkommen werde; ein Fluch war sein bestes Vaterunser.

Da kam das Jahr 1634 und mit ihm alles Unheil über Orb. Die Schweden überfielen die Stadt, plünderten sie und erschlugen, wer sich widersetzte. Die armen Einwohner litten an allem den bittersten Mangel – und im darauf folgenden Jahre wurden sie auch von der Pest heimgesucht. Diese wütete dergestalt, daß die Stadt bis auf 10 Familien und den Pfarreiverweser (der alte Pfarrer war kurz zuvor heimgegangen) ausstarb; die Leichen mehrten sich, daß sie nicht mehr in dem Friedhofe begraben werden konnten und haufenweise auf dem Marktplatze lagen; man beerdigte sie außerhalb der Stadt in einem Felde, das heute noch den Namen »Pestacker« führt: fast Tausend fanden hier ihr unbekanntes Grab.

Auch der Wildschütz wurde von der Pest befallen. Seine Verwandten sprachen ihm zu, sich den Pfarreiverweser rufen zu lassen und die Schrecken des herannahenden Todes bewogen ihn, in ihr Begehren zu willigen; als aber der Geistliche kam, fand er den Wildschützen in seiner Kammer erhenkt. Ob er es selbst in der Verzweiflung getan, ob der andere geholfen: wer kann es sagen?

Die letzten Bürger von Orb, die täglich morgens vor dem unteren Stadttore zusammenkamen und täglich weniger waren, trugen die Leiche des Wildschützen auf den Pestacker. Aber unterwegs schlugen auf einmal Flammen aus der Totenlade, daß die Träger voll Schrecken die Leiche fallen ließen. Sie fanden später den Sarg gänzlich verbrannt und den Leichnam allein auf dem Boden liegend und senkten ihn in die Erde; am Morgen darnach lag die Leiche wieder unbedeckt auf dem Acker und blieb da, bis sie ein Raub der Verwesung geworden.

Burg Hohenbogen

Das Volk erzählt, die Ritter von Lichtenegg und vom Hohenbogen seien lange Jahre gegen einander in Fehde gewesen. Endlich stellte sich der Lichtenegger an, als sei er des Haders müde, und wußte durch gleißnerische Botschaften seinen Gegner und dessen Söhne dahin zu bringen, daß sie zu einem Sühnversuche auf seinem Schlosse einritten. Hier bewirtete er sie aufs köstlichste, aber während sie, keines Argen sich versehend, dem Weine ihres falschen Gastwirtes wacker zusprachen, ließ dieser verräterischer Weise durch seine Leute die ihrer besten Verteidiger beraubte Burg Hohenbogen ersteigen und in Brand stecken. Als die Flammen turmhoch aufloderten, führte er seine Gäste schadenfroh ans Fenster und warf dann die hinterlistig Getäuschten in das Burgverlies.

Nach einer andern Sage schreitet allnächtlich zur Geisterstunde das Burgfräulein in weißem Sterbekleide aus dem verfallenen Tore hervor, steigt in den Graben hinab und läßt sich auf einer bemoosten Steinplatte am Fuße des Turmes nieder. Dort sitzt sie, bis der Hahn kräht, und kämmt mit einem funkelnden Goldkamm ihr langes schwarzes Haar. Als sie noch leiblich auf Erden weilte, knüpfte die Ärmste ohne Wissen der Ihrigen mit dem böhmischen Ritter Wranko, einem Hussiten, zarte Bande an. Darüber traf sie der Fluch der strenggläubigen Eltern, und sie stürzte sich im Wahnsinne vom Turme herab.

Eine dritte Sage weiß von einem Schatze zu berichten, der lange Jahrhunderte im Burgkeller vergraben lag und von einem großen schwarzen Hunde mit feurigen Augen bewacht wurde. Ihn erhoben die Jesuiten von Klattau in Böhmen, indem sie den Teufel bannten und ihn zwangen, die Geldtruhe auf einer Schleife bis in ihr Kloster zu ziehen. Ja, die Jesuiten! Was vermögen die nicht alles?

Der Weber und die Zwerge

Nicht weit vom Ort Fichtelberg ist eine verfallene Burg, Zwergennest oder Zwergenburg genannt. Aus diesem Ort ging ein Weber in die Fremde; als er heimkehrte, waren die Eltern tot; er wollte sein Geschäft beginnen, seinen Webstuhl aufschlagen; niemand nahm ihn auf, denn seine Mutter war als böse Hexe bekannt gewesen. Sie wiesen ihn hinaus mit seinem Webstuhl in die Schafhütte am Zwergennest. Diese hatte der Schäfer verlassen müssen, weil die Zwerge nachts die Schafe versprengten und zu Fall brachten.

So ging er denn hinaus und richtete sich die Hütte zurecht und schlug seinen Webstuhl auf. Als er nun die erste Nacht zu Bett lag, erwachte er plötzlich und sah einen Zwerg beim Licht des Vollmondes hereinkommen in die Kammer, der, ein Hütchen auf dem Kopfe, in Frack und kurzen Höschen, mit Schnallenschuhen und einem Stöckchen in der Hand, mehrmals auf und ab ging und sich neugierig alles besah; er schien vergnügt zu sein, alles so wohlgeordnet zu finden. Zuletzt sprang er auf den Tisch, setzte sich – er war nur spannlang – auf den Brotlaib, der noch dort lag, und schnitt sich ein Stückchen ab, das er aß. Da redete er den Gesellen an, daß, wo er hier wohnen wolle, Mietlohn gezahlt werden müsse. Er verlange nicht Silber noch Gold, denn er wisse ja, daß er arm sei, aber drei Bedingungen setze er, welche genau zu erfüllen wären. Das erste sei, daß an jedem Vollmond der Webstuhl abgeräumt sein müsse, das zweite, daß der Weber niemals bei Nacht in die Werkstätte hineinsehe, das dritte, daß er schweigsam bleibe. Damit war der Geselle zufrieden, und der Zwerg ging.

Nun hatte er in Bayreuth einen Kaufherrn gefunden, der ihm Arbeit gab, und richtete es so ein, daß mit nächstem Vollmond der Stuhl abgeräumt war. Als er daher am Morgen darauf in die Werkstatt trat, war er nicht wenig erstaunt, am Stuhl einen Streifen seidenen Gewebes, ein Muster, zu finden, welches seinesgleichen nicht hatte. Damit ging er zum Kaufherrn und bat um Seide, um nach dem Muster zu wirken. Er erhielt, soviel er deren bedurfte, und schon am nächsten Vollmond brachte er ein wunderschönes Stück Seidenstoff, welches dem Herrn so gefiel, daß er dem tüchtigen Gesellen sogleich neue Arbeit gab.

So hatte der Geselle Brot, und öfter traf es sich, daß er am Morgen nach der Vollmondnacht ein neues schönes Muster am Stuhl fand, was ihm stets neue Bestellungen verschaffte. Darüber wurden aber die anderen Handwerksgenossen voll Neid, besonders der Werkmeister; sie bemühten sich auf alle Weise, ihm sein Geheimnis zu entlocken; er schwieg. Da führten sie ihn öfter zum Wein und machten ihn trunken; aber auch so hielt er sein dem Zwerg gemachtes Versprechen. Doch einmal kehrte er berauscht heim: Neugier hatte ihn erfaßt, die Werkstätte zu besehen. Schon hatte er den Griff der Tür in der Hand, als sein guter Geist ihn noch zurückhielt. Am Morgen fand er zwar ein Muster am Stuhl hängen, aber ganz verworfen. Gleichwohl machte er es nach, und die Arbeit gefiel mehr als alle früheren.

Indessen wurde ihm stets mehr und mehr mit Wein zugesetzt: Er verfiel in Trägheit und schlechte Sitte, das Geschäft blieb zurück. Um so mehr wollte er sehen, wie es die Zwerge machten, hatte aber kaum die Tür geöffnet, als er ohnmächtig zu Boden fiel. Am Morgen war der Webstuhl zerbrochen und die Hütte in ihrem vorigen zerfallenen Zustand.

Da nahm er seine Arbeit, um sie zum Kaufherrn zu bringen und alles dort zu entdecken. Auf dem Weg legte er sich unter einem Baum nieder; zufällig sah er nach dem Gewebe, es war in Asche zerfallen. In höchster Verzweiflung machte er sich auf den Weg, um in die weite Welt zu gehen; er kam in einen Wald, und hier dachte er, wie gut es für ihn wäre, wenn ihm der Teufel helfen wollte; jetzt habe er ja doch nichts mehr zu verlieren und dem Teufel wäre er ja ohnehin schon verfallen. Wie er nun so vor sich hinging, sah er ein zwei Schuh hohes Männchen auf einem Stein sitzen, welches einen Stiefel ausgezogen hatte und zu schmieren begann. Der Weber dachte, das könne nur der Teufel sein, und ging auf ihn zu. Das Männchen aber kannte des Gesellen Herz und rief ihm entgegen: »Ich bin nicht der Teufel, aber ich suche, was du suchest, Rache an den Zwergen. Willst du mit mir gehen, um dich zu rächen, so tu, was ich dir sage. Hole mir da unten zwei Binsen herauf.« Der Weber brachte sie. Sie setzten sich nun rittlings jeder auf eine Binse und flogen weithin durch die Luft. An einem steinigen Platz hielten sie an und gingen dann, das Männchen voraus, der Weber hintendrein, in das Steingesprenge und zuletzt durch eine Kluft, welche so eng wurde, daß der Geselle vermeinte, er müsse zu einem Kartenblatt werden, um durchzukommen. Endlich machten sie halt. Da sagte das Männlein zum Weber: »Hörst du nicht Musik? Sie kommt von den Zwergen, welche Hochzeit halten; sieh durch diese Öffnung hinunter, und wenn die Braut dir nahe kommt, hole sie mir herauf! «

Da schaute der Weber hinunter durch eine Spalte in einen Saal, in welchem die Zwerge bei süßer Musik fröhlich auf- und abgingen und tanzten. Die Braut trug nebst allen Gästen seidene Kleider: Die Stoffe waren dieselben, deren Muster einst an seinem Webstuhl hingen; im Bräutigam erkannte er den Zwerg, mit dem er einst verkehrt hatte. Köstlicher Speisengeruch stach ihm in die Nase: Schon näherte sich die Braut, er wollte sie herauflangen, doch zog er die Hand wieder zurück; bei dem ungeduldigen Begleiter, der ihn darüber zankte, entschuldigte er sich, daß ihm ein Schweißtropfen von der Stirn in das Auge gelaufen sei. So auch das zweite Mal: Immer überkam ihn eine gewisse Furcht, die Braut zu stehlen. Da fuhr das Männlein zornig auf seinen Nacken und drohte ihn zu erwürgen, so er nicht zugriffe. Zum dritten Mal streckte er die Hand nach der Braut, da nieste sie, und er rief ihr unversehens ein »Helf Gott« hinunter. Nun brach alles zusammen mit fürchterlichem Getöse: Der Weber lag von einem Schlag des Männchens getroffen ohnmächtig da. Als er erwachte, standen die Zwerge um ihn, und der Bräutigam dankte ihm für die Rettung seiner Braut, ermahnte ihn aber, von nun an ein besseres Leben zu führen; mit Silber könne er ihm nicht lohnen, aber zu Arbeit wolle er ihm helfen, wie früher.

So ging der Weber heim, die Hütte war wieder ganz und der Webstuhl ordentlich aufgestellt. Er fing wieder zu wirken an, hatte stets Arbeit genug und lebte fortan glücklich.

Das Eichenberger Kapellchen

Bei Eichenberg steht eine kleine Kapelle mit einem gnadenreichen Muttergottesbilde. Das Bild stand früher unter freiem Himmel; als sich aber die Zahl der Andächtigen mehrte, wollte man eine Kapelle bauen und das Bild darein setzen. Es wurde ein gelegener Bauplatz ausgewählt und dort das Bauholz aufgefahren; am andern Morgen hatten die Ameisen das Holz fortgetragen und an die Stelle des Gnadenbildes gelegt. Dort wurde nun auch die Kapelle errichtet.

Zeitelmoos

Auf dem Fichtelberg, zwischen Wunsiedel und Weißenstadt, liegt ein großer Wald, Zeitelmoos genannt und daran ein großer Teich; in dieser Gegend hausen viele Zwerge und Berggeister. Ein Mann ritt einmal bei später Abendzeit durch den Wald und sah zwei Kinder beieinander sitzen, ermahnte sie auch, nach Haus zu gehen und nicht länger zu säumen. Aber diese fingen an, überlaut zu lachen. Der Mann ritt fort, und eine Strecke weiter traf er dieselben Kinder wieder an, welche wieder lachten.

Die St. Markus-Kapelle

Unterhalb Kreuzwertheim liegt Haßloch, jetzt ein mäßiges Dorf, ehemals ein stattlicher Ort mit einem festen Schlosse. Kaiser Karl IV. hatte im Jahre 1357 Macht und Gewalt gegeben, daß aus Haßloch (Haselo) eine Stadt gemacht werde, die gleiche Privilegien wie Frankfurt haben solle; Karls gute Absicht wurde aber nicht vollführt – und das Schloß zerfiel und seine Stätte ist kaum noch erkennbar im nahen Walde.

Wenn man von Haßloch das enge, frische Wiesental des Hasselbachs hinauf wandelt, erblickt man etwa drei Viertelstunden von Haßloch entfernt an dem Fuße eines Berges die St. Markus-Kapelle. Die Stille der romantischen Landschaft, nur von dem leisen Geflüster der nahen Quelle und dem Pochen des unfern gelegenen Hammerwerkes unterbrochen, lädt zur Andacht ein; aber die Kapelle liegt in Trümmern und das Brustbild des heiligen Markus, das die Kapelle geschmückt hatte, steht vor der Pfarrkirche zu Unterwittbach in einer Nische. Die Kapelle verdankte ihre Entstehung dem Wertheimer Grafenjohann mit dem Barte. Der liebte die Jagd so leidenschaftlich, daß er selbst den Tag des Herrn mit dem wilden Treiben des Weidwerks entweihte. Sogar am Osterfeste ließ er davon nicht ab; da sprang ein weißer Hirsch vor ihm auf und lockte den verfolgenden Jägersmann immer weiter und tiefer in den dichten Wald. Es wurde Nacht; der Graf sank schier verschmachtend zur Erde. Da gedachte er sehnsüchtig seiner lieben frommen Hausfrau, die ihn oft so flehentlich gewarnt vor dem gottlosen Übermaße der Jagdlust. Und plötzlich, wie innige Reue in ihm erwachte, hörte er neben sich ein Brünnlein rauschen; und als er gelabt und gestärkt nun weiterschritt, schallte ein Glöcklein vor ihm – immer vor ihm her, bis ihn der fromme Klang wieder auf seine Burg heimführte. Zum Dank für die wunderbare Errettung baute der Graf an der Stätte, wo die Quelle ihm geflossen, eine kleine Kapelle, die er dem h. Markus widmete.

Der vorherbestimmte Tod

Einmal wurde ein Goldener Sonntag-Kind zur Taufe getragen. Während der Taufe, als sie noch mit dem Kind in der Kirche waren, kamen drei Männer in die Stube und bestimmten den Tod dieses Kindes. Die ersten zwei hatten es nicht erraten. Der dritte aber sagte: »Dieses Kind muß in dem Brunnen ertrinken.« Er gab auch den Tag an, an welchem es geschehen sollte. Der Knecht war allein zu Hause und hörte dies. Als der Tag herankam, an dem das Kind im Brunnen ertrinken sollte, da blieb er wieder allein zu Hause, sperrte das Kind in einer Stube fest ein und vernagelte den Brunnen mit lauter Brettern, so daß das Kind nicht ertrinken konnte. Aber als er nach dem Kinde umsah, war es nicht mehr in der Stube. Und weil es nicht in den Brunnen hatte fallen können, weil er vernagelt war, so lag es tot auf demselben.

Vom wilden Gejäg mitgenommen

Zwischen Lengenfeld und Stoffen liegt eine wilde, weite Ödung auf einer hohen Ebene, darüber zieht das wilde Gejäg am wütendsten, verweilt am längsten. Darüber hin ging vor geraumer Zeit ein Mann aus Hofstetten, es dunkelte bereits, da vernahm er aus der Weite ein Heulen und Sausen, als wollte sich ein furchtbarer Sturm erheben. Wie er da stillstand und sich umsah, kam mittlerweile das wilde Gejäg ob seiner in den Lüften daher, und als er verstarrt vor Schrecken vergaß sich auf den Boden zu werfen, hob es ihn leicht auf ab der Erden und riß ihn im Zuge mit dahin. Sechs lange Wochen war der Mann der Erden entrückt, kein Mensch wußte wohin er gekommen, und die Seinigen waren in Kümmernis um ihn als einen Toten. Da auf einmal kam er zurück, er wußte selbst nit wie und wo, und war noch ganz tamisch in seinem Sinn. Es schwindelte ihm allweg, wenn er nur daran dachte und allen, die davon hörten, geschwindelte es mit. Der Mann lebt noch, verhält sich aber stets geruhig und still, hat zu nichts mehr weder Freud noch Leid, hat nur noch ein Kuchelleben. Ebenso werden in solchen Nächten Hunde, die ledig herumlaufen, mitgenommen, man weiß aber von keinem der wiedergekommen wär.

Der Freier von Rothenburg

Zu Rothenburg an der Tauber ist zum öftern einer, welcher sich nicht allein in Kleidern prächtig und stattlich gehalten, sondern sich auch großen Reichtums und vornehmen Geschlechtes gerühmt, in eines ehrlichen Mannes Haus gekommen. Zwei andere Gesellen, die er bei sich gehabt, waren gleichermaßen schön und herrlich gekleidet, und einer von ihnen konnte pfeifen, der andere geigen. Er hatte auch öfter stattliche Gastereien und Abendtänze ausgerichtet und getan, als wollte er um des Hauswirtes Tochter freien. Er gab darum an, er wäre eines vornehmen adligen Geschlechtes, hätte auch großes Gut und Reichtum an Schlössern, Landgütern und vielen Städten in fremden und fernen Ländern, so daß es ihm an keinem Dinge als an einem frommen und tugendreichen Ehegemahl mangelte. Der Wirt aber hatte an dieses Gastes Weise und Wesen ein großes Mißfallen, verweigerte ihm darum seine Tochter, zumal sie nicht edel wäre, und verbot ihnen allen das Haus, daß sie nicht mehr sollten zu ihm kommen. Aber der Gast ist mit seinen Mitgesellen so unverschämt gewesen, daß er nichtsdestoweniger etliche Abende schön geputzt wiedergekommen in der Absicht, seinen Handel und sein Vorhaben zu vollstrecken. Das hat dann den Wirt bewogen, daß er auch die Prädikanten des Orts zu Gast geladen, mit denen hat er dann über Tisch aus Gottes Wort konferiert und allerlei gelehrte Unterhaltung gepflegt. Diese christlichen Gespräche sind dem Gast und seinen Gesellen sehr verdrießlich gewesen, sie haben darum angefangen, von anderen Dingen zu reden und gesagt: Das reime sich ja gar nicht, daß er die Gäste mit Predigen wolle fröhlich machen, es wären doch sonst wohl andere scherzhafte und kurzweilige Reden, die in einem solchen Konvivio zur Lustigkeit viel dienlicher, als daß man viel predigte und von Gottes Wort und der Heiligen Schrift disputierte. Daran erkannte der Wirt dieser Gäste teuflische Art und Natur, und weil er mit Gottes Wort gegen Teufels List und Betrug wohl gerüstet war, hieß er sie in Christi Namen von ihm weichen. Darauf ist der Bösewicht samt seinen Gesellen mit großem Brausen alsbald verschwunden und hat einen großen Gestank und drei tote Körper von Personen, die wegen ihrer Missetaten mit dem Strang vom Leben zum Tod befördert waren, in der Stube zurückgelassen.

Schloß Leuchtenberg in der bayerischen Oberpfalz

König Heinrich der Vogler befand sich einst mit seiner Tochter Jutta und einigen seiner Hofjäger auf der Hirschjagd. Die Prinzessin sprengte auf ihrem flinken Rosse einem flüchtigen Reh nach und kam im Eifer der Verfolgung von der Jagdgesellschaft ab. Tage, Monate, Jahre vergingen. Alles Suchen nach der Prinzessin war vergeblich.

Als der königliche Vater nach Jahren wieder jagend durch den Wald streifte, in dem er einst seine Tochter verloren hatte, und es schon Abend geworden war, leuchtete ihm auf einmal mitten im Wald ein Licht entgegen. Er ging drauf zu und sah, daß es aus einer Burg kam. Der König bat um Einlaß. Welche Freude überraschte ihn da! Seine Tochter Jutta war Burgherrin und mit dem Ritter Gebhard glücklich verheiratet. Zum Andenken an dieses freudige Erlebnis hieß man die Burg von nun an »Leuchtenberg.«

Doch nicht alle Burgfrauen auf Leuchtenberg waren so glücklich wie Prinzessin Jutta. Die Frau eines späteren Burggrafen war von einer fast krankhaften Neugierde geplagt. Der Burggraf drohte ihr mit dem Tode, wenn er sie wieder auf frevelhaftem Fürwitz ertappe. Um sie auf die Probe zu stellen, kleidete er sich als Bote und brachte einen Brief an den Schloßherrn mit dem Vermerk, er dürfe nur vom Grafen persönlich geöffnet werden. Doch die Neugierde der Schloßfrau war stärker als die Angst vor der Drohung. In Gegenwart des Boten erbrach sie das Siegel und öffnete den Brief. Sie wurde dafür zur Strafe des »Igelsitzens« verurteilt. Nach ihrem Tode befahl der Burgherr, ein Steinbild anzufertigen, das eine auf einem Igel sitzende Frau darstellt. Drunter ließ er die Inschrift anbringen:

Das macht mein Fürwitz, Daß ich auf dem Igel sitz.

Dieses Bild wurde den Besuchern der Burg Leuchtenberg noch lange gezeigt.

Der Teufel am Zollberg

Auf dem Zollberg zwischen Schaippach und Gemünden steht seit alters ein Zollhaus. Um diese Stätte rankt sich folgende Sage:

Einst zog ein geiziger Kaufmann auf der Birkenheiner Straße in Richtung Bayerische Schanz. Als er zum Zollhaus kam, wollte er keinen Zoll bezahlen und überlegte, wie er das anstellen könne. Da hatte er einen Einfall. Er machte sich von der Rückseite an das Haus heran und schlug kräftig an die Hintertür, um den Zöllner von der Straße wegzulocken. Dann lief er schnell vor das Haus auf die Straße und fuhr in voller Fahrt davon. Als der Zöllner merkte, daß er hintergangen war, rief er seinen kräftigen Gehilfen und nahm die Verfolgung auf. Der Betrüger hatte inzwischen einen erheblichen Vorsprung; da wurden seine beiden Pferde störrisch und wollten nicht mehr laufen. Sosehr sich der Flüchtige auch abmühte, weder Zureden noch Schlagen half etwas. Die Verfolger hatten nun den Betrüger fast eingeholt. Da sagte dieser: »Ach würde nur der Teufel den Wagen ziehen!«

Kaum waren diese Worte seinem Mund entschlüpft, stand der Leibhaftige schon da, packte den Wagen und schaffte ihn in Windeseile über Berg und Tal. Der Zöllner und sein Gehilfe hatten nur das Nachsehen; sie ahnten aber, was sich da abspielte, und kehrten erschrocken um. Der Betrüger aber wurde nie mehr gesehen.

In der Umgebung des Zollberges ist der Spruch »Wenn man vom Teufel spricht, ist er nicht weit« noch heute ein geflügeltes Wort.

König Watzmann

Vor undenklichen Zeiten herrschte im Berchtesgadener Land ein mächtiger König namens Watzmann. Der finstere Tyrann liebte weder Menschen noch Tiere, seinem grausamen Herzen war es eine Lust, die Menschen zu quälen und die Tiere zu martern. Darum war auch die wilde Jagd sein höchstes Vergnügen. Dort umgab ihn Rüdengebell und Hörnerschall, daß die Wälder davon widerhallten. Doch nicht allein er, auch sein Weib und seine Kinder fanden große Lust an der wilden Hetzjagd, wenn die dampfenden Rosse unter ihnen zusammenbrachen und das totgehetzte Wild von den Hunden zerfleischt wurde. So ging es Tag und Nacht, ohne Rast und Ruh, über Stock und Stein, bergauf und bergab, und keine Schonung gab,s für die Saat des Landmanns. Lange Zeit frönten der König und die Seinen dieser teuflischen Lust, doch endlich ereilte das himmlische Strafgericht die gottlosen Frevler.

»Halloh, hinaus zur wilden Jagd!« tönte es einst wieder durch den Schloßhof; die Hörner schallten, die Rüden bellten, und bald ging es mit Weib und Kindern wieder dahin in wildem Zug. Im Dämmerlicht gewahrte der König ein Mütterlein, die Enkelin auf dem Schoß, und lenkte sein Pferd so hart vor die Hütte hin, daß Reiter und Roß die Greisin traten. Und als der Bauersmann und sein Weib wehklagend aus der Hütte kamen, um die sterbende Mutter im Hause hinzubetten, da hetzte der König die schnaubenden Rüden auf die Ärmsten, daß auch sie unter den Zähnen der Bestien ihr Leben ließen. Lachenden Blicks sah der König zu, und mit ihm lächelten grausam die Gattin und die Kinder, wie sich Menschen sterbend in ihrem Blute wanden.

Da hob das Mütterlein mit brechendem Blick die zerfleischte Rechte empor und stieß noch im Sterben einen gräßlichen Fluch über den König und die Königin mit ihren sieben Kindern aus, daß sie die Strafe der Gottheit erreiche und in Felsen verwandle. Und die Erde erbebte, der Sturmwind brauste, als wäre das Weltende nah; Feuer sprühte aus dem Schoß der Erde und verwandelte den König, Gattin und Kinder in riesige Felsen.

So steht König Watzmann mit Frau und sieben Kindern zu Stein geworden in der felsigen Wildnis und blickt als ewiges Wahrzeichen herab ins Berchtesgadener Land.

Der Schatz auf dem Hohenbogen

Seit alters geht die Mär, daß viele Klafter unter dem Burgstallberg in einem kupfernen Kessel ein reicher Schatz verborgen sei. Alle hundert Jahre einmal wird ein Mensch geboren, der ihn unter gewissen Bedingungen zu heben vermag. Ein Hirt von Schwarzenberg, der eines Tages seine Herde auf der sogenannten kleinen Ebene am Fuße des Burgstallkegels weidete, soll so ein Mensch gewesen sein. Als er abends die Tiere eintreiben wollte, vermißte er ein junges Rind; nach einigem Suchen hörte er es hoch oben im Walde Laut geben. Er stieg eilig den Burgstall hinan und war schon nahe dem Gipfel, als plötzlich eine wunderschöne, aber seltsam und fremdartig gekleidete Jungfrau vor ihm stand und ihn mit schmeichelnder Stimme anredete:

»Du kommst zu guter Stunde hierher. Wisse, daß es in meiner Hand liegt, dich zum reichsten Mann im Land zu machen. Ich kann dir offenbaren, auf welche Weise du den unter unseren Füßen vergrabenen Schatz zu heben vermagst.«

Der Hirt. den beim ersten Anblick der Erscheinung ein heimliches Grauen beschlichen hatte, faßte Mut und entgegnete, er sei bereit, nach ihrer Unterweisung zu handeln.

Freudig fuhr die Jungfrau fort: »Finde dich heute über acht Tage zu Beginn der Mitternachtsstunde am Fuß des Burgstalls ein, zwei Priester mögen dich begleiten, welche die Beschwörungsformeln zu sprechen wissen. Ihr werdet den Schatz oben auf dem Gipfel des Berges liegen sehen. Schreitet nur mutig drauflos und laßt euch nicht irre machen, was immer euch auch in den Weg treten mag, sähe es auch noch so schrecklich aus; denn es ist nur ein Blendwerk des Bösen, der euch weder an Leib noch an Seele schaden kann. Bist du dann an die Schatztruhe herangekommen, so greife mit beiden Händen keck in den Goldhaufen hinein, und er ist dein für immer. Aber wehe mir, wenn du dich durch die Künste des Satans zu feiger Flucht bewegen ließest, wehe mir! Ich müßte dann wiederum hundert Jahre umherirren und könnte nicht zur ewigen Ruhe ein gehen. Sieh dir dieses zarte Reis hier an!« dabei wies sie auf ein dem Boden entsprossenes Ahornbäumchen, »es muß zu einem starken Baum heranwachsen, aus seinem Stamm müssen Bretter geschnitten und diese zu einer Wiege gefügt werden; der Knabe, der in dieser Wiege ruhen wird, muß zum Mann geworden sein, dann erst darf ich wieder auf Erlösung hoffen. Gedenke der unaussprechlichen Leiden einer armen Seele, erbarme dich meiner, wie du willst, daß Gott der Herr sich deiner erbarme, und erlöse mich!«

In den letzten Worten der Jungfrau lag der Ausdruck eines so herzzerreißenden Jammers, daß der Hirte davon aufs tiefste ergriffen wurde. Mehr der Wunsch, so große Pein zu lindern, als die Begierde nach den verheißenen Reichtümern trieb ihn an, das Wagnis der Schatzhebung zu unternehmen. Eben wollte er der Jungfrau seinen Entschluß kundgeben, als sich ihre Gestalt in leichten Nebelflor auflöste, den der Abendwind über dem Gipfel des Burgstalls in nichts zerstäubte. Aus dem Gebüsch aber, an dem sich die Erscheinung gezeigt hatte, kam das verlorene Rind hervor und folgte dem Hirten willig auf den Weideplatz hinab.

Am nächsten Morgen hatte der Hirt nichts Eiligeres zu tun, als nach Neukirchen zum Kloster der Franziskaner zu gehen und dem Pater Guardian den wunderbaren Vorfall zu berichten. Dieser hielt mit andern Patern Rat, was in der Sache zu tun sei, und man kam zu dem Entscheid, daß es sich hier um die Erlösung einer armen Seele und einen Triumph über den Satan handle, wozu die Diener der Kirche hilfreiche Hand bieten müßten. Zwei Mönche erhielten den Auftrag, sich durch Beten und Fasten zu dem heiligen Werk vorzubereiten.

Zur bestimmten Stunde trafen die Priester und der Hirt am Burgstall zusammen; eben schritten sie über den Weideplatz hin, als die Turmuhr zu Neukirchen die elfte Stunde anzeigte. Mit dem letzten Schlag loderte auf dem Gipfel des Burgstalls eine hohe Flamme empor, und die Mönche erkannten dies als das Zeichen, daß der Schatz sich aus dem Erdinnern erhoben habe. Nachdem sie den Hirten gewarnt hatten, nicht von ihrer Seite zu weichen, schickten sie sich an, dem bösen Feind tapfer zu Leibe zu rücken. Aber kaum hatten sie einige Schritte bergan gemacht, als im Wald ein seltsames Leben rege wurde. Eulen und Fledermäuse flatterten den nächtlichen Wanderern in dichten Schwärmen entgegen, von allen Seiten wurde aus dem Unterholz Totengebein auf sie geworfen, und grinsende Schädel kollerten unter ihren Füßen hin.

Die frommen Söhne des heiligen Franziskus ließen sich von diesem Spuk keineswegs beirren, sondern drangen, mit lauter Stimme Beschwörungsformeln hersagend, rastlos voran. Schon mochten sie die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, als der bisher mondhelle Himmel sich plötzlich verfinsterte und ein Sturm losbrach, der den ganzen Berg zu erschüttern schien. Die Blitze fuhren hageldicht hernieder, der Donner krachte Schlag auf Schlag, die Gießbäche stiegen im Nu, brausten über ihre Ufer und wälzten mannshohe Fluten gegen die drei Männer herab. Diese meinten, bis an den Hals im Wasser zu waten; aber wie sie näher zusahen, fanden sie, daß nicht ein Faden ihres Gewandes naß war. Darum achteten sie auch nicht weiter darauf, als ihnen noch allerlei andere Schreckbilder, bald tierähnlich, bald menschlicher gestaltet, in den Weg traten. Endlich erreichten sie den Gipfel, ohne daß ihnen ein Haar gekrümmt worden wäre.

Hier sahen sich wenige Schritte vor sich, hell von der noch immer lodernden Flamme erleuchtet, ein kesselartiges Gefäß, das bis zum Rande mit funkelnden Goldmünzen gefüllt war. Eben wollte der Hirt vortreten, um, wie ihm die Jungfrau geboten, den Schatz zu erfassen, da wankte der Boden unter ihm, und von unterirdischer Kraft gehoben, wich ein mächtiger Felsblock polternd von seinem Platze. Aus der Öffnung, die sich gebildet hatte, kroch ein scheußlicher Lindwurm hervor und ringelte seines Leibes endlos gestreckte Glieder dreimal um den Gipfel des Burgstalls herum, einen furchtbaren Schutzwall vor dem Goldkessel auftürmend.

Das Erscheinen dieses Ungeheuers setzte den Mut der guten Mönche auf eine zu harte Probe. Sie glaubten sich schon von den scharfen Zähnen des Drachen gepackt und fielen mehr als sie liefen den steilen Abhang hinunter. Dem Hirten, der sich von seinen geistlichen Helfern verlassen sah, blieb nichts übrig, als ihnen zu folgen. Wohl vernahmen sie hinter sich die Stimme der Jungfrau, die unter klagenden Rufen zum Ausharren mahnte, aber die Flüchtenden waren nicht mehr zum Stehen zu bringen. Nur einmal hatte der Hirt es gewagt umzuschauen und dabei gesehen, wie der Gipfel des Berges sich spaltete und in seinem weiten Riß die Schatztruhe verschlang. Darauf erhob sich ein tausendstimmiges Geheul, daß dem erbleichenden Jüngling schier das Blut in den Adern gerinnen wollte.

Es war das Hohngelächter der Hölle. Der Schatz von Hohenbogen aber wurde nie gehoben.

Die hohe Wart

Die hohe Wart ist eine mäßig große Waldung, fast in der Mitte zwischen den Ortschaften Oberbessenbach, Hessenthal, Neudorf, Völkersbrunn, Leidersbach, Ebersbach und Soden gelegen, und gehört etwa zur Hälfte der Stadt Aschaffenburg, zur anderen Hälfte mehreren Gemeinden des Vorspessarts.

In diesem Walde hauste von jeher allerlei Spuk. Die Waldmeister, welche das Gemeindegut veruntreuten, die Bierrichter, welche falsche Steine setzten, die Holzdiebe, die gewissenlosen Holzarker, wandern in der hohen Wart; insbesondere treiben die Vierrichter ihr Wesen um den sogenannten Drelmärker, den Grenzstein, welcher die hohe Wart von der Gemarkung Volkersbrunn und dem gräflich ingelheimischen Walde scheidet.

Ein Mann von Hessenthal ging einst in der Nacht von Obernburg nach Hause. Als er an das Hohenwarthäuschen kam, stand ein grauer Mann da, der ihm auf den Rücken sprang und sich bis an das erste Haus von Neudorf tragen ließ. Da sprang er ab und sagte: »Wenn du wieder in der Nacht am Hohenwarthäuschen vorübergehst, so mache hübsch ein Kreuz.«

Der Klosen-Jockel von Neudorf fuhr nachts mit seinen Ochsen die Lamstershöhle hinaus gegen die hohe Wart, wo sein Wagen mit Holz beladen stand; er wollte ihn nach Obernau führen. Als er dem Gründchen gleich war, erschollen Hundegebell, Schüsse und Jagdgeschrei, wie wenn eine Treibjagd abgehalten würde. Zugleich erhob sich ein solcher Wind, daß der Klosen-Jockel mitsamt seinen Ochsen aus dem Wege über das Feld hinweggeblasen wurde, bis an die sogenannte Kühruhe, die eine halbe Stunde vom Gründchen entfernt ist. Dort erst kam er wieder zu sich und setzte nun seinen Weg in die hohe Wart fort; das Jagdgetöse aber hörte er noch lange.

Der Hocken-Schmied von Hessenthal ging am hellen Tage von Kleinwallstadt durch die hohe Wart nach Hause. Als er an die Grenze zwischen der hohen Wart und der Hessenthaler Markung kam, sprang ihm ein Pferd ohne Kopf auf den Rücken und fuhr mit ihm bis zum Erlenbrunnen. Dort lag ein Tränktrog für das Vieh, woran sich der Mann fest anhielt und mit einer Hand Wasser über seinen Rücken auf das Pferd warf. Da sprang es ab und war verschwunden.

In der Nacht vor Pfingsten hüteten mehrere Neudorfer Bauern in dem Distrikte Häuschenschlag und zwar in einer jungen Kultur, wo das Vieh den größten Schaden anrichtete. Die Bauern hatten sich unter eine Buche gelegt, um zu schlafen, allein um Mitternacht erhob sich in den Ästen der Bäume ein fürchterlicher Lärm, als wenn alles kurz und klein gebrochen würde und herabstürzte und Menschen und Vieh erschlüge. Voller Angst eilten die FrevIer mit ihrem Vieh aus dem Walde.

Im Sohlschlage weideten einst zwei Bauern von Volkersbrunn nächtlicher Weile ihr Vieh. Da kam ein großes schwarzes Tier, ähnlich einem Hund, bei dessen Anblick das Vieh zu brüllen anfing und unaufhaltsam nach Völkersbrunn lief.

Ein städtischer Förster kam auf seiner Runde einst auch in den Distrikt Rothenabt. Da hörte er Holz mit dem Waldhammer schlagen. Er ging dem Laute nach, sah aber niemand, und nun hörte er bald vor, bald hinter sich schlagen, daß es ihm, obwohl er ein beherzter Mann, ganz unheimlich ward.

Und so gibt es noch eine Menge Geschichten, welche beweisen, daß es in der hohen Wart nichts weniger als geheuer ist.

Der gespenstische Küfer

In dem Keller des Schönborner Hofes zu Aschaffenburg, unter dem Baue, welcher zunächst des Freihofes liegt, befand sich ein großes Weinlager. Der Küfer, welcher dasselbe zu beaufsichtigen hatte, war so diensteifrig, daß er alles andre darüber vergaß; er hämmerte oft an den Fässern herum bis tief in die Nacht. So trieb er’s einst auch an dem hl. Weihnachtsabend, und die Leute, die in die hl. Christmette gingen, und die, welche herauskamen, hörten ihn noch im Keller klopfen. Deshalb hebt er jetzt noch, wenn es zur hl. Christmette läutet, zu klopfen an, und man kann das unheimliche Hämmern hören, solange die heilige Christmette währt.

Der Baumläuferbub

Ein jeder hat ihn gekannt und gefürchtet, weil er ein teuflisches Kind, ein Wechselbalg gewesen ist. Wenn man ihn um Tabak nach Hohenau geschickt hat und dachte, er könnte jetzt beim Weiher, gerade außerhalb des Dorfes sein, da war er mit dem Tabak schon wieder da. Es ist aber nicht zum Sagen, was er den Leuten für Schaden gemacht hat. Deshalb hätten sie ihn gern hingemacht, aber es hat ihn kein Mensch erwischt. Wenn er mit dem Fuß ein grünes Pflänzlein Moos hat berühren können, ist er verschwunden gewesen. Wurde es ihm im Sommer bei der Arbeit zu heiß, dann sagte er: »Ich mein‘, es regnet bald ein wenig«, – hat im Boden ein Löchlein gemacht, ein paar Halme darüber gelegt, seine G’schichten gemacht, und in einer halben Stunde hat es nur so geschüttet. – Mit einem einzigen Sonnenstrahl hat er ein Haus anzünden können. Den Hohenauern und den Grünbachern hat er das ganze Getreide verhageln wollen. Aber die Hohenauer haben mit ihrer hochgeweihten Glocke so geläutet, daß sie fast zersprungen wär‘. Die hat das Wetter auseinandergetrieben. Da hat der Baumläuferbub einen schweren Fluch getan und hat gesagt: »Der Hohenauer Stier hat mich heruntergeworfen.« – Wie es nicht mehr zum Aushalten gewesen ist, haben sie ihn halt doch einmal erwischt, auf einen Scheiterhaufen geworfen und verbrannt.

Die verwünschte Dame

Als die Grafen von Rieneck ausgestorben und auch der Amtmann herab ins Dorf gezogen war, wohnte auf dem Wildensteiner Schloß der Schäfer. Er hatte ein Stück Ackerfeld für sich und einen Weidplatz für seine Schafe.

Einmal nun stand der Schafpferch auf dem sogenannten kleinen Höhacker, an welchem oben und unten das Gebüsch des Waldes anstößt, und es war Nacht, und der Schafknecht lag in seiner Hütte bei den Schafen und schlief. Da geschah eine Erschütterung an seiner Hütte, und er sah hinaus und erblickte eine weiße Frau, dieselbe hatte einen schwarzen Schleier um den Kopf und ganz nasse Augen und winkte ihm, er aber erschrak, hielt sich die Augen zu und kroch in die Tiefe seiner Hütte. Des Morgens sagte er es seinem Herrn.

»Wenn sie wiederkommt«, sagte dieser, »so rede sie an und sprich: Alle guten Geister loben Gott den Herrn! Was ist dein Begehr?« Den Abend kam sie wieder und er tat, wie sein Herr geboten. Die Frau sprach: »Ich bin eine verwünschte Dame aus dem Schloß, und du kannst mich erlösen. Sei morgen abend zwischen elf und zwölf Uhr an der Schloßbrücke, da komme ich aber nicht so wie jetzt, sondern als eine Schlange, winde mich an dir hinauf und gebe dir die Schlüssel. Du darfst dich aber nicht fürchten, ich tue dir nichts und kann dir nichts tun.«

Der Schafknecht sagte: »Ja! ich komme!« – »Was soll ich mich auch fürchten?« dachte er, »ich bin (als ein Schäfer) aus dem Geschlechte Mosis – derselbe hat sich vor der Schlange, die aus dem Hirtenstabe wurde, auch nicht gefürchtet«, faßte guten Mut und einen ordentlichen Stolz in seinen Kopf, daß er Mosis Nachfolger werden sollte, und als nun die bestimmte Zeit da war, und die Nacht dunkelte, stellte er sich an den bestimmten Ort. Auf einmal erhob sich ein großes Krachen in dem Schloß, daß er meinte, das Schloß wolle zusammenstürzen und ein erschreckliches Rauschen und Rollen, wie das Donnern eines Gewitters – und siehe! eine große eisgraue Schlange kroch daher, hatte ein Gebund Schlüssel im Maul und fuhr auf den Schafknecht los; der aber, wie er sie sah, schrie auf und lief davon.

Da wurde die Schlange wieder zu einer Frau, jammerte herzzerreißend und sprach: »Wehe! jetzt dauert’s wieder hundert Jahre, bis ich erlöst kann werden. Denn es wird ein Kirschbaum wachsen drüben im Wald, und von diesem werden Bretter geschnitten, und aus den Brettern eine Wiege gemacht werden, und das Kind erst, das zuerst darin gewiegt wird, kann mich erlösen! « –

Am folgenden Tag nahm der Schafknecht seine Schäferschippe und seinen Hund und wanderte; denn er hätte das Weinen und Jammern der Frau nicht noch einmal hören können.

Die Innbrücke in Rosenheim

In Pirach bei Vogtareuth war einmal ein Knecht, der weder an einen Himmel noch an eine Hölle glaubte. An einem Sonntagmorgen ging er nach Rosenheim und empfing dort in der Klosterkirche die Hl. Kommunion, obwohl er zuvor nicht gebeichtet hatte. Danach ging er in ein Wirtshaus und zechte den ganzen übrigen Tag. Als es schon zu dämmern anfing, machte er sich erst auf den Heimweg. Als er über die Innbrücke gehen wollte, saßen auf den beiden Geländern je eine schwarze Katze, die ihn mit wildfunkelnden Augen anglotzten. Mit einem kräftigen Fluch wollte er sie hinunterschlagen. Sie sprangen jedoch auf ihn zu, fauchten ihn an und wichen ihm nicht mehr von den Fersen, bis er einen geweihten Rosenkranz herauszog und das Kreuzzeichen machte. Darauf verschwanden sie.

Der Burggeist von Rieneck

Vor vielen Jahren zog ein junger Wandersmann das Sinntal entlang auf Rieneck zu. Er war müde und suchte in verschiedenen Wirtshäusern vergeblich eine Bleibe, denn alle Quartiere waren bereits belegt. Einer der Wirte aber sagte zu ihm: »Wenn du Mut hast, kannst du ja im Schloß übernachten. « »Mut hab‘ ich«, entgegnete der Bursche, »aber weshalb brauche ich Mut, wenn ich im Schloß übernachte?« Da erzählte ihm der Wirt, was sich vor etwa vierhundert Jahren in der Burg zugetragen hatte. Damals gehörte sie Graf Hubert von Rieneck, der Kunigunde von Schönrain zur Frau hatte. Aber es stellte sich bald heraus, daß er ein herzloser Mann war. Da erlosch die Liebe Kunigundens zu ihm, und sie schenkte ihre Gunst einem Leibknappen. Kunigunde wollte nun ihren Gatten loswerden. So setzte sie ihm vergiftete Knödel vor. Sobald Hubert davon gekostet hatte und ihm kalter Schweiß auf die Stirn trat, rief er: »Keine Ruhe sollst du finden, weder im Leben noch im Tode!« Bald nach ihrem Gatten starb auch Kunigunde, und sie fand tatsächlich keine Ruhe in ihrem Grab.

Diese Geschichte konnte aber den wackeren jungen Mann nicht erschrecken. Er ging hinauf zur Burg, fand ein leeres Zimmer und legte sich alsbald in ein fein hergerichtetes Bett. Um Mitternacht aber wurde es plötzlich lebendig. Lautlos wurde die Tür zur Schlafkammer geöffnet und eine Frau, deren Augen sich vom bleichen Gesicht blutrot abhoben, kam herein. Sie trat an den Herd, bereitete Knödel, denen sie ein weißes Pulver beimischte, und bot sie dem Burschen an. Der aber sprang aus dem Bett, riß ihr einen Knödel aus der Hand und stopfte ihn der Erscheinung in den Mund. Dabei rief er: »Im Namen der Dreifaltigkeit, iß sie selber!« Darauf sprach die Frau: »Du hast mich erlöst! Nun werde ich endlich Ruhe finden.« In dem Augenblick sank die Gestalt in sich zusammen, nur ein Häuflein Asche blieb zurück. Dem jungen Wandersmann aber stand von Stund an das Glück zur Seite.

Bamberger Waage

Zu Bamberg, auf Kaiser Heinrichs Grab, ist die Gerechtigkeit mit einer Waagschale in der Hand eingehauen. Die Zunge der Waage steht aber nicht in der Mitte, sondern neigt etwas auf eine Seite. Es gehet hierüber ein altes Gerücht, daß, sobald das Zünglein ins gleiche komme, die Welt untergehen werde.

Der heilige Sonntag

Zu Kindstadt in Franken pflog eine Spinnerin des Sonntags über zu spinnen und zwang auch ihre Mägde dazu. Einsten dauchte sie miteinander, es ginge Feuer aus ihren Spinnrocken, täte ihnen aber weiter kein Leid. Den folgenden Sonntag kam das Feuer wahrhaftig in den Rocken, wurde doch wieder gelöscht. Weil sie’s aber nicht achtete, ging den dritten Sonntag das ganze Haus an vom Flachs und verbranntze die Frau mit zweien Kindern, aber durch Gottes Gnade wurde ein kleines Kind in der Wiegen erhalten, daß ihm kein Leid geschahe.

Man sagt auch, einem Bauer, der sonntags in die Mühle ging, sein Getreid zu mahlen, sei es zu Aschen geworden, einem andern Scheuer und Korn abgebrunnen. Einer wollte auf den heiligen Tag pflügen und die Pflugschar mit einem Eisen scheuern, das Eisen wuchs ihn an die Hand und mußte es zwei Jahr in großem Schmerz tragen, bis ihn Gott nach vielem brünstigen Gebet von der Plage erledigte.

Der verhinderte Meineid

Ein junger Bauersmann aus Schweinheim hatte vertrauten Umgang mit einem Mädchen von da und wollte sie heiraten. Ehe aber die Kirche den Bund geheiligt hatte, ward das Mädchen Mutter; ihr Verlobter brach nun allen Umgang mit ihr ab, weigerte sich durch die Ehe gutzumachen, was er ihr Böses getan, und widersprach sogar, der Vater zu dem Kinde des Mädchens zu sein.

Das Mädchen war genötigt, zur Rettung ihrer Ehre eine gerichtliche Klage gegen ihren Verführer anzustellen. Im Vertrauen, daß er nicht so gottlos sein werde, einen falschen Eid zu schwören, schob sie ihm den Eid zu, daß er nicht der Vater ihres Kindes sei.

Schweinheim gehörte damals zu dem Unteramte Bessenbach, der Beamte hielt aber jede Woche einen Gerichtstag zu Schweinheim im Rathaus ab.

An dem bestimmten Tage erschienen die Klägerin und der Beklagte im Rathaus. Das Schwören kam zu jener Zeit nicht so häufig vor, als in der unsrigen; die Abnahme eines Eides war deshalb eine sehr feierliche Handlung. Auch in dem Rathaus zu Schweinheim war ein mit schwarzem Tuch bedeckter Tisch aufgestellt worden, worauf sich zwei brennende Kerzen und zwischen ihnen das Bild des Gekreuzigten befanden. Der Richter belehrte den Beklagten über die Heiligkeit des Eides und die schweren Folgen des Meineides, allein es rührte ihn alles nicht, und er bestand darauf, daß er den Eid ableisten könne, und es ward zur Abnahme geschritten. Eben hatte der Beklagte dem Richter nachgesprochen. »Ich schwöre« – da stürzte von der Zimmerdecke der Verputz herunter und gerade auf den Beklagten. Vor Schrecken brach er zusammen und lag unter Schutt und Staub halb vergraben. Er war unverletzt, aber sein Gewissen war ergriffen. Ehe er sich noch erhob, rief er: »ja, ich bin’s, ich bin’s; ich hätt‘ falsch geschworen. Lise, ich heirate dich!« – und so geschah’s auch.

Der Wassernix

Zur Adventszeit hört man im Kahlgrunde, in der Nähe von Schimborn, bei stiller Nacht »Hoho, Hoho!« schreien. Obwohl es fast wie eine Menschenstimme klingt, so wird’s doch denen, die es hören, unheimlich, denn der Rufer ist der Wassernix, der in der Kahl wohnt. Gesehen hat ihn noch niemand, aber seine Tücke sind wohlbekannt und darum geht ihm jeder gern aus dem Wege, wenn sein Ruf erschallt, und nicht leicht wagt es jemand, in der Nähe der Kahl einen Spaß über ihn zu machen.

Einst zur Adventszeit hatten sich einige Männer von Königshofen vor Tagesanbruch aufgemacht, um ihre Besen nach Aschaffenburg auf den Markt zu tragen. Es war bitterlich kalt und alles gefroren, und die Kahl sah aus wie ein Gletscher. Die Leute hatten schwere Trachten und mußten tief im sandigen Schnee waten; sie waren darum bereits ermüdet, als sie an die Kahl kamen, warfen ihre Trachten ab und ruhten eine Weile.

Da hörten sie plötzlich ein lautes Gepolter auf dem Eise der Kahl. Erschrocken sprangen sie auf, denn sie dachten alle zu gleicher Zeit an den Nix; um aber ihren Weg fortzusetzen, mußten sie über die Kahl, und es wollte auf dem Stege keiner der erste und keiner der letzte sein. Ein junger Mann sagte endlich scherzend: »Der Hannes soll vorausgehen, der ist ein frommer Mann, vor dem der Wassermann Respekt hat; der letzte will ich sein, der Wassermann und ich sind alte Freunde! « Und so schritten sie über den Steg. Als sie bald hinüber waren, rief der, welcher zuletzt ging, spottend ihnen zu: »Habt Acht, daß euch der Wassermann nicht holt! Hoho, Wassermann, hoho!« Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da ergriff ihn eine unsichtbare Hand und zog ihn hinab durch das Eis in die Kahl. Die andern Männer befiel ein solcher Schrecken, daß sie zwar lautlos ihren Weg fortsetzten, aber nach dem Verkaufe ihrer Besen auf einem andern Wege heimkehrten und den Steg bei Schimborn niemals mehr betraten. – Von dem Manne, der in die Kahl versank, hat man nichts mehr gesehen; ein Wasserwirbel bezeichnet aber jetzt noch die Stelle.

Jordanus Utz

Ein sehr alter Bau in der Steinergasse in Straubing ist das heutige Krönner-Anwesen, das ehemalige Höber-Lebzelterhaus an der Nordwestecke der Gasse. Als ältesten Besitzer dieses Anwesens kennen wir aus einer Urkunde vom Jahre 1368 Ulrich Utz, der damals Pfleger der Liebfrauenkirche (Jesuitenkirche) war. Die Buckelquader an der Ecke stammen noch von dem ersten Haus, das hier einst gestanden hat, und an dieses Haus knüpft sich eine interessante Begebenheit. Bei dem großen Stadtbrand 1393 wohnte hier ein vornehmer Mann, Jordanus Utz, genannt Uhlein. Als damals ein Haus nach dem andern in Feuer aufging, da stellte Uhlein eine hölzerne Statue des hl. Petrus vor das Fenster und sprach zu ihr: »Peterl, schau auf, daß mein Haus nicht verbrennt, sonst verbrennst du mit ihm.« Und wirklich, so berichtet uns der Geschichtsschreiber Andreas Presbyter von Regensburg, ein Zeitgenosse des Uhlein, blieb dieses Haus erhalten und zu dieser Statue entwickelte sich dann eine Wallfahrt.

Der Aufhocker

Eine alte Reinhartshoferin erzählte mir folgendes: Ich kam früher mit meinem Mann oft den Fußweg von Klimmach nach Reinhartshofen herunter, an der Justinaklause vorbei. Immer wenn ich nachts von zehn bis zwölf Uhr auf St. Justina zuging, erschien mir ein Geist. Sehen konnte ich ihn nie, aber er sprang mir immer auf die Fersen, als wollte er sich mir auf den Rücken setzen und reiten. Was habe ich da oft für eine Angst ausgestanden! Und mein Mann hat nie etwas davon gemerkt, dem hat der Geist nie etwas getan. Wenn wir nach zwölf Uhr vorbeigingen, habe ich nie etwas gespürt.

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