Der Florentiner. – Emilia wird verheiratet. – Scolastica. – Armellina auf dem Ball.

Wenn ich vor jenem Abendessen so verliebt in Armellina gewesen war, daß ich mich zu dem Entschluß genötigt sah, sie nicht mehr zu besuchen, um nicht wahnsinnig zu werden, so befand ich mich nach jenem Abend in der Notwendigkeit, sie unter allen Umständen gewinnen zu müssen, wenn es nicht mein Tod sein sollte. Ich hatte gesehen, daß sie in die kleinen Scherze, zu denen ich sie veranlaßt hatte, nur einwilligte, weil sie sie für unwichtige Spielereien hielt; ich beschloß daher, auf demselben Wege so weit wie nur möglich vorwärts zu gehen. Zunächst spielte ich so gut ich es vermochte den Gleichgültigen, indem ich sie nur jeden zweiten Tag besuchte und sie stets nur mit großer Höflichkeit behandelte. Während ich so tat, wie wenn ich ihr die Hand zu küssen vergäße, küßte ich Emilia die Hand, sprach mit ihr über ihre Heirat und sagte ihr, ich würde sofort nach ihrer Hochzeit mich gerne für einige Wochen in Civita vecchia niederlassen, wenn ich sicher sein könnte, daß sie mir gewisse Zärtlichkeitsbeweise geben würde. Ich tat, wie wenn ich es nicht bemerkte, daß Armellina bei solchen Bemerkungen anfing zu zittern; sie konnte es nicht ertragen, daß ich an Emilia Geschmack fand.

Emilia antwortete mir, als verheiratete Frau würde sie frei sein. Es ärgerte Armellina, daß ihre Freundin mir in ihrer Gegenwart Hoffnungen zu machen wagte, und sie sagte in gereiztem Ton zu ihr, die Pflichten einer verheirateten Frau seien viel strengere als die eines Mädchens.

Ich gab ihr bei mir selber recht; da aber eine solche Auffassung nicht zu meinen Absichten paßte, so sagte ich ihr gegen meine Überzeugung, die Hauptpflicht einer Frau bestehe darin, zu verhüten, daß die Nachkommenschaft ihres Mannes angezweifelt werden könne; alles andere sei eine Kleinigkeit.

Um Armellina aufs Äußerste zu treiben, sagte ich sogar zu ihrer Freundin: damit ich mich recht wirksam um die Gewährung von Stipendien bewerben könnte, müßte sie mir nicht nur Hoffnungen machen, daß sie mir in Civita vecchia ihre Gunst gewähren würde, sondern sie müßte mir auch noch vor ihrer Verheiratung bestimmte Beweise geben, daß sie in Zukunft gut zu mir sein würde.

Sie antwortete mir: »Ich werde Ihnen keine anderen Pfänder von Zärtlichkeit geben als Armellina, der Sie ebenfalls einen Gatten verschaffen müssen.«

Diese Rede setzte Armellina in die größte Verlegenheit; trotzdem sagte sie zu mir: »Sie sind der einzige Mann, den ich gesehen habe, solange ich auf der Welt bin, und da ich nicht hoffe, einen Mann zu bekommen, so werde ich Ihnen niemals irgendein Pfand geben; übrigens verstehe ich gar nicht, was Sie mit diesem Wort sagen wollen.«

Ich fühlte die ganze Reinheit dieses Engels, aber ich war so grausam und hart, mich zu entfernen und sie mit ihrer Verwirrung allein zu lassen.

Allerdings mußte ich mir mit Schmerzen Gewalt antun, um das reizende Mädchen, das ich anbetete, so hart zu behandeln; aber ich sah kein anderes Mittel, um ihre Vorurteile zu besiegen, die sich der Erfüllung meiner Wünsche entgegenstellten.

Ich sah bei dem Haushofmeister des venetianischen Botschafters prachtvolle Austern und bewog ihn, mir hundert davon abzulassen; hierauf mietete ich eine Loge im Capronica-Theater und bestellte ein gutes Abendessen im selben Gasthof, wo wir bereits gewesen waren.

»Ich wünsche«, sagte ich zum Kellner, »ein Zimmer, worin ein Bett steht.«

»Das ist in Rom nicht erlaubt, Signor; aber im dritten Stock sind zwei Zimmer mit breiten Kanapees, die die Stelle des Bettes vertreten können, ohne daß das Heilige Offizium etwas dagegen einwenden kann.«

Ich besah mir die beiden Zimmer, mietete sie und befahl, die leckersten Speisen aufzutragen, die man in Rom sich beschaffen könnte.

Als ich am Abend mit meinen beiden Schönen in die Loge eintrat, bemerkte ich in der Nebenloge die Marquise d’Août, die ich nicht vermeiden konnte. Sie grüßte mich und sagte, sie sei hocherfreut, meine Nachbarin zu sein. Bei ihr befanden sich ihr französischer Abbé, ihr Gatte und ein junger Mann von edler und schöner Erscheinung, den ich noch nicht gesehen hatte. Sie fragte mich, wer die beiden jungen Damen seien, und ich sagte ihr, sie gehörten zum Hofstaat des venezianischen Botschafters. Sie bewunderte ihre Schönheit und begann ein Gespräch mit Armellina, die an ihrer Seite saß und ihr bis zu Beginn der Vorstellung sehr treffende Antworten gab. Der junge Kavalier richtete ebenfalls einige Komplimente an sie und gab ihr, nachdem er mich um Erlaubnis gebeten hatte, eine große Tüte mit Zuckerplätzchen, die er sie mit ihrer Nachbarin zu teilen bat.

Da ich den schönen jungen Mann an seiner Aussprache als Florentiner erkannte, so fragte ich ihn, ob dieses Zuckerzeug von den Ufern des Arno komme; er antwortete mir, er habe es von Neapel mitgebracht, von wo er soeben eingetroffen sei.

Nach dem ersten Akt hörte ich zu meiner großen Überraschung den jungen Mann mir sagen, er habe für mich einen Brief von der Marchesa C. »Ich erfahre soeben Ihren Namen und werde die Ehre haben, Ihnen morgen den Brief zu überbringen, wenn Sie so gütig sein wollen, mir Ihre Adresse zu geben.«

Ich tat dies und fragte ihn nach dem Marchese, dessen Schwiegermutter, Anastasia usw. Ich sagte ihm, ich sei entzückt, einen Brief von der Marchesa zu erhalten, von der ich seit einem Monat eine Antwort erwarte.

»Eben diese Antwort auf Ihren Brief war die liebenswürdige Dame so gütig mir anzuvertrauen.«

»Ich bin sehr ungeduldig, sie zu lesen.«

»In diesem Fall kann ich Ihnen den Brief sofort übergeben, doch werde ich mir trotzdem morgen das Vergnügen machen, Sie in Ihrer Wohnung aufzusuchen. Ich werde Ihnen den Brief in Ihrer Loge übergeben, wenn Sie gestatten.«

»Ich bitte Sie darum.«

Er hätte mir den Brief von seinem Platze aus hinüberreichen können; aber dies paßte ihm nicht in seine Pläne.

Er trat ein, und aus Höflichkeit überließ ich ihm meinen Platz neben Armellina. Er zog eine schöne Brieftasche hervor und übergab mir den Brief. Ich öffnete diesen; als ich aber sah, daß er vier Seiten lang war, steckte ich ihn in die Tasche und sagte, ich würde ihn zu Hause lesen, weil die Loge zu dunkel wäre.

»Ich werde bis Ostern in Rom bleiben«, sagte er; »denn ich will alles sehen, obgleich ich nicht hoffen kann, etwas Schöneres anzutreffen, als ich hier unter den Augen habe.«

Armellina, die ich aufmerksam ansah, wurde rot. Ich selber ärgerte mich und fand mich gewissermaßen beleidigt durch ein Kompliment, das ja freilich sehr höflich, aber auch ebenso keck wie unerwartet war.

Ich antwortete ihm nicht, aber ich dachte bei mir selber, dieser Adonis müßte ein eingebildeter Geck ersten Ranges sein. Das Schweigen, das in unserem Kreise herrschte, machte ihn darauf aufmerksam, daß er mich verletzt hatte, und er empfahl sich, nachdem er noch einige zusammenhanglose Bemerkungen gemacht hatte.

In meinem Verdruß machte ich Armellina ein Kompliment über die Eroberung, die sie im Handumdrehen gemacht hätte, und fragte sie, was sie von dem Herrn hielte, den sie so bezaubert hätte.

»Er ist, wie mir scheint, ein schöner Mann, aber sein Kompliment beweist seinen schlechten Geschmack. Sagen Sie mir, ob es Mode ist, auf diese Weise ein junges Mädchen erröten zu machen, das man zum erstenmal sieht?«

»Nein, meine liebe Armellina, das ist weder Mode, noch ist es höflich, und es ist einem Menschen, der in der guten Gesellschaft verkehren will, nicht erlaubt, denn es entspricht nicht der herrschenden Sitte.«

Ich hüllte mich in Stillschweigen und tat, wie wenn ich nur auf die Musik hörte; in Wirklichkeit aber nagte eine jämmerliche Eifersucht mir am Herzen. Ich dachte über meinen Ärger nach und bemühte mich, ihn vernünftig zu finden: mir schien, der Florentiner hätte annehmen müssen, daß ich Armellina liebte, und dann durfte er ihr nicht in meiner Gegenwart eine sehr deutliche Liebeserklärung machen, wenn er nicht etwa so unverschämt war, mich für einen Menschen zu halten, der ein schönes Mädchen bei sich hätte, um den Gefälligen zu spielen.

Nachdem eine Viertelstunde in diesem ungewöhnlichen Stillschweigen vergangen war, verschlimmerte die naive Armellina meinen Zustand noch, indem sie mit einem zärtlichen Blick zu mir sagte, ich sollte mich doch beruhigen, denn ich könnte überzeugt sein, daß der junge Mensch ihr nicht das geringste Vergnügen gemacht, indem er ihr diese Schmeicheleien gesagt hätte.

Sie fühlte nicht, daß sie mir in Wirklichkeit gerade das Gegenteil sagte.

Ich antwortete ihr, ich wünschte, daß es ihr Vergnügen gemacht hätte.

Unglücklicherweise goß Armellina noch Öl ins Feuer, indem sie mir sagte, der junge Mann habe ganz gewiß nicht die Absicht gehabt, mich zu verletzen, denn es sei wohl möglich, daß er mich für ihren Vater gehalten habe.

Was konnte ich auf diese ebenso grausame wie richtige Bemerkung antworten? Nichts. Ich konnte nur innerlich toben wie ein Kind und schweigen.

Endlich konnte ich es nicht mehr aushalten und bat meine beiden Freundinnen, mit mir zu gehen.

Dies geschah nach dem Ende des zweiten Aktes. Wenn ich bei Vernunft gewesen wäre, so hätte ich sicher nicht den guten Mädchen einen so unverständigen Vorschlag gemacht. Wie tyrannisch mein Verlangen war, erkannte ich erst am nächsten Tage, als mein Kopf seine Ruhe wiedergefunden hatte.

Trotz der Sonderbarkeit meines Verlangens sahen sie sich nur einen Augenblick an und erklärten sich dann bereit.

Da ich nicht wußte, wie ich meinen Verstoß bemänteln sollte, so sagte ich ihnen, ich wollte vermeiden, daß die Kutsche der Fürstin erkannt würde, wenn wir mit der ganzen Zuschauermenge das Theater verließen; ich würde sie am übernächsten Tage wieder ins Theater führen.

Ich hielt Armellina davon ab, ihren Kopf in die Loge der Marquise d’Août zu stecken, und wir gingen hinaus. An der Tür fand ich den Bedienten, den die Fürstin mir zur Verfügung gestellt hatte; er plauderte mit einem seiner Kameraden, und infolgedessen nahm ich an, daß die Fürstin in der Oper wäre.

Vor dem Wirtshaus stiegen wir ab, und ich sagte dem Bedienten ins Ohr, er möchte mit dem Wagen nach Hause fahren und mich um drei Uhr morgens abholen; denn es herrschte eine strenge Kälte, und ich mußte auf Menschen und Pferde Rücksicht nehmen.

Zunächst setzten wir uns vor ein gutes Feuer und beschäftigten uns eine halbe Stunde lang damit, Austern zu schlürfen, die ein Küchenjunge in meiner Gegenwart so geschickt öffnete, daß von dem köstlichen Wasser, worin sie schwammen, kein Tropfen verlorenging. Wir aßen sie sofort, nachdem sie geöffnet waren, und die Heiterkeit meiner reizenden jungen Gäste, die bei dem Gedanken an unser erstes Austernessen lachten, verscheuchte allmählich meine unangebrachte Verdrießlichkeit.

An Armellinas sanftem Wesen erkannte ich die Unschuld ihres Herzens, und ich haderte mit mir selber, daß ich mich durch ein häßliches Gefühl hatte aufregen lassen, weil ihr ein Mann gefallen hatte, der darauf viel mehr Anspruch hatte als ich.

Armellina trank Champagner, wie ich es ihr gezeigt hatte, und sah mich dabei mit Blicken an, die mich offenbar baten, in ihre Heiterkeit einzustimmen.

Emilia sprach mit mir von ihrer künftigen Heirat; ohne etwas davon zu sagen, daß ich nach Civita vecchia gehen würde, versprach ich ihr, daß ihr zukünftiger Gatte binnen kurzem vollständigen Dispens erhalten sollte. Während ich sprach, küßte ich Armellinas schöne Hand, und sie schwor mir, dankbar dafür zu sein, daß ich wieder zärtlich geworden wäre.

Nachdem Austern und Champagner uns in eine heitere Stimmung versetzt hatten, aßen wir köstlich zu Abend. Man gab uns unter anderem Stör und wundervolle Trüffeln, denen meine schönen Gäste mit einem wollüstigen Appetit zusprachen, der mir noch mehr Vergnügen machte als das ausgezeichnete Essen an sich.

Ein natürlicher und sehr vernünftiger Instinkt sagt einem Verliebten, daß es eines der sichersten Mittel ist, Gegenliebe zu finden wenn er der Umworbenen Genüsse verschafft, die sie bisher nicht gekannt hat.

Als Armellina mich von Freude belebt und liebeglühend sah, erkannte sie darin ihr Werk und empfand offenbar Freude, daß sie eine solche Herrschaft über mich ausübte. Sie gab mir aus eigenem Antriebe ihre Hand und hielt beständig ihre Augen auf die meinigen geheftet, um mich dadurch zu verhindern, den Kopf nach links zu wenden und Emilia anzusehen. Diese aß und kümmerte sich wenig darum, was wir trieben. Armellina war so zärtlich und in so liebevoller Stimmung, daß es mir unmöglich schien, sie könnte sich meinem Wunsche versagen, wenn wir zum Schluß die Austern und den Punsch gehabt hätten.

Als das Dessert, die fünfzig Austern und alle notwendigen Zutaten zu dem Punsch auf dem Tisch standen, entfernte der Aufwärter sich, indem er uns sagte, im Nebenzimmer würden die Damen alles finden, was sie brauchten.

Da das Zimmer klein und das Feuer sehr stark war, so war uns zu warm. Ich forderte die beiden Freundinnen auf, sich’s bequem zu machen.

Sie gingen in das Nebenzimmer und erschienen bald darauf wieder in kleinen weißen Leibchen und kurzen halbseidenen Röckchen, die die Beine kaum bis zu den Waden bedeckten. Sie hielten sich umschlungen und lachten über ihre leichte Kleidung.

Es gelang mir, die Aufregung zu verbergen, in die mich dieses außerordentlich pikante Kostüm versetzte, und ich sah nicht einmal ihren schönen Busen an, als sie ihr Bedauern aussprachen, daß sie weder ein Halstuch noch eine Spitzeneinfassung an ihren Hemden hätten.

Ich sagte ihnen nachlässig, ich würde nicht hinsehen, und der Anblick einer Brust wäre mir sehr gleichgültig.

Da ich ihre Unerfahrenheit kannte, so glaubte ich lügen zu müssen, denn ich war überzeugt, daß sie nicht sehr auf etwas achten würden, was ich so wenig zu schätzen schien.

Armellina und Emilia wußten wohl, daß sie einen sehr schönen Busen hatten, und waren vielleicht erstaunt über meine Gleichgültigkeit; ohne Zweifel dachten sie, ich hätte niemals einen schönen Busen gesehen, und in Rom sind alleidings schöne Brüste seltener als hübsche Gesichter.

Trotz der Reinheit ihrer Sitten mußte also die natürliche Eitelkeit ihnen den Gedanken einflößen, mir zu beweisen, daß ich unrecht hätte. Meine Aufgabe dagegen war es, sie in eine behagliche Stimmung zu versetzen und dafür zu sorgen, daß sie sich nicht schämten.

Ich machte ihnen eine große Freude, als ich ihnen sagte, sie sollten den Punsch selber machen, und sie jubelten, als sie mich sagen hörten, ich fände den Punsch besser als den, den ich das erste Mal selber gemacht hätte.

Als wir wieder die Austern von Mund zu Munde aßen, machte ich Armellina Vorwürfe darüber, daß sie den Saft der Austern hinunterschluckte, bevor ich diese in meinen Mund bekäme. Ich gab zu, daß es schwierig sei, es anders zu machen, aber ich erbot mich, ihnen zu zeigen, wie man das Wasser anhalten könnte, indem man mit der Zunge einen Damm bildete. Dies gab mir Gelegenheit zum Zungenspiel, das ich nicht näher erklären will, weil jeder es kennt, der einmal wirklich geliebt hat. Armellina ging mit solcher Gefälligkeit und Ausdauer darauf ein, daß sie offenbar ebensoviel Vergnügen daran fand wie ich, obwohl sie zugab, daß es ein höchst unschuldiges Spiel sei.

Zufällig glitt eine schöne Auster, die ich Emilia in den Mund legen wollte, von der Schale herunter und fiel in ihren Busen. Sie wollte sie mit ihren Fingern herausholen, aber ich machte mein Vorrecht geltend, und sie mußte nachgeben, sich aufschnüren lassen und mir erlauben, die Auster aus der Tiefe, wo sie liegen geblieben war, mit meinen Lippen hervorzuholen. Sie konnte es nicht verhindern, daß ich sie gänzlich entblößte, aber ich schlürfte meine Auster so geschickt, daß sie durchaus nicht auf den Verdacht kommen konnte, ich empfände dabei ein anderes Vergnügen als das, meine Auster wiederzuerlangen.

Armellina sah dies alles an, ohne zu lachen; offenbar war sie überrascht, daß ich auf die Schönheiten, die ich vor meinen Augen hatte, gar keinen Wert zu legen schien.

Emilia schnürte lachend ihr Mieder wieder zu.

Die Entdeckung war zu schön, als daß ich sie nicht hätte ausnützen sollen. Während ich Armellina auf meinem Schoß hielt, gab ich ihr eine Auster und ließ diese geschickt in ihren Busen herunterfallen. Hierüber lachte Emilia sehr, denn es hatte sie bereits geärgert, daß Armellina nicht auch schon ihren Mut auf dieselbe Weise wie sie gezeigt hatte.

Armellina war weit davon entfernt, in Verlegenheit zu geraten; im Gegenteil, sie konnte nicht verbergen, daß sie von dem Zufall entzückt war, obwohl sie sich den Anschein gab, wie wenn sie sich nichts daraus machte.

»Ich will meine Auster!« sagte ich zu ihr.

»Nehmen Sie sie!«

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich schnürte ihr Mieder absichtlich so ungeschickt auf, daß die Auster ganz tief hinunterfiel, und beklagte mich dabei, daß ich sie mit den Händen hervorholen müßte.

Welches Martyrium für einen Verliebten, wenn er in einem solchen Augenblick die höchste Wonne verheimlichen muß!

Armellina konnte mich unter keinen Umständen beschuldigen, mir eine Freiheit herausgenommen zu haben, denn ich berührte ihre beiden Alabasterhalbkugeln nur, um mir meine Auster zu holen.

Als ich diese endlich erhascht hatte, konnte ich es nicht mehr aushalten: ich bemächtigte mich der einen ihrer Brüste, indem ich den Saft meiner Auster verlangte, und saugte an der kaum hervortretenden Knospe mit einer Wollust, die sich nicht beschreiben läßt.

Ich ließ sie erst los, um wieder zur Besinnung zu kommen, denn meine Wollust hatte den Höhepunkt erreicht. Sie war überrascht, aber augenscheinlich gerührt.

Als sie mich meine Augen mit jenem schmachtenden Ausdruck, der dem höchsten Genuß folgt, auf die ihrigen richten sah, fragte sie mich, ob es mir viel Vergnügen gemacht hätte, den Säugling zu spielen.

»Ja, mein Herz, ein sehr großes Vergnügen; aber es ist eine ganz unschuldige Kinderei.«

»Das glaube ich nicht, und ich hoffe, Sie werden der Oberin nichts davon sagen. Was Sie mit mir gemacht haben, kann für mich wenigstens nicht unschuldig sein, denn ich habe Gefühle gehabt, die gewiß eine Sünde sind. Wir dürfen auf diese Weise keine Austern mehr essen.«

»Das sind kleine Schwächen, die man mit Weihwasser abspült,« sagte Emilia. »Wir können beschwören, daß wir uns nicht einen einzigen Kuß gegeben haben.«

Sie gingen in das Nebenzimmer, und einen Augenblick später folgte ich ihnen dahin. Wir schoben den Tisch beiseite und setzten uns auf das Sofa vor das Feuer. Als ich nun zwischen ihnen saß, sagte ich zu ihnen, unsere Beine wären doch vollkommen gleich, und ich begriffe nicht, warum die Frauen sie durchaus mit Röcken bedecken wollten.

Während ich sprach, betastete ich ihre Beine und sagte zu ihnen, es wäre genau ebenso, wie wenn ich meine eigenen befühlte.

Als ich sah, daß sie sich dieser Untersuchung, die sich bis zum Knie erstreckte, nicht widersetzten, sagte ich zu Emilia, ich verlangte von ihr keine andere Belohnung, als daß sie mich die Dicke ihrer Schenkel messen ließe, um sie mit denen Armellinas zu vergleichen.

»Sie muß«, sagte diese, »stärkere Schenkel haben als ich, obwohl ich größer bin als sie.«

»Es ist nichts Schlimmes dabei, mich dies sehen zu lassen.«

»Ich glaube doch.«

»Nun, so werde ich sie mit den Händen messen.«

»Nein; denn Sie würden hinsehen.«

»Ich sehe nicht hin; das verspreche ich Ihnen.«

»Lassen Sie sich die Augen verbinden!«

»Gern; aber ich werde Ihnen ebenfalls die Augen verbinden.«

»Gut. Wir werden Blindekuh spielen.«

Bevor ich ihnen die Augen verband und dasselbe mit mir vornehmen ließ, sorgte ich dafür, daß sie eine tüchtige Menge Punsch tranken. Hierauf begann das Spiel. Meine beiden Schönen ließen sich, vor mir stehend, mehrere Male messen und fielen lachend auf mich, so oft ich sie zu hoch maß.

Ich hatte meine Binde in die Höhe geschoben und sah alles; aber sie mußten so tun, wie wenn sie keine Ahnung davon hätten.

Ohne Zweifel betrogen sie mich auf dieselbe Weise, um das zu sehen, was sie an ihrer Gabelung fühlten, wenn sie auf mich fielen.

Dieses reizende Spiel endigte erst, als meine Natur von Wollust völlig erschöpft war und ich durchaus nicht mehr konnte.

Ich brachte meine Kleider in eine anständige Verfassung und bat sie, die Binden von ihren Augen zu nehmen.

Nachdem ich ein schmeichelhaftes Urteil über den Umfang ihrer Schenkel abgegeben hatte, setzten sie sich lachend, aber ohne ein Wort zu sagen, an meine Seite: vielleicht glaubten sie, vor sich selber leugnen zu können, was sie mich hatten machen lassen.

Es kam mir vor, wie wenn Emilia einen Liebhaber gehabt hätte, aber ich hütete mich natürlich, ihr dies zu sagen; Armellina war jedenfalls eine vollkommene Jungfrau. Daher kam es denn wohl, daß sie beschämter aussah als ihre Freundin, und daß ihre großen Augen von einem bescheidenen Feuer der Wollust glänzten. Als ich mir einen Kuß von ihrem schönen Munde nehmen wollte, wandte sie den Kopf zur Seite. Nach allem, was wir getan hatten, mußte ich das sehr sonderbar finden; gleichzeitig drückte sie mir jedoch mit größter Zärtlichkeit die Hände.

Wir hatten vom Ball gesprochen, und sie waren sehr neugierig, zu sehen, was da los wäre; denn für den Ball schwärmten alle jungen Römerinnen, da Papst Rezzonico sie während der zehn langen Jahre seiner Regierung dieses Vergnügens beraubt hatte. Papst Rezzonico hatte den Römern die Glücksspiele jeder Art erlaubt, aber ihnen den Tanz verboten. Sein Nachfolger Ganganelli dachte anders: er hatte das Spiel verboten und den Tanz erlaubt.

Es gehört zur Unfehlbarkeit der Päpste, daß der eine gut findet, was der andere verurteilt. Ganganelli fand es weniger unmoralisch, seine Untertanen herumhüpfen zu lassen, als ihnen die besten Mittel zu erleichtern, um sich zugrunde zu richten, sich das Leben zu nehmen oder Räuber zu werden; aber daran hatte Rezzonico vielleicht nicht gedacht.

Ich versprach also meinen beiden Schönen, sie mitzunehmen, sobald ich einen Ball entdeckt hätte, auf welchem sie wahrscheinlich nicht erkannt werden könnten.

Mit dem Schlage drei hielt der Wagen vor der Tür, und ich fuhr sie nach dem Kloster. Ich war ziemlich zufrieden mit dem, was ich getan hatte, um meine Wünsche zu befriedigen, wenngleich meine Leidenschaft sich nur vergrößert hatte. Ich war mehr denn je überzeugt, daß jeder Mann, der unter der Herrschaft der Schönheit stehe, Armellina anbeten müsse.

Ich gehörte zu diesen Untertanen der Schönheit und gehöre noch heute dazu; aber es macht mich rasend, arm zu sein und zu fühlen, daß das Weihrauchgefäß ein jämmerliches Ding ist, seitdem der Weihrauch verbrannt ist.

Ich dachte darüber nach, was für eine Art von Verzauberung mich wohl zwingen möchte, mich immer wieder in ein Weib zu verlieben, das mir neu vorkam und mir dieselben Begierden einflößte, die das letzte von mir geliebte in mir erweckt hatte – das letzte, das ich erst dann zu lieben aufgehört hatte, als es nicht mehr meine Begierden erregte. War aber dieses Weib, das mir neu vorkam, auch wirklich neu? Durchaus nicht; denn es war immer wieder dasselbe Stück und nur der Titel war neu. Aber wenn es mir nun gelang, mich in Besitz des begehrten Gegenstandes zn setzen, bemerkte ich dann, daß er mir bereits bekannt war? Beklagte ich mich? Fand ich mich getäuscht?

Ganz gewiß nicht, und der Grund dafür war ohne Zweifel der, daß ich bei der Aufführung des Stückes beständig den Titel vor Augen hatte, den reizenden Titel, der mich verliebt gemacht hatte.

Wenn aber die ganze Illusion nur von dem Titel herrührt, wäre es dann nicht besser, sich das Stück anzusehen, ohne den Theaterzettel zu lesen? Denn was frommt es uns, den Namen eines Buches zu wissen, das wir lesen wollen, den Namen einer Speise, die wir essen wollen, den Namen einer Stadt, deren Straßen wir durchstreifen, deren Schönheiten wir bewundern wollen.

Wir finden alles, was wir suchen, in der Stadt, in der Speise, in dem Buche; der Name tut gar nichts dazu. Aber jeder Vergleich ist ein Sophismus. Der Mensch unterscheidet sich eben vom Tier und kann nur mittels der Sinne verliebt werden, und der Sitz aller Sinne, mit Ausnahme des Tastsinnes, befindet sich im Kopf.

Und deshalb übt auf einen Menschen, der Augen hat, der Anblick eines Gesichtes so wunderbare Wirkung aus, indem es ihn verliebt macht.

Wenn das allerschönste Weib mit nacktem Leib, aber bedecktem Kopf, sich dem Blick eines Mannes darböte, so könnte dieser wohl zu fleischlichem Genuß angeregt werden, niemals aber zu einem Genuß des Herzens, eben zu dem, was man Liebe nennt; denn wenn man in dem Augenblick, wo man sich dem körperlichen Genuß überließe, den Kopf entblößte, und wenn dieser Kopf wirklich häßlich wäre, wie gewisse Köpfe, die Abscheu, ja oft sogar Haß einflößen, so würde der Mann voller Grauen entfliehen, und weder die Schönheit des Leibes, noch die Vollendung der Formen könnte ihn reizen, den Akt tierischer Liebe zu vollenden, zu welchem er sich bereits anschickte.

Ganz etwas anderes ist es, wenn eines jener begnadigten Gesichter von einem unwiderstehlichen Zauber einen Mann verliebt gemacht hat. Wenn es ihm gelingt, den Schleier vom Heiligtum zu lüften, so wird, selbst wenn er entstellte Glieder erblicken sollte, das Gesicht doch den Sieg davontragen: nichts wird ihn zurückhalten, und das Opfer wird vollzogen werden.

Dies ist der Grund, warum in allen Ländern der übereinstimmende Brauch herrscht, den ganzen Körper mit Ausnahme des Gesichtes zu verhüllen, und zwar nicht nur bei den Frauen, sondern auch bei den Männern, obwohl allerdings in Europa seit langer Zeit die Männer sich so kleiden, daß die Frauen so ziemlich alles, was sie nicht sehen, doch erraten können. Der Vorteil, den die Frauen von diesem Brauch haben, ist unbestreitbar, obgleich schöne Leiber weniger selten sind als schöne Gesichter, denn es gelingt der Kunst leicht, die Unvollkommenheiten des Gesichtes zu verbergen, ja sogar eine scheinbare Schönheit desselben herzustellen, dagegen gibt es keine Schminke, um die Häßlichkeit einer Brust, eines Bauches oder irgendeines anderen Teiles des menschlichen Körpers zu verbessern.

Trotzdem gebe ich zu, daß die Phänomeriden Spartas recht hatten, indem sie ihren Körper zeigten, und dasselbe Recht muß man allen Frauen zugestehen, die einen sehr schönen Leib, aber ein abstoßendes Gesicht haben. Denn trotz der Schönheit des Stückes finden sie, nur wegen des Titels, keine Zuschauer.

Glücklich, dreimal glücklich sind Weiber wie Armellina, bei denen Titel und Stück beide gleich schön sind!

Als ich nach Hause kam, hatte ich das Glück, Margherita in tiefem Schlaf zu finden. Ich hütete mich wohl, sie zu wecken, und legte mich, nachdem ich meine Kerze ausgelöscht hatte, so geräuschlos wie möglich zu Bett.

Ich bedurfte der Ruhe, denn ich besaß nicht mehr die unerschöpfliche Kraft der Jugend. Ich schlief bis zum Mittag.

Als ich erwachte, sagte Margherita mir, ein sehr schöner junger Mann habe mir gegen zehn Uhr einen Besuch machen wollen, und da sie nicht gewagt habe, mich zu wecken, so habe sie ihn bis elf Uhr unterhalten. »Ich habe ihm Kaffee gemacht, den er sehr gut gefunden hat. Er will morgen wiederkommen, aber er hat mir seinen Namen nicht genannt. Er ist ein sehr schöner junger Mann und hat mir dieses Goldstück geschenkt, das ich nicht kenne. Ich hoffe, es wird Ihnen nicht unangenehm sein.«

Ich erriet, daß es mein Florentiner war. Das Goldstück war eine doppelte Unze. Ich lachte, denn da ich in das Mädchen nicht verliebt war, so war mir alles gleichgültig. Ich sagte ihr, es sei gut, daß sie ihn unterhalten habe, und noch besser, daß sie das Goldstück angenommen habe, das achtundvierzig Paoli wert sei.

Sie umarmte mich zärtlich und verschonte mich dank diesem Abenteuer mit den Vorwürfen, die sie mir sonst wegen meines späten Nachhausekommens gemacht haben würde.

Ich war neugierig, was das für ein toskanischer Phönix sein möchte, der sich so freigebig zeigte, und beeilte mich daher, den Brief meiner lieben Leonilda zu lesen.

Er war ein reicher Kaufherr, namens M., der ein Geschäft in London hatte und durch einen Malteserritter ihrem Gatten empfohlen worden war. Leonilda schilderte ihn mir als einen reichen, liebenswürdigen, gebildeten und freigebigen Mann und versicherte mir, daß ich ihn lieb gewinnen würde.

Nachdem sie mir viel über ihren Gatten mitgeteilt und allerlei Aufträge von dem guten Marchese und der ganzen Familie an mich ausgerichtet hatte, schrieb Leonilda zum Schluß, sie sei glücklich, denn sie sei guter Hoffnung, Mutter zu werden, und sie würde auf dem Gipfel der Seligkeit sein, wenn sie einen Sohn zur Welt brächte. Sie bat mich, dem Marchese meinen Glückwunsch zu schreiben.

Sei es die Stimme der Natur, sei es die Macht der Erziehung – genug, ich schauderte, als ich diese Mitteilung las. Ich antwortete ihr jedoch einige Tage darauf und legte diesem Brief offen einen anderen an den Marchese bei, dem ich schrieb, daß Gottes Gnaden niemals zu spät kommen, und daß mich niemals eine Nachricht so gefreut habe wie die, daß er bald einen Erben haben werde.

Im Mai brachte Leonilda einen Knaben zur Welt. Ich sah diesen in Prag, als Leopold der Zweite gekrönt wurde, im Hause des Fürsten Rosenberg. Er nennt sich Marchese E., wie sein Vater, vielmehr wie der Gatte seiner Mutter, der ein Alter von achtzig Jahren erreicht hat.

Obgleich mein Name dem jungen Menschen unbekannt war, ließ ich mich ihm vorstellen; ich erfreute mich seiner Unterhaltung noch ein zweites Mal im Theater. Er wurde von einem sehr gebildeten Abbate begleitet, den man seinen Hofmeister nannte; aber er bedurfte eines solchen nicht, denn er war mit zwanzig Jahren schon so vernünftig, wie wenig Menschen es mit sechzig sind.

Ich sah mit inniger Freude, daß der Jüngling das leibhaftige Ebenbild des Marchese war. Ich weinte hierüber Tränen des Glückes, indem ich daran dachte, wie glücklich diese Ähnlichkeit den wackeren Marchese und die Mutter gemacht haben mußte, und ich bewunderte das Spiel eines Zufalls, der die Natur zur Mitschuldigen an einer glücklichen Lüge gemacht zu haben schien.

Ich schrieb an meine teure Leonilda und übergab ihrem Sohn diesen Brief, den sie erst im Karneval des Jahres l792 erhielt, als der junge Marchese nach Neapel zurückkehrte. Bald darauf erhielt ich eine Antwort, worin sie mich zur Hochzeit ihres Sohnes einlud und mich bat, zu ihr zu ziehen und im Schoße zärtlicher Freundschaft meine Tage zu beschließen. Wer weiß, ob es nicht noch mal dazu kommt!

Um drei Uhr begab ich mich zur Fürstin Santa-Croce, die ich im Bett fand. Neben ihr saß der Kardinal und las ihr vor.

Kaum erblickte sie mich, so fragte sie, warum ich die Oper nach dem zweiten Akt verlassen hätte.

»Fürstin, ich kann Ihnen eine sechs Stunden lange, interessante Geschichte erzählen, aber bevor ich dies tue, müssen Sie mir in Bezug auf die Einzelheiten freie Hand gewähren; denn es kommen darin Episoden vor, die unbedingt der Natur gemäß erzählt werden müssen.«

»Ist es etwas in der Art wie mit der Nonne M. M.?«

»Ja, gnädiger Herr, ungefähr so.«

»Wollen Sie taub sein, Fürstin?« fragte Seine Eminenz sie.

»Sie können sich darauf verlassen!«

Ich erzählte ihnen hierauf die Geschichte der Nacht ungefähr in derselben Weise, wie ich sie hier niedergeschrieben habe. Über das Herausfischen der Austern aus dem Leibchen und über das Blindekuhspiel lachte die Fürstin trotz ihrer angeblichen Taubheit bis zu Tränen. Schließlich stimmten sie und der Kardinal darin überein, ich hätte mich gut benommen und würde ohne Zweifel bei der nächsten Zusammenkunft den Lohn meiner Mühen ernten.

»In zwei oder drei Tagen«, sagte der Kardinal zu mir, »werden Sie den Dispens für Emiliens künftigen Gatten erhalten; er kann sie dann heiraten, sobald er will.«

Am nächsten Morgen um neun Uhr machte der Florentiner mir einen Besuch. Ich fand ihn genau so, wie die Marchesa ihn mir geschildert hatte; aber ich war nicht gut auf ihn zu sprechen, und meine Stimmung verbesserte sich nicht, als er mich fragte, ob die hübsche Person, die ich im Theater bei mir gehabt hätte, etwa verheiratet oder verlobt sei, und ob sie Vater oder Mutter oder andere Verwandte habe, von denen sie abhängig sei.

Ich bat ihn mit einem etwas bitteren Lächeln, mir zu erlassen, daß ich hierüber Auskunft gebe, da die junge Dame im Theater maskiert gewesen sei.

Er errötete und bat mich um Verzeihung.

Ich dankte ihm für die Ehre, die er Margherita erwiesen, indem er eine Tasse Kaffee von ihr angenommen habe, und bat ihn, auch mir dieses Vergnügen zu erweisen, indem ich ihm zugleich sagte, ich würde mich am nächsten Morgen zum Frühstück bei ihm einfinden. Er wohnte bei Roland gegenüber San Carlo; in demselben Gasthof wohnte auch die berühmte Sängerin Gabrielli, mit Beinamen la Couchetta, der vom Fürsten Borghese eifrig der Hof gemacht wurde.

Kaum war der junge Florentiner fort, so eilte ich nach San Paolo; ich konnte es kaum erwarten, zu sehen, was für ein Gesicht meine beiden von mir so herrlich eingeweihten Vestalinnen machten.

Sie hatten eine ganz andere Miene als bisher: Emilia war fröhlich, und Armellina war traurig geworden.

Ich sagte zu Emilia: »In drei Tagen werde ich Ihnen einen vollständigen Ablaß vom Aufgebot bringen; in etwa acht Tagen werden Sie die Anweisung des Kardinals ausgehändigt empfangen, auf Grund deren Sie vierhundert Scudi und Ihren Abschied erhalten werden. Am selben Tage werde ich Ihnen ein Stipendium von zweihundert Scudi überbringen.«

Sie geriet bei dieser Nachricht vor Freude ganz außer sich und verließ das Sprechgitter, um zur guten Oberin zu eilen und ihr ihr Glück mitzuteilen.

Als ich mit Armellina allein war, ergriff ich ihre Hände, bedeckte diese mit Küssen und flehte sie an, doch wieder ihre alte köstliche Fröhlichkeit zu zeigen.

»Was soll ich hier ohne Emilia machen!« rief sie aus. »Was soll ich hier machen, wenn Sie fort sind? Ich werde unglücklich sein. Ich liebe mich selber nicht mehr.«

Ich fühlte tiefe Betrübnis, als ich sie Tränen vergießen sah, die ich für mein Leben gern aufgefangen hätte, um mich in Liebe zu berauschen, oder noch besser, um die Glut zu dämpfen, die mich verzehrte. Ich schwor ihr, ich würde Rom nicht verlassen, bevor ich sie verheiratet sähe, und würde ihr eine Mitgift von tausend Talern aussetzen.

»Aus den tausend Talern mache ich mir nichts, aber es beglückt mich, daß Sie mir versprechen, Rom nicht zu verlassen, bevor Sie mich verheiratet haben. Weiter verlange ich nichts; aber wenn Sie mich täuschten, werde ich daran sterben.«

»Und ich werde lieber sterben als Sie täuschen; aber meine liebe Armellina, verzeihen Sie der Liebe, die mich vielleicht vorgestern zu weit fortgerissen hat.«

»Ich verzeihe Ihnen alles, wenn Sie stets mein Freund bleiben.«

»Das verspreche ich Ihnen; aber erlauben Sie mir doch, Sie auf Ihren schönen Mund zu küssen.«

Nach diesem ersten Kuß, den ich als ein sicheres Unterpfand ihrer Übergabe auffaßte, trocknete sie ihre Tränen, und Emilia erschien mit der Oberin, die mir die verbindlichsten Komplimente machte. Unter anderem sagte sie zu mir: »Sie müssen mir versprechen, sich für die neue Kameradin zu interessieren, die ich unserer Armellina zu geben gedenke, sobald Emilia uns verläßt.«

»Ich verspreche Ihnen alles zu tun, was Sie mir befehlen werden, und ich hoffe, Signora, Sie werden mir zum Lohne dafür erlauben, die jungen Mädchen heute Abend ins Theater zu führen.«

»Sie werden sie bereit finden, denn wer könnte Ihnen wohl etwas abschlagen!«

Als ich mit den beiden Freundinnen allein war, entschuldigte ich mich eifrig, daß ich ohne ihre Einwilligung über sie verfügt hätte.

»Ohne unsere Einwilligung!« rief Emilia; »wir wären ja im höchsten Grade undankbar, wenn wir nach allem, was Sie für uns getan haben und noch tun, Ihnen irgend etwas abschlagen könnten.«

»Und Sie, meine schöne Armellina – werden Sie sich meiner Zärtlichkeit entziehen?«

»Nein, lieber Freund. Aber ich werde mich in den Grenzen halten, die die Vernunft vorschreibt. Vor allen Dingen kein Blindekuhspiel mehr!«

»Ach! es ist doch ein so hübsches Spiel! Sie machen mich wirklich traurig.«

»Erfinden Sie doch ein anderes!« sagte Emilia.

Emilia war in Feuer geraten, und das war mir nicht angenehm; denn ich fürchtete, Armellina könnte eifersüchtig werden. Wenn ich dies befürchtete, so brauchte ich darum kein eingebildeter Geck zu sein, denn ich kannte das menschliche Herz.

Sobald ich sie verlassen hatte, eilte ich nach dem Theater von Torre di Nona, um mir eine Loge zu beschaffen; hierauf ging ich in den Gasthof und bestellte das Abendessen und dieselben Zimmer. Ich vergaß auch die Austern nicht, obgleich ich überzeugt war, daß ich derselben nicht mehr bedürfte.

Hierauf begab ich mich sofort zu einem Musiker und beauftragte diesen, mir drei Eintrittskarten für einen Ball zu besorgen, auf welchem ich von niemanden erkannt werden könnte.

Ich ging nach Hause, um dort allein zu essen, fand jedoch ein Briefchen von der Marquise d’Août, die mich zum Mittagessen einlud und mir die freundschaftlichsten Vorwürfe machte, daß ich mich niemals uneingeladen bei ihr sehen ließe. Ich folgte der Einladung und fand bei der Marquise den Florentiner.

Bei Tisch lernte ich eine Menge von den guten Eigenschaften des liebenswürdigen jungen Mannes kennen und fand, daß Leonilda ihm mit ihrer Beschreibung nicht geschmeichelt hatte.

Gegen Ende der Mahlzeit fragte die Marquise mich, warum ich nicht bis zum Schluß der Vorstellung in der Oper geblieben sei.

»Meine jungen Damen langweilten sich.«

»Ich weiß, daß sie nicht zum Hofstaate des venetianischen Botschafters gehören.«

»Allerdings nicht, meine Gnädige, und ich bitte Sie wegen meiner kleinen Lüge um Verzeihung.«

»Sie erfanden Ihre Mitteilung aus dem Stegreif, um mir nicht zu sagen, wer sie sind; aber man weiß es.«

»Ich wünsche den Neugierigen Glück dazu, Madame.«

»Die junge Dame, mit der ich gesprochen habe, ist dazu angetan, allgemeine Neugier zu erregen; aber an Ihrer Stelle würde ich sie ein wenig Puder auflegen lassen.«

»Dazu besitze ich keine Autorität, und wenn ich solche besäße, so möchte ich ihr um alles in der Welt keinen Zwang antun.«

Der Florentiner gefiel mir, weil er alles anhörte, ohne ein Wort zu sagen. Ich ließ ihn viel von England und von seinen Geschäften sprechen. Er sagte mir, er gehe nach Florenz, um seine Erbschaft anzutreten und eine Gattin zu suchen, die er mit sich nach London nehmen würde. Beim Abschied sagte ich ihm, ich würde erst am übernächsten Tage das Vergnügen haben, ihn in seiner Wohnung aufzusuchen, da eine geschäftliche Angelegenheit mich abhielte, ihn meinem Versprechen gemäß schon am nächsten Tage zu besuchen. Er bat mich, erst zum Mittagessen zu kommen und dieses mit ihm zu teilen.

Voll von Liebe und Hoffnung holte ich meine beiden Freundinnen ab. Sie sahen mit großer Heiterkeit die ganze Komödie an, ohne daß irgend etwas uns störte. Vor dem Gasthof stiegen wir ab, und ich befahl dem Kutscher, mich um zwei Uhr abzuholen. Hierauf gingen wir in den dritten Stock hinauf und setzten uns dort vor ein gutes Kaminfeuer, während man uns die Austern öffnete, die uns nicht mehr so interessierten wie die vorigen Male.

Emilia und Armellina benahmen sich so, wie es sich für unsere Beziehungen gehörte.

Emilia sah aus wie jemand, der gute Ware auf Kredit verkauft hat und den Käufer gönnerhaft behandelt, weil er ihm ein gutes Geschäft vermittelt hat. Armellina war zärtlich und lachte, war aber zugleich etwas bedrückt und winkte mir mit den Augen, wie wenn sie mich an das Wort erinnern wollte, das ich ihr gegeben hatte. Ich antwortete ihr nur durch glühende Küsse, die ihr ihre Sicherheit zurückgaben, sie aber zugleich voraussehen ließen, daß ich meine Verpflichtungen, die ich gegen sie hätte, noch bedeutend zu vermehren gedächte. Es kam mir jedoch so vor, als wenn sie sich mit der Tatsache abgefunden hätte, und so setzte ich mich mit zufriedener Seele zu Tisch.

Ich beschäftigte mich nur mit Armellina. Da Emilia unmittelbar vor ihrer Heirat stand, so konnte sie wohl annehmen, daß ich sie nur aus einer gewissen ehrfurchtsvollen Scheu vor dem Sakrament der Ehe vernachlässigte.

Als wir gespeist hatten, setzte ich mich, fröhlich und wollüstig wie immer, mit Armellina auf das Sofa und verbrachte mit ihr drei Stunden, die ich mir köstlich hätte machen können, wenn ich mich nicht darauf versteift hätte, die höchste Gunst von ihr haben zu wollen. Hierauf wollte sie sich nicht einlassen. Worte, Bitten, Zornesausbrüche konnten sie ebensowenig besiegen wie ihre engelhafte Sanftmut ändern. Zärtlich in meinen Armen liegend, bald lachend, bald liebevoll traurig, bewilligte sie mir niemals, was ich durchaus erringen wollte. Dabei verweigerte sie es mir niemals in aller Form.

Dies scheint ein Rätsel zu sein, aber es ist keines.

Sie verließ meine Arme als Jungfrau, obgleich sie vielleicht betrübt war, daß sie es nicht gewagt hatte, sich über ihre Pflichten hinauszusetzen, indem sie mich ganz und gar glücklich machte.

Die Natur zwang mich aufzuhören, obgleich ich immer noch vor Liebe glühte und wenig befriedigt war. Ich bat sie um Verzeihung. Die Vernunft sagte mir, daß dies das einzige Mittel war, um mir ihre Einwilligung für ein anderes Mal zu verschaffen.

Nachdem wir uns, halb traurig, halb lustig, angezogen hatten, weckten wir Emilia, die in tiefem Schlaf lag, und entfernten uns.

In meiner Wohnung angekommen, legte ich mich zu Bett, ohne mich um die Schimpfwörter zu bekümmern, womit Margherita in ihrem Zorn mich überhäufte.

Der Florentiner gab mir ein Diner von ausgezeichneter Feinheit. Aufs tiefste rührten mich die Freundschaftsbeweise, mit denen er mich überhäufte, und sein Anerbieten, mir mit Geld auszuhelfen, wenn ich dessen bedürfen sollte.

Er hatte Armellina gesehen, und sie hatte ihm gefallen. Ich hatte ihn schroff abfallen lassen, als er mit mir von ihr gesprochen hatte. Seitdem hatte er kein Wort mehr von ihr gesagt, und auch bei diesem Essen wurde nicht mehr von ihr gesprochen.

Ich glaubte annehmen zu müssen, daß eine innere Sympathie ihn zu mir hinzöge; diese war mir angenehm, und ich glaubte, sie ihm in gleicher Weise vergelten zu müssen.

Ich lud ihn bei mir zum Essen ein und ließ Margherita mit mir speisen. Da ich nicht eifersüchtig auf sie war, so wäre es mir sehr angenehm gewesen, wenn er sich in sie verliebt hätte. Er würde, glaube ich, keine Schwierigkeiten bei ihr gefunden haben, denn er gefiel ihr, und ich würde gerne ein Auge zugedrückt haben. Es geschah jedoch nichts. Als das Mädchen einen Ring bewunderte, den er an seiner Uhrkette trug, bat er mich um Erlaubnis, ihr denselben anbieten zu dürfen, und ich gab meine Einwilligung. Dies war deutlich genug; aber dabei blieb die Sache stehen.

In acht Tagen war alles für Emilias Heirat in Ordnung. Ich verschaffte ihr für ihren Stipendienschein bares Geld, und an demselben Tage, wo sie das Kloster verließ, verheiratete sie sich und reiste mit ihrem Mann nach Civitia vecchia.

Menicuccio, von dem ich seit langer Zeit nicht mehr gesprochen habe, war glücklich über mein Verhältnis zu seiner Schwester, denn er glaubte, daß sie in Zukunft Vorteil davon haben würde, und er war noch glücklicher über die Entwicklung, die seine eigenen Angelegenheiten nahmen; denn drei Tage nach Emilias Hochzeit heiratete er seine Geliebte und begründete einen hoffnungsreichen Hausstand.

Als Emilia fort war, gab die gute Oberin meiner Armellina eine neue Aufseherin. Es war ein junges Mädchen, das vielleicht zwei oder drei Jahr älter war als meine Freundin; sie war sehr schön, erregte aber trotzdem meine Teilnahme nur in sehr geringem Grade. Wenn ich von einem Gegenstand stark in Anspruch genommen war, konnte, bevor ich Befriedigung gefunden hatte, ein anderer mir nur sehr leichte Wünsche einflößen.

Die Oberin sagte mir, Armellinas neue Freundin heiße Scolastica. Sie werde gewiß meine Achtung gewinnen, denn sie sei ebenso verständig wie Emilia. Sie hoffe, ich werde ihr dazu verhelfen, daß ein Mann, der eine sehr gute Anstellung habe und den sie kenne, sie heirate; er brauche nur dreihundert Scudi, um den erforderlichen Dispens zu bezahlen.

Dieser Bewerber war der Sohn eines Vetters von Scolastica. Sie nannte ihn ihren Neffen, obwohl er älter war als sie. Der Dispens war für Geld nicht schwer zu erlangen, aber um ihn umsonst zu erhalten, mußte ich jemanden ausfindig machen, der den Heiligen Vater darum bat.

Ich versprach, mich mit der Sache zu beschäftigen.

Der Karneval näherte sich seinem Ende, und Scolastica hatte in ihrem Leben weder Opern noch Komödien gesehen. Armellina hatte Lust, einen Ball zu sehen, und ich hatte endlich einen gefunden, wo wir nach meiner Meinung von keinem Menschen erkannt werden konnten. Da die Sache jedoch Folgen nach sich ziehen konnte, so waren Vorsichtsmaßregeln nötig. Ich fragte also die beiden neuen Freundinnen, ob sie sich als Männer verkleiden wollten, und sagte ihnen, ich werde ihnen alles Nötige besorgen. Sie waren mit Freuden einverstanden.

Für den Tag nach dem Ball hatte ich mir eine Loge im Theater Aliberti besorgt. Ich benachrichtigte also meine jungen Freundinnen, sie möchten die Oberin um Erlaubnis bitten und mich in der Dämmerung erwarten.

Obgleich durch Armellinas Widerstand und durch die Gegenwart ihrer neuen Gesellschafterin etwas entmutigt – denn diese kam mir so vor, wie wenn sie sich weder durch einen Handstreich überrumpeln lassen, noch sich bereit finden lassen würde, unserer Liebschaft als Deckmantel zu dienen – so ließ ich doch alles Erforderliche, um sie in zwei schöne Knaben zu verwandeln, nach dem Gasthof schaffen.

Beim Einsteigen in den Wagen gab Armellina mir die üble Nachricht, daß Scolastica von nichts wüßte und daß wir uns in ihrer Gegenwart nichts erlauben dürften. Da im selben Augenblick Scolastica einstieg, so hatte ich keine Zeit ihr zu antworten, und wir fuhren nach dem Gasthof. Als wir in dem Zimmer mit dem guten Feuer waren, sagte ich ihnen etwas verdrießlich: wenn sie allein sein wollten, so würde ich trotz der Kälte in das Nebenzimmer gehen.

Mit diesen Worten zeigte ich ihnen die Männerkleider. Armellina sagte: »Es genügt, wenn Sie uns den Rücken zukehren. Nicht wahr, Scolastica?«

»Ich mache alles wie du, meine Liebe, aber ich bin sehr betrübt; denn ich bin überzeugt, daß ich euch zur Last bin. Ihr liebt euch, das ist ja sehr einfach, ich verhindere euch, euch eure Liebe zu beweisen, und bin darüber in Verzweiflung. Ich bin doch kein Kind mehr, und ich bin deine Freundin; warum behandelst du mich, wie wenn ich es nicht wäre?«

Als ich diese vernünftige Sprache hörte, atmete ich auf.

»Sie haben recht, schöne Scolastica«, sagte ich zu ihr. »Ich liebe Armellima; aber sie liebt mich nicht und sucht Vorwände, um mich nicht glücklich zu machen.«

Mit diesen Worten verließ ich das Zimmer, schloß die Tür hinter mir und zündete mir im zweiten Zimmer ein Feuer an.

Seit einer Viertelstunde mopste ich mich, als endlich Armellina an die Türe klopfte und mich bat, ich möchte öffnen. Sie war in Hosen und sagte mir, ich müßte ihr durchaus helfen, denn die Schuhe wären zu klein, und sie könnte sie nicht anbekommen.

Da ich immer noch ein verdrießliches Gesicht machte, fiel sie mir um den Hals und bedeckte mich mit Küssen. Es gelang mir ohne große Mühe, mich zu beruhigen. Während ich ihr die Gründe meiner Verdrießlichkeit sagte und alles, was ich sah, mit meinen Küssen bedeckte, lachte Scolastica laut auf und sagte: »Ich wußte ja, daß ich euch zur Last war. Aber wenn ihr nicht das größte Zutrauen zu mir habt, so erkläre ich euch hiermit, daß ich morgen nicht das Vergnügen haben werde, euch in die Oper zu begleiten.«

»Nun, so umarme doch meinen Freund ebenfalls!« rief Armellina.

»Gern!«

Dieser Edelmut Armellinas gefiel mir nicht, aber dies verhinderte mich nicht, Scolastica mit aller Glut zu küssen, die sie verdiente. Ich hätte es selbst dann getan, wenn sie weniger schön gewesen wäre; denn eine so große Liebenswürdigkeit verdiente ihren Lohn. Ich küßte sie sogar ganz besonders heiß, weil ich Armellina ein wenig bestrafen wollte, aber ich irrte mich: sie war offenbar entzückt und umarmte ihre Freundin zärtlich, wie wenn sie ihr für ihre Gefälligkeit danken wollte.

Ich ließ sie sich hinsetzen, um ihr beim Anziehen der Schuhe zu helfen; aber ich sah, daß die Schuhe nicht paßten und daß wir andere brauchten.

Ich rief den Kellner, der uns bediente, und schickte ihn fort, um mir einen Vorrat an Schuhen zu holen.

Während wir auf seine Ankunft warteten, erlaubte die Liebe mir nicht, mich bei Armellina mit einfachen Küssen zu begnügen. Sie wagte ebensowenig sich mir zu entziehen, wie sich mir ganz und gar hinzugeben; aber gewissermaßen, wie wenn sie sich entschuldigen wollte, nötigte sie mich, ihrer Freundin Scolastica dieselben Liebkosungen zu erweisen wie ihr, und diese kam mir so weit entgegen, ^6i daß ich von ihr nichts mehr hätte verlangen können, wenn ich in sie verliebt gewesen wäre.

Sie war ein reizendes Mädchen und stand an Schönheit des Gesichtes wie an Vollendung der Formen nicht hinter Armellina zurück, wohl aber in einer gewissen Zartheit des Ausdruckes, der nur dieser eigentümlich war.

Im Grunde mißfiel der Scherz mir nicht, aber indem ich darüber nachdachte, mischte sich einige Bitterkeit in den Genuß; denn ich glaubte zu entdecken, daß Armellina mich nicht liebte, und daß die andere mir nur darum keinen Widerstand leistete, weil sie ihrer Freundin die Verlegenheit benehmen und sie überzeugen wollte, daß sie ihr ganz und gar vertrauen könnte.

Dies machte mich so ratlos, daß ich mit dem Liebesspiel innehielt. Schließlich aber kam ich auf den Gedanken, ich würde gut tun, an derjenigen Geschmack zu finden, bei der ich mir völlige Befriedigung verschaffen könnte.

Kaum war dieser Gedanke mir durch den Kopf geschossen, so wurde ich neugierig, einen Versuch zu machen, ob Armellina ihr Verhalten ändern würde, wenn ich mich wirklich in ihre Freundin verliebt zeigte, und ob diese vielleicht finden würde, daß ich zu weit ginge; denn bis dahin waren meine Hände nach unten nicht über die Grenzen ihres Hosenbundes hinausgegangen.

Ich wollte gerade ans Werk gehen, da kam der Schuster. In ein paar Minuten hatten sie gutes Schuhzeug.

Nachdem sie ihre Röcke angezogen hatten, sah ich vor mir zwei sehr hübsche Jünglinge, deren Formen so viel von ihrem Geschlecht verrieten, um einen jeden, der mich in ihrer Gesellschaft sehen würde, eifersüchtig auf mein Glück zu machen.

Ich befahl, das Souper für Mitternacht bereit zu halten, und wir gingen auf den Ball, wo ich hundert gegen eins hätte wetten mögen, daß man mich nicht erkennen würde; denn der Musiker, der mir die Eintrittskarten besorgt hatte, hatte mir gesagt, es sei eine Gesellschaft von kleinen Kaufleuten. Aber was vermag nicht der Zufall oder das Schicksal!

Wir betreten einen großen Saal, der sehr gut, aber ohne Luxus ausgestattet ist, und die ersten Personen, auf die mein Blick fällt, sind die Marquise d‘ Août, ihr Gatte und ihr unzertrennlicher Abbé. Ich wurde jedenfalls feuerrot, aber ich konnte nicht mehr zurück, denn sie hatten mich bereits gesehen. So nahm ich mich zusammen und ging auf sie zu. Wir machten die üblichen Komplimente, und die feine Marchesa fügte diesen auch noch viele Scherze über meine beiden jungen Begleiter hinzu, die in ihrer Verlegenheit kein Wort zu sagen wußten, da sie es nicht gewohnt waren, in Gesellschaft zu verkehren. Was mich aber sehr verdroß, war eine große, junge Dame, die nach der Beendigung eines Menuetts meiner Armellina eine Verbeugung machte und sie aufforderte, mit ihr zu tanzen.

In diesem Mädchen erriet ich den Florentiner, der die Laune gehabt hatte, sich als Weib zu verkleiden. Er sah wie eine vollendete Schönheit aus.

Armellina glaubte, sie dürfte nicht für dumm gelten, und sagte ihm: »Ich erkenne Sie.«

»Vielleicht täuschen Sie sich«, sagte er sehr geistvoll zu ihr; »denn ich habe einen Bruder, der mir vollkommen ähnlich sieht; ebenso müssen Sie eine Schwester haben, die Ihr leibhaftiges Abbild ist. Mein Bruder hat das Glück gehabt, sich im Theater Capronica einen Augenblick mit ihr zu unterhalten.«

Über diese schlagfertige Antwort des Florentiners lachte die Marquise, und ich glaubte einstimmen zu müssen, obgleich mir durchaus nicht danach zumute war.

Da Armellina sich damit entschuldigte, daß sie nicht tanzen könnte, so ließ die Marquise sie zwischen ihr und dem Florentiner Platz nehmen. Der Marquis bemächtigte sich meiner Scolastica, und so blieb mir nur die Aufgabe, mich um die Marquise zu bemühen, ohne Armellina auch nur einmal ansehen zu können, die von den Reden des Florentiners ganz und gar in Anspruch genommen wurde.

Ich war eifersüchtig wie ein Tiger und brüllte innerlich vor Wut; aber die gesellschaftliche Sitte zwang mich, meinen Zorn unter einer Miene völliger Zufriedenheit zu verbergen. Ich überlasse es dem Leser sich auszumalen, wie sehr ich litt, und wie tief ich es bereute, auf diesen Ball gegangen zu sein.

Aber ich hatte noch nicht einmal den Höhepunkt meiner Leiden erreicht, denn diese wuchsen noch ganz beträchtlich als ich sah, wie Scolistaca den Arm des Marquis losließ und auf einen Mann von reiferen Jahren zutrat, mit dem sie sich in eine Ecke des Saals zurückzog, wo sie in sehr vertrauter Weise sich miteinander unterhielten.

Nach den Menuetten kamen die Kontertänze an die Reihe, und ich glaubte zu träumen, als ich Armellina als Kavalier und den Florentiner als Dame in dem Viereck nebeneinander stehen sah.

Ich mußte fortfahren, Gefühle zu zeigen, die mit meinen wirklichen Gefühlen in grausamsten Widerspruch standen. Ich trat daher auf sie zu, um ihnen mein Kompliment zu machen, und fragte Armellina in freundlichem Tone, ob sie auch sicher wäre, daß sie den Kontertanz tanzen könnte.

»Der Herr hat mir gesagt, ich könnte mich unmöglich irren, wenn ich nur alles nachmachte, was er mir vormachen würde.«

Auf diese Antwort ließ sich nichts erwidern. Ich begab mich nun zu Scolastica, denn ich war sehr neugierig, den Herrn kennen zu lernen, mit dem sie sich unterhielt.

Als sie mich herantreten sah, stellte sie ihn mir mit schüchternem Wesen vor und sagte mir, er sei der Neffe, von dem sie mit mir gesprochen habe und der sie glücklich zu machen wünsche, wenn er die Erlaubnis erhalten könne, sie zu heiraten.

Meine Überraschung war groß, aber ich wußte sie zu verbergen. Ich sprach mit ihm so höflich und trostreich, wie ich nur konnte, und sagte unter anderem, die Oberin habe bereits zu seinen Gunsten mit mir gesprochen, und ich habe auch bereits darüber nachgedacht, wie man den Dispens vom Heiligen Vater erlangen könne, ohne etwas dafür zu bezahlen.

Der Mann, der sehr anständig aussah, dankte mir lebhaft und empfahl sich mir angelegentlich, indem er besonders betonte, daß er kein Geld habe.

Da ich sah, daß er nicht im geringsten eifersüchtig war, ließ ich Scolastica mit ihm allein und begab mich wieder zu Armellina. Mit Erstaunen sah ich, daß sie ihre Sache sehr gut machte und bei keiner einzigen Figur einen Fehler beging. Der Florentiner, der ein ausgezeichneter Tänzer war, sagte ihr vorzüglich Bescheid, und alle beide schienen sehr glücklich zu sein.

Mir trat die Galle ins Blut; aber ich nahm mich zusammen und machte nach dem Tanz meiner Armellina sowohl wie ihrem Florentiner ein Kompliment. Er spielte die Dame ganz ausgezeichnet und war so gut angezogen, daß man ihn weder nach seinen Formen noch nach seinem Benehmen jemals für einen Mann hätte halten können. Dies war allerdings kein Wunder, denn die Marquise d’Août hatte es übernommen, ihn zu verkleiden.

Meine Eifersucht erlaubte mir nicht, Armellina aus den Augen zu lassen, und ich versagte mir daher das Vergnügen, selber zu tanzen.

Um Scolastica, die immer noch mit ihrem Bräutigam zusammen war, beunruhigte ich mich nicht; ich wußte, daß das Geplauder mit ihm ihr aufs angenehmste die Zeit vertreiben würde.

Das Souper sollte um Mitternacht beginnen, denn es war ein Samstag, und darum wagte man nicht vor dieser Stunde Fleischspeisen auf den Tisch zu bringen. Gegen halb zwölf Uhr sagte die Marquise, von Armellinas geistreicher Naivität entzückt und vielleicht auch um ihren jungen Freunden angenehm zu sein, in dem leichten Ton der guten Gesellschaft, aber zugleich mit der gebieterischen Miene einer vornehmen Dame zu mir, sie erwarte mich und meine beiden Begleiter in ihrem Hause zum Nachtessen.

»Leider kann ich nicht die Ehre haben, meine gnädige Frau«, antwortete ich ihr, »meine beiden Begleiter wissen warum.«

Sie zeigte auf Armellina und sagte: »Die da hat mir soeben gesagt, es hänge nur von Ihnen ab.«

»Das ist ein Irrtum, glauben Sie mir!«

Ich wandte mich zu Armellina und sagte zu ihr lachend und mit soviel Freundlichkeit, wie ich nur erheucheln konnte: »Sie wissen doch, daß Sie spätestens um halb ein Uhr zu Hause sein müssen.«

»Allerdings«, sagte sie sanft; »aber Sie haben ja doch darüber zu bestimmen.«

Ich antwortete ihr ein wenig traurig, daß ich nicht berechtigt zu sein glaubte, mein Wort zu brechen, daß es aber bei ihr stände, mich dazu zu veranlassen.

Nunmehr begannen die Marquise, deren Mann, der Abbé und der Florentiner sie aufzufordern, sie möchte doch von ihrer Macht Gebrauch machen und mich veranlassen, mein angebliches Wort zu brechen, und Armellina wagte es, mich in dringlicher Weise darum zu bitten.

Ich platzte vor Ärger; da ich jedoch entschlossen war, lieber alles zu tun, als ihnen den geringsten Grund zu geben, mich für eifersüchtig zu halten, so sagte ich zu Armellina mit ganz unbefangener Miene, ich wäre einverstanden, vorausgesetzt, daß es auch ihrer Freundin recht wäre.

»Nun«, sagte sie mit einem Ausdruck von Zufriedenheit, der mich außerordentlich peinlich berührte, »fragen Sie sie doch!«

Nun war ich meiner Sache sicher. Ich begab mich sofort zu Scolastica, trug ihr in Gegenwart ihres Freundes den ganzen Fall vor und bat sie, sie möchte ihre Einwilligung nicht geben, aber es so einrichten, daß ich nicht bloßgestellt würde. Der Bräutigam lobte meine Vorsicht, aber ich brauchte Scolastica nicht erst zu bitten, sich zu verstellen, denn sie sagte mir, sie sei ohnehin entschlossen gewesen, nicht mit anderen Leuten zu soupieren.

Sie kam mit mir, und ich bat sie, zuerst mit ihrer Freundin zu sprechen, bevor sie in Gegenwart der anderen etwas sagte.

Ich führte Scolastica der Marquise zu und sprach mein Bedauern aus, daß es mir nicht gelungen sei, sie zu überreden.

Scolastica bat die Gesellschaft um Entschuldigung und sagte zu Armellina, sie habe ihr etwas unter vier Augen mitzuteilen.

Nachdem sie einige Minuten miteinander gesprochen hatten, kamen sie mit trauriger Miene wieder, und Armellina sagte, es tue ihr sehr leid, aber es sei ganz und gar unmöglich.

Die Marquise bestand nicht länger auf ihren Wunsch, und wir entfernten uns.

Ich bat Scolasticas Bräutigam um Verschwiegenheit und lud ihn ein, am zweiten Tage der Fastenzeit bei mir zu Mittag zu essen.

Wir verließen das Haus. Da die Nacht sehr dunkel war, so war ich sicher, daß man uns nicht folgen würde, und wir gingen zu dem Wagen, den wir auch richtig an dem Ort fanden, wo ich dem Kutscher zu warten befohlen hatte.

Mir war zumute, als wäre ich aus einer Hölle erlöst, wo ich vier Stunden lang tausend Qualen erlitten hätte. Wir kamen beim Gasthof an, ohne daß ich zu den beiden Mädchen auch nur ein Wort gesagt hätte; ich antwortete nicht einmal auf die sehr vernünftigen Fragen, welche die naive Armellina mit einer Stimme, die Stein und Eisen hätten erweichen können, an mich richtete. Scolastica rächte mich, indem sie ihr Vorwürfe darüber machte, daß sie mich vor die unangenehme Wahl gestellt habe, entweder unhöflich und eifersüchtig zu erscheinen oder meine Pflicht zu verletzen.

Als wir dann aber unser Zimmer betraten, verwandelte meine eifersüchtige Wut sich in Mitleid; denn Armellinas schöne Augen schwammen in Tränen, die die von Scolastica ihr gesagten bitteren Wahrheiten ihr entrissen hatten.

Da das Abendessen sofort aufgetragen wurde, so hatten sie nur soviel Zeit, ihre Schuhe zu wechseln. Ich war traurig und hatte Grund dazu; aber Armellinas Stimmung tat mir sehr leid, denn ich fand nicht meine Rechnung dabei. Es galt also, ihre Traurigkeit zu verscheuchen, und dies war eine schwierige Aufgabe, denn ich konnte die Ursache derselben nur darin sehen, daß sie sich in den Florentiner verliebt hatte.

Unsere Mahlzeit war ausgezeichnet; Scolastica tat ihr alle Ehre an, aber Armellina aß gegen ihre sonstige Gewohnheit fast gar nichts. Scolastica zeigte sich von einer reizenden Lustigkeit; sie umarmte ihre Freundin und bat sie, sich doch ihres Glückes zu freuen, denn ihr Bräutigam sei mein Freund geworden, und daher sei sie sicher, daß ich mich für ihn und für sie interessieren würde, wie ich mich für Emilia interessiert hatte. Sie segnete diesen Ball und den Zufall, der ihn hingeführt hätte. Endlich bemühte sie sich aus Leibeskräften, Armellina zu überzeugen, daß sie durchaus keinen Anlaß hätte, traurig zu sein, denn sie könnte doch sicher sein, daß ich nur sie allein liebte.

Scolastica täuschte sich, und Armellina wagte es nicht, ihr diese Täuschung zu benehmen, indem sie ihr die wirkliche Ursache ihrer Traurigkeit mitteilte. Mich hielt nur mein Selbstgefühl davon zurück, es ihr zu sagen; denn ich wußte wohl, daß ich unrecht hatte. Armellina dachte daran, sich zu verheiraten, und der schöne Florentiner war so recht nach ihrem Geschmack.

Unser Abendessen ging zu Ende, und Armellina hatte immer noch nicht ihre gute Laune wiedergefunden. Sie trank nur ein einziges Glas Punsch, und da sie sehr wenig gegessen hatte, so forderte ich sie nicht zum Trinken auf, weil ich befürchtete, daß es ihr schlecht bekommen könnte. Scolastica dagegen, die dieses angenehme Getränk zum ersten Male kostete, überließ sich schrankenlos dem Genuß und fand es scherzhaft, daß der Likör, anstatt in den Magen zu geraten, ihr in den Kopf stieg. In ihrer lustigen Stimmung hielt sie sich für verpflichtet, zwischen Armellina und mir eine vollkommene Aussöhnung zustande zu bringen und uns zu überzeugen, daß sie bei allen Zärtlichkeitsbeweisen, die wir uns vielleicht noch geben würden, nicht stören würde.

Als sie sich erhob, konnte sie kaum stehen; trotzdem trug sie ihre Freundin auf das Sofa, drückte sie an ihre Brust und gab ihr so feurige Küsse, daß Armellina lachen mußte, obgleich sie bei alledem traurig blieb. Hierauf rief sie mich heran, ließ mich an ihrer Seite Platz nehmen und legte Armellina in meine Arme. Ich liebkoste meine Schöne, die diese Liebkosungen nicht zurückwies, aber auch nicht erwiderte, wie Scolastica es erwartet hatte. Ich selber hatte übrigens nicht darauf gehofft, denn ich fühlte recht wohl, daß sie mir in ihrer augenblicklichen Stimmung nicht in Gegenwart Scolasticas gewähren würde, was sie mir verweigert hatte, als ich sie drei Stunden lang in meinen Armen hielt, während sie wußte, daß ihre Freundin in tiefem Schlaf lag.

Scolastica war jedoch damit nicht zufrieden und wandte sich an mich, dem sie eine Kälte vorwarf, von der ich durchaus nichts verspürte.

Ich bat sie, ihre Männerkleider auszuziehen und dafür ihre Frauentracht wieder anzulegen.

Ich half Scolastica Rock und Weste ausziehen, und Armellina erlaubte mir hierauf, ihr ebenfalls zu helfen.

Als ich ihnen ihre Hemden reichte, bat Armellina mich, mich vor das Feuer zu setzen. Ich tat dies.

Bald darauf machte das Geräusch von Küssen mich neugierig; ich drehte mich um und sah, wie Scolastica, vom Punsch erhitzt, Armellinas Busen mit Küssen verschlang. Schließlich wurde diese besiegt; sie fand ihre gewöhnliche Heiterkeit wieder und vergalt ihrer liebeglühenden Freundin Gleiches mit Gleichem.

Bei diesem Anblick geriet der Salpeter in meinen Adern in Wallung; ich eilte zu ihnen, und Scolastica nahm es mir nicht übel, daß ich der Schönheit ihrer herrlichen Brüste Gerechtigkeit widerfahren ließ und sie zur Amme machte.

Armellina schämtte sich, weniger großmütig zu sein als ihre Freundin, und Scolastica jubelte, als sie sah, welchen Gebrauch ich zum erstenmal von den Händen ihrer schönen Kameradin machte. Armellina forderte nach ihrer Gewohnheit ihre Freundin auf, dasselbe zu tun wie sie, und diese ließ sich nicht bitten. Am meisten gefiel mir an ihr ihr Erstaunen, woraus ich sah, daß sie trotz ihren zwanzig Jahren noch Neuling war.

Nachdem die unausbleibliche Wirkung eingetreten war, streifte ich ihnen ihre Hemden über und zog ihnen in allen Ehren die Hosen aus.

Nachdem sie einige Minuten im Nebenzimmer allein gewesen waren, kamen sie, sich umschlungen haltend, wieder herein und setzten sich aus eigenem Antrieb auf meine Knie.

Scolastica nahm es mir durchaus nicht übel, daß ich anfangs Armellinas geheimen Schönheiten den Vorzug gab, sondern schien davon entzückt zu sein. Sie sah mit der größten Aufmerksamkeit zu, wie ich es machte und wie Armellina sich benahm, und es war leicht zu erraten, daß sie die Hoffnung hegte, mich das große Werk vollziehen zu sehen; aber dazu wollte die sanfte Armellina es nicht kommen lassen.

Da ich das, was ich wollte, nicht erreichen konnte, so gab ich es auf, zumal da ich ja auch Verpflichtungen gegen Scolastica hatte; außerdem reizte es mich, ihre geheimsten Schönheiten in Augenschein zu nehmen.

Die gefällige Freundin leistete keinen Widerstand, denn sie war sicher, daß sie keinen Vergleich zu scheuen brauchte.

Es war schwierig zu entscheiden, welche von den beiden Schönen den Apfel verdiente; aber Armellina hatte den Vorzug, von mir geliebt zu sein, und Scolasticas Gesicht, dessen Schönheit vielleicht regelmäßiger war, hatte nicht jenen unbeschreiblichen Schimmer, womit die Liebe den angebeteten Gegenstand umkleidet. Ich merkte, daß sie ebenso unberührt war wie Armellina, aber an der Stellung, die sie einnahm, erkannte ich, daß sie sich mir ohne jeden Widerstand überließ.

Eine gewisse Furcht hielt mich ab, den Augenblick auszunützen. Der Triumph war zu schön, als daß ich ihn der Trunkenheit hätte verdanken mögen.

Trotzdem stellte ich alles mit ihr auf, was ein Kenner nur machen kann, um die Geliebte, wenn er sie auch täuscht, doch in die höchste Wonne zu versetzen. Von Wollust überwältigt, sank Scolastica in Ohnmacht; sicherlich war sie überzeugt, daß ich nur aus Zartgefühl ihren geheimen Wünschen nicht ganz nachgegeben hatte.

Lachend wünschte die naive Armellina uns beiden Glück. Ich fühlte mich beschämt, und Scolastica bat sie um Verzeihung. Hierauf brachte ich sie nach ihrem Kloster, wo ich ihnen versicherte, daß ich sie am nächsten Tage abholen und in die Oper führen würde. Als ich nach Hause kam und mich zu Bett legte, war ich mir selber nicht klar darüber, ob ich an diesem Abend verloren oder gewonnen hatte. Erst als ich erwachte, fühlte ich mich imstande, mir ein bestimmtes Urteil zu bilden.