Kaiser Heinrich IV. nahm ein gar trauriges Ende. Seine Gebeine ruhen im Dome zu Speyer, aber sie kamen nicht alsbald nach seinem Tode dahin. Verstoßen von Thron und Reich gedachte er, am Dome zu Speyer einer Chorherrenpfründe teilhaftig zu werden; allein der Bischof Gebhard, den der Kaiser als solchen selbst auf den Stuhl gesetzt und bestätigt hatte, weigerte ihm die Aufnahme. Da seufzte der Kaiser und sprach: »Gottes Hand liegt schwer auf mir!« und zog trauernd von dannen. Und es geht in Speyer die Sage, als der alte Kaiser endlich arm und elend zu Lüttich an der Maas verstorben sei, da habe die Kaiserglocke im Dome von selbst zu läuten begonnen, und alle andern Glocken haben volltönig eingestimmt in das Geläute, und das Volk sei zusammengelaufen und habe gerufen: »Der Kaiser ist tot, der Kaiser ist tot! Aber wo? Wo ist er gestorben?« – Das wußte keiner.

Rheinsagen

Der Bischof zu Lüttich fühlte minder hart als der undankbare Bischof zu Speyer; er ließ den Verstorbenen mit gebührenden Ehren bestatten. Aber als das der unnatürliche Sohn Heinrichs, Kaiser Heinrich V., vernahm, ward der Bischof von Lüttich verurteilt, den Sarg des Bestatteten mit seinen eigenen Händen wieder auszugraben, da der Verstorbene im Banne dahingegangen und einen Gebannten die geweihte Erde nicht decken dürfe. Da ward der tote Kaiser in seinem Sarge auf eine Insel in der Maas gestellt, und niemand kümmerte sich um ihn. Aber siehe, da kam ein Mönch, den niemand kannte; der fuhr hinüber auf die Insel und betete an dem Sarge und las Messen über den Toten und sang ihm das Requiem29 . Und das trieb er fort und fort, bis Heinrich V. es vernahm und den Sarg mit den Resten seines Vaters gen Speyer führen ließ. Und als nun der Sarg im Königschor des Domes beigesetzt werden sollte, litt es der Bischof nicht, ehe denn der Papst zu Rom des deutschen Kaisers Überreste aus dem Banne löste. Das währte fünf Jahre; so lange blieb Kaiser Heinrichs IV. Sarg in Sankt Afra’s Kapelle unbeerdigt stehen.

Aber den Kaiser Heinrich V. wußte Gottes Hand auch zu finden; denn er blieb erbenlos und fiel in des Papstes Bann wie sein Vater. Und als er verstarb, da läutete vom Münsterturme zu Speyer ein Glöcklein von selbst gar hell und schrillend, und keine andere Glocke fiel ein, und niemand wußte, warum es läute. Und das Volk lief zusammen und fragte sich untereinander: »Wo wird denn einer zur Richtstätte hinausgeführt, daß das Armesünderglöcklein läutet?« –

  1. Totenmesse