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976. Nacht

„Was ist Dein Begehr?“, fragte hierauf der
König von Bagdad, „denn, bei Gott, Deinen Worten kann man schwer
widerstehen.“ – „Ich wünsche,“ sprach Asys, „dass Du Deine
Tochter Maria meinem Sohn Abbaas zur Frau geben möchtest, denn Dir ist bekannt,
wie schön, verständig und tapfer er ist.“ – Da antwortete der König von
Bagdad: „O König, bei Gott, aus Liebe zu meiner Tochter Maria habe ich ihr
völlig freie Wahl gelassen. Wen sie also vorziehen wird, der soll ihr Gatte
werden.“ Er begab sich hierauf selbst zu Maria, bei welcher er ihre Mutter
antraf und erzählte beiden, was ihm angetragen worden war. „Da sprach
Maria: „O! Mein Vater, mein Wille steht dem Deinigen nach. Deinem Befehl zu
folgen, ist mein Wunsch, wen Du auswählen wirst, den werde ich auch
wählen.“ Aus dieser Antwort schloss der König, dass sie den Abbaas
wünschte. Deshalb ging er sogleich zum König Asys zurück und sprach zu ihm:
„Gott möge Deine Angelegenheiten zum Besten leiten. Dein Wunsch ist
erfüllt.“ Hierauf erwiderte der König Asys: „Gott ist es, der alle
Angelegenheiten zum Besten wendet. Meinst du nicht,“ fügte er dann hinzu,
„dass wir den Abbaas herrufen und die Verbindung mit Maria sogleich
beschließen?“ – „Dein Wille ist der meinige,“ erwiderte der
König Asys und schickte sogleich nach seinem Sohn, und ließ ihn von dem
Vorgefallenen benachrichtigen.

Abbaas befahl sogleich, dass vierundzwanzig Lasttiere,
zehn der besten Pferde, nebst kostbaren Stoffen ihm gebracht würden, diese
ließ er in Seide einpacken, und gab sie den Lastträgern zu tragen. Die
Lasttiere aber ließ er mit seidenen Stoffen, Wohlgerüchen und Teppichen
beladen, und auf Kamele ließ er Kisten mit goldenen und silbernen
Gerätschaften packen und mit diesen Kostbarkeiten begab er sich zum Schloss des
Königs von Bagdad. Das ganze Gefolge des Abbaas stieg nun ab, beugte sich vor
ihm und nun begaben sie sich zum König selbst, welchem sie den Wunsch
äußerten, ihm diese Schätze vorlegen zu dürfen. Der König befahl sofort,
dass ihm alles in ein Gemach des Harems gebracht würde. Zugleich ließ er auch
Richter und Zeugen kommen, um den Heiratskontrakt zwischen Maria und Abbaas
aufzusetzen. Der letztere befahl, ein großes Gastmahl anzurichten und lud dazu
alle Stämme der sich in der Nähe befindenden Nomadenaraber und die
Wüstenbewohner ein. Dieses Fest dauerte zehn Tage. Abbaas hatte das Glück,
seine Hochzeit an einem günstigen Zeitpunkt zu feiern und fand an Maria alles
das Glück und die Freude, die er sich von ihr versprochen hatte. Am siebenten
Tag nach der Hochzeit äußerte der König Asys den Wunsch zurückzukehren, und
befahl daher seinem Sohn, den König von Bagdad, seinen Schwiegervater, um die
Erlaubnis zu bitten, seine Tochter heimführen zu dürfen. Dieser verweigerte
sie ihm nicht, gab der Maria noch kostbare Geschenke und Schmuck mit, und Maria
bestieg einen Tragsessel, welcher von Maultieren getragen wurde. Nun sah man die
Fahnen und die Standarten wehen, die Trommeln und Pauken wurden geschlagen, und
der Zug setzte sich in Bewegung, welchen der König von Bagdad drei Tage lang
begleitete. Hierauf begab der letztere sich wieder zurück. Als die Reisenden
noch drei Tagesreisen von Jemen entfernt waren, schickten sie drei
Schnellläufer an die Mutter des Abbaas mit der Nachricht, dass Maria, Tochter
des Königs von Bagdad, mit ihnen wäre. Bei dieser Nachricht war sie außer
sich vor Freude, ließ die übrigen fünf Mädchen des Abbaas köstlich
schmücken, und als am anderen Morgen die Sonne aufging und man von Ferne schon
die Fahnen sehen konnte, ging die Mutter des Abbaas ihrem Sohn entgegen. Sie
wurde von einer großen Volksmasse begleitet, und mit Pauken- und
Trompetenschall wurden die Ankommenden in die Stadt eingeführt. Alle
umliegenden Stämme und Landbewohner beeiferten sich, dem Abbaas durch kostbare
Geschenke ihre Freude zu erkennen zu geben, und dieser ließ nun große
Gastmahle bereiten und gab prachtvolle Feste. Freudenfeuer wurden angezündet,
so dass man schon von fern sehen konnte, dass dort ein Ort der Lust und
Festlichkeit wäre, und dieses lockte denn noch eine Menge von Neugierigen nach
der Stadt. Die Mutter des Abbaas befahl hierauf, seine fünf Mädchen in ihrem
Glanz vorzuführen. Da sie nun alle zehn beisammen waren, ließ sie fünf an
ihrer Rechten und fünf an ihrer Linken sitzen. Sodann befahl sie ihnen, etwas
in Versen herzusagen, um die Gesellschaft, besonders den Abbaas, damit zu
erfreuen. Die Mädchen traten nun vor, jede in ihrer Hand eine Zither, Laute,
Harfe oder andere Instrumente haltend. Eine unter ihnen, mit Namen Ba’utse1),
aus Sina, trat hervor und sang folgende Verse:

„Dein Land gewinnt für mich wieder an Wert, seitdem
Du zurückgekehrt bist. Es nimmt zu an Glanz, nachdem es für mich dunkel war.
Es füllt sich mit erquickendem Grün, nachdem es wüst war, und Früchte
prangen, welche vorher fehlten.
Die Traurigkeit hört auf, welche früher wegen Deiner Entfernung darin waltete.
Bei Gott, schmerzlich habe ich die Dauer Deiner Abwesenheit empfunden. O! Mein
Herr, wäre es doch vergönnt gewesen, Dir als Diener zu folgen.“

Als sie geendet hatte, bezeigten ihr die Anwesenden ihren
Beifall. Abbaas freute sich über ihr gut gelungenes Gedicht und befahl dem
zweiten Mädchen, über denselben Gegenstand etwas zu singen. Diese war aus
Balch, und sang folgende Verse:

„Zu uns ist gekommen der Verkündiger der frohen
Nachricht Eurer Ankunft und hat uns angemeldet denjenigen, der durch seine
Abwesenheit uns so betrübte.
Ich rief ihm zu, dem überbringer Deiner Kunde: Für Dich lasse ich mein Leben,
denn Du hast mich erquickt, meinen Schmerz hast Du in Freude verwandelt.
Ihr habt Treue gelobt und euer Gelübde gehalten, auch ich gelobte euch Treue
und fern sei es von mir, sie Euch zu brechen.
Euch wieder zu sehen, ging ich Euch entgegen und rief: Willkommen, Ihr teuren
Ankommenden!
Schon nahte sich der Tod vor Schmerz wegen eurer Entfernung. Nun ihr aber uns
wiedergegeben seid, beginnt für uns ein neues Leben.“

Als sie geendet hatte, befahl Abbaas dem dritten Mädchen,
welche aus Samarkand war und Romane2)
hieß, ebenfalls etwas zu singen.


1) Die
Aufgeweckte