Ein Student verliebt sich in eine Witwe, welche einen andern Liebhaber hat und ihn im Winter eine ganze Nacht im Schnee zappeln läßt. Dafür bringt er es durch List dahin, daß sie mitten im Sommer einen ganzen Tag auf einem hohen Turme nackend zubringen muß, wo sie den Wespen und Bremsen und der Sonne ausgesetzt ist.

Vor nicht gar langen Jahren. befand sich in Florenz eine junge Dame namens Elena, die sehr schön von Gestalt, stolz von Gemüt, von sehr edler Herkunft und mit Glücksgütern reichlich begabt war. Sie war durch den Tod ihres Mannes Witwe geworden und hatte nicht Lust, sich wieder zu verheiraten, sondern unterhielt mit Hilfe einer vertrauten Magd ein Liebesverhältnis mit einem schönen, liebenswürdigen jungen Mann, den sie sich auserwählte, und da sie sonst keine Sorgen hatte, so suchte sie nur, sich mit ihm die Zeit wonnesam zu vertreiben. Ein junger Edelmann, namens Rinieri, der einige Jahre in Paris studiert hatte, nicht etwa in der Absicht, seine Gelehrsamkeit im kleinen wieder auszukramen, wie so viele es tun, sondern um sich selbst vom Wesen aller Dinge und ihrer Ursachen Rechenschaft zu geben, wie es einem wahrhaft adligen Mann wohl ansteht, kam um diese Zeit nach Florenz zurück, wo er sowohl wegen seines Adels als auch wegen seiner Wissenschaft in großen Ehren unter seinen Mitbürgern lebte.

So wie es sich aber oft zuträgt, daß die, die in den Lauf der Welt tiefe Einsicht haben, sich von der Liebe am ersten berücken lassen, so ging es auch diesem Rinieri. Denn als er einst zum Zeitvertreib einem öffentlichen Fest beiwohnte, fiel ihm Elena in ihren schwarzen Witwenkleidern so ausbündig schön und liebenswürdig in die Augen, wie er noch keine glaubte gesehen zu haben, und er schätzte den über alles glücklich, den Gott würdigte, ihn so viel Schönheit nackt umarmen zu lassen. Mehr als einmal musterten seine Augen ihre Reize, und da er wußte, daß ein großes und seltenes Kleinod nicht ohne viel Mühe erworben wird, so nahm er sich vor, es weder an Fleiß noch an Aufmerksamkeit fehlen zu lassen, um ihr zu gefallen und sich dadurch ihre Liebe und in der Folge ihren Besitz zu erwerben. Die junge Dame, die ihre Augen nicht an die Erde zu heften pflegte, sondern soviel von sich hielt und noch mehr wohl, als sie wert war, und ihre Blicke fleißig, jedoch mit aller Behutsamkeit umherwandern ließ, ward es bald gewahr, wenn jemand sie mit Wohlgefallen betrachtete, und Rinieri entging ihrem Scharfblicke nicht. Sie lachte heimlich und dachte: »Heute bin ich gewiß nicht umsonst gekommen, und wenn ich mich nicht irre, so habe ich einem Zeisig das Netz über den Kopf geworfen.« Sie ermunterte ihn deswegen durch verstohlene Blicke um ihn glauben zu machen, daß er ihr nicht gleichgültig wäre; denn sie meinte, je mehr Männer sie in ihr Garn ziehe, um desto mehr würde der Wert ihrer Schönheit erhöht, zumal in den Augen des Mannes, dem sie alles mit ihrer Liebe geschenkt hatte.

Der gelehrte Schüler der Weisheit dagegen vergaß seine ganze Philosophie und richtete alle seine Gedanken nur auf die Schöne. Sobald er ihre Wohnung erfahren hatte, ging er beständig unter allerlei Vorwand an ihrem Hause vorbei, in der Hoffnung, ihr zu gefallen.

Die Dame, die ihre Eitelkeit dadurch geschmeichelt fand, stellte sich, als ob sie ihn gern sähe. Der junge Gelehrte fand einen Weg, die Bekanntschaft ihrer Magd zu machen, und bat sie, ihm die Gunst ihrer Gebieterin zu verschaffen. Das Mädchen war nicht sparsam mit ihren Versprechungen und hinterbrachte alles ihrer Dame, die ihn herzlich auslachte und zu ihrer Magd sagte: »Siehst du, wie dieser um seine Weisheit kommt, die er aus Paris mitgebracht hat? Schon gut, wir wollen ihm so aufspielen, wie er Lust hat zu tanzen. Wenn er dich wieder anspricht, so sage ihm, daß ich ihn zwar nicht weniger liebe als er mich, daß ich aber meinen guten Namen in acht nehmen muß, um mich vor anderen Frauen mit freier Stirn zeigen zu können, und daß er mich deswegen, wenn er so weise ist, wie man sagt, desto höher schätzen muß.«

Armes Weib! Armes Weib! Sie wußte nicht, wie gefährlich es ist, gerade mit einem Schüler der Weisheit anzubinden.

Die Magd richtete den Auftrag ihrer Dame aus, sobald sie ihn antraf. Der Student war froh darüber, er ward von Stund‘ an immer dringlicher in seinen Bitten, schrieb Briefe und sandte Geschenke. Alles ward angenommen; allein es erfolgte nichts weiter darauf als lauter unbestimmte Antworten, und die Dame hielt ihn auf diese Weise eine lange Zeit mit leeren Hoffnungen hin. Endlich, nachdem sie ihrem Liebhaber alles gesagt und bisweilen darüber einen kleinen Zank mit ihm gehabt und auch wohl einige Spuren von Eifersucht bei ihm bemerkt hatte, wollte sie diesem einen Beweis geben, wie wenig Ursache er zu seinem Verdacht hätte. Als demnach der Student noch ferner in sie drang, ließ sie ihm durch ihre Magd sagen, sie hätte seit seiner Liebeserklärung noch keine Gelegenheit gehabt, seine Wünsche zu erfüllen, sie hoffe aber, in der Weihnachtswoche einmal mit ihm zusammen sein zu können. Er möchte also am Abend nach dem ersten Feiertage, sobald es dunkel würde, in ihren Hof kommen und da warten, so würde sie ihn, sobald sie nur könne, zu sich ins Haus lassen. Rinieri war darüber seliger als je ein Mensch; er ging zur bestimmten Zeit nach dem Hause der Dame, ward von ihrer Magd in einen Hof gelassen und dort eingeschlossen, um seine Dame zu erwarten. Elena hatte inzwischen diesen Abend ihren Liebhaber zu sich eingeladen, und nachdem sie mit ihm fröhlich zu Nacht gegessen hatte, erzählte sie ihm, was sie die Nacht vorhabe und sprach zu ihm: »Jetzt sollst du sehen, wie lieb mir der ist, auf den du törichterweise eifersüchtig bist.« — Es war ein kalter Winterabend und es hatte des Tages vorher stark geschneit, und alles war mit Schnee bedeckt, so daß der Schüler der Weisheit im Hof, von einem Bein auf das andere tretend, bald anfing, es kälter zu finden als ihm lieb war; doch ließ ihn die Hoffnung, sich bald wieder zu erwärmen, die Kälte mit Geduld ertragen. Der Liebhaber vernahm diese Worte mit lebhafter Freude und war begierig, das ins Werk gesetzt zu sehen, was die Dame ihm mit Worten versprochen hatte. Eine Weile darauf sagte die Dame zu ihrem Liebhaber: »Komm mit mir in die Kammer ans Fenster; wir wollen sehen, was der macht, auf den du eifersüchtig bist, und was er der Magd antwortet, die ich hingeschickt habe, mit ihm zu sprechen.« Sie führte ihn darauf an ein kleines Guckloch, wo sie Rinieri sehen konnten, ohne von ihm bemerkt zu werden, und sie hörten, daß die Magd an einem andern Fenster zu ihm sprach: »Rinieri, es tut meiner Frau außerordentlich leid, daß einer von ihren Brüdern diesen Abend unerwartet zu ihr gekommen und nach einer langen Unterredung bei ihr zum Essen geblieben ist. Ich hoffe aber, er wird bald weggehen, und dann wird sie dich einlassen. Sie bittet dich, dir die Zeit nicht lang werden zu lassen.«

Der Schüler der Weisheit, der alles für Wahrheit hielt, gab ihr zur Antwort: »Sage deiner Gebieterin, daß sie sich meinetwegen keinen Kummer machen soll, bis sie gelegene Zeit hat, mich einzulassen; ich will jedoch hoffen, daß es bald geschehen wird.«

Die Magd schlug das Fenster zu und ging zu Bett. Die Dame aber sagte zu ihrem Liebhaber: »Was meinst du? Glaubst du, wenn ich ihn liebte, wie du argwöhnst, ich würde ihn da unten in der Kälte stehen und frieren lassen?« Darauf ging sie mit ihrem Geliebten, der sich schon beruhigt hatte, zu Bett, und sie verbrachten den größten Teil der Nacht zu gegenseitiger Freude und Wonne, des armen Schülers der Weisheit lachend und spottend. Dieser lief indes im Hofe auf und ab und rührte sich heftig, um sich zu erwärmen, da er nirgends weder einen Sitz noch ein Obdach fand. Er fluchte auf den langweiligen Bruder, und bei jedem Geräusche, das er hörte, meinte er, daß die Dame die Tür öffne, um ihn einzulassen. Er hoffte umsonst. Nachdem sie sich bis nach Mitternacht mit ihrem Liebhaber vergnügt hatte sagte sie zu ihm: »Was dünkt dich, geliebte Seele, von unserem Schüler der Weisheit? Was dünkt dich größer, sein Verstand oder die Liebe, die ich für ihn hege? Wird der Frost, den ich ihn ausstehen lasse, aus deiner Brust das verscheuchen, was durch meine Scherzworte neulich hineingedrungen ist?« Der Liebhaber antwortete: »Herz meines Lebens! Ich sehe nun ein, daß du mein Kleinod, mein Frieden, meine Wonne und all meine Hoffnung bist, wie ich die deinige.« »Nun,« sagte die Dame, »so küsse mich tausendmal, damit ich sehe, ob du die Wahrheit sprichst.«

Der Geliebte schloß sie fest in seine Arme und küßte sie nicht tausend-, sondern wohl hunderttausendmal. Als sie sich einige Zeit auf diese Art unterhalten hatten, sagte die Dame: »Laß uns aufstehen und nachsehen, ob das Feuer, in dem mein neuer Liebhaber immerfort brennt, wie er mir schrieb, ein wenig heruntergebrannt ist.« Sie standen auf, traten an das erwähnte Fenster und blickten in den Hof hinab. Dort sahen sie den Scholaren im Schnee nach dem Takt seines eigenen, von der Kälte hervorgerufenen Zähneklapperns herumhopsen und herumtanzen, und zwar so hoch und so schnell und hin und her, daß sie sich nicht erinnerten, dergleichen schon gesehen zu haben. Darauf sagte die Dame: »Nun, was sagst du nun, meine holde Hoffnung? Glaubst du jetzt, daß ich die Männer ohne Trompete und Sackpfeife tanzen lassen kann?« Der Liebhaber erwiderte lachend: »Meine einzige Wonne; ja, ich glaube es.« Die Dame meinte: »Komm, wir gehen hinunter bis zur Tür. Du hältst dich im Hintergrund ganz still, während ich mit ihm rede. Wir werden ja hören, was er zu sagen hat. Das wird uns nicht weniger Spaß machen, als wir schon gehabt haben, da wir ihm zusahen.« Sie öffneten ganz leise das Zimmer und traten an die Tür. Und ohne sie zu öffnen, rief ihn die Dame durch eine Ritze mit leiser Stimme. Als der Scholar sich beim Namen genannt hörte, lobte er Gott, indem er endlich eingelassen zu werden hoffte. Er trat an die Tür und sagte: »Hier bin ich, Madonna; öffnet um Gottes willen die Tür, denn ich sterbe vor Kälte!«

»Ei, ja doch!« sprach sie. »Du bist mir auch so frostig, als wenn’s so grimmig kalt wäre, weil ein wenig Schnee gefallen ist. Weiß ich etwa nicht, daß es in Paris noch viel kälter ist? Ich kann dich noch nicht einlassen, weil mein verdammter Bruder, der gestern zum Abendessen kam, noch nicht von der Stelle weicht. Er wird jedoch nun wohl bald gehen, und dann will ich dich gleich einlassen. Ich habe mich kaum einen Augenblick von ihm wegschleichen können, um dir Mut einzusprechen, damit dich das Warten nicht verdrießt.«

»Ach Madonna!« seufzte der Ritter der Weisheit. »Öffnet mir um Gottes willen die Tür, daß ich nur unter Dach komme; denn es hat seit kurzem wieder angefangen heftig zu schneien, und es schneit noch immerfort. Ich will hernach gern warten, solange es Euch gefällt.«

»Ach, mein Liebster!« antwortete sie. »Ich kann nicht aufmachen; denn die Tür knarrt so sehr, daß mein Bruder es hören würde, wenn ich sie öffnete; ich will aber hingehen und ihn fortzuschicken suchen, damit ich wiederkommen und dich einlassen kann.«

»So geht denn«, sprach Rinieri, »und macht’s nur bald und sorgt, ich bitte, für ein gutes Feuer, damit ich mich wieder erwärmen kann, denn der Frost hat meine Glieder schon ganz betäubt.«

»Das kann nicht sein,« sprach sie, »wenn es wahr ist, was du mir so oft geschrieben hast, daß du vor Liebe zu mir ganz entbrannt bist. Ich glaube gewiß, du scherzest mit mir. Ich gehe; habe nur Geduld.«

Damit ging sie fort und wieder ins Bett und brachte den übrigen Teil der Nacht damit zu, daß sie mit ihrem Liebhaber, der ihr Gespräch angehört und sich daran ergötzt hatte, fast ohne zu schlafen in Wonne beisammen war und sich über den armen Schüler der Weisheit lustig machte.

Rinieri, der mit den Zähnen klapperte wie ein Storch, ward endlich gewahr, daß man ihn zum besten hatte. Vergebens machte er mehr als einmal den Versuch, die Tür zu öffnen; vergebens suchte er irgendeinen anderen Ausweg, um zu entkommen. Bald trabte er auf und ab wie ein Löwe in seinem Käfig, bald fluchte er auf das böse Wetter, auf das boshafte Weib, auf die lange Dauer der Nacht, nicht zuletzt auf seine eigene Torheit. Heftig ergrimmt über die Dame, wandelte sich die lange und brünstige Liebe, die er zu ihr gehegt, in inbrünstigen, grausamen Haß, und er sann über mehrere wirksame Mittel nach, seine Rache zu befriedigen, die ihn jetzt weit wilder entflammte als zuvor die Sehnsucht, mit ihr zusammen zu sein. Zuletzt, nach endlosem Warten, wich die langwierige Nacht dem anbrechenden Tage, und der Morgen fing an zu dämmern. Die Magd ging nunmehr auf Befehl ihrer Frau hinunter, öffnete den Hof und heuchelte Mitleid mit ihm: »Der Henker soll ihn holen, der uns gestern die Suppe versalzen hat. Die ganze Nacht hat er uns geplagt und geplackt, und du bist seinetwegen halb erfroren. Laß es dich aber nicht verdrießen. Einmal ist keinmal, was gestern nacht nicht war, kann noch werden. So viel weiß ich: nichts Unangenehmeres hätte der Madonna passieren können als dies.«

Rinieri war bei all seinem Zorn klug genug, um zu bedenken, daß man durch Drohungen dem Bedrohten nur Waffen leiht. Er verschloß seinen heftigen Unwillen, so gern er ihn auch wild hinausgeschrien hätte, und sagte mit anscheinender Gelassenheit und halbgebrochener Stimme: »Ich habe in der Tat eine sehr böse Nacht gehabt; allein ich bin überzeugt, daß deine Dame daran nicht schuld ist; denn sie selbst ist mitleidig heruntergekommen, sich bei mir zu entschuldigen und mir Trost zuzusprechen; und wie du sagst: was diese Nacht nicht hat sein können, das wird ein andermal geschehen. Grüße deine Dame und sei Gott befohlen!«

Er kroch hierauf, an allen Gliedern gelähmt, so gut er konnte, nach Hause und warf sich ganz ermattet auf sein Bett, um sich durch ein wenig Schlaf zu erquicken; doch als er erwachte, hatte er den Gebrauch seiner Hände und Füße fast gänzlich verloren. Er schickte augenblicklich nach einem Arzt, berichtete, welchen Frost er ausgestanden, und bat ihn, seine Gesundheit wiederherzustellen. Der Arzt wandte ohne Verzug die kräftigsten Mittel an, um seinen Nerven wieder Spannkraft und Geschmeidigkeit zu verschaffen; dennoch ging eine geraume Zeit damit hin, und wenn ihm nicht seine Jugend und die Wiederkehr der warmen Witterung zustatten gekommen wären, so würde er nicht so leicht davongekommen sein. Als er wiederhergestellt war, behielt er den Groll im Herzen und stellte sich dabei äußerlich mehr als je in die schöne Witwe verliebt. Nach einiger Zeit verschaffte ihm aber der Zufall eine erwünschte Gelegenheit, sich zu rächen: Der Jüngling, in den Elena so sehr verliebt war, vergaß die große Anhänglichkeit, die sie ihm erwiesen hatte, verliebte sich in eine andere Frau, vernachlässigte seine vorige Gebieterin gänzlich und verursachte ihr dadurch den bittersten Kummer. Ihre Magd, die Mitleid mit ihr hatte und nicht wußte, wie sie ihre Frau über den schmerzlichen Verlust ihres Liebhabers trösten sollte, kam auf einen törichten Einfall, als sie Rinieri, seiner Gewohnheit nach, noch immer durch die Straße gehen sah. Sie meinte nämlich, daß der Liebhaber ihrer Frau wohl durch schwarze Magie könne zurückgebracht werden, und daß der Schüler der Weisheit wahrscheinlich auch in dieser Kunst ein großer Meister sei. Sie trug dieses ihrer Frau vor, und Elena war so einfältig, ihren Vorschlag gutzufinden, ohne daran zu denken, daß Rinieri, wenn er ein Schwarzkünstler gewesen wäre, seine Kunst wohl für sich selbst würde gebraucht haben. Sie empfahl demnach sogleich ihrer Magd, sich bei ihm zu erkundigen, ob er ihr behilflich sein wolle, und ihm zu versprechen, daß sie unter dieser Bedingung ihm stets zu Willen sein würde. Die Magd ermangelte nicht, alles aufs fleißigste auszurichten.

Rinieri war sehr erfreut über den Antrag und dankte dem Schicksal, daß es ihm die Gelegenheit an die Hand gab, sich an der boshaften Witwe für die Kränkung zu rächen, womit sie seine zärtliche Liebe vergolten hatte. Er sprach zu der Magd: »Sage deiner Frau, sie solle sich keine Sorge machen; denn selbst wenn ihr Liebhaber in Indien wäre, so würde ich es zustande bringen, daß er sich augenblicklich stellen und ihr alles abbitten sollte, was er ihr zuwider getan hat. Was sie aber zu diesem Endzweck beobachten muß, das will ich ihr selbst sagen, wann und wo sie es mir befiehlt. Sage ihr das zum Trost in meinem Namen.«

Die Magd überbrachte seine Antwort ihrer Frau, die Rinieri nach Santa Lucia del Patro bestellte. Sie trafen sich hier, und sie entdeckte ihm unter vier Augen, ohne sich daran zu erinnern, daß sie ihn einst an den Rand des Grabes gebracht hatte, ihr ganzes Geheimnis, was sie von ihm verlange, und bat ihn um Hilfe in ihrer Not. Rinieri antwortete: »Madonna, ich habe mich zwar wirklich in Paris unter anderen Dingen auch auf die schwarze Kunst gelegt, und ich weiß in der Tat mit allem Bescheid, was sie nur zu lehren vermag. Weil ich sie aber für eine höchst sündige Sache halte, so war ich fest entschlossen, weder für mich selbst noch für andere jemals Gebrauch davon zu machen. Allein meine Liebe zu Euch ist freilich so groß, daß ich nicht weiß, wie ich Euch etwas abschlagen könnte, und ich bin bereit zu tun, was Ihr begehrt, wenn ich mir auch die höllische Verdammnis damit zuziehen sollte. Aber soviel muß ich Euch vorher sagen, daß die Sache zugleich ihre großen Schwierigkeiten hat, was Ihr vielleicht nicht glaubt, zumal wenn eine Frau ihren Liebhaber oder ein Mann seine Geliebte wiedergewinnen will; denn alsdann kann kein anderer die Handlung verrichten als die Person selbst, die die Sache angeht, und wer sie unternimmt, muß unerschrockenen Mutes sein, weil sie zur Nachtzeit und an einem einsamen Ort, und ohne daß noch jemand dabei ist, geschehen muß. Ich weiß nicht, wieviel Ihr Euch in dieser Hinsicht zutraut.«

Die Dame, die mehr verliebt als verständig war, gab ihm zur Antwort: »Die Liebe treibt mich so mächtig, daß mir nichts in der Welt zu schwer werden kann, wodurch ich hoffen darf, den wiederzugewinnen, der mich wider Recht und Anstand verlassen hat. Doch sage mir bitte auf jeden Fall, bei welcher Gelegenheit ich meine Unerschrockenheit beweisen muß.«

Der Schüler der Weisheit, dem der Teufel im Nacken saß, sagte: »Madonna, ich werde ein Bild aus Zinn gießen, und das soll den darstellen, den Ihr wiederzugewinnen trachtet. Mit diesem müßt Ihr, sobald ich es Euch geschickt habe, kurz vor Neumond siebenmal nackt in nächtlicher Einsamkeit im fließenden Wasser baden und hernach, so nackt wie Ihr seid, auf einen hohen Baum oder auf ein hohes unbewohntes Gebäude steigen und mit dem Bild in der Hand, das Gesicht nach Norden gekehrt, siebenmal gewisse Worte sprechen, die ich Euch aufschreiben will. Sobald Ihr diese gesagt habt, werden Euch zwei wunderschöne Jungfrauen erscheinen, die Euch freundlich grüßen und Euch fragen werden, was Ihr begehrt. Diesen müßt Ihr deutlich und umständlich Eure Wünsche erklären und Euch in acht nehmen, daß Ihr nicht meinen Namen statt des anderen nennt. Wenn Ihr ihnen alles gesagt habt, so werden sie verschwinden, und Ihr könnt wieder hinuntersteigen, Euch ankleiden und nach Hause gehen. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß Euer Liebhaber, ehe es wieder Mitternacht wird, in Tränen aufgelöst zu Euch kommen, Euch um Gnade und Barmherzigkeit bitten und Euch nie wieder untreu werden wird.«

Die Dame glaubte alles, was er sagte; sie dachte schon ihren Liebhaber wieder in ihren Armen zu halten und gab erfreut zur Antwort: »Ich versichere Euch, daß ich alles genau erfüllen werde, und ich habe dazu die beste Gelegenheit; denn ich habe ein Gut in der Gegend des oberen Arnotales, welches dicht am Ufer des Flusses liegt; und da es jetzt Juli ist, so ist das Baden eine Lust. Nicht weit vom Ufer steht auch, wie ich mich erinnere, ein kleiner, verfallener Turm, dessen sich nur noch die Hirten bisweilen bedienen und mit einer Leiter von Kastanienholz, die dort angelehnt steht, hinaufsteigen, um sich auf dem Dache nach ihren verirrten Tieren umzusehen. Dieser Turm liegt einsam genug, und ich will ihn besteigen, um das zu verrichten, was Ihr mir vorschreibt.«

Rinieri kannte das Gut der Dame und den kleinen Turm sehr wohl, den sie ihm beschrieb; er gab ihr jedoch, als er merkte, daß sie in seine Schlinge fiel, zur Antwort: »Madonna, ich kenne weder Euer Gut noch den Turm; wenn aber alles so gelegen ist, wie Ihr sagt, so könnt ihr keinen bequemeren Ort wählen. Ich will Euch zu gehöriger Zeit das Bild und die Worte der Beschwörung schicken; allein, ich verlasse mich fest darauf, daß Ihr mich und das mir gegebene Versprechen nicht vergeßt, wenn die Erfüllung Eurer Wünsche Euch überzeugt, daß ich Euch gut gedient habe.«

Sie versprach ihm, treulich Wort zu halten, worauf sie Abschied von ihm nahm und nach Hause ging.

Rinieri, erfreut, daß sein Plan in Erfüllung zu gehen versprach, ließ das Bild mit dem Zauberzeichen machen, schrieb ein selbsterdachtes Geschwätz statt einer Beschwörung auf und schickte es Elena, als es ihm Zeit schien, indem er ihr zugleich empfahl, am folgenden Abend unfehlbar alles zur Ausführung zu bringen, was er ihr gesagt hatte. Er begab sich hierauf in der Stille mit einem seiner Bedienten nach dem Hause eines Freundes, das nahe bei dem kleinen Turm gelegen war, um seinen Entwurf auszuführen.

Elena machte sich mit ihrer Magd gleichfalls auf den Weg nach ihrem Gut. Als der Abend kam, stellte sie sich, als ob sie zu Bett ging und schickte ihre Magd zur Ruhe. Um die Zeit des ersten Schlafes schlich sie an das Arnoufer, nahe bei dem Turm, und nachdem sie sich umgesehen und gehorcht hatte und allein zu sein glaubte, entkleidete sie sich, verbarg ihre Kleider in einem Busch und badete sich siebenmal in dem Strome mit dem Bilde, worauf sie sich, das Bild in der Hand, nackt nach dem Turm begab.

Rinieri hatte sich bei anbrechender Nacht mit seinem Diener nahe bei dem Turm unter Weidengesträuch und anderem Gestrüpp versteckt und alles mit angesehen. Als das schöne Weib an ihm so nackt vorbeiging, als der blendende Schnee ihres Körpers die Schatten der Nacht um sie her zerstreute, und als er den bezaubernden Busen und das liebliche Ebenmaß ihrer Glieder betrachtete und bedachte, wie alle diese Schönheit in wenigen Stunden würde verwandelt werden, fühlte er sich fast zum Mitleid bewogen. Zu gleicher Zeit überkam ihn die Begierde des Fleisches und weckte jemand, der bisher geschlafen hatte, so daß er aufstand, und es reizte ihn mächtig, hervorzuspringen, sich der schönen Beute zu bemächtigen und seine Lust an ihr zu kühlen. Fast hätte er sich von dem einen oder andern überwinden lassen; allein plötzlich besann er sich, wer er wäre und welche Schmach er erduldet hätte und warum und von wem. Seine Rachsucht siegte über das Mitleid und über die fleischliche Begierde; er blieb standhaft und ließ sie vorübergehen. Die Schöne stieg die Leiter hinan, wandte sich oben auf dem Turme gegen Norden und begann die Worte der Beschwörung herzuleiern, die ihr der Schüler der Weisheit gegeben hatte. Unterdessen schlich dieser hinter ihr in den Turm, nahm leise die Leiter weg, die nach dem Dache des Turmes führte, und wartete ab, was sie sagen und wie sie sich gebärden würde. Nachdem sie siebenmal ihre Beschwörung hergesagt hatte, fing sie an, auf die beiden Jungfrauen zu harren. Diese ließen aber solange auf sich warten, bis sie anfing, es kühler zu finden als ihr behagte, und bis zuletzt die Morgenröte darüber anbrach. Es verdroß sie, daß das Versprechen des Schülers der Weisheit nicht in Erfüllung ging, und sie dachte bei sich: Ich fürchte, er hat mir eben eine solche Nacht verursachen wollen als ich ihm, allein wenn dieses seine Absicht gewesen ist, so hat er sich nicht recht auf seine Rache verstanden; denn er hat gewiß dreimal so lange zappeln und ganz anders vor Frost aushalten müssen als ich.

Damit nun der helle Tag sie nicht an diesem Ort überrasche, wollte sie wieder vom Turm hinuntersteigen. Allein wie groß war ihr Entsetzen, als sie die Leiter vermißte. Sie glaubte, die Welt wäre unter ihren Füßen geschwunden, und ohnmächtig sank sie auf dem Dach des Turmes nieder. Als sie wieder zur Besinnung kam, fing sie an, laut zu weinen und zu jammern, denn sie merkte nun wohl, daß Rinieri alles mit Fleiß so angestiftet hatte, und sie bedauerte, ihn erst beleidigt und sich hernachdem zu sehr anvertraut zu haben, den sie mit Recht für ihren Feind halten mußte. Lange wehklagte sie so. Umsonst suchte sie Mittel und Wege, sich hinunterzuhelfen; sie fand sie nicht und begann von neuem zu weinen, und ein bitterer Gedanke bemächtigte sich ihrer, als sie zu sich selbst sagte: Ich Unglückselige! Was werden meine Brüder und Verwandten, was werden meine Nachbarn und alle Einwohner in Florenz von mir sagen, wenn sie hören, daß man mich hier nackt auf diesem Turm gefunden hat? Man wird gewahr werden, daß meine Ehrbarkeit, die man für so bewährt gehalten hat, nur eine Scheintugend war; und wenn ich auch ein Märchen zu ersinnen wüßte, um diesen Vorfall zu bemänteln, so würde der verwünschte Scholar meine Lüge nicht gelten lassen. Wie elend bin ich, daß ich zu gleicher Zeit den zu meinem Unheil von mir Geliebten und meine Ehre eingebüßt habe!

Der Schmerz überwältigte sie so sehr, daß sie in Versuchung geriet, sich vom Turm hinabzustürzen. Unterdessen war die Sonne völlig aufgegangen, und indem sich Elena ein wenig dem Rande des Daches näherte, um zu sehen, ob sie nicht irgendwo einen Hirtenknaben mit seiner Herde gewahr würde, den sie nach ihrer Magd schicken könnte, erwachte Rinieri, der unter einem Strauch geschlafen hatte, und sie wurden zu gleicher Zeit einander gewahr. »Ei, guten Morgen, Madonna«, sprach Rinieri. »Sind die Jungfrauen noch nicht gekommen?«

Als sie ihn sah und hörte, fing sie von neuem bitterlich zu weinen an und bat ihn, in den Turm zu kommen, damit sie mit ihm sprechen könne, und er hatte die Gefälligkeit, ihr zu willfahren. Sie legte sich flach auf das Dach nieder, streckte nur den Kopf über den Rand hervor und sprach mit bitteren Tränen: »Rinieri, wenn ich dir einst eine böse Nacht verursacht habe, so hast du dich wahrlich genug dafür an mir gerächt; denn obgleich es Juli ist, so habe ich doch in meiner Nacktheit diese Nacht Kälte genug ausgestanden, und ich habe meine Treulosigkeit gegen dich und die blinde Leichtgläubigkeit, womit ich mich dir nachher anvertraute, bereits so sehr beweint, daß es ein Wunder ist, wenn ich noch meine Augen behalten habe. Ich bitte dich, nicht aus Liebe zu mir, die du nicht lieben darfst, sondern aus Liebe zu dir selbst, der du ein Edelmann bist, laß dir die Rache genügen, die du für die empfangene Beleidigung bis jetzt an mir geübt hast, und schicke mir meine Kleider, damit ich wieder hinunterkommen kann. Raube mir nicht das, was du mir später nie wiedergeben kannst, auch wenn du es wolltest, meine Ehre; und wenn ich dich um die eine Nacht gebracht habe, die ich dir versprochen hatte, so bedenke, daß ich sie dir gern mehr als einmal wieder einbringen will. Begnüge dich, als ein Biedermann, mit dem Geschehenen und mit der Betrachtung, daß die Rache in deiner Macht stand, und daß du mich davon fühlbar überzeugt hast, aber suche nicht, deine ganze Übermacht gegen ein schwaches Weib zu gebrauchen. Es bringt dem Adler keinen Ruhm, über eine Taube obzusiegen. Um Gottes willen und um deiner eigenen Ehre willen, habe Erbarmen mit mir!«

Mit hartem Herzen erwog Rinieri die Beleidigung, die er empfangen hatte. Als er das Jammern und Flehen sah, fühlte er in seinem Herzen zugleich Lust und Schmerz. Lust über die Rache, die er mehr als sonst etwas ersehnt hatte, Schmerz, da seine Menschlichkeit ihn zum Mitleid mit der Unglücklichen bewegte. Doch siegte die grausame Lust der Rache, nach welcher ihn dürstete, über sein menschliches Gefühl. »Madonna Elena,« sprach er, »wenn meine Bitten, die ich zwar nicht so wie du in Tränen zu baden und mit Schmeicheleien zu versüßen wußte, dich in jener Nacht, als ich in deinem überschneiten Hof vor Kälte erstarrte, hätten bewegen können, mir nur ein wenig Obdach zu gewähren, so könnte ich dir vielleicht jetzt willfahren. Liegt dir jedoch deine Ehre jetzt ebensosehr oder noch mehr am Herzen wie damals, und fällt es dir so schwer, da oben nackt zu verweilen, so wende deine flehentlichen Bitten an den, in dessen Armen du jene Nacht nackt zubrachtest, ohne daß es dir damals schwer fiel und ohne dich meiner zu erbarmen, als ich in deinem Hof im Schnee herumtrabte, daß mir die Zähne klapperten. Ihn, für den du deine Ehre so oft aufs Spiel gesetzt hast, ihn bitte, daß er sie jetzt beschütze, daß er dir die Kleider reiche und dir die Leiter ansetze, um dich herunterzulassen. Warum rufst du ihn nicht, daß er komme und dir beistehe? Wem geziemt dieses mehr als ihm? Du gehörst ihm zu; wen in aller Welt wird er schützen, wem wird er beistehen, wenn du es nicht bist? Rufe ihn, Närrin! Und sieh zu, ob seine Liebe und seine und deine Klugheit dich aus den Händen des Dummen erretten können, dessen du spottetest, als du jenen liebkosend fragtest, was größer wäre, meine Dummheit oder deine Liebe zu ihm. Biete mir das nicht als Preis an, was für mich keinen Wert mehr hat und was du mir nicht verweigern könntest, wenn ich es forderte. Spare deine Nächte für deinen Liebhaber, wofern du lebendig von hier entrinnst, und widme sie deinem und seinem Vergnügen. Ich habe an einer Nacht schon zuviel gehabt, und es ist mir genug, daß man mich einmal zum Narren gehalten hat. Noch immer redest du listig daher; du meinst wohl, indem du mich lobst und mich einen Edelmann und Biedermann nennst, dich bei mir wieder einzuschmeicheln, und suchst nur, mich dadurch zu bewegen, dich aus Großmut für deine Bosheit nicht zu strafen; aber deine Schmeicheleien sollen mir die Augen des Verstandes nicht wieder blenden, wie einst deine trügerischen Versprechungen. Ich kenne mich selbst, und ich habe während der ganzen Zeit in Paris mich nicht so gut kennengelernt, als ich dich in einer einzigen Nacht habe kennenlernen. Gesetzt aber, ich wollte mich großmütig zeigen, so bist du nicht die, an welcher ich Ursache hätte, meine Großmut zu beweisen. Wilde Tiere, zu welchen du gehörst, muß man quälen und seine Rache an ihnen sättigen bis in den Tod, und nur bei Menschen soll man ihr solche Schranken setzen, wie du sagtest. Ich bin zwar kein Adler, allein ich habe auch erfahren, daß du keine Taube bist, sondern eine giftige Schlange, und deswegen will ich dich wie ein erbitterter Feind mit Grimm und mit Härte verfolgen; obgleich alles, was ich dich empfinden lasse, noch nicht eigentlich Rache, sondern nur Züchtigung genannt zu werden verdient, indem die Rache die Beleidigung übertrifft, was hier nicht der Fall ist. Denn wenn ich mich an dir rächen wollte nach Maßgabe der Gefahr, in welche du mein Leben gebracht hast, so wäre meine Rachgier nur schlecht befriedigt, wenn ich dir und Hunderten deinesgleichen das Leben raubte; denn ich wurde an dir nur ein boshaftes und nichtswürdiges schuldiges Weib opfern, und was bist du denn im Grunde mehr, dein glattes Gesicht abgerechnet, das die Runzeln in einigen Jahren zerfurchen werden, als irgendeine kümmerliche Magd. An dir hat es nicht gelegen, daß du nicht einen braven Biedermann, wie du mich jetzt eben genannt hast, ums Leben brachtest, mit dem der Welt an einem Tage mehr gedient ist als mit hunderttausend deinesgleichen, solange sie steht? Lerne denn von mir durch das, was du leidest, was es auf sich hat, über Leute zu spotten, die einige Einsicht haben, besonders über Schüler der Weisheit, und wenn du davonkommst, so laß es dir eine Warnung sein, nicht mehr dergleichen Torheiten zu begehen. Bist du aber so sehr eilig, herunterzukommen, so springe herab und brich mit Gottes Hilfe den Hals, dann bist du auf einmal von aller Qual befreit. Mir wird es nicht leid, sondern überaus angenehm sein. Und so sage ich dir zum Schluß: Ich habe Mittel gefunden, dich dort hinaufzuschicken; suche du jetzt Mittel, wieder herunterzukommen, so wie du verstandest, meiner zu spotten.«

Indem Rinieri dieses sprach, tat das arme Weib nichts, als Tränen vergießen. Die Zeit rückte vor, und die Sonne stieg immer höher. Als er schwieg, erwiderte sie schluchzend: »Ach, Grausamer! Wenn jene unselige Nacht dir so sehr am Herzen liegt, und wenn dir mein Verbrechen so schwer scheint, daß weder meine Jugend und meine Schönheit noch meine Tränen und Bitten dich zum Mitleid bewegen können, so laß doch dies eine dich einigermaßen rühren und deinen strengen Zorn entwaffnen, daß ich selbst mich dir anvertraute, dir alle meine Geheimnisse entdeckte und dir das Mittel in die Hände gab, mich mein Vergehen so schwer empfinden zu lassen. Denn wenn ich nicht so große Zuversicht zu dir gehabt hätte, so wäre es nimmer in deiner Macht gewesen, die Rache, wonach du dich so sehr scheinst gesehnt zu haben, an mir auszuüben. Ich bitte dich, laß deinen Zorn fahren und verzeihe mir. Ich bin bereit, wenn du mir vergeben und mich hinunter lassen willst, jenem untreuen Jüngling gänzlich zu entsagen und dich allein als meinen Geliebten und Gebieter zu erkennen. So sehr du auch meiner Schönheit spottest und sie als gering und vergänglich herabwürdigst, so bietet sie doch, ohne mich mit anderen Frauen zu vergleichen, meiner Überzeugung nach Sehnsucht, Lust und Wonne genug für einen jungen Mann, und du bist kein Greis. Und so grausam du mir auch immer begegnest, so kann ich doch nicht glauben, daß du mir einen so schmählichen Tod gönnest, daß ich mich hier vor deinen Augen hinunterstürzen sollte, da ich dir doch sonst, wenn du mir nicht geheuchelt hast, so sehr gefiel. Ach, erbarme dich doch meiner um Gottes willen und aus Mitleid. Die Sonne fängt an heiß zu glühen, und wie mich die Kälte in der Nacht gequält hat, so beginnt die Hitze mir jetzt sehr beschwerlich zu werden.«

Rinieri, der seine Schadenfreude daran hatte, sie mit Worten hinzuhalten, antwortete: »Madonna, du hast mir dein Vertrauen diesmal nicht aus Liebe zu mir geschenkt, sondern um den wiederzubekommen, den du verloren hast, und du kannst demnach nichts anderes damit von mir verdienen, als noch größere Strafe. Du irrst auch sehr, wenn du meinst, daß mir nur dieser Weg offen stand, um mich an dir nach Herzenslust zu rächen. Ich hatte tausend andere. Ich hatte dir unter dem Deckmantel meiner Liebe wohl tausend Fallstricke gelegt, und wenn mir dieser Streich nicht gelungen wäre, so hättest du dich doch bald in einer anderen Falle fangen müssen und in keine hättest du geraten können, die dir nicht noch weit mehr Schmerz und Schande gebracht hätte als diese, die ich indessen wahrlich nicht gewählt habe, um dich leichter davonkommen zu lassen, sondern nur, um desto eher meiner Rache froh zu werden. Und wären auch alle meine Entwürfe gescheitert, so wäre mir noch meine Feder geblieben, mit welcher ich solche Dinge und in einem solchen Tone von dir würde geschrieben haben, daß du tausendmal hättest wünschen sollen, nie geboren zu sein, wenn sie dir zu Ohren gekommen wären; und dafür hätte ich schon gesorgt. Die Macht der Feder ist unendlich größer, als die wähnen, die ihre Wirkung nicht selber erfahren haben. Ich schwöre dir bei Gott, so wahr ich hoffe, meine Rache, die so hübsch begonnen, ganz an dir zu sättigen, man sollte Dinge von dir gelesen haben, daß du dich nicht nur vor anderen Leuten, sondern vor dir selbst hättest schämen und dir die Augen auskratzen sollen, um nur nie dein Gesicht wiederzusehen. Laß also den Bach nicht zum Meere sagen: ich habe dich angeschwellt. Ich habe dir schon gesagt, daß ich mir aus deiner Liebe und aus deinem Besitze nichts mache. Schenke dich, wenn du kannst, dem wieder, dem du angehört hast. Ehemals war er mir zuwider, doch jetzt bin ich ihm gut wegen seines Betragens gegen dich. Ihr Weiber liebt die jungen Bürschchen und sucht, von ihnen geliebt zu werden, weil sie rotwangiger und schwarzbärtiger sind, aufrecht einhergehen und rüstig sind zum Tanz und zum Turnier. Das alles haben ältere Leute auch gekonnt, und was diese vergessen haben, das müssen jene noch erst lernen. Ihr glaubt auch wohl, daß sie bessere Reiter sind und mehr Meilen im Tag zurücklegen als Männer von reiferen Jahren. Ich gebe offen zu, daß sie den Pelz mit größerer Kraft auszuklopfen wissen, aber die älteren wissen als erfahrene Leute besser, wo die Flöhe sitzen. Wenig und gut ist besser als viel und schlecht. Ein starker Trab ermattet und nimmt jeden Reiter mit, er sei noch so jung. Dahingegen führt ein sanfter Paßgang, wenn auch viel langsamer, so doch angenehmer zur Herberge. Ihr einfältigen Dinger wißt nicht wieviel Böses unter der glatten Außenseite verborgen ist. Die jungen Leute begnügen sich nicht mit einer Liebschaft, sondern sie begehren so viele, als sie sehen, und glauben auf soviel Anspruch machen zu können, daß die Beständigkeit unmöglich eine Begleiterin ihrer Liebe sein kann; davon lieferst du selbst ein lebendiges Beispiel. Sie meinen auch, ihre Damen müßten ihnen immer mit Schmeicheleien und Liebkosungen zuvorkommen, und suchen eine Ehre darin, mit den Gunstbezeigungen derer zu prahlen, die sie gehabt haben. Durch dieses Laster haben sie sie schon oft den Mönchen zugetrieben, welche wenigstens nichts ausplaudern. Du denkst zwar, niemand habe von deinem Liebeshandel etwas gewußt außer deiner Magd und mir, dem du alles gestanden hast; allein du bist übel berichtet und irrst dich sehr, wenn du dieses glaubst. In deiner Straße und in der Straße deines Geliebten wird fast von nichts anderem gesprochen; aber gemeiniglich ist der, den die Sache am nächsten angeht, der letzte der etwas davon erfährt. Überdies plündern euch die jungen Leute, und die älteren bringen euch Geschenke. Du bist eine von denen, die übel gewählt haben; halte dich jetzt an deinen Erwählten und überlasse mich, den du verschmäht hast, einer anderen. Ich habe ein Weib gefunden, welches mir viel schätzbarer ist und mich auch besser zu würdigen weiß als du. Und damit du von dem, was meine Augen heiß ersehnen, eine bessere Erkenntnis in die andere Welt mithinübernimmst, als du aus meinen Worten zu schließen scheinst, so stürze dich nur endlich herab. Deine Seele, die, wie ich glaube, der Teufel schon in seinen Krallen hält, wird sehen können, ob meine Augen, als sie dich kopfüber stürzen sahen, feucht wurden oder nicht. Doch solche Freude wirst du mir nicht bereiten wollen. Fängt die Sonne jetzt an, dich zu stechen, so vergiß den Frost nicht, den du mich hast ausstehen lassen. Die Erinnerung daran wird hinreichend sein, die Hitze, wenn du sie mit jenem Frost mischst, abzukühlen, welche der brennende Sonnenstrahl dir verursacht.«

Als die arme geängstigte Elena fand, daß alle Reden des Rinieri auf neue Grausamkeiten abzielten, fing sie abermals an zu weinen und sagte: »Weil denn nichts, was sich auf mich selbst bezieht, dich bewegen kann, Mitleid mit mir zu haben, so laß dich wenigstens bei deiner Liebe zu der beschwören, von welcher du sagst, daß du sie verständiger als mich gefunden hast, und daß du von ihr geliebt wirst. Verzeihe mir um ihretwillen, reiche mir meine Kleider, um mich zu bedecken, und hilf mir von hier hinab.«

Rinieri lachte, und weil er sah, daß die dritte Morgenstunde schon vorüber war, so sprach er: »Wohlan, du beschwörst mich bei einer solchen Dame, daß ich dir nicht nein sagen kann. Sage mir nur, wo deine Kleider sind, damit ich sie dir bringe und dich erlöse.«

Die Worte verschafften ihr ein wenig Trost, weil sie sie glaubte, sie sagte ihm, wo sie ihre Kleider gelassen hatte, und Rinieri entfernte sich, indem er seinem Diener befahl, nicht wegzugehen, in der Nähe zu bleiben und niemand zu ihr zu lassen, bis er wiederkäme. Er ging indessen hin und frühstückte in aller Ruhe bei seinem Freunde in der Nähe und legte sich dann, als es ihm Zeit schien, zum Mittagsschlaf nieder. Elena, durch die törichte Hoffnung ihrer nahen Erlösung einigermaßen aufgerichtet, wenngleich sie noch immer sehr traurig war, setzte sich an der Seite des Turmes nieder, wo ihr die Mauer noch ein wenig Schatten gewährte. Bald saß sie tiefsinnig, bald weinte sie, bald hoffte sie, bald wollte sie über das lange Ausbleiben des Rinieri mit ihren Kleidern verzweifeln. So sprang sie von dem einen zum anderen Gedanken über, bis sie vor Schmerz und Müdigkeit, weil sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, einschlummerte. Doch bald stieg die Sonne glühend und brennend bis in den Zenith und traf der Schutzlosen unbedecktes Haupt und zarten feinen Leib mit solcher Kraft, daß ihr nicht nur das Fleisch, so weit sie es erreichte, verbrannte, sondern daß es allenthalben riß und aufsprang. Und der Sonnenbrand war so stark, daß er sie aus dem tiefsten Schlafe weckte. Da sie den Brand fühlte und sich ein wenig bewegte, schien es ihr, als bräche die ganze versengte Haut auf und reiße in Fetzen, wie wir es bei verbranntem Pergament sehen, wenn man es zieht. Überdies tat ihr der Kopf zum Zerspringen weh, was nicht verwunderlich war. Auch war der Boden des Estrichs so glühend heiß, daß sie nicht wußte, wohin mit den Füßen, und weder stehend noch in anderer Stellung Ruhe fand, weshalb sie weinend hin und her taumelte, ohne irgendwo bleiben zu können. Bei der völligen Windstille fanden sich auch Fliegen und Bremsen in ganzen Schwärmen ein, die sich auf das blutende Fleisch setzten und sie wie mit Dolchstichen stachen, weshalb sie immer mit den Händen um sich schlagen mußte, während sie dabei ihr Dasein, ihren Geliebten und den Schüler der Weisheit verfluchte. Von der unerträglichen Hitze, dem Sonnenbrand, den Fliegen und Mücken, von Hunger und noch mehr von Durst, dazu von tausend quälenden Gedanken gepeinigt, gemartert und durchwühlt, richtete sie sich auf, Ausschau zu halten, ob nicht jemand in der Nähe sie sehe oder höre, und sie war entschlossen, es möchte kosten, was es wolle, um Hilfe zu rufen. Doch auch dies versagte ihr das feindliche Geschick. Wegen der Hitze war kein Ackersmann auf dem Felde zu sehen, niemand war zur Feldarbeit dort in der Nähe an diesem Tage gekommen, und die meisten waren auch wohl schon auf ihren Tennen mit dem Dreschen beschäftigt. Sie hörte nichts als das Geschrei der Zikaden. Zu ihren Füßen sah sie den Arno; allein der Anblick seines Wassers konnte ihren Durst nicht löschen, vielmehr diente er nur ihn zu vermehren, so wie die Wälder, Büsche und Häuser: welche sie um sich her erblickte, sie nur noch schmerzlicher empfinden ließen, daß sie umsonst nach dem kleinsten Schatten schmachten mußte. Was soll man noch mehr von der unglücklichen Frau erzählen? Oben brannte die Sonne, unten glühte der Estrich. Von allen Seiten stachen die Fliegen und Bremsen. Alles das hatte sie so übel zugerichtet, daß sie, die mit der Weiße ihrer Haut die Dunkelheit der vergangenen Nacht durchstrahlt hatte, jetzt wie die Räude, rot und mit Blut besudelt, jedem, der sie so gesehen, wie das häßlichste Geschöpf von der Welt vorgekommen wäre. Rat- und hoffnungslos erwartete sie eher den Tod als etwas anderes. Die zweite Stunde des Nachmittags war halb vorbei, als der Scholar aufwachte, sich der Dame erinnerte und, um zu sehen, was aus ihr geworden, zum Turm zurückkehrte. Er schickte seinen Diener, der noch nichts genossen hatte, nach Hause zum Essen. Als Elena ihn vernahm, kam sie an die Falltür setzte sich nieder und sprach weinend mit schwacher und gebrochener Stimme: »Rinieri, du hast dich über alle Maßen gerächt. Wenn ich dich einst in meinem Hofe frieren ließ, so hast du mich auf diesem Turm nicht nur braten, sondern gar verbrennen und vor Hunger und Durst verschmachten lassen. Ich bitte dich bei Gott, komm herauf und gib mir den Tod, den ich nicht das Herz habe, mir selbst zu geben, und den ich mir jetzt über alles wünsche; so groß ist die Qual, die ich dulde. Oder wenn du mir diese Gnade nicht erweisen willst, so verschaffe mir zum wenigsten einen Trunk Wasser um meine Lippen zu benetzen, weil meine Tränen bei der Trockenheit und Glut, die mich immer verzehrt, dazu nicht hinreichen.«

»Böses Weib!« erwiderte Rinieri. »Von meiner Hand sollst du nicht sterben. Bist du des Lebens überdrüssig, so töte dich selbst. Wasser sollst du von mir so viel zur Linderung deines Durstes bekommen, wie du mir Feuer gegeben hast, um der Kälte zu widerstehen. Fast ärgert es mich, da ich meine durch Kälte erstarrten Nerven mit heißem stinkenden Mist habe herstellen müssen, daß dir deine wenigen Brandblasen mit wohlriechendem kühlen Rosenwasser sollen geheilt werden; ich bin in Gefahr gewesen, den Gebrauch meiner Glieder und mein Leben zu verlieren, du hingegen wirst deine versengte Haut abschälen und deine Schönheit erneuert sehen, wie die Schlange.«

»Ach, ich Elende!« seufzte Elena. »Um einen solchen Preis möge meine ärgste Feindin ihre Schönheit erkaufen! Aber sage mir du, der du grausamer als irgendein reißendes Tier mit mir umgehst, wie ist es dir möglich, mich auf solche Art zu martern? Wahrlich, ich wüßte nicht, wie man noch grausamer gegen mich verfahren könnte, wenn ich dich und dein ganzes Geschlecht zu Tode gefoltert und gemartert oder verbrecherisch eine ganze Stadt mit Mord und Totschlag angefüllt hätte, da du mich hast von der Sonne braten und von den Fliegen auffressen lassen. Und bei all diesen Martern versagst du mir einen Tropfen Wasser, da man doch dem zu Recht verurteilten Mörder, der zum Tode geführt wird, wohl einen Becher Wein zu reichen pflegt, wenn er ihn fordert. Doch weil ich sehe, daß du bei deiner Grausamkeit beharrst, und daß meine Qualen nicht vermögen, dich im geringsten zu bewegen, so will ich mich geduldig zum Tode vorbereiten, damit der Himmel Erbarmen mit meiner Seele habe. Ihm will ich es anheimstellen, deine Handlung mit gerechtem Auge anzusehen.«

Mit diesen Worten schleppte sie sich schmerzvoll auf die Mitte des Daches und gab alle Hoffnung auf, der glühenden Hitze lebend zu entrinnen. Und nicht einmal, tausendmal meinte sie, vor Durst den Verstand zu verlieren, von ihren anderen Schmerzen abgesehen, die sie ebenfalls bejammerte und beklagte. Es wurde jetzt auch schon Abend; Rinieri glaubte weit genug gegangen zu sein und wollte seine Rache nicht aufs äußerste treiben. Er ließ seinen Diener ihre Kleider holen, hüllte sie in seinen Mantel und ging nach ihrem Hause. Hier fand er die Magd ganz trostlos, ratlos und betrübt vor der Tür sitzen. »Mädchen, was macht deine Frau?« fragte er sie. »Ach, Herr, ich weiß es nicht«, gab sie zur Antwort. »Ich meinte sie diesen Morgen im Bett, wo sie sich in meiner Gegenwart gestern abend niederlegte, zu finden; allein sie war weder dort noch sonst irgendwo zu sehen, und ich weiß nicht, wohin sie geraten ist, und bin äußerst bekümmert um sie. Aber vielleicht wißt Ihr es, mein Herr?«

»Ich wünschte,« sprach Rinieri, »daß ich dich nur auch da gehabt hätte, wo sie bis jetzt gewesen ist, um dich mit ihr zugleich für deine Schuld zu strafen; aber du sollst mir wahrlich auch nicht entgehen, bis du dermaßen für deine Schelmstücke gebüßt hast, daß du nie wieder jemand zum Narren haben wirst, ohne an mich zu denken.« Und zu seinem Diener sagte er: »Da, gib ihr die Kleider und sage ihr, sie soll zu ihrer Herrin gehn, wenn sie will.« Der Diener tat wie ihm geheißen. Die Magd griff nach den Kleidern, erkannte sie, und als sie hörte, was ihr gesagt wurde, glaubte sie nicht anders, als daß er ihre Frau erschlagen hätte, und kaum enthielt sie sich, laut zu schreien. Rinieri ging fort, und sie eilte mit den Kleidern verweinten Auges nach dem Turm. Zufälligerweise hatte ein Sauhirt der Dame ein paar von seinen Schweinen verloren und ging auch nach dem kleinen Turm, um sich nach ihnen umzusehen, bald nach dem Weggang des Gelehrten. Als er sich umsah, ob er seine Schweine nicht sähe, hörte er das Wehklagen der armen Frau, stieg empor und rief mit lauter Stimme: »Wer jammert dort oben?«

Elena kannte die Stimme ihres Hirten, nannte ihn bei seinem Namen und bat ihn, schleunigst ihre Magd zu rufen.

Der Hirt erkannte nun auch sie und fragte: »Madonna, wer hat Euch denn da hinaufgebracht? Euer Mädchen sucht Euch schon den ganzen Tag. Wer hätte Euch da oben vermutet!« Er nahm die Stangen der Leiter, begann sie aufzurichten, wie sie stehen müssen, und die Querstäbe mit Bast festzubinden. Indes kam die Magd schon gegangen, trat in den Turm und rief händeringend und laut klagend: »Ach, meine liebe Frau, wo seid Ihr?« »Ach, meine Schwester! Ich bin hier oben«, rief Elena, so laut sie konnte. »Weine nicht, sondern eile nur und bringe mir meine Kleider.«

Sobald das Mädchen sie sprechen hörte, stieg sie halb getröstet die Leiter hinauf, die der Hirt schon beinah wieder repariert hatte, und kam, von ihm geschoben auf den Estrich. Hier fand sie ihre Dame, kaum als menschlichen Körper, eher als verkohlten Holzstrunk, wieder. Ganz erschöpft, entstellt und nackt lag sie auf dem Boden. Da fuhr sich die Magd mit den Nägeln ins Gesicht und jammerte über sie nicht anders als ob sie tot wäre. Elena bat sie, um Gottes willen zu schweigen und sie ankleiden zu helfen. Als sie von ihr hörte, daß niemand wüßte, wo sie wäre, als Rinieri, die Magd und der Hirte, beruhigte sie sich einigermaßen und bat den Hirten, sich gegen niemand etwas merken zu lassen. Da sie zu schwach war, die Leiter hinabzusteigen, so nahm der Hirt sie nach vielem Hin und Her auf den Rücken und trug sie hinunter bis vor den Turm. Indem die Magd ihr folgen wollte, stieg sie die Leiter unvorsichtig hinab und tat einen Fehltritt, stürzte hinunter und zerbrach sich ein Hüftbein, worüber sie vor Schmerz brüllte wie eine Löwin. Der Hirt setzte die Dame auf einen Rasenfleck nieder und eilte zu sehen, was der Magd fehle; und als er ihr Bein gebrochen fand, half er ihr und legte sie neben ihre Dame auf den Rasen. Für Elena war der Unfall, der ihre Magd betroffen hatte, um desto schmerzlicher, je mehr sie jetzt ihrer Hilfe bedurfte, und sie weinte über das neue Unglück, das zu all dem alten kam, so bitterlich, daß auch dem Hirten, der sie zu trösten versuchte, die Tränen in die Augen traten.

Die Sonne stand schon tief. Um sie nicht von der Nacht überraschen zu lassen, ging er auf Wunsch der untröstlichen Frau in sein Haus, rief zwei seiner Brüder und sein Weib, und diese kehrten mit einer Tragbahre dahin zurück, worauf sie die Magd legten und nach Hause trugen. Die Dame labte er mit frischem Wasser und tröstlichen Worten, nahm sie auf die Schulter und trug sie in ihr Zimmer. Das Bauernweib gab ihr aufgeweichtes Brot zu essen, kleidete sie aus und brachte sie ins Bett. Nun trugen sie Sorge, daß sie und die Magd in der Nacht nach Florenz geschafft wurden, was geschah. Die Dame hatte Witz genug, ein Märchen zu erfinden, was sich von dem, was wirklich geschehen war, sehr unterschied. Sie machte ihren Brüdern, Schwestern und jedermann weis, sie und ihre Magd seien nur durch Teufelsspuk in diese verwünschte Lage gekommen. Die Ärzte waren bemüht, was nicht ohne Angst und Schmerzen abging, die Dame zu heilen, deren Haut mehrmals am Bettuch kleben blieb, und die von einem heftigen Fieber und anderen Übelkeiten befallen wurde. Die Magd genas von ihrem Beinbruch. Über all diesem vergaß die Dame ihren Geliebten und nahm sich in der Folge in acht vor Possenspielen und vor Liebeshändeln. Der Scholar glaubte, daß seiner Rache Genüge getan sei, zumal er von dem Beinbruch der Magd hörte, und ließ es dabei bewenden, ohne weiter darüber zu reden. So erging es also der törichten Frau, als sie einen Schüler der Weisheit um einen x-beliebigen zum Narren halten wollte, wo doch die Scholaren, wenn auch nicht alle, aber die meisten wohl wissen, wo des Teufels Schwanz heraussieht. Deshalb hütet euch, liebe Mädchen, jemand zum Narren zu haben — besonders einen Scholaren.