Kapitel 2

 

Schon im ersten Jahre ihrer Niederlassung in Wlastowitz hatten die Brüder beschlossen, sich zu verheiraten, und auch bereits die Wahl ihrer zukünftigen Gattinnen getroffen. Friedrich entschied sich für eine Gräfin Josephe, Tochter des Hochgebornen Herrn Karl, Reichsgrafen von Einzelnau-Kwalnow, und der Hochgebornen Frau Elisabeth, Reichsgräfin von Einzelnau-Kwalnow, gebornen Freiin von Czernahlava, Sternkreuzordensdame. Ludwig, der längst mit sich darüber im reinen war, daß er lieber zeitlebens in dem ihm eigentlich verhaßten Junggesellenstande verharren als eine Aristokratin heiraten wolle, faßte den Entschluß, Lina Äpelblüh, ein Kaufmannstöchterlein aus dem nächsten Städtchen, zu seiner Frau und zur Mutter einer großen Anzahl freisinniger Gemperlein zu machen.

Daß die Bekanntschaft, welche die Brüder mit ihren Auserwählten geschlossen hatten, von sehr intimer Art gewesen sei, ließ sich nicht behaupten. Friedrich war seiner Braut im Genealogischen Taschenbuche der gräflichen Häuser begegnet und wußte nur weniges von ihr, dieses wenige aber mit Bestimmtheit. Sie wohnte in Schlesien, auf dem 1100 Joche umfassenden Gute ihres Vaters, stand im Alter von dreiundzwanzig Jahren, hatte fünf Brüder, von denen der älteste dreizehn Jahre zählte, und bekannte sich zur katholischen Konfession.

Ihre Familienverbindungen waren sowohl väterlicher- als mütterlicherseits äußerst achtbare. Sie gehörten zwar nicht dem höchsten, aber einem guten, erbgesessenen Adel an, dessen Anciennität der des Gemperleinschen nichts nachgab. Einen nicht geringen Einfluß auf Friedrichs Wahl übte der Umstand, daß Josephe nur Brüder und keine Schwestern hatte; so geriet der Mann, der sie heimführte, nicht in Gefahr, seinen häuslichen Frieden durch einige allenfalls zum Zölibat verurteilte Schwägerinnen bedroht zu sehen. Kurz, unter sämtlichen Töchtern des Landes, die das gräfliche Taschenbuch aufzuführen wußte, paßte für Friedrich keine wie Josephe Einzelnau.

Er verfolgte den Lebenslauf seiner Erkorenen mit liebevoller Aufmerksamkeit durch drei Jahrgänge des Almanachs und befestigte sich immer mehr in dem Vorsatze, seinerzeit nach Schlesien zu reisen und sich dem Grafen von Einzelnau als ein von den redlichsten Absichten beseelter Bewerber um die Hand Gräfin Josephens vorzustellen.

Ludwig indessen kannte Fräulein Lina nicht nur von Angesicht zu Angesicht, er hatte sie sogar einmal gesprochen, als sie nach Wlastowitz gekommen war, um ihre Tante, die Frau Verwalterin Kurzmichel, zu besuchen.

»Wie geht’s?« fragte er das hübsche Kind, das er im Garten mit einer Stickerei beschäftigt traf. Lina Äpelblüh erhob sich von der Bank, auf der sie gesessen, machte einen kurzen, resoluten Knicks, den echten Bürgermädchenknicks, der mit reizendster Unbeholfenheit das gediegenste Selbstbewußtsein ausdrückt, und antwortete: »Ich danke, gut.«

Wie sehr ihn das freue, verriet ihr ein feuriger Blick seiner blauen Augen, und ihre braunen senkten sich.

Eine Pause. – Was soll ich ihr jetzt sagen? … Donner und Wetter! was soll ich ihr jetzt sagen? dachte der Freiherr und rief endlich: »Das macht die Landluft!«

»Oh, mir geht’s auch in der Stadt gut!« versetzte die Kleine mit einem munteren Lächeln.

Die Erinnerung an dieses Gespräch beschäftigte den Freiherrn sehr oft und sehr angenehm; er gab sich ihr ohne Rückhalt hin, und seine Phantasie schmückte das bescheidene Erlebnis mit den anmutigsten Zutaten aus. Der Gruß der lieblichen Jungfrau, ihr Lächeln, ihr Erröten gewannen eine täglich wachsende, für ihn immer schmeichelhaftere Bedeutung.

Eines Tages – an einem Sonntage war’s, an dem das Ehepaar Kurzmichel auf dem Schlosse gespeist hatte – wandte sich Ludwig plötzlich mit den Worten zur Frau Verwalterin: »Ein ganz charmantes Mädchen, Ihre Nichte! Ein schönes, liebenswürdiges Mädchen.«

Frau Kurzmichel hatte eben den Beratungen Friedrichs und ihres Mannes über die bevorstehende Schafschur mit jenem verständnisinnigen Interesse für ernste Dinge gelauscht, dem sie vor allem anderen den Ruf einer ausgezeichnet gescheiten Frau verdankte. Sie bedurfte einiger Augenblicke, um ihrem Gedankenfluge die neue Richtung zu geben, die ihm durch Ludwigs wie vom Himmel gefallene Bemerkung vorgeschrieben wurde. Sobald ihr dies jedoch gelungen, verbreitete sich ein Ausdruck zarten Wohlwollens über ihr großes, würdevolles Gesicht. Sie schüttelte beistimmend die Locken, die, unzertrennlich von der Sonntagshaube, mit dieser zugleich angelegt wurden, und sprach: »Ein braves Kind! Ein wohlerzogenes, häusliches… Ich darf es gestehen.«

Das Lob der sittenstrengen Dame war ein Moralitätszeugnis von unschätzbarem Werte.

Ludwig sagte nur: »So, so«, aber er rieb sich die Hände mit einer Art von Phrenesie, was bei ihm das Zeichen allerhöchsten Behagens, eines wahren Glückseligkeitsrausches war.

Schon einige Monate später kündigte er seinem Bruder eines Abends an, daß es sein ganz bestimmter, unerschütterlicher, durch keine Rücksicht, keinen Widerstand, kein Hindernis, mit einem Worte durch nichts auf Erden zu besiegender Wille sei, sich mit Lina Äpelblüh zu verheiraten.

Als er diesen Namen nannte, schoß Friedrich einen Blick nach ihm, geladen mit Entrüstung und wildem Hohne, doch senkte er ihn sogleich wieder auf das Buch, das er vor sich liegen hatte. Es war »Judas, der Erzschelm«, sein Lieblingsbuch. Die Ellbogen auf den Tisch gestemmt, die zu Fäusten geballten Hände an die Schläfen gepreßt, setzte er mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit seine Lektüre fort. Auch Ludwig hatte seine Arme, jedoch verschränkt, auf den Tisch gelegt, machte, wie man zu sagen pflegt, einen Katzenbuckel und blickte seinen Bruder scharf und unverwandt an. Dieser wurde immer röter im Gesichte, immer drohender zogen die Falten auf seiner Stirn sich zusammen, allein er las – und schwieg.

Nun stieß Ludwig ein gellendes »Haha!« hervor, lehnte sich zurück und begann zu pfeifen.

»Pfeif nicht!« schrie Friedrich heftig, ohne jedoch die Augen zu erheben.

»Schrei nicht!« entgegnete Ludwig überlaut und setzte rasch und polternd hinzu: »Was hast du gegen meine Heirat? Es ist mir zwar ganz gleichgültig, aber ich will es wissen!«

Friedrich schob das Buch von sich. »Ich hab gegen deine Heirat – nichts!« sagte er, »heirate, wen du magst, meinetwegen eine Taglöhnerin! … Nur«, sein Gesicht nahm einen Ausdruck von kalter Grausamkeit an, er durchschnitt mit einer feierlichen Bewegung der erhobenen Hand die Luft zwischen sich und seinem Bruder, »nur: Jedem das Seine! – Es gibt Stufen im Leben. – Dich zieht’s nach den unteren, mich – nach den oberen…«

»Was?« unterbrach ihn Ludwig mit herausforderndem Spotte. »Was gibt’s im Leben? – Stufen?«

Friedrich ließ sich nicht irremachen; er fuhr in dem magistralen Tone fort, den er in entscheidenden Augenblicken anzunehmen wußte: »Meine Frau hüben – die deine drüben. Umgang duld ich nicht. Die Schwelle der gebornen Äpelblüh wird meine Josephe niemals überschreiten.«

»Das hoff ich!« rief Ludwig. »Umgang mit einer hochmütigen Aristokratin – dafür dank ich. Meine Frau soll gar nicht ahnen, daß Närrinnen existieren, die sich für etwas Besonderes halten, weil man ihre Ahnen zählen kann!«

»Warum kann man das?« fiel Friedrich ein. »Weil diese Ahnen sich hervorgetan haben, nicht untergegangen sind in der Menge – darum kann man sie zählen.«

»Zufall!« entgegnete der jüngere Freiherr von Gemperlein, »daß sie sich hervortun konnten; Gunst der Verhältnisse, daß die Erinnerung an ihr ehrenwertes oder nichtsnutziges Wirken sich im Volke wach erhielt… Es gibt Taten genug – lies die Geschichte! –, es gibt weltumgestaltende Ereignisse genug, deren Urheber niemand zu nennen weiß… Was ist’s mit den Nachkommen dieser Männer? Kannst du darauf schwören, daß dein Anton Schmidt nicht von dem Sänger des schönsten deutschen Götterliedes, nicht von einem der Wahlkönige der Goten abstamme? Kannst du darauf schwören?« fragte er und sah seinen Bruder durchbohrend an. Dieser, ein wenig außer Fassung gebracht, zuckte die Achseln und sprach: »Lächerlich!«

»Lächerlich? Ich will dir sagen, was lächerlich ist. Es ist lächerlich, Auszeichnungen zu genießen, die andere verdienten. Es ist mehr als lächerlich, es ist niedrig, den Lohn fremder Mühe einzusäckeln!«

»Fremder? Sind meine Ahnen mir fremd?!«

»Laß deine Ahnen in Ruh! Wirst du denn ewig deinen Anspruch auf das Köstlichste, das es gibt, auf die Achtung der Menschen, aus dem Ekelhaftesten, das es gibt, aus dem Moder wühlen? … Pfui! Mich widert’s an!« Ludwig schüttelte sich vor Abscheu und fügte dann ruhiger, in beinahe flehendem Tone hinzu: »Wirst du denn niemals einsehen, daß sich zugunsten der Adelsinstitution nichts vorbringen läßt, als was Staatsanwalt Séguier – lies die Geschichte! – zugunsten anderer Mißbräuche sagte: Ihre lange Ausübung macht sie ehrwürdig… Oder was die Bollandisten zugunsten des Diebstahls sagten – lies die Acta Sanctorum nur bis zum vierundvierzigsten Bande…«

»Bis zum wievielten?« schrie Friedrich, empört über diese hirnverbrannte Zumutung.

Sein Bruder lächelte geringschätzig und sprach: »Kennst du den Preis, mit welchem du deinen Ahnenstolz bezahlst? Er heißt Selbstachtung! … Was ich bin, was ich bleibe, wenn man mir meinen Namen, meinen Rang, mein Vermögen nimmt, darin besteht mein Wert, auf den allein bau ich mein Recht, das übrige veracht ich als Geschenk des blinden, sinnlosen Zufalls!«

Beide waren aufgesprungen; der Ältere stürzte auf den Jüngeren los und packte ihn an den Schultern: »Wessen Geschenk sind denn diese Schultern, wem verdankst du diese Brust, den Wuchs, der das Mittelmaß der Menschen um Kopfeshöhe überragt? Und daß in deiner Brust ein redliches Herz schlägt und daß in deinem Kopfe Ideen wohnen – tolle freilich – aber doch Ideen –, wem verdankst du das alles? Hast du’s vom Zufalle? Hast du’s von deinen Ahnen?«

»Ich hab’s von der Natur!«

»Jawohl, von der Gemperleinschen Natur!« versetzte Friedrich triumphierend.

»Dein Gedankenkreis«, sagte Ludwig nach einer kleinen Pause, »hat nicht mehr Umfang als der eines Perlhuhns. Ein fester Punkt ist da, um den drehst du dich herum wie jenes Tier auf dürrer Heide –«

»Perlhuhn? Tier?« brummte Friedrich, »einmal könntest du aufhören mit deinen Vergleichen aus der Zoologie.«

»Der feste Punkt, von dem aus jeder Esel«, Ludwig ließ die Stimme auf diesem Worte ruhen, um zu zeigen, wie wenig er die erhaltene Ermahnung berücksichtige, »von dem aus jeder Esel die vernünftige Welt aus ihren Angeln heben kann, heißt das Vorurteil.«

»Ludwig! Ludwig!« unterbrach ihn hier sein Bruder, »mit erhobenen Händen beschwör ich dich: Taste das Vorurteil nicht an… Vorurteil!« wiederholte er und legte auf dieses Wort einen unbeschreiblichen, man könnte sagen: zärtlichen Nachdruck, »so nennt der Grobian die Höflichkeit, der Egoist die Selbstentäußerung, der Schurke die Tugend, der Atheist den Glauben an Gott, das ungeratene Kind die Ehrfurcht vor den Eltern! Nimm das Vorurteil, du nimmst die Pflicht aus der Welt!«

»Holla! Es ist genug!« sprach Ludwig gebieterisch. »Dir beweisen Gründe nichts, man muß mit Taten kommen.« Er warf den Kopf zurück, sein Blick war prophetisch in die Ferne gerichtet, eine erhabene Zuversicht klang aus seiner Stimme. »Meine Kinder werden dich lehren, was das heißt, erzogen sein in Ehrfurcht vor dem Ehrwürdigen, aber – ohne Vorurteil…«

»Deine Kinder! Bleib mir mit deinen Kindern vom Leibe!« schrie Friedrich auf und focht mit verzweiflungsvoller Hast in der Luft umher, als gälte es, von allen Seiten in hellen Schwärmen heranfliegende kleine, vorurteilslose Gemperlein von sich abzuwehren, »sie dürfen mir nicht über die Schwelle, deine Kinder! Ich verbiete ihnen mein Haus!«

Tief verletzt in seinem etwas verfrühten Vaterstolze wandte Ludwig sich ab.

»Kinder ohne Vorurteile!« fuhr Friedrich empört fort, »Gott bewahre einen vor solchen Ungeheuern!«

»Brauchst Gott nicht anzurufen, bist schon bewahrt«, versetzte sein Bruder mit eisiger Kälte. »Das übrigens versteht sich von selbst – an die Türe, die meiner Frau, meinen Kindern gewiesen wurde, werde ich nie pochen. Unsere Wege trennen sich. Wo sind die Schlüssel des Archivs?«

Er holte die Karte von Wlastowitz herbei, breitete sie auf dem Tische aus und begann die Grenzlinie, welche das schöne Blatt ohnehin schon traurig verunstaltete, zu beiden Seiten so derb zu schattieren, daß sie jetzt wie ein hoher, unübersteiglicher Gebirgszug erschien, der sich schroff durch die spiegelglatte Ebene, durch die blühendsten Felder und Wiesen hinschlängelte. Friedrich sah ihm traurig und grimmig zu.

»So!« brummte Ludwig jedesmal, wenn er von neuem die Feder eintauchte, »das zwischen uns. Hier bist du – hier bin ich. Gemeinschaft ist gut im Himmel, aber leider! leider! nicht auf der Erde… Die jetzigen Menschen sind noch nicht danach! …«

Nicht so schnell als mit der längst auf dem Papier durchgeführten Teilung der Gründe konnte Ludwig mit der Wahl des Platzes fertigwerden, an dem das Blockhaus zu errichten sei; gegen jeden, für den er sich entschied, machte Friedrich einen triftigen und berücksichtigenswerten Einwand. Ludwig verlor endlich das bißchen Geduld, das er noch zu verlieren hatte.

»Jetzt hab ich’s satt. Da wird’s stehen!« rief er und bezeichnete mit der in zorniger Hast geschwungenen Feder die Stelle, auf der sein zukünftiges Heim sich erheben solle. Ach! Wie eine schwarze Träne fiel ein großer Klecks auf die Karte von Wlastowitz. Auf die schöne Karte, das treffliche, noch auf Anordnung des seligen Vaters mit wahrem Mönchsfleiße ausgeführte Werk eines ausgezeichneten Ingenieurs… Friedrich zuckte zusammen, und Ludwig murmelte: »Hunderttausend Millionen Donnerwetter! Die verdammte Feder!« –

Herr Verwalter Kurzmichel war an jenem Abende eben im Begriffe, das eheliche Lager zu besteigen, in dem seine Gemahlin bereits Platz genommen, als er durch ein heftiges Pochen am Haustore in seinem Vorsatze gestört wurde. Eilige Schritte auf der hölzernen Treppe, rasch gewechselte Worte – – Frau Kurzmichel saß schon aufrecht in ihrem Bette – die beiden Gatten sahen einander an; er ein Bild der Bestürzung, sie ein Bild der Wachsamkeit. Nun klopft es an die Stubentür: »Herr Verwalter«, ruft die Magd, »Sie sollen kommen – ins Schloß – gleich!«

»Um Gottes willen – brennt’s?« stöhnte Herr Kurzmichel und stürzte auf die Türe zu. Aber seine Frau kam ihm noch glücklich zuvor: »Kurzmichel – du wirst doch nicht – du bist – – in diesem Nichtanzuge…«

»Wahr, wahr« entgegnete Herr Kurzmichel mit klappernden Zähnen, eilte an den Nachttisch zurück, setzte für alle Fälle seine Brille auf und machte krampfhafte Versuche, seine Tabaksdose in eine nicht vorhandene Tasche zu versenken.

»Ruhe, Kurzmichel! – in jeder Lage des Lebens Ruhe!« mahnte die Frau Verwalterin und rief nun ihrerseits durch die geschlossene Tür: »Brennt es?« – »Nein – brennen tut’s nicht!« antwortete von draußen Antons derbe Stimme, »aber der Herr Verwalter soll gleich ins Schloß kommen!«

Frau Kurzmichel half dem Gatten in die Kleider: »Was mag’s geben? Was mag’s nur geben?« fragte ihr Mann einmal ums andere, und innerlich bewegt, äußerlich aber ruhig wie das gute Gewissen, antwortete die große Frau: »Was soll’s denn geben? Die Flanelljacke, Kurzmichel! … Wer hätte uns etwas vorzuwerfen? Was kann uns geschehen? Ich denke, wir stehen da! Nein! nein – ohne Flanelljacke darfst du mir nicht hinaus in die Nacht!«

Eine Viertelstunde verging. Die Frau Verwalterin hatte inzwischen Tee gekocht und die Wärmflasche mit heißem Wasser gefüllt. Der Herr Verwalter mußte, als er zurückkam, vor allem anderen zu Bette. Der Tee, den seine Gattin ihm aufnötigte, verbrannte ihm den Gaumen und die Wärmflasche die Fußsohlen. Er klagte ein weniges darüber. Aber seine heilkundige Hälfte belehrte ihn: »Das ist nur die Erkältung, die herausgeht, das tut nichts… Und jetzt sprich: Was hat’s gegeben im Schlosse?«

»Befehle, liebe Frau; dringende, striktens zu befolgende Befehle wegen des morgen mit dem frühesten beginnenden Baues von Freiherrn Ludwigs…«

»Blockhaus!« fiel die Frau Verwalterin mit ironischer Schärfe ein.

Ihr Gatte blickte sie voll Erstaunen an: »Woher vermutest du? …« sagte er.

Die Antwort, die er erhielt, war eine sehr sonderbare. Sie lautete: »Man könnte wahrlich, wenn der Respekt dies nicht verböte, in Versuchung geraten, die Herren Barone trotz all ihrer ausgezeichneten Eigenschaften, die ich verehre, ein bißchen – wie sag ich nur – zu nennen.« Die Frau Verwalterin machte eine Pause, bevor sie wieder die schmalen Lippen zu den aufzeichnenswerten Worten öffnete: »Denke an mich, Kurzmichel, denke in zehn Jahren an mich, wenn du noch lebst, was Gott gebe: Das Blockhaus wird nie gebaut! – Gute Nacht, Mann, lege dich aufs Ohr und schlafe, morgen wecke ich dich nicht!«

Man muß gestehen, die seltene Frau gab in jener Stunde einen durch das Dunkel der Zeiten glänzend leuchtenden Beweis ihres Scharfsinnes, ihrer merkwürdigen Voraussicht und ihrer ausgezeichneten Kenntnis des menschlichen Herzens.