Wie das Weib eines Maultiertreibers der Königin von Navarra zwar kläglich, doch in Züchten starb.

»Zu Amboise lebte einst ein Maultiertreiber, der bei der Königin von Navarra, der Schwester des Königs Franz, seines Namens der erste, in Diensten stand. Die Königin war damals gerade zu Blois mit einem Sohn niedergekommen, und dorthin machte sich der Treiber zu ihr auf, um seinen Lohn abzuholen, derweile sein Weib in ihrer Wohnung jenseits der Brücken verblieb.

Nun ward diese von einem Knechte ihres Mannes bis zur Verzweiflung geliebt, und eines Tages hatte dieser nicht mehr vermocht an sich zu halten und ihr von seinen Gefühlen gesprochen. Doch sie war eine durchaus ehrbare Frau: scharf wies sie ihn zurück und bedrohte ihn gar, sie wolle ihn von ihrem Mann züchtigen und fortjagen lassen, also daß er nicht mehr wagte, ihr mit dergleichen Worten zu nahen. Doch barg er die Glut wohl verwahrt in seinem Herzen, bis so eines Tages sein Herr die Stadt verließ. Als nun einmal auch seine Herrin zur Messe außer dem Hause war und er also allein verblieb, überkam ihn der Gedanke, durch Gewalt zu erlangen, was ihm trotz Flehen und Ergebenheit unerreichbar blieb. So brach er aus der Wand, die das Zimmer seiner Herrin von seiner Schlafkammer trennte, eine Bohle aus.

Maßen sowohl von dem Bette seiner Herrin und ihres Mannes als dem des Knechtes ein Vorhang niederhing und so die beiden Seiten der Wand bedeckt waren, vermochte man die entstandene Öffnung nicht zu gewahren, und also blieb seine Bosheit unbemerkt, bis seine Herrin mit einer jungen zwölfjährigen Magd sich schlafen legte. Das arme Weib lag kaum im ersten Schlaf, da schlüpfte der Knecht durch die Öffnung und legte sich, nur mit einem Hemd bekleidet und einen bloßen Degen in der Faust neben sie ins Bett. Doch nicht sobald hatte sie ihn verspürt, so schnellte sie vom Lager und überhäufte ihn mit all‘ den Vorwürfen, die sich einer ehrsamen Frau zu rechte geziemen. Doch seine Liebe glich viehischer Brunft. Eher hätte er wohl der Maulesel Sprache begriffen, denn ihre ziemlichen Vorstellungen. Und viehischer noch zeigte er sich, als die Tiere, mit denen er so lange zu tun gehabt hatte: denn als er inne ward, daß sie so schnell um einen Tisch herumlief, daß er sie nicht erhaschen konnte, und daß sie obendrein stark war und zweimal sich von ihm frei zu machen vermochte – da gab er die Hoffnung auf, sie jemals lebend zu besitzen, und versetzte ihr einen gewaltigen Degenstich in die Seite. Und er vermeinte, der Schmerz werde erzwingen, was Angst und Gewalt nicht erreicht hatten.

Aber es kam umgekehrt. Gleichwie ein wackerer Fechter nur hitziger kämpft, um Rache zu üben und die Ehre zu retten, dafern er sein Blut spritzen sah – also gab ihres Herzens Keuschheit dem armen Weibe die doppelte Kraft, zu laufen und jenem Elenden zu entschlüpfen. Und unterdes machte sie ihm ohn‘ Ermatten Vorstellungen, um ihn zur Einsicht zu bringen. Doch in ihm loderte wilde Glut und er war allem Zuspruch taub. Er versetzte ihr noch etliche Degenstiche, und sie hinwiederum lief, um ihnen zu entgehen, so schnell als ihre Beine sie tragen konnten. Und da sie endlich den Tod nahen fühlte, weil sie all ihr Blut verloren hatte, hob sie ihre Augen zum Himmel empor, faltete ihre Hände und empfahl Gott ihre Seele. Ihn nannte sie ihre Kraft, Tugend, Ausdauer und Keuschheit und flehte ihn an, ihr Blut gnädig anzunehmen, da sie es seinem Gebote getreu vergossen habe und voll Demut vor seinem göttlichen Sohne, der, so glaube sie fest, mit dem seinen alle Sünden vor dem göttlichen Zorne abgewaschen und getilgt habe. Und mit den Worten: ›Herr, nimm meine Seele zu Dir, die durch deine Gnade erlöset wurde.‹ sank sie auf ihr Gericht zur Erde nieder. Dort versetzte ihr der Elende noch manchen Hieb, und als sie stille wurde und alle Kraft ihrem Körper entflohen war, da raubte ihr der Bösewicht, was sie nicht mehr zu verteidigen vermochte. Alsbald aber, nachdem er seine freventliche Begierde gestillt hatte, entfloh er in Hast, und trotz aller Nachforschungen konnte er fürder nimmermehr gefunden werden.

Das Mägdlein, das bei der Frau gelegen hatte, war derweile vor Angst unter die Bettstatt gekrochen. Als sie merkte, daß der Mann fort war, eilte sie zu ihrer Herrin, und als sie diese so stumm und regungslos liegen sah, rief sie durchs Fenster die Nachbarsleute um Hilfe herbei. Die mochten die Frau wohl und schätzten sie mehr, denn manch andere Frau in der Stadt. So kamen sie ohne Zaudern herbei und brachten auch sogleich Wundärzte mit. Die fanden fünfundzwanzig tödliche Stichwunden an diesem Körper, und all ihr Mühen, der Frau zu helfen, blieb fruchtlos.

Immerhin blieb sie noch eine Stunde am Leben, wenngleich sie nicht mehr zu sprechen vermochte. Doch bedeutete sie durch Zeichen mit ihren Augen und Händen, daß sie noch bei Bewußtsein war. Als sie ein Geistlicher nach ihrem Glaubensbekenntnis befragte, gab sie durch untrügliche Zeichen, wie die Sprache sie nicht deutlicher hätte geben können, zu verstehen: ihre Zuversicht ruhe in Jesu Christo, den sie in seiner Herrlichkeit zu erblicken erhoffe. Und so überlieferte sie fröhlichen Angesichts und mit himmelwärts gerichtetem Blicke ihren keuschen Leib der Erde, ihre Seele aber ihrem Schöpfer.

Da sie nun aufgehoben und eingesargt war, und da ihre Leiche vor der Tür stund, um das Totengeleite zu erwarten, kam ihr armer Mann herbei und erblickte also die irdischen Reste seines toten Weibes, bevor er von ihrem Hinscheiden vernommen hatte. Und als er gar die Umstände erfuhr, ward seine traurige Verzweiflung verdoppelt, also daß er schier sein Leben ließ.

So ward dies Opfer seiner Keuschheit in der Kirche Saint-Florentin beigesetzt und keine ehrbare Frau der Stadt verfehlte, ihr die letzten Ehren zu erweisen, maßen sich alle glücklich schätzten, zu einer Stadt zu gehören, die eine so tugendsame Frau ihr eigen nennen konnte. Und als die Dirnen und leichtfertigen Weiber inne wurden, welche Ehren man ihrem Leichnam erwies, da entschlossen sie sich, ihren Lebenswandel zum Besseren zu wenden.

Das, meine Damen, ist gewiß eine wahrhafte Geschichte, die unsere Herzen auf dem Wege der Keuschheit und Tugend zu stützen vermag. Sollten wir Frauen edler Abkunft nicht vor Scham vergehen, wenn wir in uns jene Weltlust verspüren, der jenes arme Weib entgehen wollte und darum lieber solch grausamen Tod erlitt? Wahrlich, Gottes Gnade wird nicht durch Adel oder Reichtum erworben, sondern durch gottgefälliges Leben. Oft wählt der Herr den Niedriggeborenen, um die zu beschämen, so die Welt für hochstehend und ehrwürdig erachtet.«

In der ganzen Gesellschaft gab es wohl keine Dame, der nicht aus Mitgefühl mit dem kläglichen und doch so heldenmütigen Tode des armen Weibes eine Träne im Auge blinkte. Und jegliche bedachte wohl bei sich, daß sie im gleichen Falle schwerlich diesem Beispiele gefolgt wäre. Da nun die Frau Oisille wahrnahm, wie die Zeit unter Lobessprüchen auf die also Dahingeschiedene verstrich, wandte sie sich an Saffredant: »Wenn Ihr nicht schnell durch einen lustigen Scherz die Gesellschaft zum Lachen bringt, dann wird keine hier meinen Fehler verzeihen, daß ich sie zu Tränen gerührt habe. Drum gebe ich Euch das Wort.«

Gern hätte Saffredant etwas Gefälliges erzählt, das den Damen, und zumal einer, von Herzen behagt hätte. Doch erklärte er, man täte unrecht, ihn zu wählen. Ältere und Erfahrenere müßten zuerst sprechen. Doch sei das Los nun einmal auf ihn gefallen, so wolle er sich lieber beeilen, seine Aufgabe zu erledigen; denn je mehr gute Erzählungen vor ihm gehört würden, um so mehr würde die seine abfallen.