Sechzehntes Kapitel

Die ersten Tage verstrichen Fortunaten wie im Rausche, alles schimmerte vor seiner Seele, er mochte in dem Glanze noch nichts deutlich unterscheiden. Der beste Führer durch Rom und der Plan der Stadt lagen auf dem Tische aufgeschlagen, jeden Morgen ging er mit dem festen Vorsatze aus, seinen regelmäßigen, auf dem Plane im voraus rot punktierten Umlauf zu beginnen, aber eine überraschende Aussicht zog ihn an, ein Bänkelsänger, der einen Kreis von Lumpengesindel um sich versammelte, lenkte ihn von seinem Wege ab und hielt ihn lange auf, oft folgte er durch ganze Straßen ein paar seltsamen Männergestalten, deren römische Nasen und ausdrucksvolle Gebärden ihm eben besonders auffielen, und wenn er dann ermüdet von dem müßigen Umherschlendern zurückkehrte, mußte er sich dennoch eingestehen, daß er in der kurzen Zeit mehr gesehen und erfahren hatte, als sein gedruckter Führer sich träumen ließ.

Auf einem solchen Streifzuge hatte er sich eines Abends in ein entlegenes Labyrinth kleiner Gassen verirrt, die Bewohner saßen plaudernd vor den Türen, schöne, halbnackte Kinder spielten und lärmten in dem Abendschimmer. Da hörte er unerwartet weiterhin ein lautes Gezänk in deutscher Sprache herüberschallen und eilte neugierig dem Haus zu, woher der Lärm kam. Auf einmal sprang die Haustür hastig auf, und ein wohlgekleideter, nicht mehr ganz junger Mann kam so unsanft herausgeflogen, daß er den Hut vom Kopf verlor. »Mein Gott! Du, Grundling!« rief Fortunat überrascht aus – es war der deutsche Reisende, der ihm die Wohnung in dem Palast besorgt hatte. – »Da bist du ja wie gerufen«, sagte dieser ganz ruhig seinen Hut abstaubend, »ich will dich sogleich bei Landsleuten einführen.« Hiermit versuchte er den Drücker der Tür, fand sie aber hinter sich verschlossen. »Hat nichts zu sagen«, meinte er nun, winkte Fortunaten und führte den Erstaunten in das leerstehende Nebenhaus, im Dunkeln vorsichtig tappend, zwischen wüstem Gerülle hindurch. Währenddes hörten sie im Innern nebenan eine männliche und eine weibliche Stimme immerfort lebhaft miteinander zanken. »Das sind nun meine goldene Träume!« rief der Mann. – »Träume?« erwiderte das Mädchen schnippisch, »so zwick dich in die Nase, damit du erwachst, ich glaube, du bist heut wirklich betrunken.« – »Was wußtest du je von der Trunkenheit der göttlichen Kunst!« fiel er ihr wieder ins Wort, »ich Tor, der ich meinte, dich mit emporzuheben! Nun zerrst du mich selbst mit hinab und machst mir die Welt so gemein, daß ich ihr alle meine Farbentöpfe an den Kopf werfen möchte!« – »Nun, einen deiner Pinsel wenigstens hast du schon hinausgeschmissen«, entgegnete das Mädchen lachend. – »Da meint sie mich«, sagte Grundling zu Fortunat, »fideles, genialisches Volk!«

Jetzt öffnete er am Ende eines schmalen, finsteren Ganges eine Hintertür, und sie traten in ein großes, wüstes, von einem Kaminfeuer zweifelhaft erleuchtetes Gemach, wo Fortunat zu nicht geringer Verwunderung in den Zankenden Kordelchen und Guido erkannte. Die erstere saß auf einem Koffer, wo sie Wäsche zu flicken schien. Kaum hatte sie Fortunaten erblickt, als sie, aufspringend, alles wegwarf, ihm mit großer Freude an den Hals flog und ihn tüchtig abküßte. Guido, bleich und verstört, stand schweigend und schien einen Augenblick verlegen. Kordelchen aber erzählte in aller Geschwindigkeit, Herr Grundling, der in Rom bekannt sei wie in seiner eigenen Tasche, habe Guidon in den Bildergalerien und bei allen Malern herumgeführt, vor kurzem seien sie in einem großen, philosophischen Disput über die Kunst zurückgekehrt, da habe Grundling Guidos angefangene Bilder und Zeichnungen getadelt, daraus sei der ganze Spektakel entstanden. – »Wie du alles wieder verdrehst!« fiel ihr Guido heftig ins Wort, »es ist nicht um den Plunder auf meiner Staffelei dort! Vor den übermächtigen, alten Bildern in den Werkstätten unserer frommen, ernsten deutschen Künstler, da tat es plötzlich einen langen Blitz über mein ganzes leben von allen Decken, Wänden herab und verbrannte, was hinter mir lag. Da wußt‘ ich’s auf einmal, wer ich bin, ein weinerlicher, erbärmlicher Wicht, der noch nichts gemalt und erdacht hat!« – Hier brach seine Stimme, er setzte schnell seinen Hut auf und stürzte, ohne jemanden zu begrüßen, trotzig zur Tür hinaus.

»Es ist doch ein schöner Junge, besonders wenn er böse wird«, sagte Kordelchen, ihm nachsehend. Grundling zündete unterdessen an dem Kamin, wo Überbleibsel vom Mittagessen aufgewärmt wurden, gelassen seinen Zigarren an, während Fortunat Guidon nacheilen wollte. Aber Kordelchen vertrat ihm den Weg. »Ich bitte Sie, lieber Baron«, sagte sie, »tun Sie ihm nicht den Gefallen, denn er will doch nur bedauert und widerlegt sein. Je mehr man ihn tröstet und streichelt, je ungebärdiger wird er, wie ein ungezogenes Kind, das sich selbst in die Zunge gebissen hat.«

Sie fing nun, unbekümmert um die Gegenwart der beiden Fremden, vor den Trümmern eines zerbrochenen Spiegels sich schnell zu putzen an, wobei sie Fortunat sehr lustig erzählte, wie sie nach Rom gekommen. Das fröhliche Mädchen, schon früh für die Bühne dressiert, hatte durch ihr Zusammentreffen mit Lothario zum ersten Male in ihrem Leben Lust und Leid in ihrer tieferen Gewalt erfahren, ohne sich weiter ihren Zustand klarzumachen. Als nun aber der unbeständige Freund so plötzlich verschwunden war, wurden ihr Theater, Sorti und alle die alten Gesichter langweilig, und der enthusiastische Guido beredete sie um so leichter, ihn nach Italien zu begleiten, als sie dadurch an Lotharios Untreue sich zu rächen und insgeheim diesen hier wiederzufinden meinte, was sie aber allen verschwieg. Unterwegs hatte sie sich unzählige Male mit Guido entzweit und wieder versöhnt, sie galt für seine Frau, hier in Rom endlich zerstreute sie die neue Welt, und so führte sie gedankenlos ihr gewohntes, leichtfertiges Leben mit einer gewissen Unschuld fort, die dabei nichts Arges hatte. – »Aber wie sind Sie damals in der Schweiz den Lord und den Albert wieder losgeworden?« fragte sie plötzlich Fortunaten. – »Wie!« sagte dieser erstaunt, »so wart ihr es in jener Nacht?! – »Freilich«, erwiderte sie lachend, »ich kannte ihre Einbildung, und ritt und trug mich wie die arme Gräfin, um die irrenden Ritter zu foppen.«

Währenddes machte Grundling dem Mädchen bei ihrer Toilette auf seine schwerfällige Art den Hof, was sie sogleich zu benutzen wußte, indem sie beständig etwas zu kommandieren hatte, bald mußte er ihr ein Tuch holen, bald eine Nadel suchen, dann reichte sie ihm ihr Füßchen hin, um ihr den Schuh festzubinden, was der trockene Schalk mit ungeschickter Umständlichkeit ausführte. Darauf wollte sie ihre Gäste auf nordische Weise mit Tee bewirten, aber da waren die Teelöffel verlegt, die Tassen voll Farbenkleckse, zudem war es schon finster, und je mehr man suchte, je größer wurde die Verwirrung, bis Kordelchen endlich, den Einfall wieder aufgebend, die beiden Männer lustig zu einem Seitenpförtchen hinausschob, um ihnen ihren sogenannten Garten zu zeigen.

So gelangten sie durch das dunkelverbaute Hinterhaus auf einen kleinen, grünen Platz, dessen Aussicht Fortunaten wunderbar überraschte. Denn hinter den Weingeländen und duftigen Gärten, die sich terrassenartig senkten, lag plötzlich die Nacht mit ihren Trümmern und zerbrochenen Säulen wie ein Buch der Vergangenheit unter ihnen aufgeschlagen, dessen Anfangsbuchstaben der Mond rätselhaft vergoldete. Da hörten sie von fern aus den Gärten einzelne Akkorde einer Laute, bald darauf sang eine schöne männliche Stimme:

Jetzt wandr ich erst gern!
Am Fenster nun lauschen
Die Mädchen, es rauschen
Die Brunnen von fern.
Aus schimmernden Büschen
Ihr Plaudern, so lieb,
Erkenn ich dazwischen,
Ich höre mein Lieb!
Der Dichter ins Haus.

Kordelchen, die aufmerksam hinabgelauscht hatte, besann sich nicht lange und antwortete sogleich nach derselben Melodie:

Ich höre mein Lieb,
Beim wechselnden Scheine
Verläßt er die Seine
Und kommt wie ein Dieb.
Es hallt von den Steinen,
Die Wipfel wehn sacht
Und sagen’s der Deinen
Ja, hüt dich bei Nacht!

Der Sänger unten schien es vernommen zu haben, er sang, immer näher und näher kommend, lustig entgegen:

Ja hüt dich! bei Nacht
Pflegt Amor zu wandern,
Ruft leise die andern,
Da schreiten erwacht
Die Götter zur Halle
Ins Freie hinaus,
Es bringt sie dir alle

Die Stimme schien Fortunaten bekannt, da rauschte es in dem nächsten Gebüsch, und mit einem leichten Satze schwang sich der Sänger zwischen dem alten Gemäuer zu ihnen herauf, daß seine Laute an den Zweigen einen fröhlichen Klang gab. – » Otto!« rief Fortunat freudig aus, denn es war niemand anders, als der poetische Student aus Hohenstein. Fast aber hätte er ihn nicht wiedererkannt, so verwandelt, von der Sonne gebräunt und rüstig erschien der Jüngling. Er hatte Fortunats Ankunft schon erfahren, und erzählte ihm nun sogleich voller Entzücken von seiner Reise und dem hiesigen Aufenthalt, er war wie berauscht in den fremden Lüften. Kordelchen neckte ihn mit seinem römischen Liebchen, und Grundling schwor, das sei das schönste Frauenzimmer, das er jemals gesehen, alle Maler stiegen nach, wenn sie, ihr Fruchtkörbchen auf dem Kopfe mit dem einen Arm unterstützend, schlank und zierlich über den Markt ging; einem Landsmann habe sie bei dieser Gelegenheit einmal eine Feige umsonst gereicht, nämlich hinters Ohr.

Während sie noch so sprachen, hörten sie hinter sich im Hause heftig gehen und die Türen zuschlagen. Es war Guido, der, in der ungebärdigsten Laune zurückgekehrt, nach Licht rief und im Finstern mit den Stühlen umherwarf. – »Heraus, du verstörter Poltergeist mit deinem dummen Künstlerunglück!« rief Grundling in das Haus hinein. – »Laßt mich jetzt ungeschoren, das rat‘ ich euch«, erwiderte Guido zornig von innen, »wem sein Himmel über dem Haupte zusammenbrach, dem kommt’s auf ein paar Scherben mehr oder weniger nicht an.« – Hier aber verwickelte er sich unter dem alten Gerümpel des Hausflurs mit den Füßen in umherliegende Schläuche, er zuckte ungeduldig, darüber geriet ein übereinandergeschichteter Turm von leeren Weintonnen und Maler, unaufhaltsam übereinanderkollernd, zum Hause herausgestürzt kamen. Grundling, der sich vorwitzig der Türe genähert hatte, konnte nicht so schnell entspringen, eine Tonne hüpfte ihm zwischen die Beine, er wollte sich an Otton festhalten, erwischte aber nur seine Laute, mit der er krachend niederfiel. Otto schalt auf Grundling, Grundling auf Guido, Guido auf mehrere alte Weiber, die über den Lärm keifend aus allen Dachfenstern herausfuhren. Mitten aus dieser Verwirrung brach endlich das tiefe, weitschallende Lachen Grundlings mit solcher vehementen Herzlichkeit, daß es bald Handelnde und Zuschauer unaufhaltsam mit fortriß.

Diese unerwartete Explosion zerstreute die letzten Wölkchen an dem leicht beweglichen Horizont. Auch Guido hatte darüber seine hochmütige Zerknirschung gänzlich wieder vergessen. Man holte Wein herbei, und Kordelchen forderte Grundlingen auf, da sie sich eben alle wie in der Arche Noah so fröhlich zusammengefunden hätten, bei der schönen, warmen Nacht seine Lebensgeschichte zum besten zu geben, was von den andern mit großem Applaus aufgenommen wurde.

Grundling langte nun aus seinem tiefen Schubsack erst mehrere Stücke eines Pfeifenrohrs hervor, die er umständlich zusammensetzte, und einen ungeheuern Pfeifenkopf vollpfropfte, während er auf einem der umgestürzten Weinfässer Platz nahm. Die andern hatten sich, um dem Qualme des schlechten Tabaks zu entgehen, vorsichtig außer dem Winde um ihn her gesetzt, worauf derselbe endlich folgendermaßen begann:

»Du wirst dich noch erinnern, Fortunat, wie ich in Heidelberg mich so in die Wissenschaften verbissen hatte, daß ich gar nicht mehr loskommen konnte.« – »Allerdings«, erwiderte Fortunat, »du und dein grüngräulicher Mantel hatten schon mehrere Studentengenerationen überlebt, als ich dort ankam. Du warst ein hartnäckiger Kantianer und standst, noch immerfort nach der Aufklärung hinweisend, wie ein alter Meilenzeiger, den man mitten im Kornfelde vergessen, nachdem Fichte und Schelling längst andere Straßen gezogen hatten. Du verachtetest damals uns Jüngere unsäglich, die wir den neuen Weg eingeschlagen.« – »Nun bei Gott, das tu‘ ich auch jetzt noch«, rief Grundling, indem er dicke Tabakswolken von sich stieß. – »Auf einmal aber warst du in Heidelberg spurlos verschwunden«, sagte Fortunat. »Ein von den Ferien zurückkehrender Student hatte deinen Mantel mitten auf der Heerstraße gefunden, den wir sodann mit einem philosophischen Leichensermon feierlich zur Erde bestattet haben. Wie ging das zu?« – »Das will ich euch wohl berichten«, entgegnete Grundling.

»Es trieb sich dazumal ein schlanker, junger Mensch in Heidelberg herum, den niemand näher kannte, er war nicht Student, nicht Philister, aber verdammt schlau. Das kam mir gleich verdächtig vor, denn ich habe in solchen Stücken eine feine Nase. Ich fühlte dem Patron bei schicklicher Gelegenheit auf den Zahn, da sprach er von Fürsten, Ministern und Bischöfen! – versteht ihr? Bischöfen – mit denen er oft an naher Berührung stände, von Rührung, Stimmung der Seelen usw., aber alles glatt und durcheinandergeschlungen, wie ein Aal. Da schoß mir endlich ganz das Blatt. Ja, liebe Freunde, es war niemand anders als ein geheimer Jesuit, so ein verdammter proselytenmacherischer Emissär! Nun, ihr kennt mich, von Stund‘ an faßt‘ ich den Kerl scharf ins Auge, sann und beobachtete ihn bei Tag und Nacht. Eines Abends sehr spät wandle ich eben in meinem Mantel vor dem Tore so für mich auf und nieder, als ich auf einmal den Emissär sacht und vorsichtig in ein dunkles Gebüsch schlüpfen sehe. Ich, nicht zu faul, lenke sogleich meine Schritte dahin, arbeite mich durch Strauch und Dorn immer tiefer nach, und was erblick‘ ich?! – Unter einer hohen Linde im dämmernden Mondschein steht der Emissär in erhabener Stellung, neben ihm ein sehr junger Mensch, der soeben, die rechte Hand zum Himmel gereckt, einen feierlichen Schwur ablege. Nun halt‘ ich mich nicht länger, ich stürze hervor und donnere den Seelenverkäufer an, daß er sich unterfange, diesen Sitz der Aufklärung mit der pestilenzialischen Finsternis des Mittelalters zu verdüstern et cetera. Unterdes fing auch über meiner Rede ein Hund in der Nähe zu bellen an, einige Personen bewegten sich von fern zwischen den Bäumen, die Überraschten wurden immer verlegener, ich fuhr in meinen Ermahnungen immer nachdrücklicher fort. Aber was geschieht? Der Kerl von Jesuit packt mich auf einmal von hinten, der andere an die Füßen, daß ich die Balance verliere, so werfen sie mich in eine verfluchte Kalesche am Gebüsch, die ich vorher gar nicht bemerkt hatte, schwingen sich mit herauf, der Kutscher peitscht in die Pferde, und fort geht es über Stock und Stein in die finstere Nacht hinein. – Als ich wieder zu mir selbst kam, fand ich mit Vergnügen, daß meine Pfeife in der Konfusion nicht ausgegangen war, auch hatte ich den Tag über viel gesessen, etwas Motion konnte nicht schaden, die Nacht war schön, kein Mensch oder Dorf in der Runde – so dacht‘ ich denn: laß sie fahren! Und setzte meine Ermahnungen ruhig wieder fort. Aber es dauerte nicht lange, so war der junge Proselyt darüber eingeschlafen. Der Jesuit dagegen, wie es die Art dieses schlauen Ordens ist, wich mir mit sophistischen Redensarten bald rechts, bald links aus, dann zog er eine Flasche guten, schweren Weines aus der Wagentasche und trank mir zu. Ich kam immer mehr ins Feuer, wir disputierten und tranken, ich verbreitete mich ausführlich über Aufklärung, Mönchtum, dicke Finsternis et cetera, aber Gott weiß, wie das zuging, es war mir, wie ich so fortsprach, als schritt‘ ich in der Rage unserem Säkulum um einige Jahrhunderte so unaufhaltsam vor, daß ich meine Gedanken gar nicht mehr halten konnte, vergeblich blickte ich unverwandt auf den dreieckigen Hut des Kutschers vor mir, Bäume und Dörfer und Wälder und Gedanken flogen und verwickelten sich mir im Mondschein durcheinander, nur manchmal hört‘ ich noch den Jesuiten dazwischen schnarchen, bis mir zuletzt selbst alle Sinne vergingen. – Als ich wieder aufwachte, war der Jesuit und Proselyt und Wagen und alles fort, und ich liege rücklings auf einem Rasenkanapee an der Chaussee in der angenehmsten Morgenkühle. Aber wie lieg‘ ich da! In einem kompletten Jesuiterroquelaure mit unzähligen Knöpfen vom Kinn bis an die Fußspitzen und ein kleines, schwarzes Barett auf dem Haupt!«

Hier brachen sämtliche Zuhörer in ein lautes Gelächter aus, nachdem Kordelchen schon während der ganzen Erzählung öfters heimlich gekichert hatte. »Dummes Zeug!« rief Grundling ärgerlich und stürzte zwei Gläser Wein hintereinander aus, »was ist da zu lachen? Das war kein Spaß. Vom Felde glotzten mich ein paar Bauern groß an, ich schämte mich in dem Aufzuge, als ob ich nackt wäre, und sprang geschwind ins Gebüsch. Aber die Bauern, wie sie das sehen, fangen an zu schreien, und hurra hinter mir drein! Ich springe und schlüpfe und duck‘ mich in Gräben, an Zäunen, laufe in der Verwirrung gerade ins Dorf hinein, verwickle mich mit dem langen Roquelaure im Gesträuch, da fahren euch Hunde, Kinder und Weiber aus allen Löchern, und alles schreit Mordio. – So brachten sie mich ganz atemlos zum Pastor. Da hatt‘ ich nun gut reden, daß ich kein Jesuit, sondern eigentlich ein Philosoph sei, je mehr ich von Aufklärung sprach und auf die Jesuiten schimpfte, je schlauer und verdächtiger lächelte der Pastor dazu. Endlich gab er zu essen, ich hatte einen erstaunlichen Appetit. Über der Mahlzeit hör‘ ich draußen ein Pferd schnauben und scharren, der Pastor geht hinaus, ich vernehme eine feine Silberstimme, die sich voller Verwunderung und sehr eifrig nach mir erkundigt. Als ich ans Fenster trete, erblick‘ ich unter den alten Linden vor dem Pfarrhause ein hohes, schlankes Frauenzimmer zu Pferde, im Jagdhabit mit nickenden Federn auf dem Haupt. Sie ritt soeben wieder fort, ich konnte ihr Gesicht nicht mehr sehen, aber sie machte von hinten einen recht majestätischen Eindruck auf meine Sinne. – Nun kam und ging der Pastror wieder hin und her und hatte immerfort das fatale Lächeln im Gesicht, ich merkte, daß Boten abgeschickt wurden, ich hörte insgeheim vom Gerichtshalter etcetera flüstern, da wurde mir zuletzt angst, und gegen Abend schlüpfte ich unvermerkt durchs Hinterpörtchen, um die Nacht über nach Heidelberg fortzuwandern. Wie ich aber so vor dem Dorfe am Schloßpark vorüberziehe, hör‘ ich drin dieselbe Silberstimme sehr angenehm zur Laute singen. Das ficht mich an, ich trete in den Park, immer dreister und weiter – es war richtig die Reiterin. Sie hatte mich schon erblickt. – »O meine Ahnung! Wußt‘ ich’s doch, daß du kommen würdest, frommer Vater«, sagte sie, zu mir tretend. Nun hätte das doch mit dem Teufel zugehen müssen, wenn ich ihr Vater hätte sein sollen, denn sie war älter als ich und häßlich, lang und vertrocknet. Sie erzählte mir nun in der Geschwindigkeit, daß sie Schriftstellerin sei unter dem Namen Blancheflour, ich würde ihre Schriften wohl kennen, sie habe diesen wichtigen Moment in ihres Herzens Herzen längst ersehnt. – »Aber was wollen Sie denn eigentlich?« fragte ich ganz verblüfft. – »Nun mein Gott! katolisch werden! Aber du kennst wohl meine geistlichen Hymnen noch nicht, ehrwürdiger Vater?« – Und nun fing sie, eh‘ ich’s mir versah, wütend zu deklamieren an, bei jedem Vers trat sie in der Verzückung einen Schritt näher, ich einen Schritt zurück, bis an eine Laube, wo ich geschwind entwischen will. Da brechen auf einmal zwei junge Leute aus dem Buschwerk und gerade auf mich los; es war der Bruder des Fräuleins und sein akademischer Freund, ein durchreisender englischer Lord. Der Lord, der uns für verliebt hält, nimmt sich sogleich der verfolgten Unschuld der Jungfrau an, es werden Hieber angeschleppt, und ich muß mich auf der Stelle mit ihm duellieren. Ihr wißt, ich führte eine gute Klinge, der Lord ebenfalls, wir konnten einander nichts anhaben. Nun ging’s drauf, – das Fräulein lag in Ohnmacht – Schlenkerpriemen und Schulterquarten, daß ich mein Barett vom Kopf verlor. »Nur noch einen Gang!« rief der Lord entzückt aus – meinetwegen! – und wieder einen und noch einen! – Darüber wird mir endlich der Lord ganz gewogen, wirft den Hieber weg und embrassiert mich. – Nun fand sich’s, daß er auch ein heller, philosophischer Kopf, und ebenso erpicht auf Menschenbildung war als ich. Ich mußte mit ihm aufs Schloß, da hatte er alle Koffer foll neuer Konstitutionen, die er bei den verschiedenen Nationen anbringen wollte. Wir disputieren zusammen die ganze Nacht, wir werden ein Herz und ein Sinn, trinken Brüderschaft, und er proponiert mir, mit ihm zu reisen. Das Fräulein behandelte mich nun schnöde und verächtlich. Aber ich fragte nichts darnach, am folgenden Morgen saß ich mit dem Lord auf dem Wagen, und wir fuhren durch die Schweiz über Rom, Neapel, zwischen Kalabrien und Sizilien durch «

Halt! halt ein!« riefen hier die andern lachend dazwischen, »dein Lebenslauf kommt auf einmal so verteufelt ins Stürzen, daß einem ordentlich der Wind am Hute pfeift.«

»Was da halt!« erwiderte Grundling, trinkend und wieder einschenkend. »Aber in Spanien ging’s uns kurios. Das ist ein verteufelt hitziges Land, kaum hat man dort das Samenkorn der Weisheit in den Boden gelegt, so schießt’s einem auch schon gleich unter den Beinen empor, Disteln und Unkraut, da ist kein Halten mehr, und eh‘ man sich’s versieht, ist einem in dem verrückten Klima die ganze Vegetation über den Kopf gewachsen wie eine ungeheure Pelzmütze. Das haben wir dazumal wohl erfahren. Wir hatten uns durch Prozessionen, an Klöstern und Feudalsitzen vorüber, schon ziemlich tief ins Land hineingeärgert und ritten eines Abends soeben dem Gebirge zu, als sich ein paar wackere Burschen zu uns gesellten. Wem’s Ernst ist, der feiert nicht gern. Wir knüpften sogleich ein Gespräch aus dem Gebiet der praktischen Philosophie mit ihnen an, bald holten wir noch ein paar Wanderer ein und wieder ein paar, bis wir zuletzt am Fuße des Berges auf einen großen, hellen Haufen stießen. Ich besinne mich nicht lange und haranguiere das Volk. Ich sprach vom Aberglauben, von der Freiheit des Willens et cetera, ich kam immer mehr ins Feuer mit donnernder Stimme und zuckenden Gedankenblitzen, das zündet gleich rechts und links, die Kerls jauchzen, schreien Bravi und wieder Bravi, und eh‘ man die Hand umdreht, mitten in der Rede, heben sie mit Piken und Stangen ein altes, abgebrochenes Zelt hoch über ihre Köpfe, schwingen vor Entzücken mich und den Lord auf den Baldachin hinauf und tragen uns so im Triumph auf ein altes, adeliges Schloß zu. Da war’s doch nicht anders, als wollten sie mit unseren Köpfen die Mauern einrennen, denn in der Begeisterung fragten sie den Teufel darnach, daß das Schloßtor viel zu niedrig war für unseren Baldachin. Zum Glück erblickt‘ ich nebst dem Lord noch zu rechter Zeit einen Balkon gerade vor uns über dem Tore, wir erfaßten schnell das Geländer, die Kerls schritten wie toll unter uns weg, und so blieben wir draußen am Balkon hängen mit den Beinen in der Luft. Jetzt aber entstand unter uns ein Spektakel, ein Gedränge und Gewürge – denn die Kerls waren Guerillas – die vom Schloß fielen aus, die Guerillas ein – zwischen unseren Beinen hindurch flogen die Kugeln immerfort hin und her, der Lord verwünschte unsere Philosophie, worüber wir noch heftig aneinandergerieten. Wie wir nun so bedenklich hängen und streiten, stürzt plötzlich oben im prächtigen Mondschein zwischen blühenden Pomeranzenbäumen das Schloßfräulein auf den Balkon heraus, dunkle Locken, Alabasterhals und -busen und eine Laute im Schwanenarm. Die sieht mich penetrant an und bleibt wie verzaubert stehen, sie sieht mich noch einmal an – und: »O mein Traum!« ruft sie und läßt die Laute fallen. Darauf, schnell wieder gefaßt, erwischt sie mich hinten beim Kragen und hilft erst mir, dann dem Lord rasch übers Geländer auf den Balkon, in das Pomeranzengemach hinein. Jetzt aber war guter Rat teuer; ich unbewaffnet, kein Schwert in der Nähe, und von unten heult das Gedrossel, wie ein versessener Sturmwind, durch das alte Haus immer höher und näher herauf. Der Lord wirft sich noch geschwind an den Sekretär des Fräuleins hin, schreibt sein Testament und setzt mich zu seinem Universalerben ein. Unterdes aber – ihr kennt die südliche Glut – verliebt sich die Prinzessin«

»Prinzessin!« rief Fortunat, »du nanntest die eben noch schlechtweg vorhin Fräulein!«

»Verliebt sich die Prinzessin«, fuhr Grundling immer schneller redend und trinkend fort, »immer heftiger in mich, und erzählte mir, wie sie mich schon früher einmal im Traume gesehen, mit Uniform und dreieckigem Hut durchs Morgenrot auf Wolken schwebend, et cetera. Jetzt war auch der Lord mit dem Petschieren des Testaments fertig, die Prinzessin wollte uns aus dem Schlachtgetümmel heimlich salvieren, wir retirierten durch Kammern und lange Gänge unaufhaltsam immer höher hinauf, wobei uns noch der eigensinnige Lord gefährlich wurde, der niemals seine prallen, hirschledernen Hosen ablegen mochte, die nun in dem Mondschein von weitem leuchteten. So kamen wir endlich auf das flache Schloßdach hinaus, da standen wieder blühende Granaten und Limonien, in der Mitte plätscherte eine Wasserkunst sehr angenehm, in der Goldfischchen bei dem klaren Mondschein lustig hin und her fuhren. Aber da war nicht lange Zeit zur Ergötzlichkeit. Unter uns der Kriegslärm, vor uns der nächtliche Abgrund, dazwischen die schöne Herzogin mit der südlichen Glut immer dicht hinter mir drein: ich soll katholisch werden und sie heiraten, oder ich und sie müßten auf der der Stelle sterben! Ich aber kann mich in der Konfusion nicht resolvieren, da zieht sie einen unvernünftig langen Dolch aus dem Gürtel, preßt mich mit dem linken Arm fest an ihre Brust, holt mit dem rechten hinter meinem Rücken aus und will mich und sich zugleich durch und durch stechen. In demselben Augenblicke platzt die Falltür neben uns mit einem ungeheuren Knall, daß die Stücke meilenweit auseinanderfliegen. Sie hatten schon lange darunter gestemmt, und nun, wie wenn ein Champagnerstöpsel unverhofft losgeht, kamen auf einmal Guerillas, Schloßsoldaten und Alguazils, die einen mit den Ellbogen, die andern mit den Stiefeln voraus, mit unglaublicher Vehemenz aus dem Loche senkrecht emporflogen, und sowie einer auf das Dach wieder niederfiel, fuhr er seinem Nachbar gleich wieder in die Haare, so verbissen waren sie untereinander. Die verliebte Königin, da sie nun alles verloren sieht, faßt mich beim Arme und rasch mit mir fort an den Rand der Zinne; aber ihr wißt, ich hielt niemals viel auf Kleider, mein ganzer Ärmel läßt oben in der Naht los, und die Königin stürzt sich mit meinem Ärmel in den Abgrund hinab, in der Luft noch: »Don Grundlinghio!« rufend. – Unterdes bekommt mein Lord plötzlich seinen englischen Spleen. Eh‘ ich’s mich versehe, duckt er sich kopfüber in das Bassin der Wasserkunst. Das war nun aber so klein und seicht, daß ihm die Lederhosen oben trocken heraushingen. Ich schreie, die gestörten Goldfische stoßen wütend auf seinen Backenbart, alles umsonst! Er stampft und stopft sich selber immer tiefer hinein und ersäuft sich so mit aller Gewalt. Es war ein kritischer Moment, Feinde ringsum, ich ziehe schnell mein Schwert und mähe mich von Etage zu Etage hinunter, ein umgefallener Alguazil beißt mich in dem Gemetzel in die Wade, ich spick‘ ihn fest an den Boden.

»Aber was Teufel!« fuhr Grundling hier plötzlich mit sichtbarem Schrecken von seinem Sitze auf, »stehen denn die Toten wieder auf? Da geht wahrhaftig der Lord vorüber!« – Und in der Tat, durch die offenen Türen des Hauses sah man draußen auf der Gasse beim hellsten Mondschein die gelben Lederhosen eines rasch vorübergehenden Mannes schimmern. Überrascht sprangen nun auch die andern auf, denn sie glaubten in der Figur ihren langen Lord vom fürstlichen Hofe wiederzuerkennen. Eine schlanke Mädchengestalt, mit welcher die Eile des Fremden vielleicht in einigem Zusammenhang stehen mochte, schlüpfte unterdes, noch einmal zurückblickend, schnell um die dunkle Straßenecke. Grundling aber hatte den Engländer schon erreicht, und sie sahen nun beide in der Dämmerung wie zwei Schatten im Reiche der Toten dahinschweben.

»Laßt die Phantasten laufen!« sagte Kordelchen in der Haustür. »Wißt ihr denn nun aber auch, wer den Grundling eigentlich aus Heidelberg fortgeschafft hat? Der vermeintliche Proselytenknabe war ich selbst, und der sogenannte Jesuit niemand anders als ein junger Schauspieler, der mich damals heimlich von Heidelberg entführte. Wir mußten wohl den tollen Kauz über Hals und Kopf mit auf den Wagen packen, wenn er mit seinem Lärm nicht alles verraten sollte; mein Freund hatte in seiner kleinen Theatergarderobe zufällig eine Jesuitenkleidung, in die wir dann den Trunkenen hineinknöpften und des Nachts auf der Landstraße wieder aussetzten.« – »Nun wahrlich«, rief Fortunat lachend aus, »das ist ja ein wahrer Sturmbeutel voll Lügen!«

Währenddes ruhte Guido, der nach den heftigen Gemütsbewegungen über Grundlings Erzählung eingeschlummert war, draußen im Gärtchen, noch im Schlafe malerisch über einen zertrümmerten Säulenknauf hingestreckt. Otto aber blickte immerfort unverwandt in die Straße hinaus, auch er hatte vorhin jene flüchtige Mädchengestalt bemerkt und schien zerstreut und unruhig. Endlich hielt er sich nicht länger und schlug Fortunaten hastig noch einen Streifzug durch die Stadt vor, was dieser mit Freuden annahm. Kordelchen blickte beide listig an: »Felicissima notte!« sagte sie dann mit einem ganz besonderen, schelmischen Nachdruck, und als sich Otto unwillig darüber zu ihr wandte, war das wilde Mädchen schon im Hause und hatte die Tür laut lachend hinter sich verschlossen.

Sie eilten nun aus dem Gewirre der kleinen, engen Gäßchen ins Freie hinaus, Zithern schwirrten von fern durch die stille Luft, die Straßen waren noch voll Menschen, die fröhlich plaudernd und singend in der erquickenden Kühle auf und nieder schwärmten. Otto war still und schritt in Gedanken immer schneller und schneller, bis sie zuletzt an einen einsamen Platz kamen, wo er sogleich auf ein kleines, unansehnliches Haus zueilte. Er fand die Tür verschlossen und klopfte leise an; es blieb alles still drin, er klopfte noch einmal lauter. Da ließ sich eine überaus anmutige Stimme im Hause vernehmen: »Mein Herr, ich kann den Schlüssel im Dunkeln nicht finden, auch wacht die Mutter noch, aber habt die Güte, rechts die Straße hinabzugehen, dann links um die Ecke, über die Brücke fort, dann wieder rechts, das vierte Gäßchen links hinein, so kommt Ihr in einen kleinen Hof, und wenn Ihr dort nicht auf den Kettenhund stoßt und die Leiter findet, so könnt Ihr mir von dem Dache unseres Hinterhauses noch eine gute Nacht sagen; aber sputet Euch und fallt nicht, denn ich bin schon sehr schläfrig.« Und kaum hatte sie ausgeredet, so hörten sie sie schon, leise lachend, die Treppe hinanspringen. – »Annidi!« rief nun Otto, nun höchst verwundert hinauf. Auf diesen Ton öffnete sich schnell ein Fenster über ihnen, und eine Mädchengestalt von überraschender Schönheit mit rabenschwarzem Haar und Augen erschien im hellsten Mondglanz. »Bist du es!« rief sie erstaunt aus, »ich meinte, es wäre der lange Engländer, der mir vorhin wie auf hohen Stelzen nachkam.« Jetzt bemerkte sie auch Fortunaten, stutzte und war bemüht, ihr loses Halstuch vor dem Fremden rasch in Ordnung zu bringen. Otto hatte sich unterdes auf einen Stein gestellt und reichte so bis ans Fenster. Das Mädchen legte den schönen Arm vertraulich um seinen Nacken, sich hinausbeugend, daß ihre dunklen Locken aufgingen und den Freund von allen Seiten umgaben; dabei sah sie unverwandt Fortunaten an, dem sie nicht recht zu trauen schien. »Nein! Nein!« rief sie endlich, nicht ohne Koketterie ihre Locken wieder aus der Stirn schüttelnd, »was fragt ihr fremden Herren nach dem Ruf eines armen römischen Mädchens! Die Nachbaren wachen noch, und alle Fenster sehen im Mondschein wie glänzende Augen her, gute Nacht!« Hiermit warf sie noch unversehens jedem einen frischen Blumenstrauß ins Gesicht und schloß schnell das Fenster.

Währenddes waren zwei Frauenzimmer, dicht in seidene Mäntel verhüllt, eilig über den Platz gegangen. Fortunaten kam es vor, als hätten sie ihn im Vorüberstreifen scharf und verwundert angesehen. Er hörte sie darauf leise und eifrig miteinander sprechen, die eine sah noch einmal zurück, dann waren beide schnell verschwunden.

»O wie wunderschön sie ist!« rief Otto, noch immer nach dem Fenster schauend, aus und erzählte nun begeistert, wie er sein Liebchen auf einem ländlichen Feste zum ersten Male gesehen, wie sie mit ihren armen Eltern eingezogen, aber fröhlich lebe, wie sie von ihm Deutsch und er von ihr Poesie lerne, weil ihre Gegenwart, gleich der Morgenröte, alles verzaubere und verwandle. So gingen sie langsam durch die verlockende Nacht, die Nachtigallen schlugen aus allen Gärten und zahllose Brunnen rauschten von fern.