Nanna: Was ist denn mit dir los? Was ist das für ein Zorn, was für ’ne Gereiztheit, Wut, Tobsucht, was klopft dir das Herz, was wirst du fortwährend rot und blaß, was steigt dir der Senf in die Nase? Du bist ja eine ganz ungezogene Göre!

Pippa: Jawohl, mir kriecht ’ne Laus über die Leber, weil Ihr mich nicht Kurtisane wollt werden lassen, wie’s Euch doch meine Gevatterin, die Monna Antonia, geraten hat.

Nanna: Ja, zum Essen gehört mehr, als daß man’s drei Uhr schlagen hört.

Pippa: Ihr seid ’ne böse Stiefmutter! Huhu!

Nanna: Weinst du darum, mein Püppchen?

Pippa: Gewiß will ich darum weinen, gewiß!

Nanna: Lege den Hochmut ab, leg ihn ab, sag ich dir. Denn wenn du dir nicht ganz andere Manieren angewöhnst, Pippa – aber ganz andere! –, so wirst du niemals Hosen auf deinem Hintern haben. Denn heute sind der Huren eine so große Menge, daß eine schon Mirakel verstehen muß in der Kunst der Lebensführung; sonst wird’s ihr niemals zu Mittag- und Vesperbrot langen. Denn es genügt nicht, ein hübsches Weibsstück zu sein, schöne Augen und blonde Zöpfe zu haben: Nur Kunst oder Glück macht Flecken aus. Alles andere ist nur Firlefanz.

Pippa: Ja, das sagt Ihr!

Nanna: So ist’s, Pippa! Aber wenn du nach meinem Sinn handelst, wenn du deine Ohren hübsch aufsperrst, um meine Ermahnungen anzuhören – oh, dann Heil dir!

Pippa: Wenn Ihr Euch nur beeilen wollt, aus mir ’ne Signora zu machen, die Ohren werde ich dann schon aufsperren!

Nanna: Wenn du mich nur anhörst; wenn du nicht mehr hinter jedem Haar herspringst, das in der Luft rumfliegt; wenn du nicht bloß Grillen im Kopf hast, wie bis jetzt immer, sooft ich mit dir von dem spreche, was dir gut und nützlich ist – ja, dann schwöre und versichere ich dir bei diesen Paternostern, die ich den ganzen Tag kaue: binnen vierzehn Tagen, längstens, laß ich dich das Geschäft anfangen.

Pippa: Das gebe Gott, Mama!

Nanna: Wolle du nur selber!

Pippa: Ich will’s gewiß, mein liebes Mamachen, mein Goldmamachen!

Nanna: Wenn du nur willst, so will auch ich. Und wisse, mein Kind, ich bin mehr als gewiß, du wirst es weiterbringen als irgendeine Favoritin des Heiligen Vaters; und ich seh dich schon im Himmel. Darum paß auf, was ich dir sage!

Pippa: Sieh, da sitz ich schon und horche.

Nanna: Pippa, vor den Leuten habe ich zwar immer gesagt, du seist sechzehn, in Wirklichkeit aber hast du deine zwanzig Jahre rund und nett. Denn du wurdest geboren kurz nach dem Auseinandergehen von Leos Konklave 61 , und als man in ganz Rom brüllte: »Falle! Falle!«, da schrie ich in meiner Kammer: »Oje! o weh!«, und in dem Augenblick, wo sie das Wappen der Medici über dem Portal von Sankt Peter anschlugen, da brachte ich dich zur Welt.

Pippa: Das ist doch erst recht ein Grund, mich nicht länger mit Säcken den Nebel einheimsen zu lassen, denn wie mir meine Base Sandra sagte, will man auf der ganzen Welt jetzt bloß noch von den Elf- und Zwölfjährigen was wissen, und aus den anderen macht man sich nichts mehr.

Nanna: Das bestreite ich nicht; aber du siehst ja aus, als ob du erst vierzehn seist. Und um wieder darauf zurückzukommen, was ich vorhin schon sagte: Du mußt mich anhören und keine Luftschlösser bauen. Stelle dir vor, ich sei der Schulmeister und du seist das Schulkind, das das Buchstabieren lernt; oder noch besser: Nimm an, ich sei der Prediger und du der Christenmensch. Aber wenn du das Schulkind vorstellen willst, so höre mich so aufmerksam an, wie dieses dem Lehrer zuhört, damit es nicht mit dem hölzernen Esel zu tun kriegt. Wenn du der Christenmensch sein willst, so gib dir Mühe, mir zuzuhören, wie einer der Predigt lauscht, der nicht gern ins Haus der Verdammnis gehen will.

Pippa: So will ich’s machen.

Nanna: Liebe Tochter – die Männer, die Vermögen, Ehre, Zeit und sich selber den Dirnen nachwerfen, die jammern immer drüber, diese oder jene sei so dumm, gerade wie wenn sie dadurch ruiniert würden, daß die Weiber so alberne Gänse sind! Sie können nicht begreifen, daß die Dummheiten, die jene im Kopf haben, gerade ihr Glück sind, und darum schimpfen und drohen sie! Darum habe ich beschlossen, du sollst gescheit sein und sollst sie dadurch mit der Nase darauf stoßen, was den armen Schürzenjägern bevorstände, wenn die Huren nicht Spitzbübinnen, treulose Schurkinnen, dumme Gänse, Eselinnen, Schlumpen, Taugenichtse, Trukenboldinnen, alberne schuftige Ignorantinnen, der Teufel und noch Schlimmeres wären.

Pippa: Warum wollt Ihr …?

Nanna: Warum? Wenn sie soviel gute Eigenschaften hätten, wie sie schlechte haben, so würden die Leute, denen schließlich ein Licht über ihre Verruchtheiten und Schurkereien aufgeht, nachdem sie’s sechs, sieben oder zehn Jahre bei Tag und Nacht mit angesehen haben – so würden diese Leute, sage ich, sie an den Galgen schicken und würden sie daran mit noch größerer Lust zappeln sehen, als sie voll Unlust sich fortwährend um ihr Geld hatten begaunern sehen. Woher kommt es, daß die Huren alle miteinander schließlich Hungers sterben, während sie mit ihrem eigenen Fleisch und Blut den Aussatz, den Schanker und das Franzosenübel nähren, das sie verzehrt? Ganz einfach, weil sie niemals eine Stunde lang an ihre eigenen Angelegenheiten denken.

Pippa: Ich fange an, Euch zu begreifen.

Nanna: Höre nur hübsch zu und trichtere dir meine Episteln und Evangelien in den Kopf. Die werden dich in zwei Worten aufklären, nämlich: Wenn ein Doktor, ein Philosoph, ein Kaufherr, ein Soldat, ein Mönch, ein Priester, ein Einsiedler, ein Edelmann, ein Monsignore, ein Salomon von diesen albernen Gänsen so weit gebracht werden, daß man sie für dummes Vieh halten möchte, wie meinst du denn, würde mit diesen Tröpfen eine umspringen, die Grütze im Kürbis hätte?

Pippa: Ganz eklig würde so eine mit ihnen umspringen.

Nanna: Das Hurengewerbe ist also kein Beruf für ’ne Dumme; und darum habe ich’s, die ich Bescheid weiß, es mit dir gar nicht so eilig. Es genügt nicht, die Röcke hochzuheben und zu sagen: »So! Meinetwegen kann’s losgehen!« Man muß was anderes können, sonst macht man Bankrott am selben Tage, wo man die Bude eröffnet. Nun wollen wir zum Mark kommen: Es wird sich so machen, sobald man hört, daß du den Betrieb eröffnet hast, daß viele zuerst bedient sein möchten, und da werde ich einem Beichtvater gleichen, der eine aufgeregte Menge zu beschwichtigen hat, so viele ›Pst! pst!‹ werden mir von den Abgesandten, von diesem und jenem in die Ohren getuschelt werden, und du wirst immer von einem Dutzend vorausbestellt sein, so daß wir wünschen möchten, die Woche hätte so viele Tage wie ein Monat. Ich sehe mich schon in meiner Rolle, wie ich einem Diener des Herrn Soundso antworte: »Es ist ja wahr, meine Pippa hat sich ihr Blümchen pflücken lassen – der liebe Gott mag wissen, wie das zugegangen ist! Dieser Kuh, der Kupplerin, dieser Spitzbübin, der werde ich’s schon heimzahlen; meine Tochter ist ja reiner als eine Taube – die hat keine Schuld daran, und – auf Nannas Wort! – sie hat’s nur ein einziges Mal getan! Ich müßte ja eine wahre Barbarin sein, mein eigenes Kind so herzugeben. Aber Seine Gnaden hat mich so völlig bezaubert, daß ich’s nicht über die Lippen bringe, dem Herrn nein zu sagen. Gleich nach dem Ave-Maria wird meine Pippa bei ihm sein.« Im Augenblick nun, wo der Bote sich gerade wieder trollen will, um die Bestellung auszurichten, da mußt du durchs Haus gelaufen kommen; tu, als ob deine Flechten aufgegangen seien, und laß die Haare über den Nacken herabfallen. Und wenn du in das Zimmer trittst, so erhebst du dein Gesicht ein wenig, so daß der Lakai einen schnellen Blick auf dich werfen muß.

Pippa: Wozu ist das gut?

Nanna: Das ist gut, weil alle diese Burschen ihre Herren begaunern und beschwindeln. Der, von dem ich spreche, wird zu seinem Herrn springen, um sich bei ihm lieb Kind zu machen, und wird ihm ganz atemlos und aufgeregt sagen: »Gnädiger Herr, ich habe mir soviel Mühe gegeben, daß es mir gelungen ist, das Mädchen zu sehen; Zöpfe hat sie, die gleichen Goldfäden, zwei Augen, die’s mit denen eines Falken aufnehmen können. Und noch eins: Ich habe so ganz beiläufig von Euch gesprochen, um zu beobachten, welchen Eindruck Euer Name machen würde; wahrhaftig, ich glaube, das ist eine, die man mit einem Seufzer in Brand stecken kann.«

Pippa: Welchen Vorteil können mir denn solche Schnacke bringen?

Nanna: Sie werden dem, der Lust nach dir hat, eine sehr gute Meinung von dir beibringen; die Stunde, die er auf dich warten muß, wird ihm so lang vorkommen wie tausend Jahre. Was meinst du, wie viele Esel es nicht gibt, die sich schon verlieben, wenn sie bloß ’ne Zofe das Lob ihrer Herrin singen hören, und denen das Wasser im Munde zusammenläuft, bloß weil diese Lügnerinnen und Schelminnen ihre Herrschaft über den grünen Klee loben!

Pippa: Dann sind, wie’s scheint, die Zofen von derselben Sorte wie die Bedienten?

Nanna: Schlimmer noch! Nun, du gehst also zu dem reichen Herrn, den ich hier als Beispiel herausgreife, ins Haus, und ich begleite dich. Bist du bei ihm angekommen, so wird er dir entgegengehen, entweder bis oben an die Treppe oder gar bis an die Haustür. Du bringst deine Kleider in Ordnung, die sich unterwegs vielleicht ein bißchen verschoben haben, und hältst dir hübsch stramm die Arme an den Leib. Einen flüchtigen Blick wirfst du auf die Gesellschafter des Herrn, die, wie sich’s gehört, sich ein wenig zur Seite halten, dann heftest du bescheiden deine Blicke in die seinigen, machst ihm eine parfümierte Reverenz und bringst deinen Gruß an, wie es – so sagt die Perugina – die Frauen und Wöchnerinnen zu machen pflegen, wenn die Verwandten ihres Mannes oder die Gevattern ihr die Hand schütteln.

Pippa: Dabei werde ich aber vielleicht rot werden.

Nanna: Aber das wäre ja reizend! Denn die Schminke, die die Schamhaftigkeit über die Wangen eines jungen Mädchens breitet, raubt den Männern die Herzen.

Pippa: Das ist ja dann gut.

Nanna: Wenn die Zeremonien gebührend erledigt sind, wird der Herr, mit dem du die Nacht zu schlafen hast, zuallererst dich an seiner Seite niedersitzen lassen, und wenn er dich an der Hand zu deinem Platze führt, wird er auch mir einige Freundlichkeiten sagen. Ich aber werde, um die Aufmerksamkeit aller Gäste auf dein Gesicht zu lenken, fortwährend mit den Augen an deinem Antlitz hängen, als ob ich ganz betäubt sei ob deinen Schönheiten. Und da wird er denn gar bald sagen: »Madonna, Eure Mutter hat ganz recht, daß sie Euch anbetet, denn andere Frauen bekommen Kinder, sie aber hat einen Engel zur Welt gebracht?« Und sollte er etwa, nachdem er solche Worte gesprochen hat, sich zu dir neigen, um dich aufs Auge oder auf die Stirn zu küssen, so wende dich sanft ihm zu und stoße einen Seufzer aus, den aber kaum nur er alleine hören kann. Und wenn es dir möglich wäre, dabei das Erröten hervorzubringen, wovon wir vorhin sprachen, so hättest du ihn sofort an deiner Angel.

Pippa: Wirklich, ja?

Nanna: Aber ganz gewiß!

Pippa: Warum?

Nanna: Darum, weil der Seufzer und das gleichzeitige Erröten Zeichen der Verliebtheit sind, und ein Beweis, daß du dich in ihn zu vergaffen beginnst. Und da alle anderen sich natürlich zurückhalten, so wird der Herr, der die nächste Nacht den Genuß von dir haben soll, anfangen sich einzubilden, du seist ganz verschossen in ihn, und das wird er um so leichter glauben, je mehr du ihn mit deinen Blicken verfolgst. Während er nun fortwährend mit dir plaudert, wird er dich ganz allmählich in eine Ecke ziehen, und da wird er mit den süßesten und allergewähltesten Worten das Gespräch auf Liebe und solchen Firlefanz bringen. Da mußt du ihm denn treffend zu antworten wissen; gib dir rechte Mühe, mit sanfter Stimme ein paar Worte zu sagen, die nicht nach dem Puff riechen. Inzwischen wird die Gesellschaft, die derweile mit mir gescherzt hat, sich an dich heranmachen wie Nattern, die sich durchs Gras heranschlängeln, und lachend und witzelnd wird dir der eine dies, der andere jenes sagen. Da paß dann gut auf, und magst du nun sprechen oder magst du schweigen – das Sprechen und das Schweigen muß in deinem Munde schön erscheinen. Wenn du dich zu diesem oder zu jenem zu wenden hast, so sieh ihn nicht mit geilen Blicken an, sondern so, wie Mönche keusche und ihren Gelübden gehorsame Namen ansehen. Und nur den Freund, der dir Tisch und Bett gibt, beglücke mit sehnsüchtigen Blicken und schmachtenden Worten. Und wenn du lachen willst, so brülle nicht nach Hurenart laut auf, wobei du die Kinnbacken auseinander reißest, daß man dir bis hinten in den Rachen hinuntersieht – nein! sondern lache so, daß kein einziger Zug deines Gesichtes dadurch verunschönt wird. Im Gegenteil, verschöne es durch ein Lächeln, durch einen Augenaufschlag, und laß lieber einen Zahn fallen als ein häßliches Wort. Schwöre nicht bei Gott oder bei den Heiligen, versteife dich nicht darauf, etwas zu bestreiten: »Nein, so ist’s nicht gewesen.« Erzürne dich nicht über Bemerkungen, wodurch diese Art Herren unsereins so gern ein bißchen in Harnisch bringen. Denn eine, die jeden Tag mit einem andern Hochzeit feiert, die muß ihren Schmuck nicht in samtenen Kleidern sehen, sondern im liebenswürdigen Wesen, und muß in jeder Gebärde die Dame hervorkehren. Und wenn du dann zu Tisch gerufen wirst, so sei immer die erste, dir die Hände zu waschen und an deinen Platz zu gehen; setze dich aber erst, nachdem es dir mehr als einmal gesagt ist, denn wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöhet werden.

Pippa: So werd ich’s machen.

Nanna: Wenn dann der Salat kommt, so stürze dich nicht darauf wie die Kuh aufs Heu, sondern nimm ganz kleinwinzige Bißchen und mache dir kaum die Fingerspitzen fettig, indem du sie zum Munde führst. Und den Mund senke nicht auf den Tisch nieder, wie wenn du das Essen damit vom Teller schnappen wolltest, wie man’s so manche Schlumpe machen sieht, sondern sitze voller Majestät da und strecke mit anmutiger Gebärde die Hände aus; wenn du zu trinken wünschest, so nicke dem aufwartenden Lakaien zu; wenn aber die Karaffen auf der Tafel stehen, so bediene dich selber. Und fülle nicht das Glas bis zum Rande, sondern nur ein bißchen höher als bis zur Hälfte, setze voll Anmut die Lippen an und trinke niemals ganz aus.

Pippa: Wenn ich nun aber großen Durst habe?

Nanna: Einerlei. Trinke trotzdem wenig, damit man dich nicht als Schlemmerin und Trunkenboldin verschreit. Kaue auch nicht die Speisen mit offenem Munde, indem du auf widerwärtige und unappetitliche Art dabei schmatzest, sondern mach es so, daß du kaum zu essen scheinst. Während du issest, sprich sowenig wie möglich, und wenn dich nicht etwa andere fragen, so fange nicht von selber an zu schwatzen. Und wenn einer der Gäste, der die Speisen vorlegt, dir einen Hühnerflügel, ein Stück Kapaunen- oder Rebhuhnbrust anbietet, so nimm es mit einer Verbeugung, sieh aber dabei deinen Liebhaber an; dadurch bittest du ihn um Erlaubnis, ohne ausdrücklich ein Wort zu sagen. Und wenn du mit dem Essen fertig bist, so rülpse nicht – um Gottes willen!

Pippa: Wenn mir nun aber doch mal unversehens ein Rülpser entführe?

Nanna: Brrr! Da würden nicht nur die Ekligen, es würde die Ekelhaftigkeit selber Ekel vor dir haben.

Pippa: Wenn ich nun alle Eure Lehren und noch mehr beobachte, wie wird’s dann weiter kommen?

Nanna: Da wirst du den Ruf erlangen, die tüchtigste und anmutigste Kurtisane von der Welt zu sein, und ein jeder wird sagen, wenn er über dich mit einem anderen spricht: »Verlaßt Euch drauf, der Schatten von Signora Pippas alten Schuhen ist mehr wert als dieunddie und jeneundjene in Schuhen und Kleidern!« Und alle, die dich kennen, werden deine Sklaven bleiben und werden überall von deinen Vorzügen predigen; und du wirst ebenso begehrt sein, wie man die andern flieht, die sich wie Spitzbübinnen und Landstreicherinnen benehmen. Und denke, wie stolz ich dann auf dich sein werde!

Pippa: Was muß ich denn machen, wenn wir mit dem Essen fertig sind?

Nanna: Unterhalte dich ein kleines Weilchen mit deinem Nachbarn; verlaß aber ja nicht den Platz neben deinem Anbeter. Wenn’s Bettzeit ist, läßt du mich nach Hause gehen, du selbst aber sagst respektvoll: »Gute Nacht, meine Herrschaften!« Und hüte dich mehr als vorm Feuer, daß man dich nicht pissen sieht oder hört, auch geh nicht auf den Abtritt und benutze nicht dein Taschentuch, um dich abzuwischen; denn alle diese Sachen würden den Hühnern übel machen, die doch an jedem Scheißdreck herumpicken. Wenn du aber mit ihm hinter verschlossener Tür in der Kammer bist, sieh dich fleißig um, ob du nicht irgendein Handtuch oder ein Häubchen entdeckst, das dir passen könnte; bitte nicht darum, aber lobe die Handtücher und die Häubchen.

Pippa: Zu welchem Zweck?

Nanna: Damit der Hund, der auf die Hündin will, dir das eine oder andere zum Geschenk anbiete.

Pippa: Und wenn er sie mir anbietet?

Nanna: Drück ihm ’nen Kuß auf, mit ’nem kleinen Zungenschlag, und nimm an.

Pippa: Das werde ich machen.

Nanna: Während er sich dann mit Kuriergeschwindigkeit zu Bette begibt, ziehst du dich ganz sachte aus und murmelst dabei einige Worte zu dir selber, die du noch ab und zu mit einem Seufzer untermischst; auf diese Weise kann er nicht umhin, dich zu fragen, sobald du dich ihm zur Seite legst: »Worüber seufzet Ihr denn, liebe Seele?« Dann presse noch einen Seufzer hervor und sage: »Euer Gnaden haben mich behext!« Und mit diesen Worten umschlinge ihn ganz fest und küsse ihn und küsse ihn immerzu, so stark du nur kannst, dann schlag ein Kreuz, wie wenn du’s beim Eintreten ins Zimmer vergessen hättest, und wenn du kein Gebet oder sonst was Ähnliches sagen willst, so bewege ein bißchen die Lippen, damit es so aussieht, als ob du betest wie eine, die das in allen Lebenslagen zu tun gewöhnt ist. Nun wird der Kerl, der in seinem Bett schon auf dich wartete wie einer, der mit einem Wolfshunger sich zu Tische gesetzt hat, ehe noch Brot und Wein aufgetragen sind – nun wird der Kerl, sage ich, dir mit den Händen die Brüste streichen und wird sein Gesicht in sie vergraben, wie wenn er daraus trinken wollte, dann wird er den Bauch tätscheln und so allmählich sich zu deinem Mäuschen herunterarbeiten; und nachdem er sie ein bißchen befingert hat, wird er anfangen, dir die Lenden zu betätscheln, und dann kommen die Hinterbäckchen dran, die eigentlich unser Unglück sind, denn sie ziehen unwiderstehlich die Hand an, sag ich dir; und nachdem er sie ein bißchen beklopft hat, wird er dir sein Knie zwischen die Beine schieben, um zu versuchen, ob du dich nicht umdrehst; indessen wird er es dieses erste Mal nicht wagen, dich geradezu darum zu bitten. Da bleibe mir aber fest, und sollte er etwa anfangen zu winseln und das Püppchen zu spielen und sonderbare Manieren zu zeigen, so dreh dich auf keinen Fall um.

Pippa: Und wenn er mir nun Gewalt antut?

Nanna: Man tut keiner Gewalt an, Närrin!

Pippa: Aber was ist denn weiter dabei, ob er mir’s ein bißchen weiter vorne oder hinten macht?

Nanna: Äffchen! Du sprichst wirklich wie ’ne Närrin, die du bist. Sag mir schnell, was ist mehr wert: ein Julius oder ein Dukaten?

Pippa: Jetzt versteh ich: Das Silber ist nicht soviel wert wie das Gold.

Nanna: Richtig! Und jetzt fällt mir ein famoser Streich ein.

Pippa: Sagt ihn mir doch!

Nanna: Ein wirklich famoser, ein ganz ausgezeichnet famoser!

Pippa: Bitte, bitte, Mamachen!

Nanna: Wenn er dir also das linke Bein zwischen die Schenkel schiebt, um dich zu seiner Bequemlichkeit umzudrehen, so befühle ihn, ob er nicht irgendwelche Kettchen am Arm oder Ringe am Finger hat; und während der Brummer um dich herumschnurrt wegen der Versuchung, in die ihn der Duft des Bratens bringt, sieh zu, ob er sich seine Sachen wegnehmen läßt. Wenn ja, so laß ihn machen; sobald du ihm sein Geschmeide abgenommen hast, wirst du ihn ganz leicht nach allen Regeln der Kunst anführen; läßt er sich aber nichts wegnehmen, so sage ihm geradeheraus: »Wie? Euer Gnaden befassen sich mit solchen häßlichen Sachen von hinten?« Wenn du das sagst, wird er’s auf vernünftige Art mit dir machen, und wenn er auf dich hinaufgeklettert ist, dann tu deine Schuldigkeit, meine Tochter, tu deine Schuldigkeit, Pippa; denn die Liebkosungen, mit denen wir den Ringelstechern helfen, daß sie fertig werden, die sind ihr Ruin; die Süßigkeit, die wir ihnen verabfolgen, bringt sie um. Und dann: eine Hure, die damit gut umzugehen weiß, die ist wie ein Posamentierer, der seine Waren teuer verkauft; man kann wirklich nur einem Posamentenladen die Scherze, Spiele und Belustigungen vergleichen, die eine ausgelernte Hure verabfolgt.

Pippa: Was Ihr für Vergleiche macht!

Nanna: Nun, nimm nur den Posamentierer: Er hat Schnürsenkel, Spiegel, Handschuhe, Kränze, Bänder, Fingerhüte, Steck- und Nähnadeln, Gürtel, Häubchen, Tressen, Seifen, wohlriechende Öle, zyprischen Puder, falsche Haare und hunderttausend Sachen sonst noch. So hat auch eine Hure auf ihrem Lager Worte, Gelächter, Küsse, Blicke. Aber das ist noch gar nichts: In ihren Händen und in ihrer Dose hat sie alle Rubinen, Perlen, Diamanten, Smaragden und alle Melodie der ganzen Welt.

Pippa: Wieso denn?

Nanna: Wieso! Ha! Es gibt keinen Mann, der sich nicht im siebenten Himmel dünkt, wenn seine geliebte Freundin im Augenblick, wo er ihr das Züngelchen zwischen die Lippen schiebt, ihm nach dem Ding greift, es zwei- oder dreimal zusammenpreßt, bis es sich aufbäumt, und, sobald es sich bäumt, es ein bißchen schüttelt. Dann läßt sie das tatenlustige Ding fahren, wartet einen Augenblick und nimmt seine Oliven in ihre flache Hand und streichelt sie sachte. Hierauf tätschelt sie ihm den Popo, krabbelt ihm an den Haaren herum und fängt wieder an, ihn auf den Hintern zu klatschen, bis der Pint, ganz saftgeschwollen, aussieht wie einer, der sich übergeben möchte, aber nicht kann. Der Liebhaber aber, dem solche Liebkosungen widerfahren, steht da voll Stolz wie ein Abt und würde sein Vergnügen nicht mit dem einer gekitzelten Sau vertauschen; und wenn er gar sieht, daß sie, die er zu reiten gedachte, sich als Reiterin auf ihn schwingt, da haucht er vor süßer Wollust die Seele aus.

Pippa: Was höre ich!

Nanna: Höre nur zu und lerne deine Ware verkaufen! Auf mein Wort, Pippa, wenn eine, die ihren Liebsten besteigt, auch nur ein Teilchen macht von dem, was ich dir sagen werde, so kann sie ihm das Geld viel besser aus den Hosen holen, als alle Würfel und Karten die Spieler auszubeuteln vermögen.

Pippa: Das will ich gern glauben.

Nanna: Verlaß dich drauf.

Pippa: Wünscht Ihr, daß ich es mit dem, der mich bei sich im Bett hat, so mache, wie Ihr’s eben beschrieben habt?

Nanna: Jawohl, mach es so!

Pippa: Was kann ich denn aber anfangen, wenn er einmal auf mir obendrauf ist?

Nanna: Als ob es an Mitteln fehlte, ihn wieder aus dem Sattel zu werfen!

Pippa: Beschreibt mir doch eins!

Nanna: Gern, hör nur zu: Während er dich walkt, weine, werde nachdenklich, bewege dich nicht, schweig ganz still. Und wenn er dich fragt, was du denn habest, so stöhne nur. Wenn du das tust, so kann er nicht anders, er muß innehalten und zu dir sagen: »Liebes Herz! Tu ich Euch weh? Habt Ihr Unlust an der Lust, deren ich genieße?« Und dann sagst du zu ihm: »Liebes Alterchen, ich möchte wohl…« – »Was denn?« Da miaust du aber nur, und schließlich gibst du ihm halb mit Worten und halb durch Zeichen zu verstehen, du möchtest gern nach Art der Gianetta eine Lanze brechen.

Pippa: Ah! verlaßt Euch drauf: jetzt weiß ich schon, worauf Ihr hinauswollt.

Nanna: Wenn dir deine Phantasie eingibt, was du zu machen hast – aber so, wie ich gern möchte, daß du’s machst –, so mach es dir in aller Gemächlichkeit bequem. Und wenn du bequem sitzest, so schlinge ihm die Arme um den Hals und gib ihm zehn Küsse hintereinander. Dann nimm seinen Stengel in die Hand und drück ihn so lange, bis er zuletzt ganz wild wird. Und wenn er ganz Feuer und Flamme ist, so schieb ihn in die Radnabe hinein, und presse dich, all, was du kannst, gegen ihn an, und dann bleib still. Nach einer Weile seufze, wie wenn du fertig werden solltest, und sage: »Wenn’s mir kommt, laßt Ihr’s auch kommen?« Der Hengst wird mit halberstickter Stimme antworten: »Ja, meine Hoffnung!« Dann tust du, wie wenn sein Pflock ’ne Handspeiche wäre und dein Loch ein Rad, an der Stelle, wo es sich dreht, und beginnst dich herumzudrehen. Und wenn du ihm anmerkst, daß es ihm kommt, so halt ihn zurück und sage: »Noch nicht, mein Leben!« und stoß ihm deine Zunge in den Mund, nimm dich aber dabei in acht, daß der Schlüssel nicht aus dem Schlüsselloch herausschlüpft; dann stoße zu, zieh dich zurück, stoß wieder jetzt leise, jetzt stark, greif ihn an mit Hieb und Stoß und bearbeite ihn wie eine rechte Paladine. Um es kurz zu machen: Ich möchte, daß du bei dieser Arbeit alle jenen kleinen Körperverdrehungen machst, die man an einem Ballschläger beobachtet: Mit dem Ball in der Hand bewegt er kunstvoll den Oberkörper hin und her, tut, als ob er bald hierhin, bald dorthin laufen wolle, und benimmt sich die ganze Zeit über so listig, daß die Gegenspieler ihn nicht hindern können, schließlich den Ball nach seinem Belieben zu schlagen.

Pippa: Ihr ermahnt mich zuerst zu anständigem Benehmen, und nachher bringt Ihr mir die maßlosesten Rüdigkeiten bei!

Nanna: Dabei bleibe ich vollkommen bei meiner Aufgabe, denn ich wünsche, daß du im Bette eine ebenso vollkommene Hure seist wie anderswo eine feinerzogene Dame. Gib dir Mühe, daß sich keine Liebkosung erdenken läßt, die du nicht deinem Bettgenossen machen würdest; sei immer aufmerksam und bei der Hand und kratze ihn, wo’s ihn juckt. Hahaha!

Pippa: Worüber lacht Ihr?

Nanna: Ich lache über die Ausrede, die die armen Leute, denen der Pinsel nicht steht, sich ausgedacht haben.

Pippa: Was ist das für ’ne Ausrede?

Nanna: Sie schieben die Schuld darauf, sie hätten zuviel geliebt! Und ganz gewiß, wenn sie diese Ausrede nicht hätten, so wären sie noch mehr in Verlegenheit als die Ärzte, wenn der Kranke ihnen auf ihre Frage nach dem Stuhlgang antwortet, er habe Öffnung gehabt; denn da wissen sie nicht, was sie ihm sonst noch für eine Medizin geben könnten, und stehen ganz belämmert da – gerade wie die Alten, die auf uns raufklettern und uns mit falscher Liebesmünze und langen Schnacken bezahlen.

Pippa: Ich wollte Euch gerade fragen, wie ich mich zu benehmen habe, wenn ich einen sabbernden Hosenfurzer auf mir habe, der von oben und von unten stinkt; und wie ich mich von so einem anpesten lassen muß, wenn ich ihn ’ne ganze Nacht auf dem Halse habe. Meine Base erzählt mir, die Soundso sei bei solcher Gelegenheit ganz ohnmächtig geworden.

Nanna: Kindchen, der Duft der Taler ist so süß, daß der Gestank eines üblen Atems oder schweißiger Füße gar nicht in unsere Nasen dringt; es ist schlimmer, eine Ohrfeige zu bekommen, als den Abtritt zu ertragen, der aus dem Munde eines Zahlungsfähigen stinkt, denn ein solcher zahlt für die Geduld, womit wir seine Mängel ertragen, ihr Gewicht in Gold. Und höre mir recht aufmerksam zu, denn ich will dir erzählen, wie du dich mit all diesen Musico musicorum zu benehmen hast; wenn du dich in die Naturen der Menschen finden und sie mit Geduld ertragen kannst, so kannst du über ihr Hab und Gut freier schalten und walten, als mein Wille für dich und zugleich für mich maßgebend ist.

Pippa: Gebt mir noch einige Einzelheiten über diese Alten!

Nanna: Du sitzest also zu Tische mit diesen Lustgreisen, die einen guten Willen, aber kümmerliches Beinwerk haben. Pippa! Da sind die Speisen im Überfluß, die Weine, wie sich’s gehört, und aufgeschnitten wird in herrschaftlicher Weise – ja, wenn man sie so prahlen hört, da möchte man sagen: ›Diese reiten ihre fünfzehn Meilen in der Stunde.‹ Wenn ihre Heldentaten im Bett denen entsprächen, die sie gegen Fasanen und Malvasier verrichten, so könnten sie auf Held Roland scheißen. Und wenn sie ihre Freundinnen beim Stemmen zu befriedigen wüßten wie bei Tische, wo sie ihnen gute Bissen in den Mund stopfen, dann Heil ihnen! Diese lüsternen Prahlhänse setzen all ihre Hoffnungen auf Pfeffer, Trüffeln, Artischocken und auf gewisse hitzige Reizmittel, die aus Frankreich kommen, und schlucken solches Zeug in Mengen hinunter, wie ein Bauer sich mit Trauben stopft. Und weil sie die Austern hinunterschlucken, ohne sie zu kauen, bilden sie sich ein, sie könnten noch Mirakel vollbringen. Bei solchen Mahlzeiten kannst zu ziemlich ungeniert essen.

Pippa: Warum?

Nanna: Weil sie ihre Lust daran haben werden, dich zu päppeln, wie man ein Kleinchen päppelt. Wenn sie dich mit einem Riesenappetit essen sehen, freuen sie sich wie ein Pferd, wenn’s den Pfiff des Reitknechts hört, der es zur Tränke führt. Außerdem hassen die Alten es, wenn ein Mädchen sich benimmt wie ’ne junge Frau vor der Brautnacht.

Pippa: Dann kann ich mich also, wenn ich mit solchen alten Herren speise, für die vorhin besprochenen Zimperlichkeiten schadlos halten!

Nanna: Beim Kreuz unseres Herrgotts, du hast mich begriffen! Und wenn du weiter solche Fortschritte machst, werden die anderen Huren lange Gesichter machen wie der Pfarrer, wenn nichts im Klingelbeutel ist. Ich hatte vergessen, dir zu sagen: Wenn du mit Alten zu Tische sitzest, darfst du dir nicht die Zähne mit der Serviette putzen und sie dir auch nicht mit klarem Wasser spülen, wie du’s tun würdest, wenn du mit jungen Leuten speisest. Denn sie könnten darob empfindlich sein und zueinander sagen: »Die da macht sich wohl über unsere wackligen Zähne lustig, die wir künstlich mit Wachs im Munde befestigt haben!«

Pippa: Gerade werde ich sie mir putzen, ihnen zum Schabernack!

Nanna: Keine Geschichten!

Pippa: Nu, nu! Ich werde sie mir also nicht putzen.

Nanna: Dagegen kannst du sie dir wohl mit einem Rosmarinstengelchen stochern – jedoch heimlich.

Pippa: Wie wird’s nun, wenn ich mit dem Alten zu Bett gehe?

Nanna: Hahaha! Ich kann mir das Lachen nicht verhalten, weil sie nie vergessen dürfen, vorher auf den Lokus zu gehen (auf den du, wie ich dir gesagt habe, niemals gehen darfst, wenn du bei einem solchen Herrn zu Besuch bist). Oh, wie sie sich da drehen und winden, und wie sie kanonieren! So stark bläst kein Schmiedeblasebalg. Und während sie ihren After strapazieren, um ihren Dreckpfropfen loszuwerden, halten sie in der Hand ein Tütlein mit Lakritzenstangen, um ihren Husten zu besänftigen, der sie martert. Und das ist wahr, wenn sie ausgezogen sind und im bloßen Wams dastehen, da sind sie reizend anzusehen. Sie erinnern sich ihrer Jugend wie Esel und Eselinnen der grünen Kräuter, und sie haben mehr Appetit denn je. Und während sie die Nymphe in ihre Arme pressen, umschmeicheln sie sie mit süßen Reden von einer Länge, daß ich sie dir gar nicht alle sagen kann; diese Plappereien sind ihr Zuckerzeug; man denkt dabei an das Gefasel der Ammen, die mit ihrem Kindchen lauter Zeug schwatzen, das es gar nicht versteht. Sie drücken dir den Sperber in die Faust, saugen dir an den Brüsten, steigen dir auf den Rücken, wie wenn du ein Pferd wärst, und lassen dich bald so, bald so drehen. Du mußt sie dann unter den Armen, unten am Bauch krabbeln – und sei recht eifrig dabei; und sowie du ihm Gefühle beigebracht hast, pack ihn wieder und schüttele ihn auf allerlei schnurrige Arten, bis er zuletzt, ein bißchen kümmerlich zwar, aber eben so gut es gehen will, das Köpfchen erhebt.

Pippa: Steht er den Alten denn auch noch?

Nanna: Ja, manchmal; aber sie lassen ihn bald wieder hängen. Und wenn du deinen Vater gesehen hättest – Ehre seinem Andenken! –, wie er in seiner letzten Krankheit sich bemühte, sich im Bett aufrecht zu setzen, und dann plötzlich starr und kalt wieder zurücksank – da hättest du so ein Ding eines alten Herrn gesehen. Es sieht aus wie ein Regenwurm, der sich zusammenzieht und sich wieder ausdehnt und auf diese Weise sich vorwärts bewegt.

Pippa: Mama, Ihr habt mich jetzt in allem unterrichtet, was ich machen muß, wenn ich obendrauf bin, und all die kleinen Käckereien, die dazu gehören, aber noch nicht, wie ich fertig werden muß.

Nanna: Du brauchst nichts mehr zu sagen, ich versteh dich schon! Und es erfüllt mich ein solcher Stolz über den Eifer, womit du bei der Sache bist, daß ich wie in cimbalis bin. Ich kehre also nochmals um und sage dir, was du gern von mir hören möchtest. Du möchtest also wissen, wozu alle die kleinen niedlichen Sachen dienen, die du zu machen hast, wenn du auf dem Begattenden – wie man zu sagen pflegt – obendrauf bist?

Pippa: Ihr habt den Finger im rechten Loch, Mamachen.

Nanna: Erinnerst du dich denn nicht, Pippa, wie’s der Zoppino macht, wenn er auf seiner Jahrmarktsbank die Legende vom Campriano verkauft?

Pippa: Des Zoppino erinnere ich mich sehr gut, denn wenn er auf seinem Bänkchen singt, läuft ja alle Welt herbei, um ihm zuzuhören.

Nanna: Den meine ich. Erinnerst du dich noch, wie du lachtest, als wir bei meinem Gevatter Piero waren? Da warst du mit seiner Luchina und mit seiner Lucietta hin, um den Zoppino zu hören.

Pippa: Ja, gewiß!

Nanna: Du weißt, der Zoppino erzählt in seinem Lied, wie Campriano seinem Esel drei Pfund Heller in den Hintern gesteckt hatte und mit ihm nach Siena zog. Dort verkaufte er ihn für hundert Dukaten an zwei Kaufleute, denen er weismachte, sein Esel schisse Geld.

Pippa: Hahaha!

Nanna: Er erzählte seine Geschichte bis zur Hälfte. Als er aber die versammelte Menge recht lüstern gemacht hatte, da kam ihm auf einmal was anderes in den Sinn, und ehe er den Schluß vortrug, verkaufte er erst tausend Kleinigkeiten aller Arten.

Pippa: Ich verstehe noch nicht recht…

Nanna: Weißt du auch, Stütze und Stab meines Alters, wie es dir ergehen wird, wenn du mich ruhig ausreden läßt?

Pippa: Nun, wie denn?

Nanna: Wie einem, der einen Mann tauchen und unterm Wasser schwimmen sieht: Er wird ihn immer an einer Stelle zum Vorschein kommen sehen, wo er ihn nicht erwartet hatte … Wenn du also durch deine Bewegungen deinen Alten in süße Wollust versetzt hast, so daß er soweit ist, die Nachtschnecke auszuspucken, dann halte plötzlich inne und sag: »Ich kann nicht mehr!« Und laß ihn bitten und betteln, soviel er mag – sag immer nur: »Ich kann nicht!«

Pippa: Ich werde sogar sagen: »Und ich will auch nicht.«

Nanna: Sag es nur. Denn wenn du’s sagst, wird er so rasend werden wie ein von glühendem Durst verzehrter Fieberkranker, der einen Eimer frischen Wassers, welchen ihm sein Diener aus Mitleid aus dem Brunnen gezogen und ihm hopp! hopp! gebracht hatte, sich aus den Händen gerissen sieht. Sobald du Miene machst, vom Pferde steigen zu wollen, wird er dir große Dinge versprechen. Du aber weigerst dich. Zum Schluß wird er sich auf seine Börse stürzen und wird dir alles geben, was drin war. Du tust so, als ob du’s nicht haben wollest, streckst aber zugleich die Hand aus, um es doch zu nehmen. Denn dieses: ›Ich will nicht, und ich kann nicht!‹ mitten in der besten Arbeit, das entspricht genau dem Verfahren des Zoppino, der seine Zuhörerschaft, die sich vor Lachen den Bauch hält, plötzlich mit offenen Mäulern stehenläßt und seine Geschichte vom Campriano nicht zu Ende erzählt, sondern erst seine Pillen und Pülverchen verkauft.

Pippa: So! Das hätt ich also glücklich herausgekriegt! Nun wieder zu meinem Alten.

Nanna: Ja so, der Alte! Der schwitzt und schnauft wie ein rechter Lapparsch und wird dir nach Noten zusetzen, um dir’s zu machen – er wird aber nichts fertigkriegen. Da mußt du denn allerlei kleine Scherze treiben. Schmiege deinen Kopf an seine Brust und sag zu ihm: »Wer ist Euer Puttchen? Wer ist Euer Blut und Leben? Und wer ist Euer Töchterchen? Papa, Paperl, Papachen, bin ich nicht Euer kleines Herzblättchen?« Dabei streichle ihm jede Warze und jede Runzel, die du an seinem Leibe findest, und sage dabei: »Killekille!« Sing ihm auch leise ein Wiegenlied, indem du ihn wie ein Wickelkind hin- und herwiegst. Ich wette, er wird sofort tun, wie wenn er ein kleines Kind wäre, und wird dich ›Mama, Mammerl, Mamachen!‹ nennen. Wenn er soweit ist, greif ihn tüchtig an und taste zugleich, ob sein Geldbeutel unter dem Kopfkissen liegt; wenn er da ist, laß nicht einen Heller drin. Ist er nicht da, so sorge dafür, daß du ihn trotzdem bekommst. Diese Kunstgriffe sind unerläßlich, denn diese Geizhälse destillieren einen Pfennig vier Stunden lang, wenn sie kein Amüsement dafür haben. Und wenn sie dir Kleider oder Halsketten versprechen, so laß nicht eher von ihrer Pelle ab, als bis das Geschenk in Ordnung ist. Nachher mag er’s dir mit dem Finger, oder was ihm sonst dazu geeignet scheint, machen; er mag ihn dir in die Sonnen- oder in die Schattenseite hineinstecken, dafür würde ich dir keine Pistazie geben.

Pippa: Verlaßt Euch auf mich!

Nanna: Noch eins: Sie sind eifersüchtig, setzen sich sofort aufs hohe Pferd und sind zu Handgreiflichkeiten ebenso geneigt wie zu Flüchen und groben Worten. Aber wenn du mit ihnen umzuspringen weißt, so wird es nicht nur Geschenke regnen, sondern du wirst dich auch über sie amüsieren wie im Himmel. Es ist mir, als sähe ich so einen hier leibhaftig vor mir stehen: klappriger als der Urgroßvater des Antichrist, in Hosen und Wams aus ganz zerschlitztem Brokat, eine Feder auf seinem goldgestickten Samtbarett mit einer diamantenbesetzten goldenen Agraffe, mit seinem Bart von Kapellensilber, seinen zittrigen Händen und Beinen und dem Gesicht voller Runzeln. Der wackelte den ganzen Tag bei meinem Hause vorbei, pfeifend, knurrend und schnurrend wie ein Kater im Januar. Vor Lachen pinkle ich noch jetzt ins Hemd, wenn ich an einen Possen denke, auf den der Tausendste nicht hineingefallen wäre.

Pippa: Bitte, erzählt mir die Geschichte!

Nanna: Ein Halunke von Scharlatan machte ihm weis, er besäße eine Bart- und Haarfarbe, die sei so schwarz, so pechkohlrabenschwarz, daß im Vergleich zu ihr die Teufel weiß wären. Aber er verlangte einen so teuren Preis dafür, daß es eine hübsche Anzahl Tage dauerte, bis der Alte ihm Gehör schenkte. Endlich aber dünkte ihm doch, sein Zwiebelkopf und sein Wergbart täten ihm Abbruch in der Liebe, und so zählte er dem Scharlatan fünfundzwanzig bare venezianische Dukaten auf. Dieser nun hatte ihn entweder betrogen, oder er wollte sich einen Spaß mit ihm machen – genug, er färbte ihm Haare und Bart mit dem schönsten Türkisblau, womit man je einem Berber- oder Türkenpferd den Schwanz gefärbt hat; und so mußte sich denn der Alte bis auf die Schwarte rasieren lassen. Eine gute Zeit lang war er das Gespött der ganzen Stadt; und man lacht sogar noch jetzt über die Geschichte.

Pippa: Hahaha! Mich dünkt, ich seh ihn vor mir. Alter Narr! Aber wenn mir mal einer in die Klauen fällt, den will ich zu meinem Hanswurst machen!

Nanna: Ganz im Gegenteil! Hänsele ihn unter keinen Umständen, und besonders nicht, wenn Gesellschaft dabei ist – denn das Alter soll man ehren. Du würdest für eine verruchte Halunkin gelten, wenn du dich über einen solchen Mann lustig machtest. Ich wünsche im Gegenteil, daß du dich stellst, als ob du ihn tief im Herzen tragest, daß du dich bei jedem Wörtchen, das er dir sagt, tief verneigst. Das wird dazu führen, daß andere Alte in der Liebe zu dir sich wieder jung fühlen werden; und wenn du dir durchaus mal vor Lachen den Bauch halten willst, dann müssen wir ganz unter uns sein.

Pippa: Wenn’s Vorteil bringt, so werde ich’s also machen.

Nanna: Nun kommen wir zu den großen Herren.

Pippa: Ja, bitte!

Nanna: Also ein großer Herr läßt dich kommen, und ich schicke dich zu ihm oder du gehst selber hin – gleichviel. Da mußt du dich dann fein benehmen, denn sie sind an den Verkehr mit großen Damen gewöhnt und füttern sich mehr mit Gesprächen und Geschwätz als mit was anderem. Da mußt du zu sprechen und passende Antworten zu geben wissen und nicht lauter Kraut und Rüben plappern, denn nicht bloß Seine Gnaden, sondern sogar seine Lakaien würden sonst hinter deinem Rücken Gesichter schneiden. Benimm dich da nicht wie ’ne dumme Gans und auch nicht wie ’ne Schneppe, sondern hübsch anständig. Und wenn musiziert oder gesungen wird, so sperr die Ohren auf und höre andächtig dem Spiel oder Gesang zu und lobe die Musiker oder Sänger, auch wenn du kein Vergnügen daran gehabt hast und nichts davon verstehst. Und sollte irgendein Dichter da sein, so sprich ihn mit heiterem Gesicht an, und stelle dich, als ob du auf ihn noch höhere Stücke hieltest – ja, wahrhaftig! – als auf den Herrn des Hauses selber.

Pippa: Wozu denn?

Nanna: Aus einem sehr guten Grunde!

Pippa: Und der ist, bitte?

Nanna: Weil es dir gerade noch fehlen könnte, daß ein Dichter Soundso Bücher gegen dich machte und überall die schnöden Verleumdungen verbreitete, die sie uns Frauen anzuhängen wissen. Das wäre ’ne schöne Geschichte, wenn dein Leben im Druck erschiene, wie ein gewisser Tagedieb das meinige hat drucken lassen, als ob keine schlimmeren Huren auf der Welt wären als ich! Wenn man erst die Aufführung von – ich weiß schon, wen ich meine! – hernehmen wollte, da würde die Sonne sich verfinstern; und was für ein Geheul hat man ob meinen Geschichten erhoben. 62 Der eine tadelt, was ich über die Nonnen gesagt habe, und ruft: »Es ist alles erlogen!« und merkt gar nicht, daß ich diese Geschichten der Antonia nur erzählte, um sie lachen zu machen, und nicht, um ihnen etwas Böses nachzusagen, wie ich’s vielleicht hätte tun können. Aber die Welt ist ja nicht mehr dieselbe; und für eine, die mit dem Leben Bescheid weiß, gibt’s keine Möglichkeit mehr, hier zu existieren!

Pippa: Rege dich doch nicht auf!

Nanna: Hör mal zu, Pippa: Ich bin Nonne gewesen und habe das Kloster verlassen, weil ich’s verlassen habe. Und wenn ich die Antonia darüber hätte aufklären wollen, wie die Nonnen sich verheiraten, wie sie ihren Mönch ›mein süßer Freund‹ nennen und wie der Mönch seine Nonne ›meine süße Freundin‹ nennt – da hätte ich gar viel zu sagen gehabt. Wenn ich bloß die Sachen vorbringen wollte, die diese Suppenschlucker ihren ›süßen Freundinnen‹ erzählen, wenn sie irgendwo zum Predigen gewesen sind und wieder heimkommen – da würden sich die heiligen Wundenmale entsetzen! Ich weiß recht wohl, wie sie’s mit den Witwen treiben, die mit ihnen von Hemden und Schnupftüchern, von Essen und Trinken, schlüpfrigen Liebesgeschichten und allem möglichen Kuddelmuddel sich unterhalten. Eine große Dame war ganz gewiß die Geliebte von dem Mönch, der wie ein Drache auf der Kanzel tobte und alle Anwesenden in den Pfuhl der Hölle verdammte, als ihm plötzlich aus dem Ärmel sein Barett unter die Menge fiel, die mit aufgesperrten Mäulern ihm zuhörte. Da sah man denn die verborgenen Stickereien: Mitten im Futter war ein Herz aus fleischfarbener Seide aufgenäht, das brannte in einem Feuer aus roter Seide, und rundherum am Rande standen in schwarzen Buchstaben die Worte:

›Die Liebe braucht Treue, der Esel Prügel!‹

Die Anwesenden brachen in ein lautes Gelächter aus und bewahrten das Barett als Reliquie auf. Was ich über die Gemälde von der heiligen Nafissa und vom Massetto aus Lamporecchio sagte, da ist kein wahres Wort daran. Im Gegenteil, die Wahrheit ist, daß man statt solcher Bilder an den Wänden Bußhemden, Riemenpeitschen mit Nägeln, scharfe Kämme, Sandalen mit ledernen Riemen, Wurzeln – als Zeichen der Fasten, die die Nonnen nicht halten –, Holzbecher, mit denen man jenen, die sich der Enthaltsamkeit ergeben, das Wasser zumißt, Totenköpfe, die an das Ende erinnern, Fesseln, Stricke, Handschellen, Geißeln aufgehängt sieht – lauter Dinge, die für den, der sie betrachtet, greulich anzusehen sind, aber nicht für die Sünderinnen und auch nicht für die Nonnen, die die Wand damit ausstaffiert haben.

Pippa: Ist’s möglich, daß es soviel derartiges Zeug gibt?

Nanna: Oh, es gibt noch andere, die mir nur gerade nicht einfallen. Aber was hätten wohl gewisse Ignorantinnen, gewisse Scheißdreckbeschnupperinnen gesagt, wenn ich bekanntgegeben hätte, wie die Novizenmeisterin es merkt, wenn Schwester Crescentia und Schwester Gaudentia sich mit dem Hund zu schaffen machen? Diese Bande, die über jeden Sbirrenscheißdreck klatscht! Mögt ihr die Kränke kriegen! Ihr Klugschnäbel, ihr schwatzt ja sogar über die Sprechweise von Leuten, bei denen ihr in die Schule gehen solltet!

Pippa: Was? Kann man denn nicht sprechen, wie man Lust hat?

Nanna: Möchten sie ersticken, die Gänse, die immer nur an den Worten herumzuklauben wissen und ’s einem aufmutzen, wenn man nach Landesbrauch spricht, während sie ihre Redensarten zuspitzen, wie man Radieschen zuspitzt. Und ich bitte dich, liebes Kind, geh nie von der Sprache ab, die dein Mütterchen dich gelehrt hat, und überlaß der Madrema und ihresgleichen die ›dergestaltermaßen‹ und ›allsogleich‹, und räume ihnen das Feld, wenn sie mit ihren neuen und tiefsinnigen Ausdrücken anfangen: »Geht, und seien die Himmel Euch günstig und die Stunden Euch geneigt!« Mögen sie uns auslachen, die wir frischweg nach der guten alten Art reden und hunderttausend ungesuchte und ungekünstelte Wörter gebrauchen.

Pippa: Die alten Krähen!

Nanna: Da hast du ihnen den rechten Namen gegeben, denn es ist ja schon rein gefährlich geworden, nur den Mund aufzutun. Aber ich bin ich, und ich schwätze, wie’s mir paßt und nicht mit aufgeblasenen Backen, wie wenn ich Salzbrühe ausspucken wollte; ich gehe auf meinen eigenen zwei Beinen und nicht auf Kranichbeinen; ich bringe die Worte heraus, wie sie mir kommen, und hole sie nicht mit ’ner Gabel aus meinem Munde hervor. Denn es sind Worte und keine Zuckerplätzchen; und wenn ich spreche, sprech ich wie ’ne Frau und nicht wie ’ne Elster. Und darum ist und bleibt die Nanna die Nanna und die ganze Pedantenbande, die Verbi gratia scheißt und am Ei ein Haar bekrittelt, das gar nicht dran ist, die hat nicht soviel Ansehen, um sich den Arsch damit warm zu halten. Und um schließlich auf die Hauptsache zu kommen: Wer über alles kakelt, ohne selber was zu machen, der macht seinen Namen niemals weiter bekannt als in den nächsten Schenken; mein Name aber ist bis nach der Türkei gewandert. Also, ihr Dummköpfe, ich will meine Stoffe nach meinem Sinn weben und mustern, denn ich weiß, wo ich das Garn finde für die kommenden Stücke, und ich habe viele Garnknäuel, um die einzelnen Stücke zusammenzunähen und die Risse auszubessern.

Pippa: Die alten Schachteln werden in ein Wespennest stechen! Und sie werden sich zum Bersten aufblasen, wenn wir ihnen nicht eines Tages unter ihren Augen die Feige machen, weil sie sich immer über unser Sprechen aufhalten.

Nanna: Das werden wir ganz gewiß tun! Dabei fällt mir ein, erst vorgestern fragte mich eine Sibylle, eine Fee, eine Beffana, die den Papageien das Plappern beibringt, was die Wörter anfanare, trasandare, aschio, ghiribizzo, meriggie, trasecolo, mezza moscia, sdrucdola und razzola bedeuteten. Und während ich ihr die Hieroglyphen erklärte, kritzelte sie die Bedeutung sofort nieder; jetzt wird sie sich damit dicketun, wie wenn es Wörter von ihrem eigenen Gewächs wären. Aber ich, die ich schlecht und recht dahinlebe, ich zerbreche mir nicht den Kopf darüber, ob es dümmer ist, › covelle‹ oder › nulla‹ zu sagen.

Pippa: Bitte, laßt jetzt das Zanken auf die Wortklauberinnen, denn mir wird schon ganz schwindlig im Kopf, und schließlich werde ich noch all die Sachen, die für mich so wichtig sind, wieder vergessen.

Nanna: Da hast du recht. Ich hab nun mal solche Wut gegen diese Alphanen, die immer bei ihren Schlingen auf der Lauer stehen, aus kümmerlichen Wörtlein Salate und pikante Saucen machen und mit der Hartnäckigkeit von Schaben und Zecken durchaus ihre Ansichten verfechten wollen. Dadurch bin ich vom Thema abgekommen, aber ich erinnere mich, ich sprach dir davon, daß du die Dichter, denen man meistens an den Tafeln der großen Herren begegnet, recht liebenswürdig behandeln müßtest.

Pippa: Ja, gerade dabei waren wir stehengeblieben.

Nanna: Mach ihnen ein freundliches Gesicht, unterhalte dich mit ihnen, und um dir den Anschein zu geben, als seist du eine Freundin der schönen Künste, bitte sie um ein Sonett, ein Strambotto, ein Capitolo oder einen anderen Unsinn von der Art. Und wenn sie’s dir geben, so küsse sie und danke ihnen, wie wenn du Juwelen gekriegt hättest. Und sooft sie bei dir an die Tür klopfen, öffne ihnen stets; denn sie sind diskrete Leute, und wenn sie dich beschäftigt sehen, gehen sie von selber, ohne daß du ihnen einen Wink zu geben brauchst, und erst wenn die anderen abgefertigt sind, kommen sie wieder, um dir den Hof zu machen.

Pippa: Wenn ich nun aber trotzdem mal gerade keine Lust hätte, ihnen zu öffnen – was dann?

Nanna: Dann würden sie dich mit den allergrausamsten Schandschriften verdreschen, von denen man je gehört hat; denn ihnen bringt ja ohnehin schon jeder Mondwechsel das Gehirn in Unordnung, und dazu käme dann noch der Zorn, in den du sie versetzen würdest. Darum nimm dein Bein in acht! … Aber ehe ich wieder auf den großen Herrn zu sprechen komme, bei dem du zu Besuch bist, will ich dir noch einen hübschen kleinen Streich beibringen, den ich eigentlich beim Kapitel von den alten Lustgreisen hätte erwähnen wollen, damals aber vergaß; wir Frauen sind ja nun mal so, daß wir niemals zwei Worte im Zusammenhang sagen können.

Pippa: Das muß ja ein ganz reizender Streich sein, da Ihr eigens noch mal umkehrt, um ihn mir zu erzählen.

Nanna: Haha! Also, Pippa, wenn nach dem Essen das Tischtuch abgenommen und das Konfekt über die ganze Tafel verstreut wird, dann sollst du dir fünf Zuckerplätzchen nehmen. Diese wirf in die Luft und sage: »Wenn sie ein schönes Kreuz machen, dann liebt mein liebes, süßes Alterchen nur mich allein; wenn aber das Kreuz krumm und schief ist, dann betet er die Soundso an.« Pippa! wenn das Kreuz gut wird, dann hebe die Hände zum Himmel empor, breite die Arme aus und umschlinge ihn ganz fest und gib ihm einen Kuß mit soviel Kinkerlitzchen, wie du dir nur ausdenken kannst: Du wirst sehen, er fällt hintenüber wie einer, der vor Hitze umkommt, sich auf eine Stelle hinwirft, wo ein kleines bißchen Luftzug ist. Wenn aber das Kreuz schlecht ausfällt, dann laß dir, wenn’s irgend angeht, zwei Tränchen entwischen, dazu zwei künstliche Seufzer, steh von deinem Stuhl auf und geh ans Kaminfeuer. Tu dann so, als ob du mit der Feuerzange drin herumstocherst, um deinen Ärger zu verbergen. Sofort wird das Mondkalb sich mit allerlei kindischen Faxen von hinten an dich ranschleichen und wird dir beim Leib und beim Blut schwören, daß er gewiß, aber ganz gewiß, dich liebe. Sobald ihr miteinander in der Kammer seid, sprich fortwährend von dem Kreuz und der anderen, bis er dir irgendwas schenkt. Und vorher laß ihn nicht in Ruhe.

Pippa: Ich werde mich nach Eurem Rat richten, Mama.

Nanna: Darauf vertraue ich bestimmt, mein Kind. Du bist also bei dem großen Herrn, der fortwährend mit seinen Liebesgeschichten prahlt und dir sagt: »Signora Soundso, Madame Dingsda, die Herzogin, die Königin und der Scheißdreck – möge er ihm in der Kehle steckenbleiben! – hat mir diese Schleife geschenkt; und diese andere ist von ’ner anderen!« Da lobst du mir die Schleifen und tust, als ob du ganz baff seist, daß nicht alle Schönen von Tunis um seinetwillen sich taufen lassen. Und während er von den Heldentaten anfängt, die er bei der Belagerung von Florenz und bei der Plünderung von Rom verübt hat, neige dich zu deinem Nachbarn und sag ihm, aber so, daß der Tölpel es hört: »Oh, was für ein schöner Herr! seine Grazie bringt mich ganz von Sinnen!« Er wird tun, als ob er deine Worte nicht gehört habe, und wird sich drehen und spreizen wie ein Pfau. Und du mußt wissen, daß sie einen als ihren Feind ansehen, wenn er sie nicht so schlau zu behandeln weiß, wie die heruntergekommenen Schmeichler den Monsignor, dessen Eseleien sie als die größten Wundertaten der Hierarchie preisen.

Pippa: Das habe ich begriffen.

Nanna: Schmeichelei und Speichelleckerei sind der Pint der Großen, 63 wie man zu sagen pflegt. Darum lade bei ihnen Lobhudeleien fuderweise ab, wenn du von ihnen was kriegen willst; sonst wirst du mir mit vollem Bauch und leerem Beutel nach Hause kommen. Und abgesehen davon, daß ihre Freundschaft mehr Ehre als Nutzen bringt, so würde ich dir doch raten, dich von ihnen fernzuhalten, weil sie immer die Mahlzeit für sich allein haben möchten und verlangen, bloß weil sie vornehme Herren sind, daß man anderen nichts gebe. Und wenn du nicht kommst oder ihnen nicht aufmachst, so schicken sie ihre Lakaien, lassen dir Türen und Fenster einschlagen, auf der Straße Lärm machen oder deine Zofe prügeln – das ist ihnen ’ne Kleinigkeit, wie wenn einer auf die Erde spuckt. Sie gleichen jenen großen Kötern, die auf einen Platz kommen, wo eine Menge kleine Kläffer auf eine Hündin steigen: Sie jagen die einen mit Zähnefletschen, die anderen mit Beißen in die Flucht und bleiben Herren der ganzen Straße. Und ohne Zweifel schreckt solche Art und Weise gar manchen zurück, der Furcht hat, mit den großen Herren zusammenzustoßen; ausgezeichnet ist sie nur für eine, die den Rauch lieber hat als den Braten.

Pippa: Gott bewahre mich vor solchen hohen Herrschaften!

Nanna: Aber ich will dir ein Mittelchen zum Geschenk machen, das ihnen das Geld aus der Tasche lockt und wenn sie dran krepieren möchten: Wenn Seine Hoheit anfängt sich auszuziehen, um sich ins Bett zu legen, nimm ihm sein Barett weg und setz es dir auf, dann zieh dir sein Wams an und mach zwei kleine Gänge die Kammer auf und ab. Sobald der Herr dich aus einer Frau plötzlich in einen Jungen verwandelt sieht, wird er sich auf dich stürzen wie der Hunger aufs warme Brot, und er wird’s gar nicht abwarten können, bis du dich zu Bette legst, sondern dich mit dem Kopf gegen die Wand oder dich auf eine Truhe aufstützen lassen. Ich will dir nichts weiter sagen als dies: Laß dich lieber vierteilen, als daß du ihm das Geringste erlaubst, ehe er dir das Barett und das Wams geschenkt hat, damit du in Zukunft in dem Gewand zu ihm kommen könnest, wofür die hohen Herren eine besondere Vorliebe besäßen.

Pippa: Die Kuh ist unser!

Nanna: Vor allen Dingen aber studiere, wie gesagt, die Kunst des Schmeichelns und des Speichelleckens. Denn diese sind die Stickereien auf der Kunst, sich durchs Leben zu bringen. Die Männer wollen betrogen sein, und selbst wenn sie merken, daß man sich über sie lustig macht, daß man sie auslacht, sobald man von ihnen weg ist, und sie sogar mit den Zofen durchhechelt, so sind ihnen doch die erheuchelten Liebkosungen lieber als wahre ohne Brimborium. Knausere niemals mit Küssen, Blicken, Lachen, Worten; halte immer seine Hand in der deinen; und beiß ihn manchmal mit deinen Zähnen ganz unerwartet in die Lippen, so daß er mit gar zu großer Wonne jenes Au! ausstößt, das das Zeichen wollüstigen Schmerzes ist. Die Kunst der Huren besteht darin, daß sie den Herren Einfaltspinseln die Würmer aus der Nase zu ziehen wissen.

Pippa: Das sagt Ihr keiner Stummen und keiner Tauben!

Nanna: Ich denke …

Pippa: An was?

Nanna: An mich selber. Indem ich dir nämlich zeige, wie du dich zu benehmen hast, um Erfolg zu haben – was ich von Herzen hoffe –, kläre ich auch die Leute auf, die mit dir zu tun haben. Denn wenn sie wissen, was ich dir sage, so wissen sie auch, daß sie dir keinen Glauben schenken dürfen, wenn du deine Künste an ihnen übst, und so werden meine Ratschläge einem jener Porträts gleichen, die immer den Beschauer ansehen, mag er sich hinstellen, wo er will.

Pippa: Aber wer sollte sie ihnen denn verraten?

Nanna: Dies Zimmer, dies Bett hier, die Stühle, worauf sie sitzen, jenes Fenster da und diese Fliege, die mir meine Nase aufessen will – hol sie der Teufel! So ’ne Fliege ist wirklich gar zu frech; sie sind zudringlicher als die Eifersüchtigen, die sich schließlich selber zur Last werden mit all ihren Spionenkünsten, die sie aufwenden, um eine zu bewachen, die sich nicht bewachen läßt, wenn sie mal beschlossen hat, ihnen Hörner aufzusetzen. Mit einem Vieh von der Sorte mußt du dich geschickt zu benehmen wissen und ihm die Hörner aufsetzen, ehe du ihn was merken läßt.

Komm mal ran! Wir wollen annehmen, du bist die Freundin eines, der auf einen anderen eifersüchtig ist, welcher letztere dir eine wertvolle Bekanntschaft ist – nicht so wertvoll wie der erste, aber doch immerhin so, daß ihn zu verlieren dir recht sehr empfindlich wäre. Der erste wird dir befehlen, jenem nicht aufzumachen, nicht mit ihm zu sprechen und nicht das geringste Geschenk von ihm anzunehmen. Da sind nun teuflische Schwüre vonnöten, eine freche Stirn, Kopfschütteln, laute Beteuerungen und Gesten des Erstaunens über ihn, daß er glauben könne, du könntest ihn aufgeben um eines solchen Schafskopfs willen. Füge hinzu: »Das ist ja wirklich reizend, zu glauben, ich könnte mich an einen solchen Eselskopf, an ein solches Idiotengesicht wegwerfen!« und verlange selber, er solle dich bewachen lassen, du wollest sogar die Spione aus deiner eigenen Tasche bezahlen. Dann geh in deine Kammer, schließe dich ein und komm nicht wieder heraus. Wenn sein Verdacht sich trotzdem nicht vermindert, so verliere keine Zeit mehr, sondern laß das, was du ihm abknappst, in Hülle und Fülle dem armen Ausgeschlossenen zugute kommen, laß ihn in dein Haus ein, sobald der Eifersüchtige fortgeht, entweder unter dem Vorwand, bei dir Holz abzuladen oder das Brot zum Backen fortzutragen. Wenn die eifersüchtige Wut noch höher steigt, laß den andern bei Nacht zu dir kommen und versteck ihn im Kämmerchen der Magd; sorge dafür, daß dort immer dein Nachtstuhl steht. Am Abend iß absichtlich Sachen, die dir Durchfall machen, oder stelle dich, als hättest du Leibesweh, und verlasse unter Klagen und Stöhnen den Platz an seiner Seite und geh zum anderen, der dich schon mit der Pfeife in der Hand erwartet hat und dir darum zwei Nägel in einem Schmieden fertigmachen wird. Vor Wonne über den Genuß, der dich überall kitzeln wird, wirst du lauter und öfter »au!« und »ich sterbe!« schreien, als wenn du das Mutterweh hast. Sobald das Geschäft verrichtet ist, kehre, aller Schmerzen ledig, zu deinem Eifersüchtigen zurück. Und dieses ist das rechte Mittel, die Ziege und die Klöten zu retten, wie Armellinos Verschwender sagte.

Pippa: Wird gemacht!

Nanna: Angenommen, der von der Eifersucht Besessene bekommt irgendwie Wind von der Sache – dann schnell die Hand zum Schwur erhoben und geleugnet, mit sicherer Miene immer nur: »Unsinn!« gesagt. Wenn er in Wut gerät, demütigst du dich soweit, ihm zu sagen: »Also Ihr haltet mich für so eine, ah? Und wenn man Euch irgendwas gesagt hat, kann ich die bösen Zungen zurückhalten? Wenn ich andere Liebhaber hätte haben wollen, so hätte ich doch nicht Euch genommen! Dann würde ich doch nicht aus Liebe zu Euch wie ’ne Nonne leben!« Und mit solchem Gegacker presse dich an ihn, so eng du nur kannst. Und sollte dir gar mal die Faust ins Gesicht fahren – Geduld! Denn bald werden dir Medici und Medizinen bezahlt sein; und all die Schmeichelworte, die du ihm gibst, um ihn wieder zu besänftigen, er wird sie dir zurückgeben, um dich nachher wieder zu trösten und seine ›Verzeih mir!‹ und ›Ich hab unrecht gehabt, es zu glauben!‹ werden dich aufs angenehmste kitzeln, und du wirst wieder seine ›Gute‹ und seine ›Schöne‹ sein. Wenn du aber deine Schuld eingeständest oder dich rächen wolltest für vier Ohrfeigen, die schnell kommen und gehen, dann würdest du ihn möglicherweise verlieren oder ihn derart erzürnen, daß für dich nichts Gutes danach käme. Es ist klar, daß das Schwierige darin besteht, sich seine Freunde zu erhalten und nicht, welche zu gewinnen.

Pippa: Daran ist nicht zu zweifeln.

Nanna: Ein anderes Bild! Du findest einen, der nicht eifersüchtig ist, der dich aber liebt, trotz jener, die behaupten wollen, es gebe keine Liebe ohne Eifersucht. Für Männer, die aus solchem Holz geschnitzt sind, gibt es ein Reizmittel, von dem nur ein oder zwei Mundvoll genügen, um ein Bordell eifersüchtig zu machen.

Pippa: Was ist das für ein Reizmittel?

Nanna: Laß dir von einem, auf den du dich verlassen kannst, ein Brieflein schreiben, wie zum Beispiel dieses, das ich auswendig gelernt habe:

›Signora, Heil kann ich Euch zu Beginn dieses Briefes nicht wünschen, denn für mich gibt es kein Heil. Wenn aber Euer Mitleid mir Stunde und Ort zu bestimmen geruhen will, die Euch am bequemsten sind, so kann ich Euch sagen, was ich keinem Brief und keinem Boten anzuvertrauen wage. Darum flehe ich Euch an bei Euren göttlichen Schönheiten, die die Natur mit Gottes Zustimmung nach dem Bilde seiner Engel kopiert hat: erlaubt, daß ich Euch sage, was ich Euch zu sagen habe. Seid gesegnet, seid um so inniger gesegnet, je bälder Ihr mir die Unterredung bewilligt, um die ich Euch auf meinen Knien bitte. Ich erhoffe eine Antwort voll von jener Anmut, die von Eurer anmutigen Erscheinung ausstrahlt. Und sollte es sein, daß Ihr auch diese Bitte zurückweist, wie Ihr die Perlen zurückwieset, die ich nicht als Geschenk, sondern Euch als ein Zeichen meiner guten Gesinnung durch … (usw.) … überbringen ließ, so werde ich durch Eisen, Strick oder Gift mich von meinen Qualen befreien! Und ich küsse die Hände Eurer erlauchten Gnaden …‹

Dazu Aufschrift und Unterschrift. Diese macht ebenfalls der Mann, der für dich den Brief schreiben wird, um den es sich hier handelt.

Pippa: Und was habe ich zu tun, wenn der Brief fertig ist?

Nanna: Falte ihn ganz klein zusammen und laß ihn in einen Handschuh gleiten, den du, wie aus Unachtsamkeit, irgendwo fallen läßt. Der Mann, der die Eifersucht mit Füßen trat, wird sie bald mit vollen Zügen einatmen. Kaum hat der gleichgültige Herr den Handschuh aufgehoben, so wird er das geschriebene Blatt, das drin ist, fühlen; und wenn er’s gefühlt hat, wird er’s herausziehen. Er wird sich von allen Anwesenden absondern und ganz mutterseelenallein in ein Winkelchen zurückziehen. Kaum hat er zu lesen begonnen, so wird er ein böses Gesicht machen; wenn er aber an die Stelle von den zurückgewiesenen Perlen kommt, wird er fauchen wie eine Viper. Sein ganzer Stolz wird ihm in die Hacken sinken, und seine Seele wird ihm zwischen die Zähne kommen, denn ich denke mir, die Teufel fahren in einen, der plötzlich auf einen Nebenbuhler stößt. Und es läßt sich gar nicht beschreiben, was für ’ne Wut einen aus der Fassung bringt, der bis dahin keine Ahnung hatte, daß er einen Mitesser an seiner Schüssel haben könnte, und nun plötzlich einen auftauchen sieht, der ihm seinen ganzen Braten streitig macht. Nachdem er den Brief gelesen und wieder gelesen hat, wird er ihn wieder an den Ort tun, wo er ihn gefunden hatte, das heißt, er wird ihn in den Handschuh stecken. Unterdessen wirst du ihn durch eine Türspalte oder durch das Schlüsselloch beobachtet haben, und wenn du siehst, daß er gerade in der richtigen Stimmung ist, so machst du Krach mit deiner Zofe und rufst: »Wo ist denn mein Handschuh, du vergeßliche Trine!« Darüber kommt der Tiefgekränkte dazu, und du schreist noch lauter: »Dumme Person! Schlumpe! Du wirst schuld sein, wenn es einen Skandal gibt, ja vielleicht sogar an meinem Ruin. Ich sehe schon, er wird ihm in die Hände fallen, und ich werde ihm niemals glaubhaft machen können, daß ich die Absicht hatte, ihn ihm aus freien Stücken zu zeigen und ihm zu sagen, wer der Mensch ist, der mir solches Zeug zuschickt. Gott weiß, daß weder Perlen noch Dukaten mein Herz einem andern haben gewinnen können.« Wenn der auf den Leim Gegangene das hört, wird sein Zorn nachlassen; er wird sich einen Augenblick bedenken, dann wird er dich rufen und sagen: »Hier ist der Handschuh! Kein Wort mehr! Ich habe nur zu dir volles Vertrauen. Ich habe alles gelesen, und an Perlen soll’s dir nicht fehlen. Und ich bitte dich, mir den Namen des Herrn, der dir so prachtvolle Geschenke anbietet, nicht zu nennen, denn vielleicht, vielleicht …« Damit schweigt er, und du sagst ihm: »Ich wollte Euch immer nichts sagen von all den Belästigungen, den fortwährenden Zuschriften, den … nun, genug! Ich bin Euer, ich will es immer sein; und auch wenn ich tot bin, werde ich noch ganz und gar die Eure sein.«

Pippa: Erklärt mir bitte, worauf die ganze Komödie hinauslaufen wird.

Nanna: Darauf, daß der Finder des Briefes um seine ganze Seelenruhe gebracht sein wird. Jeden, den er in deiner Straße sieht, wird er für den Nebenbuhler oder für dessen Kuppler halten. Und damit du keine Ursache habest, des andern Geschenke anzunehmen, wird er sich beeilen, es jenen Mantuanern oder gar Ferraresen zuvorzutun, die, kaum in ihrer Herberge ausgestiegen, schon auf Liebesabenteuer ausgehen, wie wenn ihre Stickereien und die Schlitze, womit sie ihren Mantel und ihr Wams verunstalten, ihnen das Privileg gäben, sich, wie man im Palast sagt, gratis spedieren zu lassen. Pippa, wenn diese Nachtvögel sich bei dir auf den Ast setzen, so halt hübsch deine Augen offen, um zu erfahren, wann sie abreisen, und berechne die Zeit, die sie sich in Rom aufhalten können, nach ihren Ringen, Agraffen, Halsketten, Spitzen und anderen Kinkerlitzchen, die sie am Leibe haben. Denn auf ihr bares Geld ist wenig zu rechnen. Und da sie wahrscheinlich niemals wiederkommen werden, so brauchst du dir nichts daraus zu machen, ob sie gut von dir reden oder auf dich schimpfen.

Pippa: Wird gemacht. Aber wie wißt Ihr denn von ihrem Gelde Bescheid?

Nanna: Ich weiß, daß sie niemals so viel bei sich haben, daß es zu ihrer Heimreise langt. Und wenn du dich mit ihnen einläßt, so halte dich an die genannten Wertsachen; wenn nicht, so wirst du von ihnen nichts haben als deine Hände voll von ihren parfümierten Höflichkeiten.

Pippa: Wenn ich mich von denen erwischen lasse, will ich …

Nanna: Sollte mal einer von ihnen bei dir schlafen, so wirf ein Auge auf seine guten Sachen: sein Hemd oder seine Nachtmütze. Und am andern Morgen, ehe er aufsteht, laß eine Jüdin mit tausenderlei Tand kommen; und wenn du den Kram mit seinem mantuanischen Kram verglichen hast, heiße das Zeug forttragen, aber bring alles in Unordnung und wirf es auf die Erde, zanke mit dir selbst, mit dem Laffen und brumme so lange, bis er dir die Sachen als Geschenk anbietet. Wenn nicht, so lade ihn ein, wieder bei dir zu schlafen, und dann nimm sie ihm entweder mit Gewalt oder mit Liebe ab.

Pippa: Als Ihr jung wart, Mama, machtet Ihr da auch alle die Sachen, die ich nach Eurer Meinung machen soll?

Nanna: Zu meiner Zeit war’s ’ne andere Zeit. Ich tat immerhin, was ich konnte, wie du erfahren wirst, wenn ich dir meine Lebensgeschichte zu lesen gebe, die ein Gewisser hat drucken lassen, den der Teufel … den der liebe Gott holen möge, will ich lieber sagen, damit er – falls etwa der Verfasser kein Guter sein sollte – mich nicht noch schlimmer behandelt, als dich deine verliebten Grobiane behandeln werden, wenn du nicht mit ihnen auszukommen weißt. Du könntest mir freilich antworten: ›Mit solchen lasse ich mich nicht ein!‹ – aber leider geht das nicht.

Pippa: Warum nicht?

Nanna: Warum? Wenn du, wie sich’s gehört, vernünftig bist, so mußt du auch sie in deiner Gesellschaft haben. Darum laß sie toben, wenn sie wütend sind; knöpf deine Ohren zu, wenn sie dir ihr ›Hure! Spitzbübin!‹ hineinschreien. Laß sie den Weltglobus spalten mit ihren Worten, die sie mit ihrem Speichel jedem, der ihnen zu nahe kommt, ins Gesicht spucken – da ist weiter nichts dabei. In Zeit von weniger als zwei Credos sind sie wieder gut, bitten um Verzeihung, machen dir Geschenke und möchten dich am liebsten in ihr Herz schließen. Mir gefällt’s ganz gut, mit solchen Leuten zu tun zu haben, denn wenn eine Kleinigkeit sie in Wut bringt, so macht eine Kleinigkeit sie auch wieder friedlich. Ich vergleiche ihren Zorn mit einer Juliwetterwolke: Es donnert, es blitzt, es fallen fünfundzwanzig Tropfen Regen, und siehe!, da ist die Sonne wieder. So wird geduldiges Ertragen dich reich machen.

Pippa: Also ertragen wir alles geduldig! Wie wird’s dann weitergehen?

Nanna: Ein jeder wird dir bis zum Tode anhängen … Nun ein anderes! Du hast es mit einem Schlaumeier, einem alten Fuchs zu tun, der auf alle deine Bewegungen achtgibt, über jedes Wörtchen eine Rede hält, seinen Freund mit dem Fuß anstößt, das Maul verzieht und mit den Augen zwinkert, wie wenn er sagen wollte: ›Mir will man was weismachen? Oho!‹ Du bist mir ganz still, regst dich niemals auf, sondern spielst im Gegenteil immer die Einfältige und Dämliche. Fragst ihn nie, widersprichst ihm nie. Wenn er mit dir spricht, antworte ihm; wenn er dich küßt, küß ihn wieder; wenn er dir was gibt, nimm’s; und benimm dich stets so hübsch schlau, daß er dich niemals beim Naschen ertappen kann. Im Gegenteil, benimm dich so, daß er schon anfängt, zu sich selber zu sagen: »Sie ist besser als das liebe Brot.« Laß dir aber nicht von ihm in deinem Gärtchen das Unkraut jäten, wenn er dir nicht den Boden bezahlt hat, den er besamen will. Und wie er selber alle möglichen kleinen Kunstgriffe zu Hilfe nimmt, um sich nicht von dir in die Karten gucken zu lassen, so biete auch du alle deine Schlauheit auf, und bring es dahin, daß er bei sich gesteht: »In ihr ist kein Falsch und nichts Verdächtiges.« So wird also notgedrungen der Hosenflicker trotz seinem Mißtrauen dir trauen und wird damit von hüben und von drüben angeführt sein, denn er wird dein sein, du aber brauchst sein nur dann zu sein, wenn du Lust dazu hast.

Pippa: Ich staune, Mamachen, daß Ihr keine Schule aufmacht, um die Leute über all diese Galanterien zu unterrichten.

Nanna: Ich besitze eine Eigenschaft, die einer Kaiserin zur Zier gereichen würde: Ich bin nicht prahlsüchtig. Früher war ich’s, Gott verzeih mir! Aber wir wollen keine Zeit verlieren. Lerne, in Zorn zu geraten und dich wieder mit deinen Anbetern zu versöhnen, so, wie ich’s dich gelehrt habe. Und laß dir diese Abhandlung nicht zu lang erscheinen. Ich wünsche sogar, daß du sie auswendig weißt und geläufig hersagen kannst. Der Hurenberuf hat’s in sich: In acht Tagen wird eine ohne Lehrer mehr lernen, als sie sonst wissen kann. Nun urteile selbst, ob du es nicht noch viel weiter bringen mußt, die du eine Nanna zur Führerin hast.

Pippa: Möchte es so sein!

Nanna: Es wird so sein, sei unbesorgt. Erzürne dich auf eine nette Art, Pippa, mache es in solcher Weise, daß ein jeder dir recht gibt. Wenn dein Freund dir Rom und sieben goldene Berge verspricht, so warte ein oder zwei Tage, ohne ein Wort zu sagen, auf die Erfüllung des Versprechens. Wenn der dritte Tag zur Hälfte verstrichen ist, gib ihm einen kleinen Anstoß. Er wird dir antworten: »Sei unbesorgt; du wirst schon sehen, und damit basta!« Mach ein fröhliches Gesicht und fang an, vom Türken zu sprechen, der kommen soll, vom Papst, der noch nicht verreckt ist, vom Kaiser, der Wunderdinge vollbringt, und vom ›Preistarif der Kurtisanen von Venedig‹ – den ich eigentlich in erster Linie hätte nennen sollen. Dann laß das Kinn auf die Brust sinken und werde plötzlich still, sitze eine Weile ganz nachdenklich da, steh dann auf und sage mit heiterer Stimme: »Ich hätt es nie gedacht!« Mich dünkt, ich seh den saumseligen Geschenkgeber leibhaftig vor mir, wie er dir sagt: »Was gibt’s denn?« Du aber rufst: »Wo warst du gestern abend?!« Und ohne eine Antwort von ihm hören zu wollen, fliehst du in deine Kammer und schließt dich ein. Und wenn er klopft, laß ihn bellen. Dann komme ich dazu, gebe ihm immer unrecht und schwöre ihm, dir sei gesagt worden, er vertreibe sich bei dir nur die Leidenschaft, die er für die Soundso habe. Verlaß dich drauf, er wird alles leugnen und fluchend die Treppe heruntergehen. Wenn er aber nach einer Weile wiederkommt – vielleicht gleich nachher, vielleicht erst am nächsten Tag –, dann laß ihm sagen, du seist beschäftigt oder du habest Gesellschaft bei dir.

Pippa: Jaja! Der Friede wird wieder hergestellt werden, indem er mir das Doppelte von dem Versprochenen bringt.

Nanna: Oh! Jetzt bin ich sicher, du wirst die Sachen mit einem anderen Gesicht anschauen als ich dummes, junges Ding damals! Merke nur recht auf das, was ich dir sage! Bediene dich zu deinen Zwecken auch einer geheuchelten Verstimmung, nämlich mitten im besten Scherzen und Plaudern tust du plötzlich, wie wenn du ärgerlich auf dich selber würdest, und sitzest still da, indem du die Wange auf deine Hand stützest.

Pippa: Wozu ist das?

Nanna: Damit er, der nicht ohne dich sein kann, an dich herantrete und dir sage: »Was sind denn das für Grillen von Euch? Ist Euch nicht wohl? Fehlt Euch irgendwas? Sprecht doch!« Um dich zu besänftigen, wird er dich ihrzen. Darauf antwortest du ihm: »Ach was! laß mich, bitte, in Ruhe! Mach, daß du fortkommst, geh weg von mir – jawohl, jawohl!« Du brichst einen Streit vom Zaun und tust dabei immer, als ob du ihn geringschätztest. Und du benimmst dich so, daß er dich schließlich kitzelt, um dich zum Lachen zu bringen; laß aber ja nicht ein solches Lachen deinem Gesicht oder deinen Augen entwischen, wenn er dir nicht irgendwas schenkt. Wenn er dir was gibt, dann laß ihm seinen Willen. Man sagt ja, daß auch die Kinder ganz ohne Anlaß zu toben anfangen und erst wieder gut werden, wenn man ihnen Zuckerwerk gibt.

Pippa: Das sind alles nur Läppereien. Ich möchte aber wohl, Ihr sagtet mir, wie man sich mit einem Schwergekränkten wieder verträgt. Nehmen wir meinetwegen an, die Kränkung gehe von mir oder sie gehe von ihm aus.

Nanna: Das will ich dir wohl sagen. Wenn die Kränkung von dir ausgeht – wie es wohl als erzsicher anzunehmen ist –, so mach den Rücken krumm, sprich höflich und sage zu jedem, der es hören will: »Ich habe einen Jugendstreich gemacht, eine Dummheit, wie ein gedankenloses Frauenzimmer sie wohl verübt; der Teufel verblendete mich; ich verdiene keine Verzeihung, und wenn der liebe Gott mir diesmal noch heraushilft, so will ich niemals, niemals wieder mich gegen seine Gebote vergehen.« Und dann zieh deine Tränenschleusen auf und weine mehr, als wenn du mich tot und kalt zu deinen Füßen liegen sähest – Gott bewahre mich davor, sondern mache es denen so, die uns übelwollen.

Pippa: Amen!

Nanna: Dein Spektakeln und Heulen werden ihm spornstreichs hinterbracht – denn so einer hält sich immer seine Spione bei dir. Und was sie ihm erzählen mit Hinzufügung einiger Kleinigkeiten von ihrer eigenen Erfindung, wird ihm andern Sinn beibringen, und obwohl er schwört, lieber wolle er vor Hunger seine eigenen Fäuste benagen, als noch wieder mit dir sprechen, und lieber wolle er sich von seinen Feinden zur Schlachtbank führen lassen, nebst anderem Bombast, wie Leute, die der Zorn fortreißt, ihn zwischen den Zähnen hervorsprudeln – so wird doch aus alledem nichts. Diese Herzensergießungen werden ihn nicht in die Hölle bringen, denn unser lieber Herrgott gibt nichts auf die falschen Schwüre der Verliebten. Diese können kein vollgültiges Testament machen, solange sie in ihrem Liebeswahnsinn faseln. Wenn’s aber einer ist, der schon von der Wiege an eigensinnig war und der darum in seinem Eigensinn verharrt, so schreib ihm einen Brief, lang wie die Bibel, such ihn in seinem Hause auf und tu, als wolltest du seine Tür einschlagen. Und wenn er dir nicht aufmachen .will, gerate außer dir, fang an zu schimpfen, verfluche ihn. Und wenn dir das alles nichts hilft, so tu, als ob du dich aufhängen wolltest. Aber nimm dich wohl in acht, daß aus dem Spaß nicht Ernst wird und daß es dir nicht geht wie einer, deren Namen ich vergessen habe, in Modena.

Pippa: Oh! Wenn ich mich je im Scherz oder im Ernst aufhänge, so soll man mich aufhängen!

Nanna: Hahaha! Das ist das rechte Mittel, die Schlinge zu lösen … Such im ganzen Hause herum, in den Truhen und in jedem Winkel, und mach ein Bündel aus seinen Hemden, seinen Strümpfen und was sonst an Sachen von ihm da ist, sogar ein Paar abgetretene Pantoffeln, alte Handschuhe, Nachtmütze, und allerlei sonstigen Plunder füge bei. Und wenn du etwa Armbänder oder ’nen Ring hast, die er dir geschenkt hat – schick sie ihm zurück!

Pippa: Das werde ich nicht tun!

Nanna: Tu, was ich dir sage! Denn wenn ein Verliebter in seiner Liebeskrankheit in den letzten Zügen liegt, da wirkt es wie die letzte Ölung, wenn er die Geschenke zurückgebracht sieht, die er seiner Liebsten gegeben hatte, denn daraus erkennt er deutlich, wie wenig man von seiner Person und von seinen Sachen hält. Und da verfällt er in den tiefsten Schmerz; das Wenigste, was er tut, ist, daß er mit Steinen schmeißt. Unverzüglich wird er die ganzen Sachen wieder zusammenpacken und sie dir zurückschicken. Das ist ganz gewiß.

Pippa: Wenn er nun aber zufällig ein Geizhals wäre?

Nanna: Geizhälse machen keine Geschenke und lassen keine wertvollen Sachen bei dir im Hause; riskiere es also ruhig und mach es so, wie ich dir sage. Und wenn nicht der Friede von Marcone geschlossen wird, so sage von mir, ich sei ’ne dumme Gans, wie Gewisse, die nichts weiter können, als die Beine breitmachen, und die sich einbilden, solange man sie zu den großen Huren rechnet, sie hätten ihre Geschäfte schön in Ordnung, wenn sie einfach ihr Fleisch verkaufen und sich nicht mit Zauberkram abgeben. Ihr armen, armen Luder! Sie wissen nicht von dem Ende, zu dem der Anfang und die Mitte ihres Lebenswandels sie führt: nämlich ins Spital und auf die Brücken, wo sie, von der Franzosenkrankheit zerfressen, als traurige Ruinen, von allen gemieden, umherirren, ein Ekel für jeden, der sie überhaupt noch ansieht. Und ich sage dir, mein Kind, der Schatz, den die goldgierigen Spanier in der Neuen Welt gefunden haben, er würde nicht hinreichen, um eine Hure zu bezahlen, mag sie noch so häßlich und jämmerlich sein. Und wer mal ordentlich über ihr Leben nachdenkt, der muß mir das zugeben; und wer das leugnet, der begeht eine unverzeihliche Sünde.

Und um dir zu zeigen, daß aus meinem Munde die Wahrheit spricht, will ich dir so ein Bild vorführen von einer, die gegen diesen und gegen jenen Verpflichtungen hat. Niemals hat sie eine Stunde Ruhe, wo sie geht, wo sie steht, bei Tisch und im Bett. Ist sie müde, so kann sie nicht schlafen, nein, sie muß sich wach halten und einen Grindigen karessieren, einen Kerl, dessen Mund wie ein Abtritt stinkt, einen Büffel, der sie fortwährend verprügelt. Tut sie’s nicht, so geht’s los mit den Vorwürfen: »Du verdienst es nicht, einen zu haben wie mich; du bist meiner nicht würdig; wäre ich der Hasenfuß X oder der Halunke Y – da würdest du hübsch wach sein.« Ist sie bei Tische, macht er aus jeder Mücke einen Elefanten, gibt sie irgend ’nem anderen einen Bissen, so knurrt er und schäumt vor Wut und frißt Brot, Eifersucht und Suppe in sich hinein. Geht sie aus, gleich gerät er in hellen Zorn und ruft: »Da ist was los!« Und dann geht das Geschwätz los: Auf Straßen und Plätzen spricht er von dem Verrat, der, wie er meint, gegen ihn verübt worden ist, faßt einen Haß gegen diesen und gegen jenen und findet nirgends Ruhe. Bleibt sie zu Hause, so befällt sie jene eigentümliche melancholische Stimmung, die doch keine eigentliche Melancholie ist, und sie vermag nicht das gewohnte Gesicht zu machen. Da heißt’s gleich: »Mein Verdacht bestärkt sich; es war mir ja auch von vornherein klar; jetzt hab ich dich ausgeschnobert; ich weiß wohl, wo dich der Schuh drückt – ganz genau weiß ich’s! Dir wird’s nicht an Männern fehlen und mir nicht an Weibern für mein Geld; Huren gibt’s ja die Hülle und Fülle.« Aber diese Kränkungen sind noch Manuschristi und vergoldete Zuckerplätzchen im Vergleich mit jener abscheulichen Schmach, die man uns antut und deren Gestank zur Hölle, geschweige denn zum Himmel schreit. Man dreht und wendet uns und schiebt uns hin und her auf alle erdenklichen Arten bei Tage und bei Nacht; und wenn eine nicht in alle Schweinereien einwilligt, die sich nur ausdenken lassen, so muß sie im Elend umkommen. Der eine verlangt Kochfleisch, der andere Braten. Was haben sie nicht alles ersonnen: von hinten; die Beine um den Hals, die Giannetta; Kranich; Schildkröte; Kirche auf dem Glockenturm; die Eilpost; auf Schafsart und andere Stellungen, die seltsamer sind als die Stellungen eines Jongleurs. Da kann ich wohl sagen: »Welt, ade!« Ich schäme mich, mehr davon zu sagen. Kurz und gut – heutzutage stellt man bei ’ner sogenannten ›Signora‹ anatomische Studien an. Und darum, Pippa: Wisse dich zu benehmen, wisse zu leben; sonst heißt’s: »In Lucca haben wir uns mal gesehn!«

Pippa: Ja wahrhaftig, um Kurtisane zu sein, braucht’s was anderes, als bloß die Röcke hochzuheben und zu sagen: »Fertig! Meinetwegen kann’s losgehn!« – wie Ihr vorhin bemerktet. Und es genügt nicht, nur ein hübsches Weibsstück zu sein – Ihr seid eine gute Prophetin.

Nanna: Hat einer mal zehn Dukaten ausgegeben, um alle Gelüste zu befriedigen, die man mit einer jungen Hure befriedigen kann, so tut er, als hätten ihn die Räuber im Baccanerwald gekreuzigt; zwar weiß niemand was Genaueres darüber, aber das Volk verwundert sich baß, und allüberall kakelt man drüber, das liederliche Weibsbild, die X, habe den braven Burschen, den Y, zugrunde gerichtet. Aber wenn sie die Rippen aus dem Leibe verspielen, wenn sie Taufe und Glauben abschwören – da lobt man sie noch obendrein; möchte ihr Same verdorren! … Ich will dir zunächst das Versprochene zu Ende erzählen, und morgen den ganzen Tag werde ich dir dann das Sündenregister der Spitzbuben von Männern vortragen; und Tränen wirst du weinen, wenn ich dir all die grausamen Listen erzähle, womit diese Türken, Mohren, Juden uns Weiblein betrügen: kein Gift, kein Dolch, kein Feuer, keine Flamme ist genug, uns an ihnen zu rächen. Ich für mein Teil habe zwei Paar von ihnen auf der Seele; und ich habe meine Schuld gebeichtet – aber nicht im Beichtstuhl!

Pippa: Redet Euch nicht in Zorn!

Nanna: Ich kann nichts dafür: Diese Halunken bringen mich immer in Wut. Du wirst hören, wie sie’s verstehen, einer wieder abzunehmen, was sie ihr geschenkt haben, und wie wacker sie sind, zu verleumden und unsereiner den Einunddreißiger zu zeigen. Ich will dir aber heute noch nicht meine letzten Ratschläge geben in bezug auf das Geplauder, das Benehmen und die ganze Art und Weise, wie du dich bei diesen Unterhaltungen aufzuführen hast – denn das ist der Schlüssel zum ganzen Spiel.

Pippa: Ich wollte, Ihr kämt zur Sache.

Nanna: Und ich bin schon dabei. Sich unterhalten zu können mit jener angenehmen Leichtigkeit, die niemals Last wird, ist der Zitronensaft, den man über die in der Pfanne schmorenden Kutteln träufelt, und der Pfeffer, den man drüber stäubt. Es ist wirklich etwas Reizendes, wenn du mit alt und jung in lustiger Gesellschaft bist und mit allen in einer Weise zu schwätzen weißt, die nicht lästig fällt. Sein recht Gutes hat es auch, wenn man von Zeit zu Zeit ein gesalzenes Wort anzubringen und gewisse Herren, die unsereine pritschen möchten, mit einer treffenden Antwort abzufertigen weiß. Und da die Charaktere der Menschen noch mannigfaltiger sind als ihre Phantasien, so studiere sie, spioniere sie aus, sieh voraus, prüfe, überlege, grüble und kritisiere alle Gehirne. Also, da kommt zu dir ein Spanier, geschniegelt, pomadenduftend, etepetete wie ’n Boden von ’nem Nachttopf, der entzweigeht, wenn man ihn anfaßt, den Degen an der Seite, aufgeblasen, seinen Pagen hinter sich, mit seinem ewigen ›Beim Leben der Kaiserin!‹ und anderen gezierten Redensarten. Da sagst du zu ihm: »Ich bin nicht würdig, daß ein so vornehmer Kavalier mir solche Ehre erweist. Wollen Euer Gnaden sich bedecken! Ich werde kein Wort anhören, wenn Euer Gnaden nicht den Hut aufsetzen.« Und wären seine ›Eure Hoheit‹, die er dir an den Kopf wirft, und die Küsse, womit er dir die Hand schleckt, das von Alchimisten gesuchte Elixier, um reich zu werden, so würden seine ›Hoheiten‹ und alle seine Faxen dir ein größeres Einkommen bringen, als Agustino Chigi hatte. 64

Pippa: Ich weiß wohl, daß bei ihnen nichts zu verdienen ist.

Nanna: Du hast mit ihnen nichts anderes zu tun, als ihnen auf ihren Dunst Wind herauszugeben und für jene Seufzer, die sie so tief aus den Eingeweiden hervorzuholen wissen, sie wieder anzublasen. Aber verbeuge dich immerzu, wenn sie sich verbeugen, küsse ihnen nicht nur die Hand, sondern sogar den Handschuh, und wenn du nicht willst, daß sie dich mit ’ner Schilderung der Einnahme von Mailand beglücken, so befreie dich schnellstens und auf möglichst gute Art von ihrer Gesellschaft.

Pippa: Das werde ich tun.

Nanna: Halt! Ruhig jetzt: ein Franzos! öffne ihm sofort, öffne ihm schnell wie der Blitz, und während er ganz lustig dich umarmt und dir so obenhin einen Kuß gibt, laß Wein holen. Wenn du’s mit Leuten von dieser Nation zu tun hast, so überwinde die Natur der Huren, die einem nicht ein Glas Wasser umsonst geben würden, und wenn sie ihn vor ihren Augen verenden sähen. Und wenn ihr zwei Schnittchen Brot zusammen gegessen habt, steht ihr schon auf vertrautem Fuß miteinander. Ohne viel nach Form und Etikette zu fragen, nimm ihn als Bettgast für die Nacht an und schicke alle anderen mit guter Art fort. Nun, da wirst du denken, bei dir werde Karneval gefeiert, so viele Eßwaren werden dir in die Küche hageln. Schön! Er wird im bloßen Hemd aus deinen Klauen herauskommen, denn diese Franzosen sind Zechbrüder, die ihr Geld leichter loszuwerden als zu erwerben wissen und die für einen Schaden, den man ihnen angetan hat, ganz und gar kein Gedächtnis haben. Und darum wird er sich nicht das geringste daraus machen, ob du ihn bestiehlst oder nicht.

Pippa: Ihr Prachtkerle von Franzosen! Seid mir gebenedeit!

Nanna: Bedenke auch, daß die Franzosen Batzen und die Spanier Schellen geben. Die Deutschen – hm! –, die sind von anderem Schlag, und es lohnt sich wohl, ein Auge auf sie zu werfen. Ich meine die reichen Kaufleute, die sich in Liebeshändel stürzen – ich will nicht sagen ›wie auf den Wein‹, denn ich habe welche von sehr mäßigen Gewohnheiten gekannt, aber sagen wir, ›wie in ihre Luthereien‹: Sie werden dir schwere Dukaten geben, wenn du sie richtig zu nehmen weißt und nicht überall ausposaunst, die seien Liebhaber von dir und täten dies und sagten das. Rupfe sie im stillen, sie werden sich rupfen lassen.

Pippa: Ich werd’s mir merken.

Nanna: Sie sind von Charakter hart, scharf und grob, und wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt haben, dann kann der liebe Gott allein sie wieder davon abbringen. Deshalb beobachte sie, lerne sie kennen und salbe sie süß und sanft ein.

Pippa: Was habe ich sonst noch zu machen?

Nanna: Ich möchte dir wohl noch zu etwas raten – aber ich riskiere es nicht.

Pippa: Was ist es denn?

Nanna: Ach – nichts!

Pippa: Sagt es mir doch! Ich möchte es gerne wissen.

Nanna: Nein, ich tu’s nicht. Man würde mir’s nachreden als eine große Sünde.

Pippa: Warum habt Ihr mir denn erst Lust gemacht, es zu hören?

Nanna: Hm, schließlich, was in aller Welt wird denn auch dabei sein, wenn du dich mit Juden abgibst? Also, gib dich mit ihnen ab, aber fang es geschickt an. Besuche sie unter dem Vorwand, du wollest Vorhangstoffe, Bettzeug oder derlei Plunder kaufen; du wirst sehen, es findet sich bald einer, der dir in deine kleine Sparbüchse, die du vorne hast, die ganzen Erträgnisse seiner Wuchereien und Betrügereien legt und das Agio noch obendrein. Und wenn sie stinken wie ein Hund – laß sie stinken!

Pippa: Ich glaubte, du wolltest mir irgendwas ganz besonders Wichtiges sagen!

Nanna: Ja, ich weiß selber nicht – der fürchterliche Gestank, der ihre Krankheit ist, machte mich bedenklich, dir davon zu sprechen. Aber weißt du, wie sich’s damit verhält? Der Seefahrer heimst große Gewinne ein, aber er hat dafür die Unannehmlichkeit, auf Galeeren und mit katalonischen Matrosen fahren zu müssen, er läuft Gefahr, den Türken oder dem Barbarossa in die Hände zu fallen oder Schiffbruch zu leiden, er muß hartes Brot voller Würmer essen, Essigwasser trinken und noch andere Widerwärtigkeiten erdulden, wie ich mir habe erzählen lassen. Wenn nun der Seefahrer, um seine Waren abzusetzen, sich aus Wind und Regen und harter Mühsal nichts macht – warum sollte nicht auch eine Kurtisane sich über den Gestank der Juden hinwegsetzen?

Pippa: Ihr macht wunderschöne Vergleiche. Aber wenn ich mich mit ihnen einlasse, was werden meine Freunde dazu sagen?

Nanna: Was sollen sie dazu sagen, wenn sie nichts davon wissen?

Pippa: Aber erfahren sie’s denn nicht?

Nanna: Wenn du’s ihnen nicht selber sagst, nein! Der Jude wird stille sein wie ’n Einbrecher, damit man ihm nicht die Knochen im Leibe zerschlägt.

Pippa: Ach so, ja, so geht’s.

Nanna: Ich nehme an, du hast ’nen Florentiner in deiner Kammer mit seinem Gequackel, Gepappel und Geschnatter. Den behandle recht gut, denn die Florentiner außerhalb Florenz‘ gleichen Leuten, die aus Respekt vor dem Ort, wo sie sich befinden, nicht zu pissen wagen, obgleich sie die Blase voll haben. Sobald sie aber draußen sind, setzen sie eine riesige Bodenfläche unter Wasser mit dem Urin, den ihr Schlauch verspritzt. Ich will sagen, die Florentiner sind draußen so freigebig, wie sie bei sich zu Hause knauserig sind. Außerdem sind sie gebildet, liebenswürdig, höflich, geistreich, witzig; und wenn du von ihnen keinen anderen Vorteil hättest, als ihre angenehme Sprache anzuhören, könntest du damit nicht schon zufrieden sein?

Pippa: Ich nicht.

Nanna: Na, es war ja nur so eine Redensart von mir. Genug, sie geben aus, soviel sie nur können, veranstalten Gastmähler mit päpstlicher Pracht und Feste mit einem Pomp wie sonst niemand; außerdem gefällt ihre Sprache jedermann.

Pippa: Kommt mir, bitte, nun mal ein bißchen auf die Venezianer zu sprechen.

Nanna: Über die will ich dir nicht ausführlich sprechen, denn wenn ich von ihnen alles Gute sagte, das sie verdienen, so würde man mir antworten; ›Die Liebe macht dich blind.‹ Aber sie macht mich ganz gewiß nicht blind, denn es ist die Wahrheit, wenn ich sage, sie sind Götter, sind die Herren der Welt und sind die schönsten Jünglinge, die schönsten Männer, die schönsten Greise hier auf Erden. Und zieh ihnen ihre ernste Tracht ab, da sind im Vergleich mit ihnen alle anderen Männer nichts als Wachspuppen. Zwar sind sie stolz, weil sie reich sind, aber sie sind dabei die Güte selbst in Lebensgröße. Und wenn sie auch von Beruf Kaufleute sind, uns gegenüber benehmen sie sich wie Könige; die Kurtisane, die sie zu gewinnen weiß, die ist glücklich, denn alles andere ist Firlefanz neben ihren großen Kisten, die sie randvoll von Dukaten haben; und mag’s donnern, mag’s regnen, daraus machen sie sich nicht mehr als aus einem Heller.

Pippa: Gott beschütze sie!

Nanna: Das tut er.

Pippa: Aber – was mir eben einfällt: Erklärt mir doch, warum die Signora, die neulich von Venedig zurückkam, dort nichts hat machen können, denn wie meine Patin mir erzählte, war alles, was sie wieder mitbrachte – zwanzig Paar Kisten voll von Steinen.

Nanna: Das will ich dir sagen. Die Venezianer haben ihren besonderen Geschmack: Popo, Brüste und der ganze Leib müssen fest und glatt sein, das Alter fünfzehn bis sechzehn Jahre, höchstens zwanzig, und von Petrarca-Duseleien wollen sie nichts wissen. Darum, liebes Töchterlein, laß bei ihnen alle Kurtisanenmätzchen beiseite und bediene sie mit reeller Ware, wenn du willst, daß sie für dich gutes rotes Gold aus dem Fenster werfen und nicht mit nebelgrauen Redensarten bezahlen. Ich für mein Teil, wenn ich ein Mann wäre, ich möchte eine beschlafen, die ’ne süße Zunge hätte, aber nicht ’ne ausgelernte Hure wäre. Und als Weib möchte ich viel lieber ’nen strammen Burschen von Fleisch und Blut in den Armen halten als den Meister Dante. Und ich meine, es ist ’ne viel süßere Melodie als alle Danteschen Gesänge, wenn eine suchende Hand den Busen betastet wie die Saiten einer Laute und dann bei dem Spitzchen innehält, das weder zu tief eingezogen ist, noch zu weit hervorsteht. Und wenn diese Hand auf dem Heiligtum der Hinterbacken trommelt, das scheint mir lieblichere Musik, als die Pfeifer auf der Engelsburg sie machen, wenn die Kardinäle in jenen Kapuzen, aus denen sie wie ’ne Eule auf ihrem Loch hervorsehen, sich zu Hofe begeben. Mir ist’s, als sehe ich die Hand, von der ich eben spreche, plötzlich die Musik aufgeben und wieder zum Busen zurückkehren, der in stürmischem Ein- und Ausatmen sich hebt und senkt wie ein belebtes Bild.

Pippa: Oh! wie Ihr es versteht, mit Worten zu malen! Mir ist ganz heiß geworden, während ich Euch zuhörte, und es kam mir vor, als betastete die Hand, von der Ihr sprecht, mir die Brüste und griffe mir … ich mag nicht sagen, wonach.

Nanna: Ich hab’s dir wohl am Gesicht angesehen, daß du dich aufregtest, denn deine Züge veränderten sich, und plötzlich wurdest du ganz rot, während ich dir von diesen Sachen erzählte, die man nicht sehen läßt. Nun wollen wir von Florenz einen Sprung nach Siena machen, und da will ich dir nur sagen: Die Senesen sind große Narren, aber liebe Narren, obwohl sie seit etlichen Jahren, wie ich von diesem und jenem gesprächsweise hörte, sich verschlechtert haben. Von allen Männern, mit denen ich zu tun gehabt habe, scheinen sie mir der Höhepunkt zu sein. Sie haben etwas von dem liebenswürdigen Wesen und der feinen Geistesbildung der Florentiner, sind aber nicht so verschmitzt und nicht so mit allen Hunden gehetzt. Wenn eine sie zu betümpeln weiß, kann sie sie scheren und schinden bis aufs Blut. Im großen und ganzen sind es Einfaltspinsel, aber in ihrem Wesen anständig und nett.

Pippa: Das sind also gerade die rechten Leute für mich!

Nanna: Ganz gewiß. Nun weiter nach Neapel!

Pippa: Von den Neapolitanern sprecht mir nicht; wenn ich bloß an sie denke, steht mir die Luft still!

Nanna: Höre nur zu, kleines Dämchen, beim Leben deines Todes! Die Neapolitaner sind Leute, die einen von Schlafmützigkeit kurieren können; sie sind gut, um sie einmal im Monat zu genießen, wenn dir gerade mal die Lust danach ankommt; ob du allein bist oder Gesellschaft bei dir hast, darauf kommt’s ihnen nicht an. Ich kann dir nur sagen, ihre Prahlereien sind himmelhoch. Sprich ihnen von Pferden, sie haben die allerbesten spanischen; von Kleidern: zwei oder drei große Schränke voll; Geld wie Heu; und alle Schönen des ganzen Landes sterben vor Sehnsucht nach ihnen. Läßt du dein Schnupftuch fallen oder einen Handschuh, so heben sie ihn mit den galantesten Gleichnissen auf, die man je am Hof von Capua gehört hat. Jawohl, Herrschaften!

Pippa: Was für ein Spaß muß das sein!

Nanna: Ich kannte früher einen ganz verfluchten Kerl von ihnen, namens Giovanni Agnese; den brachte ich immer ganz außer sich, indem ich ihn nachäffte, das heißt seine Sprache – (denn sein Benehmen könnte kein Henker nachmachen; er ist ein Ausbund von einem abgefeimten Schwerenöter); ein Genuese, der oft dabei war, wollte immer vor Lachen darüber platzen. Einmal hechelte ich auch ihn durch und sagte zu ihm: »O Genua mein, stolze Hauptstadt dein! Ihr Genuesen wißt ja die Kuh zu kaufen, ohne euch einen Knochen dabei geben zu lassen; bei euch können wir nicht viel verdienen!« Und das stimmt, denn sie wissen vom Knappen noch was abzuknappen und das Spitze noch feiner zuzuspitzen. Sie sind ungemein gute Haushalter, tranchieren den Braten, so dünn es nur geht, und geben dir kein bißchen zuviel. Übrigens sind sie über alle Maße eitel, lieben das feine Benehmen des hispanisierten Neapolitaners, sind respektvoll, und das bißchen, das sie dir geben, kommt dir vor wie Zucker; und dies bißchen haben sie immer. Diese Leute mußt du richtig zu behandeln wissen: Miß ihnen deine Ware zu, wie sie dir ihr Geld zumessen; ihre Sprache ist ja nicht schön mit ihren Kehltönen, Nasenlauten und ihren Schluckern; laß dir davon nicht den Appetit verderben, und nimm sie hin, wie sie sind.

Pippa: Die Bergamasken sind ja auch netter als ihre Sprache.

Nanna: Auch unter denen sind nette und liebe Leute, ganz gewiß. Aber kommen wir jetzt zu unseren Römerlein! ›Vor dem Schwatzen nimm dich in acht, Rienzi!‹ Kind, wenn es dir Spaß macht, Brot und Quark mit Degenklingen und Lanzenspitzen zu essen, das ganze als Salat angemacht mit den schönen Heldentaten, die ihre Urgroßväter dereinst gegen den Bargello zu verüben pflegten – dann laß dich mit ihnen ein! Ich sage nur soviel: Der Tag der Plünderung hat uns auf den Kopf geschissen – mit Verlaub zu sagen –, und darum wollte Papst Clemens niemals wieder was von ihnen wissen.

Pippa: Vergeßt ja nicht Bologna, und war’s auch nur um des Grafen und Ritters 65 willen, der schon ganz und gar zu unserem Hause gehört.

Nanna: Die Bologneser vergessen?! Wie würden denn die Kurtisanensalons aussehen ohne den Schatten dieser Bohnenstangen?

›Geboren nur um Schatten und Zahl zu sein‹,

wie’s im Liede heißt. »Ich meine in bezug auf die Liebe, nicht auf Waffentaten«, wie Bruder Mariano sagte – so erzählte mir ein hübscher zwanzigjähriger Guckindiewelt, der ganz und gar sein Werk war; und er hätte, sagte er, niemals pausbäckigere und besser angezogene Leute gesehen. Darum, Pippa, nimm sie gut auf, denn sie werden beim Hofe, den du halten wirst, brauchbare Statisten sein, und amüsiere dich an ihrem gedankenlosen, wohlklingenden Geschwätz. Dann bleiben uns also noch die Lombarden; diese dicken Schnecken und großen Schmetterlinge behandle freiweg nach Hurenart, nimm von ihnen, was du kriegen kannst und so schnell wie möglich, und gehe ihnen allen stets mit ›Herr Ritter‹ und ›Herr Graf‹ um den Bart; auf das ›ja, Herr‹ und ›nein, Herr‹ halten sie wie auf ihre eigenen Augen. Bei diesen Leuten schadet es nichts, wenn du ihnen die Suppe ein bißchen pfefferst; es ist sogar verdienstlich, und du darfst dich rühmen, wenn dir’s gelingt; denn auch sie betrügen die armen Kurtisanen und renommieren damit in allen Schenken, wo sie verkehren. Und damit du’s weißt, wie man einem die Suppe pfeffert, ohne daß er’s merkt, will ich dir zwei Geschichten erzählen, von denen ich der Schwätzerin, der Antonia, nichts gesagt habe; ich habe sie vielmehr für etwa eintretende Fälle in petto gehalten.

Pippa: Oh! ich freue mich sehr, sie zu hören!

Nanna: Die erste Gaunerei ist ganz gewöhnlich, die zweite bewegt sich in ganz hohen Regionen. Doch um zur Sache zu kommen: Ich hatte ein Zöfchen, das mir seither gestorben ist; dreizehn Jahre war sie alt, rundlich und pummelig, ein ganz entzückend hübscher Käfer, gewitzt, verschlagen, durchtrieben bis in die Puppen, ein Plappermaul – das weiß Gott! – eine richtige Füchsin, eine Schelmin, vor der man sich in acht nehmen mußte. Dieser brachte ich bei, mir das Wirtschaftsgeld für die kleinen Ausgaben zu verdienen oder vielmehr zu stibitzen.

Pippa: Und wie machte sie das?

Nanna: Sobald sie sich bei allen, die bei mir im Hause aus und ein gingen, den Einheimischen wie den Fremden, in Gunst gesetzt hatte, schäkerte sie bald mit diesem, bald mit jenem, so daß mancher von ihnen keinen größeren Spaß kannte, als sich mit ihr abzugeben. Ich richtete sie nun ab, eine in drei Stücke zerschlagene Porzellanschüssel in die Hand zu nehmen; sobald irgendein Kavalier an die Tür klopfte, zog sie die Schnur, um ihm zu öffnen, und lief dann mit aufgelöstem Haar ans Treppengeländer, indem sie mit jämmerlicher Stimme schrie: »O weh, o weh! ich bin tot; o weh, ich bin futsch!« Dabei tat sie, als wollte sie davonlaufen; meine andere Magd, eine Alte, hielt sie mit aller Kraft am Rock fest und sagte: »Laß doch, laß doch; die Signora wird dir nichts tun!« Wie der Hohlkopf sie so verstört und ganz von Sinnen sieht, nimmt er sie am Arm und sagt: »Was ist denn los? Warum weinst du? Warum schreist du?« – »Ich Unglückselige!« antwortet sie, »ich hab das Ding da zerschlagen – es kostet einen Dukaten; laßt mich gehen, sonst schlägt sie mich tot, wenn sie mich erwischt.« Und diesen Schwindel brachte sie mit den rührendsten Gebärden, mit tiefen, aus dem Herzen kommenden Seufzern vor und tat dabei, als ob sie einer Ohnmacht nahe sei, so daß sie das Mitleid des Galgens des Gouverneurs von Man Mozza erregt haben würde, geschweige denn eines Kavaliers, der zu einer Unterhaltung mit ’ner Kurtisane kam. Ich stand derweile hinter der Türspalte meiner Kammer und stopfte mir meinen Schürzenzipfel in den Mund, um nicht laut herauszuplatzen, als er, der sonst den Daumen sehr fest auf den Beutel hielt, ihr den Taler in die Hand drückte, vermutlich auf Rechnung seines Almosenkontos. Und ich dachte, ich müßte platzen, als die Alte ihr den Taler aus der Hand nahm und damit die Treppe hinunterging, damit er glauben sollte, sie kaufte eine andere Schüssel.

Pippa: Tüchtige Spitzbübin!

Nanna: Inzwischen erschien ich im Saal. Er empfing mich mit der Begrüßung: »Ich komme, Euer Gnaden meine Reverenz zu bezeigen«, ergriff meine Hand und drückte einen saftigen Kuß darauf. Wir plaudern miteinander, und ’ne drittel Stunde drauf kommt mein Zöfchen zu uns rein mit der Zwillingsschwester der gebrochenen Schüssel und sagt zu mir: »Ich will sie wieder in Eure Kammer stellen.« – »Was hast du denn?« frage ich. »Was bedeutet denn das? Du hast ja ganz geschwollene Augen!« Und das Schleckermäulchen, das Schlauköpfchen, gibt ihm verstohlen einen Wink, er solle mir nichts von der Geschichte sagen.

Pippa: Soviel ist sicher, ’ne Kurtisane muß mehr gelernt haben als ein Doktor!

Nanna: Diesen Schabernack mußte sie jedem spielen, der zu mir kam; bald hatte sie ein Glas, bald eine Tasse, bald einen Teller in der Hand, und auf diese Weise zog sie ihre zwei, vier oder fünf Juliusse bald diesem, bald jenem aus der Börse, und so wurden die kleinen Ausgaben meiner Haushaltung immer ganz wunderschön gedeckt. Nun zur großen Spitzbüberei!

Pippa: Ich schlürfe Eure Worte ein, ehe Ihr sie noch ausgesprochen habt.

Nanna: Ein Offizier, der aus seinen verschiedenen Stellen an die zweitausend Kammerdukaten Einkünfte hatte, war so bestialisch verliebt in mich, daß er damit für alle seine Sünden büßte. Er gab viel Geld aus, wenn ihm gerade die Laune ankam – man hätte meinen können, er sei mondsüchtig –, aber man mußte schon geradezu zur Astrologie seine Zuflucht nehmen, kann ich dir sagen, um ihm was abzuluchsen, wenn er keine Lust hatte, was zu geben. Aber was noch schlimmer war: Er war ein grober Wüterich von Kindesbeinen an; über jedes Wörtchen, das nicht nach seinem Sinn ausgesprochen wurde, geriet er in Wut, und wenn er bloß mit der Hand an den Dolch fuhr und mit der Schneide einem vor dem Gesicht herumfuchtelte, so war man noch froh, mit der Furcht davongekommen zu sein. Darum verabscheuten die Kurtisanen ihn wie der Bauer den Regen. Na, ich hatte ja längst meine Angst dem Schuhflicker zum Versohlen gegeben 66 und hatte ihn jeden Tag bei mir zu Tisch. Und obwohl er auch mit mir seine eselhaften Scherze trieb, so nahm ich mich immer hübsch zusammen und dachte nur daran, wie ich ihm mal einen Streich spielen könnte, der ihm alle die seinigen heimzahlen würde. Darüber dachte ich so lange nach, bis ich schließlich auch das Richtige traf. Was tat ich? Ich zog einen Maler ins Vertrauen, den Meister Andrea – oh, ich kann seinen Namen gerne nennen! –, und ließ ihn ein paar Häppchen an mir naschen unter der Bedingung, daß er sich mir zur Verfügung stellte: Er sollte sich nämlich mit Farben und Pinseln unter meinem Bett verstecken und mir eine Schmarre ins Gesicht malen, sobald der rechte Augenblick gekommen wäre. Ich eröffnete mich auch dem Meister Mercurio – seligen Angedenkens –, ich weiß, du hast ihn noch gekannt.

Pippa: Ja, ich kannte ihn.

Nanna: Dem sagte ich: Wenn ich an dem und dem Abend zu ihm schickte, möchte er mit Charpie und Eiern zu mir kommen. Um mir gefällig zu sein, blieb er am Abend der von mir beabsichtigten Hetz ganz zu Hause. Schön! Also Meister Andrea liegt unter meinem Bett, Meister Mercurio wartet in seinem Hause, und ich sitze mit meinem Offizier bei Tisch. Als wir ungefähr mit dem Essen fertig sind, bringe ich die Rede auf einen gewissen Kammerherrn des Reverendissimo, von dem mein Freund mir verboten hatte zu sprechen; damit wollte ich ihn aufbringen. Na, wenn’s Brot schon aufgegangen ist, braucht’s keinen Sauerteig mehr. Es dauert nicht lange, so schreit er mich an: »Vettel! alte Hure! Gaunertrine!« Und als ich ihm seine Schimpfworte in gleicher Münze heimzahle, versetzt er mir mit der flachen Klinge seines Dolches einen derartigen Hieb auf die eine Wange, daß ich ihn allen Ernstes fühlte. In der Tasche hatte ich irgendwelche Ölfarbe, die mir Meister Andrea gegeben hatte; mit dieser beschmiere ich mir die Hände und schlage diese vors Gesicht und erhebe ein fürchterliches Geschrei, wie nur eine Frau im Wochenbett schreien kann. Er glaubte allen Ernstes, der Hieb habe mich mit der Schneide getroffen, bekam eine Angst, als ob er mich ermordet hätte, und lief, so schnell ihn seine Beine tragen wollten, in den Palast des Kardinals Colonna, schloß sich dort in dem Zimmer eines ihm befreundeten Kammerherrn ein und stöhnte leise: »Weh mir! Ich habe Nanna, Rom und alle meine Stellen verloren!« Unterdessen hatte ich mich ganz allein mit meiner alten Magd in meiner Kammer eingeschlossen, Meister Andrea kroch aus dem Nest hervor und malte mir im Handumdrehen eine Schmarre auf die rechte Wange, und zwar so geschickt, daß ich selber, als ich mich im Spiegel besah, vor Schreck beinahe in Ohnmacht fiel. Inzwischen war von meiner Kleinen, die die Spitzbübereien mit den zerschlagenen Schüsseln machte, Meister Mercurio geholt worden. Er kam herein und sagte mir: »Seid unbesorgt, Signora, es ist weiter nichts.« Er ließ der Farbe Zeit zum Trocknen, befeuchtete die Charpie mit rosenparfümiertem Öl und verband mir den Schmiß nach allen Regeln der Kunst. Dann ging er in den Saal, wo sich unterdessen eine große Gesellschaft versammelt hatte, und sagte: »Sie kann nicht davonkommen!« Die Nachricht verbreitete sich sofort durch ganz Rom und kam auch zum Mörder, der darob weinte wie ein geprügeltes Kind. So kommt der Morgen heran. Es erscheint in meiner Kammer, deren Fenster alle dicht verhängt waren, der Arzt, ein angezündetes Pfenniglicht in der Hand, und hebt den Verband auf. Ich weiß nicht, wie viele Leute den Kopf durch die Tür in die halbdunkle Kammer hineinsteckten und weinten. Irgendeiner von ihnen fiel sogar in Ohnmacht bei dem Anblick der fürchterlichen Schmarre. So erzählte man sich denn überall, mein Gesicht sei für alle Zeiten auf die traurigste Weise verunstaltet, und der Täter schickte mir Geld, Arzneien und Ärzte ins Haus, damit sich nur nicht der Bargello in die Sache einmischte, denn selbst der Schutz der Colonna schien ihm noch nicht völlig hinreichend. Nach acht Tagen ließ ich das Gerücht in Umlauf setzen, ich würde davonkommen, aber mit einer Narbe, die für ’ne Kurtisane schlimmer wäre als der Tod. Der Freund beschloß, mich durch Geld zu besänftigen. Er bot alle möglichen Mittel auf, setzte alle seine Freunde und Gönner in Bewegung und brachte mich schließlich dahin, daß ich mich einverstanden erklärte. Die ganze Zeit über hütete ich mich wohl, mich von irgend jemand sehen zu lassen, ausgenommen von einem seiner Freunde, einem gewissen Monsignor, der dumm war wie Bohnenstroh. Kurz und gut: Er zahlte fünfhundert Dukaten Schmerzensgeld und fünfzig für Arzt und Arzneien, und ich verzieh ihm, das heißt, ich versprach, ihn nicht vor dem Gouverneur zu verklagen; außerdem verlangte ich, daß er mich in Ruhe ließe und dafür Bürgschaft stellte. Diese fünfhundert Dukaten sind das Geld, das ich für dies Haus ausgab, ohne den Garten, den ich erst später dazukaufte.

Pippa: Ihr wart ein tüchtiger Kerl, Mama, daß Ihr ’ne solche Sache durchführen konntet.

Nanna: Die Geschichte ist noch lange nicht beim Halleluja, und ich würde in einem ganzen Jahre nicht zu Ende kommen, wenn ich dir alle Einzelheiten davon erzählen wollte. Aber allen Ernstes: Ich habe die Zeit, die ich gelebt habe, nicht ins Wasser geworfen, wahrhaftig nicht, ich hab sie nicht ins Wasser geworfen. Ei verflucht!

Pippa: Das sieht man am Erfolg.

Nanna: Also weiter: Da ich fand, daß die fünfhundert Dukaten nebst den fünfzig obendrein für meinen feinen Gaumen und für meinen Appetit noch nicht genug seien, so dachte ich mir den allerhurenmäßigsten Hurenstreich aus. Was meinst du, wie ich das anfing? Ich stöberte einen Neapolitaner auf, einen ganz abgefeimten Spitzbuben, der im Rufe stand, er besitze ein Geheimnis, jede Hiebnarbe aus dem Gesicht eines Menschen verschwinden zu machen. Dieser kam zu mir und sagte verabredetermaßen: »Wenn irgendeiner hundert Taler deponieren will, so mache ich, daß auf Eurem Gesicht soviel Narben zu sehen sind wie hier!«, und damit zeigte er mir seine Handfläche. Ich wälzte mich innerlich vor Lachen, sagte aber mit einem Seufzer: »Geht und sprecht von diesem Mirakel mit dem, der schuld ist, daß ich nicht mehr…«, ich wollte sagen ›mir selber ähnlich sehe‹, aber ich wandte mich ab und schluchzte ganz leise, leise. Der Gauner, der einen ungemein anständigen Rock trug, ging und suchte den in schlimme Hände gefallenen Offizier auf. Er trug ihm die Wundertat vor, die er vollbringen zu können sich rühmte, und was meinst du? Der Mensch, der vor Verzweiflung, mich nie wieder besitzen zu können, Folterqualen ausstand, deponierte die hundert Taler. Aber wozu das Ende noch lange hinausziehen! Die nicht vorhandene Narbe verschwand kraft des heiligen Wassers, das der Gauner mir sechsmal ins Gesicht sprengte, wobei er einige Worte sprach, die sich anhörten wie Mirabilium, aber nicht den geringsten Sinn hatten. Und so kamen die hundert Piaster, wie die Griechen sagen, in meine Hand.

Pippa: Herzlich willkommen und prost Neujahr!

Nanna: Warte nur, es kommt noch was. Als sich das Gerede verbreitete, ich sei wiederhergestellt, ohne daß auch nur die geringste Narbe zu sehen sei, da lief jeder, der ’ne Schmarre überm Schnabel hatte, dem Gauner ins Haus, wie die Synagogen dem Messias entgegenlaufen würden, wenn er auf den Judenplatz herniederstiege. Sowie der Halunke seine Börse voll von Anzahlungen hatte, schnürte er sein Bündel; ich hatte ihm von den Dukaten, die ich mit seiner Hilfe gewann, etliche als Lohn gelassen, und da mochte er wohl meinen, die anderen könnten sich ebensonett gegen ihn benehmen wie ich.

Pippa: Und der Offizier erfuhr, hörte und glaubte die Sache?

Nanna: Er erfuhr sie und erfuhr sie nicht, er hörte sie und hörte sie nicht, er glaubte sie und glaubte sie nicht.

Pippa: Das genügt!

Nanna: Im Schwanz liegt das Gift.

Pippa: Was gibt’s denn noch?

Nanna: Das Beste kommt noch. Nachdem der Dummkopf so viele Ausgaben gehabt hatte, daß er, wie man sich erzählte, ein Rittergut verkaufen mußte, versöhnte er sich mit mir mit Hilfe von Zwischenträgern und vermittels seiner Briefe und Botschaften, in denen er mir von seiner Leidenschaft vorsang. Er begab sich zu mir, um sich, den Strick um den Hals, mir zu Füßen zu werfen, und während er sich gerade einige Worte ausdachte, durch die er sich bei mir wieder in Gunst zu setzen hoffte, kam er bei der Bude des Malers vorbei, der mir das Mirakelbild gemalt hatte, das ich in eigener Person nach Loretto zu bringen gedachte, wie ich überall erzählte. Und als er die Augen darauf wirft, sieht er sich selber porträtiert, den Dolch in der Hand, wie er mir armen Hure die Schmarre beibringt. Das war aber noch gar nichts, denn darunter las er:

Ich
Signora Nanna
Anbeterin des Messer Maco
habe dank dem Teufel der ihm in den Kopf gefahren war
zum Lohn für meine Anbetung
die furchtbare Schmarre erhalten.
von dieser heilte mich
die Madonna
der ich dieses
ihr von mir gelobte Bild weihe.

Pippa: Haha!

Nanna: Als er seine eigene Mordgeschichte las, da machte er ein viel saureres Gesicht als die Bischöfe mit den Pergamentmützen, 67 wenn ihnen mit Stockprügeln bei der Exkommunizierung die Teufel ausgetrieben werden. Er fuhr vor Wut fast aus der Haut, rannte nach Hause und schickte mir ein Kleid, um mich dazu zu bestimmen, daß sein Name von der Votivtafel entfernt würde.

Pippa: Hahaha!

Nanna: Nun kommt noch der Schluß: Der Bramarbas gab mir auch auf seine eigenen Kosten das Geld, um mein Gelübde zu erfüllen und nach Loretto zu gehen – was ich niemals gelobt hatte. Aber damit noch nicht genug: Ich weigerte mich hinzugehen, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als mir beim Papst die Absolution zu erkaufen.

Pippa: Ist es möglich, daß er so von Sinnen war, und als er zu Euch kam, nicht bemerkte, daß auf Eurer Wange niemals eine Schmarre gewesen war?

Nanna: Das will ich dir erklären, Pippa. Ich nahm irgendein Ding – ich weiß nicht mehr, was für eins –, das Ähnlichkeit mit einem Messer hatte, band es mir ganz fest auf die Wange und ließ es die ganze Nacht liegen. Erst als er kam, nahm ich’s mir ab. Und da hättest du wirklich ’ne gewisse Zeit glauben können, wenn du den bläulichen Streif gesehen, der sich tief in das Fleisch eingeprägt hatte, es sei eine vernarbte Schnittwunde.

Pippa: Ach so!

Nanna: Jetzt will ich dir noch die Geschichte vom Kranich erzählen, und dann komme ich zum Schluß der Unterweisung, die ich dir zu geben habe.

Pippa: Bitte, erzähle!

Nanna: Ich tat, als hätte ich ein solches Gelüste, einen Kranich mit Nudelfüllung zu essen, daß ich Angst hätte, ich kriegte ein Kind mit ’nem Muttermal. Zu kaufen war keiner, und so blieb einem meiner Liebhaber nichts übrig, als einen mit ’ner Donnerbüchse schießen zu lassen. So kriegte ich meinen Vogel. Was machte ich aber damit? Ich schickte ihn einem Wursthändler zu. der alle meine ›Untertanen und Vasallen‹ kannte, wie der Jude Gian Maria die vom Verucchio und der Scorticata nannte – ich erinnere mich nicht mehr. Ich ließ den Freund, der mir den Kranich schenkte, schwören, daß er nichts davon erzählen wollte, und als er mich fragte, was es denn machte, wenn er’s erzählte, antwortete ich ihm, ich wollte nicht für ein Leckermaul gehalten werden.

Pippa: Das war recht, daß Ihr ihm das sagtet. Nun zum Wursthändler!

Nanna: Diesem sagte ich Bescheid, er dürfte den Vogel nur an einen verkaufen, der ihn für mich kaufen wollte. Da er in solchen Geschäftchen auch früher schon mit mir zu tun gehabt hatte, so verstand er sofort, was ich beabsichtigte. Kaum hat er den Kranich in seinem Laden ausgehängt, so kommt einer von denen, die mein Gelüste nach so ’nem Vogel kannten, bei ihm vorbei, rennt hinein und ruft: »Wieviel willst du dafür?« – »Der Kranich ist unverkäuflich«, antwortet der Schlaumeier, um dem Käufer erst recht Lust zu machen und um ihm mehr Geld abzunehmen. Der beschwört ihn himmelhoch und sagt immerfort: »Laß ihn kosten, was er will!« Schließlich bekommt er ihn für einen Dukaten, schickt ihn mir durch seinen Bedienten ins Haus und denkt, ich solle denken, er habe den Kranich von einem Kardinal zum Geschenk erhalten. Ich empfange ihn voll Jubel, und sobald der Diener fort ist, schick ich den Vogel wieder zum Verkauf. Schön und gut! Der Kranich wurde von allen meinen Freunden gekauft, jedesmal für einen Dukaten, und wurde mir jedesmal in mein Haus geschickt. Na, was meinst du, Pippa. Ist es nicht ’ne schöne Sache, wenn man sich als Hure durchs Leben zu schlagen weiß?

Pippa: Ich bin ganz baff!

Nanna: Nun wollen wir uns mal betrachten, wie du dich zu benehmen hast, um Kundschaft zu bekommen.

Pippa: Ja! Das ist ja die ganze Hauptsache.

Nanna: Nehmen wir an, es kommen zu dir fünf oder sechs neue Vögel; sie sind in Gesellschaft irgendeines guten Bekannten von dir. Empfange sie wie eine vornehme Dame, nimm mit ihnen Platz und unterhalte dich mit ihnen munter, aber so anständig, wie du nur kannst. Und während du sprichst und zuhörst, schätze ihre Kleider und Schmucksachen ab und mache dir nach ihrem ganzen Benehmen einen Überschlag, was wohl etwa aus ihnen herauszuziehen sein dürfte. Dann nimm mit guter Art deinen Bekannten auf die Seite und befrage ihn nach den Verhältnissen eines jeden; hierauf mach dich wieder an dein Geschäft. Du gibst dem Reichsten den Vorzug, beäugelst ihn mit wollüstigen Blicken, tust, als ob du zum Sterben in ihn verliebt seist, und wendest niemals deine Augen von den seinen ab, ohne einen tiefen Seufzer zu tun. Und wenn du von ihm auch nur den Namen wüßtest, so sagst du doch beim Abschied zu ihm: »Ich küß die Hand, Euer Gnaden, Herr Soundso!« Zu den anderen aber nur: »Ich empfehle mich Euch.« Stell dich an den Fensterladen, sobald sie zum Hause heraus sind, laß dich aber nur sehen, wenn er sich umdreht, um dir mit einem letzten Gruß zu huldigen; und im Augenblick, wo er deinen Blicken entschwinden muß, beuge dich mit dem ganzen Leib zum Fenster hinaus, beiß dich in die Finger, drohe ihm und gib ihm durch Zeichen zu verstehen, er habe mit seiner göttlichen Gegenwart dir dein ganzes Herz verzaubert. Du wirst sehen, er kommt dir allein ins Haus zurück, und er findet den Weg sicherer, als wenn ihn einer begleitete. Dann, Pippa, ans Werk!

Pippa: Wie schön Ihr zu sprechen wißt!

Nanna: Nun will ich dir noch was sagen, weil’s mir gerade einfällt. Lache niemals, wenn du einem, der bei Tische oder am Kaminfeuer oder sonstwo neben dir sitzt, was ins Ohr flüsterst – das ist einer von den schlimmsten Fehlern, die eine Frau haben kann, sei sie ’ne anständige, sei sie ’ne Hure. Denn wenn du diesen Verstoß begehst, so argwöhnt sofort ein jeder, du machst dich über ihn lustig, und daraus entstehen oft tolle Skandale. Ferner kommandiere nicht in Gegenwart anderer Leute deinen Dienstboten, als ob du ’ne Königin wärest; im Gegenteil, wenn du etwas selber machen kannst, so tu’s; man weiß ja recht gut, daß du Dienstboten hast und ihnen nur deine Befehle zu geben brauchtest; und gerade wenn du ihnen gegenüber keinen hochmütigen Befehlston anschlägst, .erwirbst du dir das Wohlwollen deiner Besucher; und wer dich so sieht, der sagt: »Oh, dies reizende Geschöpf! mit welcher Anmut sie alles zu machen weiß!« Wenn sie dich dagegen ärgerlich sehen werden und dich schelten hören, sooft deine Zofe sich nicht beeilt, dir den Zahnstocher aufzuheben, der dir aus der Hand gefallen ist, oder dir einen Pantoffel abzubürsten, da denken sie bei sich selber: ›Wehe der Armen, die unter deren Fuchtel ist‹, und winken einander zu, um sich gegenseitig auf deinen Hochmut aufmerksam zu machen.

Pippa: Was für heilige Ratschläge! was für gute Ratschläge!

Nanna: Aber was mache ich denn? Ich habe ja ganz vergessen, dich über dein Verhalten auf einem Fest zu belehren, wo ein ganzer Schwarm von Kurtisanen, die ja von Natur immer neidisch, eifersüchtig, klatschsüchtig und lästig sind, versammelt sein wird! Wenn du mich nicht mehr hast, dann wirst du so recht erkennen, was du an mir besaßest.

Pippa: Warum sagt Ihr mir das?

Nanna: Ich sage dir’s, damit ich’s nicht mehr zu sagen brauche. Du bist also bei einem Gastmahl, zu welchem – wir sind im Karneval – Signoras von allen Ecken und Enden eingeladen sind. Sie erscheinen im Saal, alle maskiert, tanzen, sitzen an den Wänden und plaudern, ohne die Maske vom Gesicht nehmen zu wollen – und daran tun sie recht, solange die vielen Zuschauer, die nicht mit ihnen speisen sollen, noch anwesend sind und sich an der Musik und dem Tanzen ergötzen; aber unrecht tun sie daran, nachher, wenn man sich die Hände wäscht, nicht an der Tafel essen zu wollen, die für die ganze Gesellschaft gedeckt ist. Da geht die eine hierhin, die andre dorthin, und man müßte die nötige Anzahl Zimmer durch Schwarzkunst beschaffen, um alle die zufriedenzustellen, die mit ihrem Liebhaber unter vier Augen speisen wollen und dadurch alles auf den Kopf stellen: das Mahl, das Fest, das Haus, die Diener, die Vorschneider, die Köche, die Pest und die Kränke – und möchten sie alle die Pest und die Kränke kriegen!

Pippa: Die Zimperliesen!

Nanna: Meine Herzenshoffnung, jetzt will ich dich lehren, mit deiner Liebenswürdigkeit eines jeden Herz zu erobern.

Pippa: Gewiß?

Nanna: Ganz gewiß!

Pippa: Sagt mir nur, wie – und macht Euch bezahlt mit meinem Dank!

Nanna: Nimm dir die Maske ab, ohne dich im geringsten bitten zu lassen, und setze dich auf den Platz, den man dir anweist, und sage: »So, da sitz ich, wie mich meine Mutter zur Welt gebracht hat.« Wenn du so sprichst, wirst du in den Himmel erhoben werden, nämlich von den Lobreden, mit denen dich alle – bis zu den Bratspießen in der Küche! – preisen werden.

Pippa: Warum laufen denn die anderen in alle Zimmer?

Nanna: Weil sie die Vergleiche scheuen. Die eine hat Runzeln und will nicht runzlig aussehen; die andere ist häßlich und erträgt es nicht, daß eine schöne in ihrer Nähe sitzt; die dritte hat schlechte Zähne und will den Mund nicht auftun, wenn ’ne andere dabei ist, deren Zähne weiß wie Schlickermilch sind. Wieder ’ne andere hat nicht solches Kleid, solches Halsband, solchen Gürtel, solches Häubchen wie die oder jene; in allem übrigen dünkt sie sich der Seicento, 68 ja noch mehr zu sein und möchte lieber sterben, als daß sie sich in der Öffentlichkeit zeigte. Einige tun’s aus Laune, andere aus Dummheit, noch wieder andere aus Bosheit, denn ich will dir nur sagen, wenn sie allein sind, da reden sie voneinander das Schlimmste, was sie nur wissen und können: die Perlenschnur, die die X trägt, ist nicht ihr eigen; jenes Kleid gehört eigentlich der Frau von dem Y; der Rubin da gehört dem Meister Picciuolo und dies oder jenes dem Juden Soundso. Und so berauschen sie sich mit Lästerungen und mit allen möglichen Sorten Wein; aber es wird ihnen von der großen Tafel aus, an der du Platz genommen hast, mit Wurst wider Wurst vergolten. Da sagt einer: »Die Signora Soundso tut recht gut daran, ihre Häßlichkeit zu verstecken.« Andere rufen: »Signora Dingsda! wann nehmt Ihr Euer Holzwasser 69 ein?« Wieder andere wollen sich schieflachen, weil sie der oder jener an den Augen ansehen, daß sie den Marchese 70 hat. Ein anderer preist den hohen Mut eines guten Laß-mich-in-Ruh, der es riskiert, an der Seite seiner Diva zu schlafen, die aussieht wie des Teufels Großmutter, ja wie der Teufel selber. Und schließlich wenden sie sich alle zu dir und bieten dir Leib und Seele an.

Pippa: Ich danke Euch!

Nanna: Wenn du auf einem solchen Feste bist, wie ich’s dir beschreibe, so mach dir selber Ehre; damit machst du auch mir Ehre. Natürlich wirst du an den hohen Feiertagen in die Volkskirche, in die Trostkirche, in Sankt Peter, Sankt Johann und in die anderen bedeutenderen Kirchen gehen. Da werden alle galanten Herren, Kavaliere, Edelleute scharenweise versammelt sein, um in aller Bequemlichkeit die Schönen mustern zu können, und jede, die vorbeigeht, bekommt ihren Senf, und wenn sie mit der Fingerspitze ihr Weihwasser nimmt, kriegt sie ganz gewiß irgendeine bissige Bemerkung anzuhören. Da gehst du einfach mit liebenswürdigem Gesicht weiter und gibst nicht etwa nach Hurenart eine freche Antwort, sondern schweigst entweder oder sagst: »Ich hab die Ehre – schön oder häßlich, ich bin Eure ergebene Dienerin!« Und wenn du so sprichst, wird deine Bescheidenheit die schönste Rache für dich sein. Wenn du dann wieder hinausgehst, werden sie dir Platz machen und sich bis zur Erde vor dir verneigen. Wenn du ihnen dagegen schroffe Antworten geben wolltest, so würden die Stichelreden dich durch die ganze Kirche verfolgen, und deine Antworten würden dir gar nichts genützt haben.

Pippa: Davon bin ich fest überzeugt.

Nanna: Wenn du dann niederzuknien hast, so wirf dich ehrsam auf die Stufen des Altars, der am besten von den Anwesenden gesehen werden kann, und halte dabei ein Gebetbüchlein in der Hand.

Pippa: Wozu denn das Gebetbüchlein, da ich ja doch nicht lesen kann?

Nanna: Damit es so aussieht, als ob du’s könntest. Und es schadet nichts, wenn du’s auch mit der Schrift verkehrt hältst, wie’s Frauenzimmer wie die Romanesca tun, damit man glauben soll, sie seien Hexen und könnten einem das Alpdrücken schicken. Nun zu dem, was an den jungen Herrchen Gutes ist! Auf diese setze keine Hoffnungen und baue nicht auf ihre Versprechungen, denn sie sind unbeständig und lassen sich bald zu dieser, bald zu jener ziehen, wie eben ihr Hirn und ihr heißes Blut sie treibt; sie verlieben sich und entlieben sich wieder, sobald sie eine andere finden, in die sie sich verlieben. Solltest du ihnen aber doch mal ein bißchen zukommen lassen, so laß dich vorher bezahlen. Und wehe dir, wenn du dich in so einen jungen Fant oder sonst jemand vergaffen solltest! Verlieben darf man sich nur in einen, der von seinen Renten lebt – das ist sogar gut –, aber nicht in einen, der von einem Tag zum andern sich durchschlägt. Und wenn du dich auch nicht um deinen Liebhaber zugrunde richtetest – sobald du überhaupt auf einen solchen Leim gingest, wärst du schon verloren, denn wenn dir der Sinn nur nach einem einzigen steht, so treibst du damit die Freunde aus dem Haus, denen du sonst deine Liebkosungen gleichmäßig zukommen ließest. Ja, verlaß dich drauf; eine Kurtisane, die sich in was anderes als in die Börsen ihrer Freunde verliebt, die ist wie ein trunksüchtiger Kneipenschlemmer, der vor allen Dingen essen und trinken will, und wenn er seine Kleider vom Leibe verkaufen müßte.

Pippa: Ihr kennt sie doch alle, alle!

Nanna: Mich dünkt, ich höre einen Kapitän dir die Tür einschlagen. O du lieber Gott! Heutzutage nennt ein jeder sich Kapitän; ich glaube, sogar die Maultiertreiber leisten sich den Kapitänstitel. Ich sprach von ›Türeinschlagen‹, weil sie so fürchterlich dran klopfen lassen, um recht brutal zu erscheinen; dabei gebrauchen sie fortlaufend spanische Redensarten, untermischt noch dazu mit französischen! Solchen Helmbuschbramarbassen schenke kein Gehör. Solltest du sie aber etwa gern haben, so traue ihnen, wie du einem Zigeuner traust, denn sie sind schlimmer als Kohlen, die einen entweder verbrennen oder schwarz machen. Höre nicht auf ihr fortwährendes Gekrächze von dem rückständigen Solde, den sie erwarten. Wenn eine sich mit dem Seezug bezahlt machen will, den nach ihrer Meinung der König unternehmen muß, oder mit den Eroberungen, die die Mutter Kirche machen wird – so mag sie diesen Helden Zucker geben; aber eine, die gern bares Geld sieht, die preise solchen Herrn als einen Roland des Stadtviertels und gehe ihrer Wege. Sonst wird sie nichts davontragen als Beulen am Kopf, und dasselbe wird ihr auch mit den Jüngelchen, Gelbschnäbeln, verrückten Springinsfelden begegnen. Denn diese erweisen dir höchstens die Ehre, überall deine Maus und das benachbarte Loch schlechtzumachen und damit zu renommieren, sie ließen dich nach ihrer Pfeife tanzen, daß es ’ne Art hätte.

Pippa: Die Hampelmänner!

Nanna: Wenn eine Hure wird, um ihre Geilheit und nicht um ihren Hunger zu befriedigen, das ist ein Wagnis, wie wenn sich ein Schwimmer auf hoher See ins Wasser stürzt. Wenn eine ihre Lumpen loswerden will, sag ich dir, wenn eine nicht in Fetzen gehen will, die muß hübsch verständig sein und weder in Werken noch in Worten Firlefanz treiben. Da fällt mir eben ein kleiner Vergleich ein – ganz heiß von der Pfanne. Denn ich rede, wie’s mir grad in den Mund kommt, und ziehe nicht die Worte an den Haaren herbei, ich spreche sie in einem Atem aus und brauch nicht hundert Jahre dazu wie gewisse Damen, die Verzweiflung ihrer Schulmeister, bei denen sie das Büchermachen lernen. Die tun ja, als ob sie das ›sozusagen‹, ›sozutun‹ und ›sozukacken‹ gepachtet hätten, und machen Komödien mit Redensarten, die ihnen härter abgehen, als wenn sie die Hartleibigkeit selber wären. Darum läuft auch jedermann herzu, um mein Geplauder anzuhören und es sofort in Druck zu geben wie das Verbum caro!

Pippa: Wie steht’s denn mit dem kleinen Vergleich?

Nanna: Ein Soldat, dessen Mut sich nur darin kundgibt, daß er den Bauern die Hühnerställe ausräumt und die Canonici aus dem Gefängnis befreit, der wird bald als Feigling erkannt und bekommt mit Mühe und Not seinen Sold ausbezahlt, wie mir mal einer von der Garnison erzählte. »Aber einem, der sich zu schlagen weiß«, sagte er, »und der Heldenstücklein verübt, dem laufen alle Krieger und Solde von der Welt nach.« So geht’s auch mit den Huren. Wenn eine nichts weiter weiß, als sich bearbeiten zu lassen, die kommt niemals über ’nen Fächer mit zerschlissenen Federn und über ein Taffetfähnchen hinaus. So ist also, mein liebes Kind, entweder Geschicklichkeit oder Glück vonnöten; und wenn ich ganz nach Belieben zu wählen hätte, so leugne ich nicht, daß ich das Glück der Geschicklichkeit bedeutend vorziehen würde.

Pippa: Warum?

Nanna: Wenn man Glück hat, so braucht man sich ganz und gar nicht anzustrengen; ist man aber auf seine Geschicklichkeit angewiesen, so muß man schwitzen; da muß man rechnen wie ein Sterngucker und all seinen Witz aufbieten, um sich durch’s Leben zu schlagen, wie ich dir wohl schon gesagt habe. Das Glück ist ein Weg ohne Steinchen, und zum Beweis schau dir nur die Spitzbübin an, die Schlumpe, die Lausetrine, die … na du verstehst mich schon und weißt, was und wen ich meine!

Pippa: Oh – aber hat die nicht Geld wie Heu?

Nanna: Ebendarum führe ich sie ja als Beispiel an: Sie hat keinen Anstand, keine Bildung, kein bißchen, was ihr gut stände, weiß nicht aufzutreten, ist dumm und über die Dreißig hinaus – und trotz alledem möchte man meinen, sie hätte Honig in ihrer, so laufen ihr alle Männer nach. Ist das Glück, wie? Ist das Glück, was? Frag die Dienstboten, die Lakaien, die Kuppler danach, und sprich mir nichts davon, daß das Glück aus ihnen große Herren und Monsignori macht; das sehen wir ja alle Tage. Ist das Glück, wie? Ist das Glück, was? Meister Troiano war Steinhauer; jetzt hat er den schönen Palast. Ist das Glück, was? Ist das Glück, wie? Acursio war Goldschmiedsgeselle und wurde Julius II. 71 Ist das Glück, wie? Ist das Glück, was? Gewiß, wenn Glück und Geschicklichkeit bei ’ner Hure zusammenkommen, dann: Sursum corda! Denn so was ist süßer als das ›Ja, da! da!‹, das man ruft, wenn der Grabbelfinger nach dem »Weiter unten! weiter oben! mehr da! mehr dort!‹ endlich den kleinen Kujon findet, der dir juckt. Selig eine, die alle beide ihr eigen nennen darf! Geschicklichkeit und Glück, was? Glück und Geschicklichkeit, wie?

Pippa: Kehrt nun bitte wieder zur Stelle zurück, wo Ihr mich stehengelassen habt.

Nanna: Wo war ich doch gleich stehengeblieben? Ach so! Ich riet dir ab von der Minne der jungen Leute, die nichts als Dummheiten in den Kutteln haben, und auch von der der Kapitäne mit dem Federbusch, und ich sagte dir, diese solltest du fliehen, wie ich dir jetzt sage: Lauf hinter den gesetzten Leuten her, denn bei diesen findest du Geld und anständiges Benehmen obendrein.

Pippa: Lieber ein bißchen mehr Batzen und ein bißchen weniger Höflichkeiten!

Nanna: Das ist wohl richtig; indessen, von diesen gesetzten Leuten bekommst du immerzu das eine wie das andere; darum sind gerade diese lieben Menschen so recht unser Fall! Denn wenn man sich mit solchen auf guten Fuß stellen kann, so hat man davon ein Vergnügen wie ’ne Amme, wenn sie zum Säugen, Warten und Aufziehen ein Jüngelchen hat, das nicht die Krätze hat und niemals, weder bei Tag noch bei Nacht, weint. Nun zu denen, die mit nichts zufrieden sind; oh, was für ’n Elend hat man mit der Sorte! Lege den Hochmut ab, den Madame Hure von der Ritze, die sie gekackt hat, als Erbteil mitbringt! Und wenn diese widerborstigen Nörgler dich anschreien, dich ausschimpfen, dich mit höhnischen Reden reizen, dann sei auf der Hut wie ein Fechter, der zum Spaß einen Bären reizt; und richte es so ein, daß diese Esel dich nicht mit ihren Huftritten treffen, und vor allem, daß sie dir immer Haare lassen müssen.

Pippa: Wenn ich das nicht fertigbringe, sollen sie mich abmalen!

Nanna: Nach diesen Biestern kommen wir zu den Bramarbassen, die zu Hause und beim Pokale tapfer sind, aber hinterher dem Castruccio auch keinen Fußtritt in den Hintern geben; das Aufschneiden können sie nun mal nicht lassen, und sie würden dir das Weltmeer in ’nem Wasserglase bringen. Oh! Du wirst es doch mindestens so gut können wie die Ancroia und ihnen alles abnehmen, was sie auf dem Leibe haben – einschließlich des gestrickten Unterleibchens und des Degens, der ihnen ohne jeden Zweck an der Seite baumelt?

Pippa: Das wird ich.

Nanna: Zwischen diesen beiden Sorten von Menschen stehen die schnurrigen Käuze, die immer mit ihrem Lachen laut herausplatzen, daß sie mit ihrem gedankenlosen Hahaha auf den Hintern fallen. Die verkünden mit Plakatbuchstaben, was sie dir getan haben und was sie dir noch zu tun gedenken; mag dabeisein, wer will – je mehr Leute kommen, je lauter erheben sie die Stimme. Das ist mal so ihre Natur; außerdem wollen sie sich als gute Gesellschafter aufspielen; sie machen sich nichts daraus, dir in Gesellschaft von irgend jemandem die Röcke hochzuheben; dabei denken sie sich nicht mehr, als wenn sie auf die Erde spucken. Denen sage nur ganz gehörig die Meinung; zause sie genauso, wie sie dich zausen; du kannst das ruhig tun, denn sie kümmern sich um nichts und leben nur immer gedankenlos in den Tag hinein.

Pippa: Glaubt Ihr denn, daß solche Gesellen nach meinem Geschmack sind?

Nanna: Du bist gerade wie ich – wir haben denselben Geschmack. Aber sag mal – habe ich dir nicht schon davon gesprochen, daß so ein Grobian geradeso ist wie ein Affe, den man mit einer Haselnuß besänftigen kann? Das Meer ist ja auch eine große Bestie, aber wenn die Wut verraucht ist, macht es weniger Lärm als ein Bächlein.

Pippa: Ich glaube, Ihr spracht schon davon.

Nanna: Ja, ich hatte es bereits erwähnt – aber von den ganz dummen Rüpeln, von denen hatte ich noch nichts gesagt. Na, die sind schlimmer als die feigen Prahlhänse, die Esel, die Geizhälse, Grobiane, Heuchler, die Neunmalklugen, die Taugenichtse und der ganze Rest des Menschengeschlechts – und wie du dich mit ihnen zu verhalten hast, das weiß ich selber nicht. Auch am Besten haben sie immer was auszusetzen, und magst du noch so nett gegen sie sein – ’s ist alles verlorene Liebesmüh. Diese Lümmel fallen über dich her, ohne daß du ’ne Ahnung davon hast, und alles, was sie dir zu Schimpf und Schaden antun, beweist nur, was für Dummköpfe sie sind.

Pippa: Wieso zu meinem Schimpf und Schaden?

Nanna: Weil es fade Gesellen ohne jede Lebensart sind; sie setzen sich über die Würdigsten, reden, wenn sie schweigen sollten, sind still, wenn sie sprechen sollten. Dadurch entfremden sie dir die Freundschaft der anständigen Leute; denn wer diese Burschen gesehen hat, wie sie einer Dame den Hof machen, der denkt natürlich an Schweine, die in einem Garten Rosen beschnüffeln. Darum schlag ihnen mit dem Knüppel der Klugheit die Knochen entzwei.

Pippa: Sogar das Herz will ich ihnen entzweischlagen! Aber sind denn nicht die Grobiane und die ungezogenen Rüpel alle von einerlei Schlag?

Nanna: Ganz und gar nicht! Diese Rüpel sind schlimmer als Uhren, deren Räderwerk in Unordnung ist, und man muß sich vor ihnen mehr in acht nehmen als vor Tollhäuslern, die ihre Ketten gesprengt haben; sie wollen und wollen zugleich auch nicht; jetzt sind sie stumm, jetzt sprengen sie einem die Ohren mit ihrem Geschwätz; meistens sind sie unwirscher Laune und wissen selber nicht, warum; und Santa Nafissa, die die Geduld und Güte selber war, würde ihren Grillen gegenüber in Verlegenheit sein. Darum nimm dich mit ihnen in acht und gib ihnen am ersten Tage, wo du ihren Charakter erkennst, den Laufpaß.

Pippa: Ich werde es machen, wie Ihr sagt.

Nanna: Und was sagst du nun zu den ›Höre-Papachens-Worte-der-Weisheit‹? Was für ein schmerzhaftes Kreuz ist es, mit diesen Neunmalklugen zu tun zu haben, die den Mund nicht auf tun, damit die Falten sich nicht verschieben, in die sie ihre Lippen vor dem Spiegel gelegt haben; wenn sie aber wirklich mal den Mund öffnen, so tun sie’s mit der größten Vorsicht, damit die Lippen sich gleich wieder in die richtigen Falten legen; und dabei verdrehen sie dir fortwährend deine Worte in ihr Gegenteil. Sie essen nach den Vorschriften der Gelehrsamkeit, spucken rund, glupen von unten auf, möchten in Gesellschaft von Huren gesehen werden, wünschen aber nicht, daß man’s erfährt; hüten sich, dir in Gegenwart ihres Dieners was zu geben, und wollen doch gern, daß er weiß, was du geschenkt gekriegt hast.

Pippa: Was sind denn das für Menschen!

Nanna: Wenn jemand zu dir kommt, während sie bei dir sind, so verstecken sie sich in der Kammer, stehen wie der Wauwau hinter den Türritzen und verrecken vor Angst, daß du zu dem, der sie in die Flucht gejagt hat, sagen möchtest: »Der Herr Dingsda ist in der Kammer.« Außerdem messen sie alles genau ab: das Schlafen, das Wachen; das Essen, das Fasten; das Gehen, das Stehen; das Tun, das Nichtstun; das Reden, das Schweigen; das Lachen, das Nichtlachen – und benehmen sich bei allem, was sie machen, als solche Umstandsscheißer, daß selbst ’ne Neuverheiratete darin noch hinter ihnen zurücksteht. Aber dieses wäre ja noch zu ertragen; zu weit geht es aber, wenn sie so lange in deinen Angelegenheiten herumstochern, bis du ihnen Rechenschaft ablegen mußt über alles, was du hast und was du mit deinen Überschüssen anfängst. Da nun so ein Kluger (oder besser gesagt: einer, der sich für ’nen Klugen hält) stets ein Stück Geizhals ist – denn er denkt fortwährend daran, wieviel Mühe das Geldverdienen macht –, so setze immer deine List gegen seine Klugheit; bemäntle alles, was du tust und sagst, und benimm dich, wie die Sapienza Capranica, so daß Salomo den Hut vor dir, abnehmen muß. Und ich weiß es aus guter Quelle, es gibt keine gesalzeneren Dummheiten als die, welche diese klugen Leute schließlich doch machen, selbst wenn sie nicht verliebt sind; nun stell dir selber vor, was für Narrenstreiche ihr Kopf erst ausheckt, wenn sie sterblich verliebt sind!

Pippa: Und wie ich mit diesen Käuzen umspringen werde, wenn sie mir mal ins Garn gehen!

Nanna: Hab ich dir noch nichts von den Heuchlern gesagt?

Pippa: Madonna, nein!

Nanna: Die Heuchler, die immer nur mit Handschuhen zu Bette gehen, die die Märzfreitage und Quatemberfasten mit der Pünktlichkeit des frommsten Betbruders einhalten – die kommen zu dir, leise mit Katerschritten. Und wenn sie dir die Ehre von hinten zu erweisen wünschen und du sie fragst: »Wie? So von hinten?« –, so werden sie dir antworten: »Wir sind Sünder wie die anderen!« Pippa, mein Mädchen! Sei verschwiegen in bezug auf alles, was diese Leute machen; halte dicht, damit das Öl nicht ausleckt, und plausche nicht ihren Schweinekram aus; das wird dir zum Guten sein. Diese Schurken, diese Feinde des wahren Glaubens tätscheln dir die Brüste, machen dir Lutschflecke, stochern in jedem Loch und jeder Ritze herum wie nur irgendein Taugenichts. Und wenn sie eine finden, die die Schändlichkeiten, an denen sie ihre Lust haben, in Stillschweigen zu begraben weiß, so geben sie, ohne zu rechnen. Ist der Hosenlatz wieder zugenestelt, so setzen sie ihre Lippen in Bewegung und brummeln unaufhörlich das Miserere, das Domine, ne in furore und das Exaudi orationem. Und dann gehen sie spornstreichs ins Spital, um den Unheilbaren die Füße zu reiben.

Pippa: Möchten sie mit glühenden Zangen gezwickt werden!

Nanna: Sei unbesorgt, es wird ihnen eines Tages noch schlimmer ergehen. Ihre Jammerseelen werden von jenen Geizhälsen zertrampelt werden, von jenen gemeinen Knickern, jenen Schweinen, die sogar beim Stemmen auf ihr Profitchen sehen. Um diesen Halunken das Geld aus der Tasche zu locken, mußt du dieselbe Geschicklichkeit besitzen, die sie aufbieten, um es auf die Seite zu bringen. Oh, was für ’ne Hundearbeit, ihnen das Geld aus den Fingern zu reißen! Glaube nur nicht, ihr Birnbaum gebe seine Früchte gutwillig her, und wenn du ihn noch so stark schüttelst! Eine Mama, die zärtlicher ist als alle anderen, macht ihrem Söhnchen, das nicht einschlafen oder sein Pappchen nicht essen will, nicht so viele Liebkosungen, wie du sie ’nem Geizigen erweisen mußt. Und wenn er endlich einen Dukaten herausholt, kriegt er ’nen Krampf in den Fingern und beäugelt jede einzelne von seinen beschnittenen Münzen, ehe er sie dir gibt. Diesen Halunken lege Schlingen und fange die Schlaumeier in Fallen, wie man die alten Füchse fängt. Und wenn du willst, daß sie was hergeben, so verlange ihnen keine große Summe auf einmal ab, sondern sauge ihnen das Blut tröpfchenweise aus. Sage ihnen zum Beispiel: »Ich kann es mir nicht machen lassen, weil mir schäbige fünf Dukaten fehlen.«

Pippa: Was nicht machen lassen? Ein Kleid?

Nanna: Natürlich, ein Kleid. Und wenn du ihm das sagst, wirst du ihn sich drehen und winden sehen wie einen, der seine Notdurft verrichten möchte und nicht weiß, wohin. Und während dieser Verrenkungen wird er vor sich hin brummen, sich den Kopf kratzen, sich durch den Bart fahren und dazu ein böses Stiefmuttergesicht machen wie ein Spieler, der kein gutes und kein schlechtes Geld mehr im Sack hat und aufgefordert wird, den Rest zu setzen. Indessen wird er dir brummend die Dukaten geben. Sobald du sie hast, gib ihm ’nen Haufen Küsse und mach tausend lustige Mätzchen. Nach drei Tagen fang an zu stöhnen, dir auf die Finger zu beißen und mach ihm kein freundliches Gesicht mehr. Und wenn er fragt: »Was hast du denn?«, antworte ihm: »Ein ganz abscheuliches Pech hab ich; darum bin ich eben nackt und bloß, und das kommt davon, daß ich viel zu gut bin; denn wenn ich anders wäre, würden mir nicht vier Taler fehlen; und wenn ich die hätte, brauchte ich diesen schlechten alten Rock nicht weiter zu tragen.« Na, da wird aber dem erbärmlichen Geizkragen höchst unbehaglich zu Mut. »Äh!« schreit er, »dir kann man aber geben, soviel man will; du bist niemals satt zu kriegen; du wirfst ja das Geld in den Dreck; aber laß mich in Ruh und mach mir keine Kopfschmerzen, von mir kriegst du keinen Heller mehr!« Damit zieht er die Schnüre seiner Börse zu, geht aber sofort aus, um ein Mittel zu finden, diesem oder jenem das Geld abzugaunern.

Pippa: Warum soll ich ihm nicht einfach alles auf einmal abfordern?

Nanna: Um ihn nicht durch die Höhe der Summe kopfscheu zu machen.

Pippa: Ich verstehe.

Nanna: Nun zu den Freigebigen; gegen die muß man keine Eselsschlauheit anwenden, sondern Löwenkühnheit. Wenn du sie um etwas bitten willst, so bitte coram populo. Denn die Prahler wachsen um eine Spanne, wenn du sie öffentlich als große Herren behandelst; den Großen kommt es ja zu, freigebig zu sein, obwohl sie’s gewöhnlich nicht sind. Du brauchst so einen Prahler gar nicht zu bitten, sondern sobald du nur anfängst: »Ich will mir ein Kleid nach der allerneuesten Mode machen lassen« –, wird er dir sagen (vorausgesetzt, daß Gesellschaft dabei ist): »Laß nur, das werde ich dir machen lassen.« Gegen so einen, mein liebes Kind, sei du ebenfalls freigebig; nimm die Stellungen ein, die er von dir verlangt, und schlag ihm niemals etwas ab, wonach ihm der Appetit steht.

Pippa: Es ist nicht mehr als anständig, daß ich’s so mache.

Nanna: Bedenke, daß gewisse Leute dir nicht mal ein Korianderkorn geben würden, wenn du sie darum bätest; andere springen dir nicht mit einem Heller bei, wenn du ihnen nicht fortwährend die Sporen in die Flanken schlägst. Aber den Gefälligen, denen mach keine Vorschriften, sondern laß sie nach ihrer Naturanlage handeln; ebendiese finden eine wilde Lust daran, dir immerzu Geschenke zu machen, und es dünkt ihnen, wenn sie etwas schenken, ohne darum gebeten zu sein, so geben sie ihr Geld nicht nach Hurenart aus, sondern haben im Gegenteil noch Gewinn davon, indem sie dadurch zu großen Herren werden; denn, wie gesagt, große Herren müssen ja Geschenke machen. Solchen Leuten gegenüber hast du daher nichts anderes zu tun, als ihnen zu Gefallen zu sein und Achtung zu bezeugen und nicht bloß immer zu sagen: »Gebt mir dies!« und »Laßt mir das machen!« Aber wenn sie dir was geben und machen lassen, so tu immer, wie wenn’s dir gar nicht recht sei, daß sie es geben oder, machen lassen.

Pippa: Sehr gut.

Nanna: Die Packesel aber, wie die Romanesca sie nannte, die verfolge unaufhörlich mit deinem ›Gib mir! Laß mir machen!‹ Denn diese Bauernlümmel wollen mit solchen Stacheln angespornt sein. Und wenn Leute dabei sind, die das mit anhören, worum du sie bittest, so ist ihnen das ungeheuer lieb, denn es gibt ihnen nach ihrer Meinung den Anschein, als ob sie gewandte Weltmänner seien und keine Einfaltspinsel. Außerdem dünken sie sich ganz besonders große Lichte, wenn sie sich von der Signora bitten lassen. Aber wenn sie auch Verwandte von den Ameisen im Schierlingsbaum wären – sie werden schon herauskommen, um an deine Tür zu klopfen, 72 und wenn sie verrecken sollten.

Pippa: Sie sollen rauskommen oder umkommen!

Nanna: Und noch eins, ehe ich’s vergesse: Obwohl ich mich selbst in meinen Reden bald des Du, bald des Ihr bediene, so wünsche ich doch, daß du zu jedermann, ob jung oder alt, ob groß oder klein, Ihr sagst; denn in dem Du liegt etwas Barsches, was vielen Leuten nicht recht gefällt. Ohne allen Zweifel sind gewandte Manieren ein gutes Mittel, um es zu was zu bringen; deshalb sei in deinem Benehmen niemals anmaßend und beherzige, was das Sprichwort sagt: ›Laß aus dem Spaß keinen Ernst werden, und treibe niemals Scherz mit einem, der in Trauer ist!‹ Wenn du mit Freunden und Bekannten deines Liebhabers zusammen bist, so laß dir niemals beißende Bemerkungen entschlüpfen und laß dir’s nie einfallen, jemanden an den Haaren oder am Bart zu zupfen oder einem leise oder starke Klapse zu geben; denn die Männer sind Männer – wenn du ihnen ihren Schnabel berührst, so schneiden sie ein Gesicht und schnauben, wie wenn sie wirklich beleidigt wären; ich habe selbst erlebt, daß es darüber zu ganz gröblichen Schimpfereien kam, ja, daß eine alberne Gans, die die Frechheit so weit trieb, jemand an den Ohren zu zupfen, einen gehörigen Denkzettel erhielt; und jedermann sagte: »Geschieht ihr recht.«

Pippa: Meiner Seel, ja; es geschah ihr recht!

Nanna: Auch an etwas anderes habe ich dich noch zu erinnern: Halt dich von der Weise der Huren fern, deren Treu und Glauben darin besteht, daß sie nicht Treu noch Glauben haben. Stirb lieber, als daß du jemanden an der Nase herumführst; versprich, was du halten kannst, und nicht mehr! Und wenn sich dir die allerschönste Gelegenheit böte, niemals gib einem anständigen Liebhaber, der bei dir schlafen sollte, den Laufpaß – womöglich gar mit Spott und Hohn, wie’s einige machen! –, es sei denn, daß der Franzose komme, von dem ich dir sprach. Wenn dieser kommt, so rufe deinen Freund, der mit dir schlafen sollte, und sage ihm: »Ich habe Euch diese Nacht versprochen, und sie gehört Euch, denn ich bin Euch ganz und gar zu eigen; aber ich könnte damit ein hübsches Stück Geld verdienen; so bitte ich Euch denn, leiht mir diese Nacht – ich werde sie Euch mit hundert für eine zurückgeben. Ein hoher Herr aus Frankreich wünscht sie, und ich werde sie ihm gewähren, wenn’s Euch recht ist; aber wenn’s Euch nicht recht ist, nun, so stehe ich zu Euer Gnaden Befehlen.« Wenn er sich so hochgeehrt sieht, daß du ihn bittest, dir das zu schenken, was er dir anstandshalber doch nicht verkaufen kann, so wird er dir in deinem Interesse gefällig sein, ja er wird dir für dein Vorgehen sogar Dank wissen und wird dein Sklave bleiben. Wenn du aber, ohne ihm ein Wort zu sagen, ihn aufs trockene setztest, so würdest du Gefahr laufen, ihn zu verlieren, ja noch mehr: Er wird überall über den schlechten Streich zetern, den du ihm gespielt hast, und wird dadurch allen, die im geheimen schon ein Auge auf dich geworfen hatten, den Appetit vergehen lassen.

Pippa: Und das wäre ein recht großes Unglück, wollt Ihr sagen?

Nanna: Ganz recht! Nun merke dir folgendes: Natürlich wirst du zuweilen von allen deinen Liebhabern umringt sein; darum mußt du daran denken, daß du deine Gunstbezeugungen zu gleichen Teilen zu vergeben hast, denn sonst wird dem, der weniger kriegt, der Senf in die Nase steigen. Darum wäge sie mit der Waage der Diskretion ab; und sollte dir der Sinn mehr nach dem einen als nach ’nem andern stehen, so deute ihm das durch verstohlene Winke an, aber nicht mit unmäßigen Gesten. Und benimm dich so, daß nicht etwa dieser oder jener zornig auf dich und auf den Bevorzugten aus dem Hause geht. Jeder, der dir Geld gibt, verdient eine gute Behandlung; und wenn einer, der dir mehr gibt, auch mehr zu beanspruchen hat, so benimm dich doch dabei auf gute Art. Das ist der rechte Weg, um durch die ganze Welt zu kommen: Man muß zu leben und sich zu benehmen wissen.

Pippa: Das werde ich ganz gut fertigbringen.

Nanna: Nun zur Hauptsache, auf die es dabei ankommt: Amüsiere dich nicht damit, Freunde zu veruneinigen, indem du in Umlauf bringst, was du gehört hast; hüte dich vor Skandalen, und wenn du Frieden stiften kannst, so tu’s. Und sollte es vorkommen, daß man dir deine Türe mit Pech beschmiert oder sie verbrennt, so lache darüber, denn das sind eben Früchte, wie sie auf den Bäumen wachsen, die von den von der Liebe Geplagten in die Hurengärtlein gepflanzt werden. Mag man dir noch so arge Schändlichkeiten sagen oder antun, so laß trotzdem niemals deine Leute, denen du befehlen kannst, Handgreiflichkeiten verüben. Wenn dich einer kränkt – schweige und lauf nicht weinend zu deinem Liebsten, wenn er sterbensverliebt in dich und ein Wirbelkopf ist. Und wenn einer, der einen Liebeskummer hat, zu dir ins Haus kommt, so sprich nicht schlecht über seine Geliebte, auf die er zornig ist; diese Zornanfälle legen sich wieder, und der tobende Liebhaber sieht dann voll Beschämung ein, daß er selber den Schaden davon gehabt hat. Halte im Gegenteil ihm sein Unrecht vor und sage: »Ihr habt unrecht, daß Ihr mit ihr zürnt, denn sie ist schön, talentvoll, anständig und höchst anmutig.« Der Mann wird eines Tages zum Futternapf zurückkehren, und dann wird er dir für deine Worte Dank wissen, und sie wird sie vernehmen und wird sie dir mit Zinsen vergelten, wenn einmal einer von deinen Liebhabern sich mit dir überwirft.

Pippa: Ich weiß wohl: Ihr seid eine Feine!

Nanna: Mein Kind, ich sage dir zum Schluß nur soviel: Wenn ich, die ich die verruchteste und abgefeimteste Hure von ganz Rom, ja von ganz Italien, ja von der ganzen Welt gewesen bin, die ich mit bösen Werken und noch schlimmeren Worten nach Herzenslust Freunde, Feinde und gewöhnliche Laufkunden gepeinigt habe – wenn ich, sage ich, es zu Goldstücken und nicht zu Hellern gebracht habe, was wird dann erst aus dir werden, wenn du so lebst, wie ich dich lehrte?

Pippa: Die Königin unter den Königinnen und nicht nur die Signora unter den Signoras.

Nanna: Darum gehorche mir!

Pippa: Ich werde Euch gehorchen.

Nanna: Tu’s! Und richte dich nicht durchs Spiel zugrunde, denn Karten und Würfel bedeuten das Spital für eine jede, die sich ihnen ergibt. Auf eine, die einen neuen Mantel gewinnt, kommen tausend, die das Spiel an den Bettelstab bringt. Das Damebrett und das Schachbrett sind ein hübscher Schmuck für deinen Tisch, und wenn man einen Julius oder zwei ausspielt, so hast du damit das Kerzengeld verdient, denn wenn nur Kleinigkeiten gewonnen werden, so heißt es: »Alles gehört Euch, Signora!« Wenn nicht Condennata oder Primiera gespielt wird, hört man niemals von Zank und Streit, wird niemals ein unpassendes Wort gesagt. Und wenn du einmal einen leidenschaftlichen Spieler zum Freund hast, so bitte ihn herzlich – aber so, daß ein jeder es hört –, er möchte doch nicht mehr spielen, und gib dir den Anschein, als sprächest du so zu ihm, damit er sich nicht zugrunde richte, und nicht, damit er dir sein Geld gebe.

Pippa: Ich hör Euch laufen!

Nanna: Mach ihm auch Vorwürfe, er gebe dir zu prächtig zu essen. Es muß aber so aussehen, als ob du keinen Wert aufs Essen legtest, und nicht, als ob du dabei einen Profit für dich suchtest. Und vor allem gebe ich dir den Rat: Suche deine Freude darin, würdige Personen in deinem Hause zu empfangen; denn selbst wenn sie nicht in dich verliebt sein sollten, so ziehen sie doch durch ihre bloße Anwesenheit dir Liebhaber ins Haus, indem sie dir Ehre bei den anderen machen. Dein Anzug sei einfach und sauber; Stickereien mag sich eine leisten, die das Gold zum Fenster hinauswirft; der Macherlohn allein kostet ein Vermögen, und will man sie wieder los sein, so findet man keinen Käufer dafür. Auf dem Samt und der Seide bleiben die Spuren der aufgenäht gewesenen Litzen zurück, und die Stoffe sind schlechter als Lumpen. Es empfiehlt sich also in dieser Hinsicht zu sparen, denn schließlich machen wir doch unsere Kleider zu Geld.

Pippa: Gut!

Nanna: Nun bleiben uns also noch die künstlerischen Talente zu betrachten. Diesen sind natürlich die Huren so feind wie einem, der ihnen nicht mit vollen Händen gibt. Pippa, niemand bringt es fertig, dir ein Instrumentchen abzuschlagen, wenn du ihn darum bittest, darum verlange von einem ’ne Laute, vom andern ein Hackbrett; von diesem ’ne Bratsche, von jenem ’ne Flöte; von Hinz ein Klavizimbel, von Kunz eine Leier – dies alles ist reiner Gewinn. Wenn du dir dann Lehrer kommen läßt, um dich in der Musik zu unterrichten, so kannst du sie zum besten halten; du läßt sie ein paar Fetzen Musik vorspielen, und bezahlen tust du sie mit Hoffnungen und Versprechungen, ab und zu auch mal mit ’nem kleinen Kosthappen – aber nur hopp, hopp, im Galopp! Wenn du alle Instrumente hast, mach dich an Gemälde und Bildwerke; nimm alles, was du kriegen kannst: viereckige und runde Bilder, Porträts, Büsten und nackte Statuen; denn alle diese Sachen verkaufen sich nicht weniger gut als Kleider.

267

Pippa: Ist es nicht ein wenig genierlich, die Kleider vom Leibe zu verkaufen?

Nanna: Wieso genierlich? Ist es nicht viel sonderbarer, wenn man sie auswürfelt, wie die unseres lieben Herrgotts ausgewürfelt wurden?

Pippa: Da habt Ihr recht.

Nanna: Das ist gewiß: Der Spieler hat den Teufel im Leibe. Darum komme ich noch mal aufs Spiel zurück und sage dir: Halte weder Karten noch Würfel im Hause, denn der Spieler braucht sie nur zu sehen, und wer sich einmal dieser Leidenschaft ergeben hat, der ist einfach futsch. Ich schwöre dir’s bei der Vigilie der heiligen Lena mit’m Öl: Karten und Würfel vergiften die Gesellschaften, die sie nur anschauen, geradeso wie einer von den Kleidern eines Pestkranken angesteckt wird, wenn er sie anzieht, selbst nachdem sie zehn Jahre lang eingeschlossen waren.

Pippa: Karten und Würfel, hinaus mit euch!

Nanna: Aber höre, höre, was ich dir jetzt über die eitle Prahlerei pomphafter Feste sage! Pippa, mach dir nichts mit Stiergefechten zu schaffen und lauf nicht auf die Stechbahn und zum Ringelreiten; man schafft sich dort nur Todfeindschaften, und die Spiele sind nur gut zum Zeitvertreib für die Kleinen und den Pöbel. Wenn du indessen durchaus mal ’nen Stier abmetzeln sehen oder nach der Strohpuppe und dem Ring stechen sehen möchtest, so guck dir die Geschichte von einem fremden Hause aus an. Und wenn du dir für eine Maskerade – du verstehst mich – gute Kleider oder ein wertvolles Pferd leihst, so nimm sie so sorgfältig in acht, wie wenn sie dein eigen wären, und schicke sie nicht ungereinigt zurück, wie’s ja bei den Huren üblich ist, sondern blitzsauber geputzt und hübsch wieder zusammengelegt, wie du sie bekommen hattest. Wenn du’s anders machst, kriegen die Eigentümer einen Mordszorn auf dich und gar oft auf den, auf dessen Veranlassung sie sie dir geliehen hatten.

Pippa: Ihr denkt doch nicht, daß ich so eine Unordentliche bin? Das sind Dreckpatzereien, die’s bei mir nicht gibt.

Nanna: Dreckpatzereien, das stimmt. Wenn ich dir nun sagen wollte, wie du deine Zöpfe aufbinden und ein Löckchen entschlüpfen lassen mußt, so daß es dir in die Stirn hineinhängt oder um das eine Auge herum, so daß du mit einem gewissen liederlich-wollüstigen Ausdruck hindurchblinzeln mußt – da müßte ich bis in die Nacht hinein schwatzen. Ebenso, wenn ich dir beibringen wollte, wie du deinen Busen im Leibchen zeigen mußt, nämlich so, daß einer ihn nur durch den Hemdenschlitz hindurch sieht; da heftet er den Blick darauf und taucht ihn hinein, so tief er nur kann. Sei mit deinen Brüsten so karg, wie gewisse Frauenzimmer damit verschwenderisch sind; bei denen sieht es aus, als ob sie sie wegschmeißen wollten, dermaßen quellen sie ihnen aus dem Leibchen und dem Kleide hervor… Nun will ich aber zum Schluß eilen; noch ein oder zwei Atemzüge oder höchstens drei!

Pippa: Ich wollte, Ihr könntet es aushalten, ein ganzes Jahr lang zureden!

Nanna: Was ich vergessen habe, dir zu sagen, oder was ich nicht weiß, das wird dein Hurenberuf dich ganz von selber lehren. Denn die Haken, die dabei sind, die haften dem Beruf als solchem an, und die Schwierigkeiten erheben sich in Augenblicken, die von anderen nicht vorausgesehen, ja nicht mal geahnt werden können. Darum komm mit deiner natürlichen Anlage meinem von Natur vermaledeit schlechten Gedächtnis zu Hilfe. Aber habe ich dir nicht noch zu sagen …?

Pippa: Was?

Nanna: Die Priester, die Mönche wollten mir das Gehirn auftrennen und durch die zerschnittenen Maschen entwischen.

Pippa: Schau einer die Halunken!

Nanna: Ja, sogar Erzhalunken!

Pippa: Sobald Ihr mir gesagt habt, wie ich mich mit diesen zu benehmen habe, möchte ich wissen, wie weh es mir tun wird, wenn ich die Jungfernschaft verliere.

Nanna: Gar nicht oder ganz wenig.

Pippa: Werde ich dabei schreien müssen wie jemand, dem man ein Blutgeschwür öffnet?

Nanna: I, Gott bewahre!

Pippa: Wie jemand, dem man eine verrenkte Hand wieder einrenkt?

Nanna: Weniger.

Pippa: Wie beim Zahnausziehen?

Nanna: Weniger.

Pippa: Wie wenn einem ein Finger abgeschnitten wird?

Nanna: Nein!

Pippa: Wie wenn man sich den Schädel zerbricht?

Nanna: Hast du ’ne Ahnung!

Pippa: Wie wenn man einem einen Fingerwurm öffnet?

Nanna: Möchtest du, daß ich deiner Phantasie einen Begriff davon gebe?

Pippa: Bitte!

Nanna: Erinnerst du dich, dir mal ein kleines Pickelchen, zum Beispiel bei einem Ausschlag, aufgekratzt zu haben.

Pippa: Gewiß.

Nanna: Nachdem du dich gekratzt hast, verspürst du ein brennendes Jucken; diesem Brennen gleicht der Schmerz, wenn das jungfräuliche Mädchenheiligtum erbrochen wird.

Pippa: Oh! warum hat man denn so große Angst davor, die Jungfernschaft zu verlieren? Ich habe doch sagen hören, daß manche aus dem Bett springen, andere um Hilfe schreien oder gar mit ihrem Wasser das Bett, die Kammer und alles, was darin ist, überschwemmen.

Nanna: Die Angst, die solche Mädchen haben, ohne daß sie selber wissen, warum – diese Angst stammt noch aus der alten Zeit, als die Neuvermählte unter Hörnerschall zu ihrem Gatten geführt wurde und als man zum Zeichen, daß die Vermählung vollzogen war, einen Hahn zum Fenster hinauswarf. So wie einer, der den ausgerissenen Zahn in der Hand hat, es bereut, daß er das Ding, das ihm solche Leiden verursacht hat, sich nicht schon früher ziehen ließ, so bedauert auch eine, die aus Angst vor dem: ›Es wird mir weh tun!‹ sich nicht ihre Fledermaus hat bürsten lassen, den allzu langen Aufschub; und wie jener sagt: »Ich glaubte, das Zahnziehen sei wunder was für ’ne Geschichte!«, so spricht auch das Mädchen, das sich mutvoll das Ding hat reinschieben lassen.

Pippa: Das freut mich.

Nanna: Wie man’s anfängt, hundertmal als Jungfer zu gelten, wenn es nötig ist, so oft als eine solche aufzutreten, darüber werde ich dich am Tage vor dem Beginn deiner Tätigkeit belehren. Das ganze Geheimnis beruht auf einer Mischung von Bergalaun und Fichtenharz, die miteinander gekocht sind, ein Mittelchen, das in allen Bordellen erprobt worden ist.

Pippa: Um so besser.

Nanna: Nun zu den Mönchen, die mich noch bis hierher mit ihrem Bocksgeruch von Suppe, Sauce und Schweinefett anstinken; allerdings gibt es unter ihnen auch einige geschniegelte, die süßer duften als ein Friseurladen.

Pippa: Verliert keine Zeit mit den Mönchen! Ich möchte lieber, daß Ihr mir sagt, wie ich mir die Schminke aufzulegen und wieder abzunehmen habe; auch möchte ich gern wissen, ob Ihr wünscht, daß ich mich mit den Teufelskünsten, den Hexereien und den Zauberformeln abgebe oder nicht.

Nanna: Sprich mir nicht von solchen Narreteien, die nur für die dummen Gänse gut sind. Deine Zaubersprüche werden meine feingewürzten, frischen Ratschläge sein; wie du dich schminken mußt, werde ich dir sogleich sagen. Aber jetzt rufen mich die Mönche und sagen mir, ich möchte dir sagen, Frauenzimmer seien ihnen jetzt überhaupt zum Ekel und das komme von den Priestern, den Generalen, Prioren, Ministern, Provinzialen und die ganze Rotte gehöre zum Verbände der Reverendi und Reverendissimi. Und wenn sie mit einer Frau schlafen, so sind sie zur Liebe so aufgelegt, wie einen, der mit vollgestopftem Wanst von der Mahlzeit kommt, der Anblick von Speisen zum Essen reizen würde. Und wenn man ihm auch das Liedchen singt, das wir immer den alten Herren singen:

Schneck, Schneck im Schneckenhaus,
Steck deine drei Hörnchen raus,
Deine dreie oder viere,
Dazu auch die vom …,

so steht er ihm doch nicht eher, als bis sein Gatte kommt und sich zu ihm ins Bett legt.

Pippa: Oh! Haben denn die Mönche und die Priester Gatten?

Nanna: Wenn sie nur ebenso tüchtige Gattinnen hätten?

Pippa: Ei verflucht!

Nanna: Ich möchte dir was sagen … und ich möchte dir’s doch wieder nicht sagen …

Pippa: Warum nicht?

Nanna: Wenn man die Wahrheit sagt, so tun die Leute, als habe man Christus ans Kreuz geschlagen. Ich habe sie ja gesagt, und es hat einen schönen Spektakel gegeben! Wenn man lauter Lügen sagt, so geht’s einem gut; sagt man aber die Wahrheit, so geht’s einem schlecht. Aber das sage ich: ’ne Schandschnauze ist’s, die mich ›alte Hure‹ und ›spitzbübische Kupplerin‹ nennt. Darum sage ich dir, die großen Fische von der Möncherei und der Priesterei schlafen bloß deshalb mit den Huren, um zu sehen, wie die von ihren Lustknaben bearbeitet werden – von ihren Lustknaben, jawohl! Es reizt ihren Appetit, indem sie sehen, wie diese per alia via, wie die Epistel sagt, herumstochern. Du mußt mit ihnen gute Freundschaft halten und zu ihnen gehen, sooft sie dich rufen lassen. Denn – versteh mich recht! – wenn sie ihren Lustknaben machen lassen können, was sie wollen, so verlieben sie sich plötzlich in dich und verschwenden für dich mit vollen Händen die Einkünfte ihres Bistums, ihrer Abtei, ihres Kapitels, ihres Ordens.

Pippa: Ich hoffe, wenn ich mich nach Euren Ratschlägen richte, bekomme ich sogar ihren Glockenturm mitsamt den Glocken.

Nanna: Wenn du das fertigbringst, so tust du nichts weiter als deine Pflicht … Hahaha! ich lache über die Kaufleute, von denen ich dir noch nicht gesprochen habe.

Pippa: O doch!

Nanna: Ja, du meinst die Deutschen; diese sind aber fast alle nur Geschäftsführer anderer, und deshalb hüten sie sich, zu dir zu kommen, wie ich dir gesagt habe. Aber die großen Kaufleute, die Väter der Batzen – möchten sie den Bubo kriegen! Denn sie wollen, der Hurenstand solle sich nur von dem nähren, was sie uns Soldo um Soldo geben! Und auf einen Freigebigen kommen zwanzig, die stets, wenn du sie um etwas bittest, mit der Antwort bei der Hand sind: »Ich habe all mein Geld auf Wucher – ich wollte sagen, auf Zinsen ausgeliehen.« Aber das niederträchtige ist, daß sie mit vollen Geldsäcken Bankrott machen, sich in ihren Häusern einmauern oder sich lebendig in den Kirchen begraben und nachher sagen; »Die Hure, die Soundso, hat mich zugrunde gerichtet.« Ich rate dir, Pippa, denen gib den Laufpaß, obwohl die dummen Gänse, die selber nicht wissen, warum, sich einbilden, die Freundschaft dieser Kaufherren bringe sie in große Reputation. Und wenn man fragt: »Wer ist denn das?«, so dünkt ihnen, sie werden durch die Antwort: »’s ist ein Kaufherr!« zu Göttinnen kanonisiert. Aber es ist wirklich nicht so was Großes daran – bei meiner Seele, nein!

Pippa: Das glaub ich Euch.

Nanna: Damit wir was von ihnen haben, müssen sie was andres herzeigen als Handschuhe und Briefe in der Hand und einen Ring am Finger.

Pippa: Davon bin auch ich überzeugt.

Nanna: Liebes Kind, mit meinem heutigen Vortrag habe ich dir eine Erziehung gegeben wie einer Herzogin. Du mußt wissen: Mütter wie die deinige wachsen nicht an den Hecken, und ich kenne keinen Prediger in der ganzen Maremma, der dir eine Predigt hatte halten können wie ich. Behalte sie gut im Gedächtnis, und ich will mich an den Schandpfahl stellen lassen, wenn du nicht als die reichste und tüchtigste Kurtisane angebetet wirst, die jemals war, ist und sein wird. Darum werde ich zufrieden sterben, wenn’s zum Sterben kommt. Und merke dir: Mit den Gestänken, den Rotznasen, den Sabberlippen, mit den Unannehmlichkeiten des üblen Atems, der Pestgerüche, der schlechten Launen und des Schimpfens deiner Freunde – damit geht’s wie mit muffig riechendem Wein: Wer ihn drei Tage lang getrunken hat, der denkt nicht mehr an den unangenehmen Geschmack … Aber höre noch zwei Wörtchen, die ich dir über zwei Sächelchen sagen will.

Pippa: Über was denn?

Nanna: Die erste: Halte dir keine Samtkissen auf seidenen Matratzen, wie die eitlen Äffinnen sie auf der Erde liegen haben, damit ihre Freunde bei der Unterhaltung zu ihren Füßen sitzen; ihr dummen Gänse, ihr werdet dereinst bei saurer Arbeit Hungers sterben! Die zweite: Fahre nicht mit allen zehn Fingern in die Schminktöpfe hinein, sondern geh diskret mit ihnen um, und streiche dir nicht das Gesicht an, wie’s die vierschrötigen Lombardinnen machen; ein bißchen Rot genügt, um von den Wangen jene Blässe zu beseitigen, die sich gar oft nach einer schlechten Nacht, beim Unwohlsein oder wenn du’s zu oft gemacht hast zeigt. Spüle dir morgens, wenn du noch nüchtern bist, den Mund mit frischem Brunnenwasser aus; und wenn du willst, daß deine Haut stets sauber und blank und immer die gleiche ist, so werde ich dir mein Buch mit Rezepten geben. Daraus kannst du lernen, dir deine schöne Gesichtsfarbe zu erhalten und ein leckeres Fleisch zu bekommen; ich werde dir ein wunderbares Talkwasser machen lassen, und für die Hände werde ich dir ein schnupperschnupper-feines Lavendelwasser geben. Für den Mund habe ich etwas, was nicht nur die Zähne gesund erhält, sondern auch den Atem in Nelkenduft verwandelt. Ich bin ganz starr vor Staunen, wenn ich gewisse geschminkte dumme Trinen sehe, die sich anmalen und firnissen wie ’ne modenaische Maske und sich die Lippen einzinnobern, daß einer, der ihnen ’nen Kuß gibt, seinen Mund ganz seltsam brennen fühlt. Und was für ’nen Atem, was für Zähne, was für Runzeln bekommt so manche von ihrem unsinnigen Schminken! Pippa…?

Pippa: Ja, Mama?

Nanna: Wende niemals Moschus, Zibet oder andere starke Gerüche an, denn die sind nur dazu gut, um den Gestank von einer, die durch die Rippen stinkt, zu verdecken. Bäderchen – ja! Wasch dich und wasch dich wieder zu jeder Stunde, sooft du nur kannst; denn wenn du dich mit Wasser wäschst, worin wohlriechende Krauter abgekocht sind – das verleiht deinem Fleisch den unbeschreiblich süßen Duft, wie ihn frische Wäsche aushaucht, wenn man sie aus der Truhe herausnimmt und auseinanderfaltet. Und gerade wie jemand, der so ein blütenweißes Tuch vor sich sieht, sich nicht enthalten kann, sein Gesicht damit abzutrocknen, so kann auch einer, der einen blitzsauberen Busen und Hals und frischgewaschene Wangen vor sich sieht, nicht widerstehen. Er muß sie küssen und wieder küssen. Um dir die Zähne recht rein zu halten, nimm vorm Aufstehen den Saum des Bettlakens und reibe sie dir mehrere Male damit ab; damit entfernst du alles, was sich auf ihnen abgelagert hat; denn solange die Luft noch nicht darangekommen ist, ist es noch ganz weich. Aber jetzt kommt noch eine ganze Schar von kleinen feinen Sachen, die mir gerade jetzt einfallen, wo ich aufhören wollte und wo ich dir sagte, ich wüßte mich nicht mehr zu erinnern, was ich dir noch sagen wollte! Wisse: Ich bin ein tiefer, tiefer Brunnen, aus dem ein so dicker Wasserstrahl hervorschießt, daß nur immer mehr kommt, je mehr man schöpft. Nun schiebe dir mal diesen Ring auf den Finger!

Pippa: Ich schiebe ihn mir über!

Nanna: Wenn Sankt Philipp herankommt, so sage beizeiten deinen Anbetern, du habest ein Gelübde getan, zur Vigilie deines Namensheiligen zwanzig Messen lesen zu lassen und zehn Arme zu speisen; die Kosten verteilst du zu gleichen Teilen auf sie. Ist dann die Vigilie und der Festtag da, so brumme, schelte und drohe und sage: »Ich bin gezwungen, mir das Gewissen mit Schuld zu beladen und die Seele obendrein!« – »Und warum?« werden die Schafsköpfe fragen. »Weil die Pfaffen heute und morgen anderweitig versagt sind und mir die Messen nicht lesen können.« Du verschiebst infolgedessen die ganze Sache auf eine andere Gelegenheit, das Geld bleibt dir, und deiner Ehre ist kein Abbruch geschehen.

Pippa: Das würde mir so recht passen!

Nanna: Nehmen wir an, du siehst in deinem Hause eine ganze Schar von Freunden und von Edelleuten, die gekommen sind, um sich mit dir zu unterhalten; tu, als ob du den Einfall bekämest, ein paar Stunden spazierenzugehen; ohne gerade Salz oder Öl zu verschwenden, mach dich fein und zieh dich mit einer Kunst an, daß dein gewählter Anzug nur den Eindruck des Zufälligen macht. Bist du mit ihnen vor der Tür, so sage: »Gehen wir in die Friedenskirche!« Dort sagst du ein bißchen vom Paternoster und begibst dich dann in die Pilgerstraße; vor jeder Verkaufsbude hältst du an und läßt dir alles vorlegen, was sie an schönen Sachen haben: Salben, Ambra und anderen hübschen Firlefanz. Und wenn du etwas siehst, was dir ins Auge sticht, so sage nicht: »Kauf du mir dies, und du mir jenes!«, sondern sage: »Dies und das gefällt mir!« Laß es auf die Seite legen und füge hinzu: »Ich werde die Sachen abholen lassen.« Ebenso mach es mit Parfüms und ähnlichen Kleinigkeiten.

Pippa: Auf was zielt Ihr ab?

Nanna: Auf ihren Taubenschlag.

Pippa: Und wo ist die Armbrust dazu?

Nanna: Die Armbrust ist ihre Freigebigkeit, die sich für beschimpft halten würde, wenn sie nicht auf der Stelle oder gleich nachher alle von dir zur Seite gelegten Sachen kaufen und dir zum Geschenk machen würde.

Pippa: Wer keinen Grips hat, ist selber schuld!

Nanna: Wenn du wieder nach Hause zurückgekehrt bist, verteile mit der peinlichsten Genauigkeit deine Gunstbezeugungen und mach es so, wie ich dir’s sagen werde.

Pippa: Das von den Gunstbezeugungen habt Ihr mir schon gesagt.

Nanna: Ich hab es dir gesagt und will es dir nochmals sagen; denn die Leute zu bezaubern zu wissen, das ist das Heilmittel, das die Bezauberer gegen das Gift geben. Strecke dich also auf einem ganz niedrigen Sessel aus; laß zweie sich zu deinen Füßen setzen; zwei andere plaziere zu deinen Seiten, strecke deine Arme aus und gib jedem von ihnen eine von deinen Händen. Und wenn du dich bald zu diesem, bald zu jenem wendest, wirst du abermals zweie mit angenehmem Geplauder zufriedenstellen. Dem Rest erweise die Gunst deiner Blicke und gib ihnen mit schnellem Schließen und öffnen deiner Augenlider zu verstehen, daß in den Augen das Herz liegt und nicht in den Händen, Füßen oder Worten. So wird die Kunst deines anmutigen Benehmens acht große Tölpel auf einmal mit angenehmen Gefühlen kitzeln.

Pippa: Immer zwei und zwei!

Nanna: Und sollte auch wirklich dieser oder jener nicht recht nach deinem Geschmack sein – gib deiner Natur einen Stoß und spiegle dich in dem Bilde eines Kranken, der, um von seinem Leiden zu genesen, die Medizin einnimmt, was auch sein Magen dazu sagt; auch du hast zu genesen: nicht von der Armut – denn auch ohne Hure zu sein, bist du ohnehin reich –, sondern von dem Vorurteil, das dem Kurtisanenstande anhaftet: Du mußt eine Signora werden, nicht nur dem Namen nach, sondern eine wirkliche!

Pippa: Wenn’s was nützt, daß man fest an etwas glaubt, so bin ich jetzt schon eine.

Nanna: Merke dir folgendes: Laß dich nicht von denen hineinlegen, die dir mit großen Gebärden Schwüre leisten, um dich für sich allein zu haben; traue ihnen nicht, mögen sie auch noch so vornehm und reich sein! Denn in ihrer Liebesraserei und im Wahnsinn ihrer Eifersucht werden sie dir selber auf jeden Leim gehen und werden Wunderdinge um deinetwillen anstellen, solange ihr Zustand dauert. Das kann Angela Greca dir beschwören; die hat ihrer etliche mit den Füßen voran zum Bett hinausgestoßen. Es ist sehr wichtig, solche Kunden zu finden, denn die vor Liebe Verrückten springen ja auch fortwährend wieder ab. Und dann noch eins: Wenn auch kein anderer Vorteil dabei wäre, daß du dich vielen hingibst – du wirst schöner dadurch! Zum Beweis schau du dir mal ein unbewohntes Haus an, wie’s durch Spinnengewebe usw. immer älter wird; der Stahl wird ja auch immer blanker, je mehr er poliert wird.

Pippa: Das stimmt.

Nanna: Und weiter: Wer daran zweifelt, daß viele viel machen und wenige wenig – der ist ein Roß! Natürlich wünsche ich, daß du’s machst wie eine Wölfin, die in einen Pferch mit vielen Schafen einbricht und nicht in eine Hürde, wo nur ein einziges ist. Und ich will dir was sagen, mein liebes Kind: Obwohl die Mißgunst selber eine Hure war und darum der Huren Herzblättchen ist – verschließ sie fest in deinem Busen! Und wenn du hörst oder siehst, daß Signora Tullia und Signora Beatrice große Berge von Stoffen, Vorhängen, Juwelen, Kleidern empfangen, so mach ein heiteres Gesicht dazu und sage: »Wahrhaftig, ihr Talent und ihre liebenswürdigen Manieren verdienen noch Besseres. Gott vergelte den Herren, die ihnen Geschenke machen, ihre noble Gesinnung!« Dadurch werden die Herren und die Signoras große Zuneigung zu dir fassen, wie sie dich andererseits hassen würden, wenn du die Nase rümpftest und sagtest: »Das ist ja niedlich! die hält sich wohl für die Königin Isolde? Die werde ich auch schon noch mal irgendwo ohne Kerze ins Scheißhaus gehen sehen!« Meiner Seele! es ist ja Kreuz und Pein für ’ne Hure, wenn sie andere Huren fein ausstaffiert sieht; das beißt ärger als ein alter Rest vom Franzosenübel, der sich in einem Fußknöchel oder in ’ner Kniescheibe oder in einem Achselgelenk eingenistet hat oder, um’s noch stärker auszudrücken: Es tut weher als jene Kopfschmerzen, von denen nicht mal Sankt Kosmas und Sankt Damian einen zu heilen vermögen.

Pippa: Möchten alle diese Schmerzen den Pfaffen in den Leib fahren!

Nanna: Nun zu den Andachtsübungen, die für Leib und Seele gut sind! Ich wünsche, daß du nicht jeden Samstag fastest wie die anderen Huren, die frömmer sein wollen als das Alte Testament, sondern nur an den Vigilien der hohen Feste, zu allen Quatembern und an allen Freitagen im März. Gib bekannt, daß du in diesen heiligen Nächten mit niemandem schläfst. Verkaufe sie indessen heimlich dem, der das meiste dafür zahlt; nimm dich aber wohl in acht, daß deine Liebhaber dich nicht über diesem Schwindel ertappen.

Pippa: Wenn ich die Steuer darauf bezahle, so ist das ja meine Sache.

Nanna: Nun eine hübsche kleine Sache: Von Zeit zu Zeit stell dich krank und bleib etwa zwei Tage im Bette liegen – und zwar weder ganz angezogen noch ganz ausgezogen. Man wird dir nicht nur Komplimente machen wie einer Dame, sondern es werden auch feine Weine, fette Kapaune und alle möglichen guten Sachen dir ganz von selbst ins Haus kommen, denn bei den Schelmenstücken dieser Art braucht man seine Zunge nicht, sondern gibt nur zarte Winke.

Pippa: Das ist so recht nach meinem Sinn, auf eine so einträgliche und stattliche Art zu faulenzen!

Nanna: Über den Preis der Freuden, die du verkaufen wirst, muß ich dich ganz besonders eingehend belehren, denn dieser Punkt ist von großer Wichtigkeit. Du mußt dabei pfiffig sein und die Verhältnisse des betreffenden Kunden in Betracht ziehen. Mach es so, daß du immer auf den Preis von ’nem Dutzend Dukaten aus bist, laß aber keinen aus dem Netz, der dir nur ein Paar oder gar nur ein halbes Paar gibt. Laß die hohen Preise ausposaunen und verheimliche die niedrigen. Wer dir nur einen Dukaten gibt, soll seine Sache verrichten und den Mund halten; wer dir zehn gibt, mag Pauken und Trompeten ertönen lassen. Wenn du deinen Monatsabschluß machst, sind all die heimlichen Einnahmen reiner Gewinn. Eine, die sich nicht hergibt, wenn sie nicht ihre zwanzig kriegt, ist wie ein Fenster mit Papierscheiben: Jeder kleine Windstoß macht es zuschanden … Aber da fällt mir ein hübscher Trick ein: Tochter, wenn du fetten Drosseln die Dohnen stellst und es kommt eine deiner Schlinge nahe, so verscheuche sie nicht durch Lärm, sondern halte den Atem an, bis sie drinhängt; sobald sie gefangen ist, rupf ihr den Steiß, sei sie lebendig, tot oder nur betäubt.

Pippa: Ich verstehe nicht.

Nanna: Ich sage dir, wenn dir einer in die Finger gerät, der der Mühe wert ist, mach mir den nicht kopfscheu, indem du verrückte Preise verlangst, sondern nimm, was er dir gibt; sobald er richtig fest auf dem Leim sitzt, zieh ihm das Fell ab, aber das ganze! Ein Gauner, der einen Spieler, der was zu verlieren hat, sicher machen will, läßt ihn zuerst ein paarmal gewinnen; nachher nimmt er ihm nach Belieben das Geld ab.

Pippa: So werd ich’s auch machen.

Nanna: Verliere niemals deine Zeit, Pippa. Geh durch dein Haus; tu ein paar Stiche mit der Nadel, des guten Aussehens wegen; gib deinen Vorhängen einen geschmackvollen Faltenwurf; singe ein Liedchen, das du zum Zeitvertreib auswendig gelernt hast; zupfe die Gitarre, rupfe die Laute; tu, als ob du im ›Furioso‹, im Petrarca, in den ›Cento‹ läsest – diese Bücher mußt du immer auf deinem Tisch liegen haben; stell dich ans Fenster hinter den Laden; geh wieder ins Zimmer; und denke, denke immer wieder ans Studium deines Hurenberufs. Und sollte es dir mal zuviel sein, überhaupt irgend etwas zu tun, so schließ dich in deine Kammer ein, nimm den Spiegel in die Hand und lerne vor ihm, kunstvoll zu erröten, ferner Gebärden, Manieren, Bewegungen beim Lachen und beim Weinen; übe dich darin, deine Augen niederzuschlagen und in den Schoß zu sehen und sie zur rechten Zeit wieder aufzuschlagen.

Pippa: Was das für feine Kniffe sind!

Nanna: Da fällt mir ein: Das Kauderwelsch, das unter Gaunern üblich ist – gewöhne es dir ja nicht an und höre nicht auf solche, die ihr Vergnügen daran haben, es zu sprechen. Denn du würdest notwendigerweise für eine von diesem Gelichter gehalten werden. Ich weiß wohl, was ich sage: Du brauchtest nur den Mund aufzutun, und jedermann würde mißtrauisch gegen dich werden. Ich gebe dir völlig freie Hand, selber Gaunereien auszuüben, sooft sich eine gute Gelegenheit bietet, natürlich nur an einem, den unser lieber Herrgott dir niemals wieder wird vor Augen kommen lassen – aber das Kauderwelsch erlaube ich dir unter keinen Umständen!

Pippa: Es genügt, daß Ihr mir den Wink gegeben habt.

Nanna: Wie du etwa begangene Schändlichkeiten durch Entschuldigungen und passende Antworten wiedergutmachen kannst, dafür gebe ich dir keine Anweisungen, denn deine Behutsamkeit tritt mir auf den Fuß und winkt mir zu, ich solle mich nicht damit abmühen, dir das zu sagen. Ich komme also ihrem Wunsche nach und sage dir nur soviel: Wenn du Lust hast, einen zu quälen, der dich liebt, so mach es so, daß er nicht soviel leidet, um sich schließlich an sein Leiden zu gewöhnen, wie jemand, der seit fünf oder sechs Jahren das Quartanfieber in seinem Leibe wohnen hat. Geh den Mittelweg und halte dich an Saraphinos Buch, worin es heißt:

Nicht gar zu harte Grausamkeit,
Nicht gar zu milde Gnadenhuld!
Die eine ist an Herzeleid,
An Überdruß die andre schuld.

Und wenn du auch mal einen wirklich recht gern hast, zeige dich niemals so verliebt in ihn, daß du ihm nicht jederzeit mit dem Hämmerchen der Eifersucht zwei Schläge auf den Amboß des Herzens versetzen könntest. Vor allem öffne deine Tür sperrangelweit jedem, der dir was bringt, und vernagle sie jedem, der dir nichts bringt. Und richte es so ein, daß der Geschenkespender es mit anhört, wie du dem, der dir nichts gibt, sagst: »Wenn nur der Soundso mir sein Wohlwollen erhält, so mach ich mir aus den anderen nichts.« Tu aber so, als ob du nichts davon wissest, daß er dich hören kann. Hast du jemand gekränkt, so komm ihm zuvor und sei du die erste, die sich gegen ihn erbost; denn wenn er von der Liebe unterjocht ist, wird er wegen deiner Verfehlungen maxima culpa rufen. Solltest du dagegen Zorn auf jemanden haben, so laß die Spannung eures Verhältnisses nicht zu lange dauern, damit du nicht riskierst, daß er dir gänzlich fortbleibt. Denn mit der Liebe ist’s wie mit einem gewissen gelinden Hungergefühl, das einem bleibt, wenn der Appetit nicht voll befriedigt worden ist; steht man aber vom Tische auf, so ist dieses Hungergefühl flugs verschwunden, und man würde um nichts auf der Welt noch einen Bissen essen.

Pippa: Das ist mir selber schon so ergangen.

Nanna: Habe ich schon vom Schwören gesprochen?

Pippa: Ja, aber Ihr habt Euch dabei widersprochen.

Nanna: Ich spreche und widerspreche mir, wie’s eben der Frauen Art ist, die ein und dieselbe Sache wohl gar zehnmal wiederholen – wie’s vielleicht auch mir gegangen ist.

Pippa: Ihr sagtet mir, ich solle weder bei Gott noch bei den Heiligen schwören; dann aber wieset Ihr mich an, wenn mir einer aus Eifersucht verböte, einen Freund zu empfangen, solle ich ihm einen Eid tun, daß ich unschuldig sei.

Nanna: Richtig! Schwören kannst du also, aber nicht fluchen. Denn Fluchen macht sich häßlich selbst bei einem Spieler, der alles bis auf das Herz im Leibe verloren hat, geschweige denn bei einer Frau, die immer gewinnt.

Pippa: Ich schweige also.

Nanna: Weise deine Zofe und deinen Lakai an, wenn sie mit deinen Liebhabern plaudern, während du in der Kammer bist, irgendwelche kleine Gelüste von dir im Gespräch zu erwähnen und etwa zu sagen: »Wollt Ihr die Signora zu Eurer Sklavin machen? da kauft ihr das und das – sie verschmachtet geradezu vor Lust danach.« Laß sie aber stets nur irgendwelche niedlichen Nichtigkeiten vorschlagen, wie zum Beispiel Vögelchen in vergoldeten Käfigen oder einen Papagei – einen von den grünen.

Pippa: Warum nicht einen grauen?

Nanna: Sind zu teuer. Auf diese Weise kannst du immer ein Profitchen haben. Ferner wirst du von Zeit zu Zeit bald von diesem, bald von jenem etwas leihen, was dir gerade gut scheint. Beeile dich nicht mit dem Zurückgeben, und wenn er’s nicht geradezu verlangt, gib’s ihm gar nicht. Denn der Mann, von dem du’s geliehen hast, schiebt es hinaus, davon mit dir zu sprechen, brummt bei sich selber über die Sache und wartet, du möchtest aus freiem Antrieb daraufkommen. Mittlerweile entwickelt sich bei vielen eine gewisse Großartigkeit, die sich schämt, von dir was zurückzuverlangen, wenn es sich zum Beispiel – sagen wir – um Kleider, ein Wams, ein Hemd oder was es sonst sein mag, handelt. Auf diese Weise bleiben dir gar oft hübsche Sächelchen als Gewinn.

Pippa: Den Kniff kannte ich noch nicht.

Nanna: Ich hab ihn eigens für dich herausgefischt … Nehmen wir an, wir stehen vierzehn Tage vor Sankt Martin; da veranstaltest du ein kleines Konsistorium von all deinen Liebhabern, nimmst mitten unter ihnen Platz, erweisest ihnen alle Liebenswürdigkeiten, die du verstehst und kannst, und sprichst zu ihnen, nachdem du sie mit deinen Redensarten gehörig eingeseift hast: »Ich schlage vor, daß wir den Bohnenkönig spielen und daß bis zum Karneval ein jeder von uns ein Essen gibt; ich selber werde den Anfang machen, aber unter der Bedingung, daß keine Torheiten getrieben werden, sondern daß wir uns nur auf anständige Weise die Zeit vertreiben.« Eine solche Anordnung macht viel Spaß und bringt dir einen ganz beträchtlichen Nutzen, weil dabei Profite von verschiedener Art abfallen. Zunächst wird das Essen, das bei dir stattfindet, aus ihren Börsen bezahlt werden; ferner ist der König verpflichtet, die Nacht, nachdem er seine Gasterei gegeben hat, bei dir zu schlafen; und diesen Beischlaf muß Seine Majestät notgedrungen wie ein König bezahlen. Andererseits werden die Abfälle und Überreste einer jeden dieser Mahlzeiten dir die Haushaltungsausgaben für eine ganze Woche ersparen; wenn du zu mausen verstehst, machst du einen schönen Gewinn an Öl, Holz, Wein, Kerzen, Salz, Brot, Essig. Wenn du gar im geheimen diese Schmuwaren an diesen oder jenen wieder verkaufen könntest, so tu’s; aber wenn es bekannt würde, so kämest du dadurch in einen Ruf, daß es nicht genug Seife geben würde, dir den Kopf rein zu waschen; darum ist es besser, es nicht zu riskieren.

Pippa: Oh! die Geschichte – ja, die ist nicht von Pappe!

Nanna: Was ich dir jetzt noch sage, daß sind ebensoviel Rubinen wie Worte, und gewiß – du kannst sie aufziehen wie eine Perlenschnur: Von Zeit zu Zeit laß dir von deiner Zofe einen Lutschfleck am Halse machen, oder auf einer Wange einen Biß, so daß man die Spuren der beiden Zahnreihen sieht. Da wird sich manchem Liebhaber das Herz im Leibe umdrehen, denn er wird denken, sein Nebenbuhler sei’s gewesen! Auch bringe am Tage dein Bett in Unordnung, mach dir die Haare zusselig und erscheine mit geröteten Wangen, wie wenn du dich sehr angestrengt hättest – doch dürfen die Wangen nicht zu rot sein. Du wirst sehen, der Liebhaber wird in seiner Eifersucht schnauben wie einer, der seine Frau auf dem Peccavisti ertappt.

Pippa: Ich hab es mir zu Herzen genommen.

Nanna: Und ich werde es mir als eine große Freude zu Herzen nehmen, wenn meine Worte in deinem Kopf Frucht tragen wie Korn, das auf das Feld gesäet ist. Wenn sie aber in den Wind geworfen sind, so wird mich das in Kummer und Verzweiflung bringen, und dein Ruin wird’s sein, denn in einer einzigen Woche wirst du alles verkäckern, was ich dir an Renten hinterlasse. Wenn du dich aber an meine Ratschläge hältst, dann wirst du die Gebeine, das Fleisch und die Asche deiner Mutter segnen und wirst sie im Tode noch lieben, wie du, glaube ich, sie bei Lebzeiten liebst.

Pippa: Das könnt Ihr gewiß und wahrhaftig glauben, Mama!

Nanna: Hier breche ich nun ab, und laß es dich nicht betrüben, wenn die Schale wertvoller erscheint als der Kern; gib dich damit zufrieden, daß ich dir jetzt nichts mehr sage.

Pippa: Was wolltet Ihr mir denn noch mehr sagen?!

Nach diesen Worten stand Mutter Nanna auf. Vom zu langen Sitzen waren ihr die Beine eingeschlafen. Sie gähnte und streckte sich und ging dann in die Küche. Und als das Abendessen aufgetragen war, konnte ihr gelehriges Töchterchen nur kleine Häppchen essen vor lauter Freude, daß sie nun selber ihren Laden aufmachen sollte. Sie sah wirklich aus wie ein Mädchen, dem der Vater versprochen hat, sie mit ihrem Liebsten zu verheiraten. Vor Freude und stolzem Selbstgefühl wäre sie beinahe aus der Haut gefahren. Da aber die eine müde war vom Sprechen und die andere vom Zuhören, so gingen sie bald zur Ruhe und legten sich in dasselbe Bett. Und am Morgen standen sie ganz frisch und munter auf und frühstückten, als es ihnen Zeit dünkte. Und als sie ihr Gespräch wieder aufnehmen wollten und die Nanna gerade den Mund auftat, um die schnöden Streiche zu besprechen, denen die Frauen sich aus Liebe zu den Männern aussetzen, da erzählte die Pippa ihrer Mutter einen schönen Traum, den sie gegen Morgen gehabt hatte.

  1. Das Konklave, von welchem Giovanni de Medici unter dem Namen Leo X. zum Papst gewählt wurde; am 11. März 1513.
  2. Dieser zweite Teil der Gespräche wurde zwei Jahre nach dem ersten veröffentlicht; auf den folgenden Seiten beschäftigt sich Aretino mit einigen Kritiken, die gegen sein Werk laut geworden waren.
  3. das heißt die Stelle, wo Freudenmädchen, ganz im Geist ihres Gewerbes, mit der größten Aussicht auf Erfolg sie anfassen können.
  4. bekannter römischer Bankier jener Zeit, der bei seinem Tode, im Jahre 1520, ein ungeheures Vermögen hinterließ.
  5. der Cavaliere da Legge, Conte da Santa Croce, einer von Aretinos Gönnern. Vgl. die Widmung dieses 2. Teiles.
  6. Gemeint ist, sie hatte keine Angst
  7. Ketzer und vom Teufel Besessene trugen bei den Exekutionen spitze Mützen aus Pergament, das mit allerlei Fratzen bemalt war; da diese Mützen Ähnlichkeit mit einer Mitra hatten, so nannte man die armen Sünder scherzhaft ›Bischöfe‹.
  8. eine jetzt ziemlich veraltete, zu jener Zeit aber viel gebrauchte sprichwörtliche Redensart, um einen besonders hoffärtigen Menschen zu bezeichnen. Der Ausdruck hat mit dem Secento (17. Jahrhundert) nichts zu tun, sondern rührt von einem berühmten Berberpferd her, das in vielen Rennen gesiegt hatte und Seicento genannt wurde, weil der Kaufpreis 600 Gulden betragen hatte.
  9. Eine Abkochung von Guajakholz – darum auch Franzosenholz genannt – war zu jener Zeit das Hauptmittel gegen Syphilis.
  10. das heißt die Regel – Marchese genannt, weil sie die Wäsche ›markiert‹.
  11. Meister Troiano: Bischof von Troja ›in partibus‹, Sarapica und Accursio waren Großwürdenträger der Kirche unter Clemens VII. Nanna macht sie einfach zu Päpsten.
  12. eine italienische Redensart, um zu bezeichnen, daß jemand sich um Einflüsterungen und dergleichen nicht bekümmert.