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955. Nacht

Jener machte sich nun mit hunderttausend Reitern gegen den
Maimun auf. Die Königin aber begab sich zu ihren Schwestern, mit denen sie
folgendes verabredete: „Ihr wisst,“ sagte sie, „dass der schwarze
Berg nebst dem darauf befindlichen Schloss Maimuns auf einer Insel liegt. Dieser
Insel wollen wir uns nun in Menschengestalt auf einem Schiff nahen, dort
absteigen, und unter dem Schloss essen, trinken, singen und auf der Laute
spielen. Tochfa wird wahrscheinlich nach der See zu heraus sehen, und wird uns
erblicken. Sie wird dann auf jeden Fall zu uns herunter kommen, wir werden uns
da ihrer bemächtigen, und ist sie einmal in unserer Hand, so kann ihr nichts
übles widerfahren. Ist aber Maimun mit der Bekämpfung der Feinde beschäftigt,
so wollen wir sein Schloss zerstören, und jeden, der darinnen ist, vernichten.
Wenn er das hört, wird er verzweifeln, und wir benachrichtigen davon unsern
Vater Ablys, der ihn dann mit allen seinen Truppen angreifen und vernichten
wird. In Folge dieser Beratschlagung begaben sie sich in das Schiff,
beauftragten fünftausend Geister, sich auf der Insel unter dem schwarzen Berg
zu verbergen. Nahmen ferner auch noch viertausend Geister mit ins Schiff, und
näherten sich so dem Schloss Maimuns.

Während dieser Zeit aber waren schon Ablys und sein Sohn
Sisban mit ihren Heeren vorgerückt. Als Maimun dies hörte, geriet er von neuem
in Wut, und versammelte seine Heere, begab sich noch einmal zu Tochfa, küsste
sie, und sprach: „Wisse, dass Du mir teurer, als alles bist. Bereits haben
sich die Geister vereinigt, um mich wegen Dir zu töten. Sollte ich indessen so
glücklich sein, sie zu besiegen, und mit dem Leben davon zu kommen, so schleppe
ich alle Könige der Geister zu Deinen Füßen und Du sollst dann noch die Welt
beherrschen.“ Tochfa antwortete durch bloßes Kopfschütteln, und weinte.
„Weine nicht,“ sagte er hierauf, „es ist vergebens, denn bei der
Inschrift des Siegels Salomons, Du wirst nie das Land der Menschen wieder
erblicken. Füge Dich also geduldig in Dein Schicksal. Wo nicht, so bringe ich
Dich um.“ Sie schwieg, und er schickt nach seiner Tochter Gamra, und sagte
zu derselben: „Nun begebe ich mich zur Bekämpfung des Königs Sisban und
der Königin Kamrye. Sollte ich siegen, so verspreche ich Dir hohe Gewalt.
Hörst Du aber, dass ich unterliege, und bringt Dir ein Bote diese Nachricht, so
beeile Dich, Tochfa zu töten, damit sie außer mir kein anderer besitze. Dir
übertrage ich nach meinem Tod den Besitz des schwarzen Berges, und aller meiner
Macht.“ Hierauf verließ er sie, und bestieg sein Ross. Als Tochfa diesen
Auftrag hörte, wurde sie bestürzt, weinte, und rief aus: „Nichts betrübt
mich so sehr, als dass ich meinen Herrn, den Kalifen verlassen habe. Doch wenn
ich einmal tot bin, so empfinde ich keinen Schmerz mehr.“ Sie war nunmehr
fest versichert, dass sie nicht mehr gerettet werden könnte. Maimun, welcher im
Schloss außer Tochfa niemanden als seine Tochter Gamra und einen Geist
zurückgelassen hatte, den er sehr schätzte, war nunmehr mit seinen Truppen dem
Heer Sisbans gegenüber angekommen. Gleichzeitig gingen sie aufeinander los, und
lieferten einander ein blutiges Treffen. Endlich zogen sich die Truppen Sisbans
zurück. Maimun, der dies sah, schöpfte neuen Mut, und verfolgte sie.

Was unterdessen die Königin Kamrye betrifft, so war sie
mit ihren Schwestern am Schloss Maimuns, wo sich Tochfa befand, bereits
angekommen. Diese befand sich durch Fügung des Geschicks gerade auf dem Balkon
des Schloss, und schwamm in Tränen, sowohl wegen ihres Andenkens an Harun
Arreschyd, als auch weil sie sich zum Schlachtopfer aufbewahrt sah. Plötzlich
erblickte sie das Schiff mit den in denselben befindlichen Personen. „Ach,
welches Entzücken!“, rief sie aus, „in diesem Schiff ist eine große
Anzahl Menschen.“ Kamrye aber und ihre Begleiter hatten, sobald sie sich
dem Schloss näherten, ihre Augen geschärft, und erblickten Tochfa.
„Ach,“ riefen sie alle aus, „dort sitzt sie, möge Gott sie doch
nie betrüben!“ Sie ließen das Schiff ankern, näherten sich der Insel,
stiegen aus, breiteten Teppich hin, setzten sich, und aßen und tranken. Da
sprach Tochfa: „Willkommen, ihr geliebten und bekannten Züge! Das
sind,“ sagte sie, um die Tochter des Maimun zu täuschen, „meine
lieben Basen. Ich bitte Dich, liebe Gamra, lass mich zu ihnen hinunter gehen,
ich will mich einen Augenblick zu ihnen setzen, aber bald wieder zurück
kommen.“ – „Das ist nicht möglich,“ erwiderte jene. Dies
versetzte Tochfa in neue Betrübnis. Endlich aber kam die Zeit des Trinkens
heran, und Kamrye, nachdem sie einen Becher geleert hatte, ergriff die Laute,
und sang:

„Bei Gott, wenn nicht die Hoffnung mich erhielte,
Euch wieder zu finden, so würde mich der Tod auf ewig von Euch trennen!
Ein großer Zwischenraum trennt uns, aber meine Sehnsucht bringt Euch mir
näher. Stets seid ihr ein vor meinen Augen stehendes Bild, welches mich
insgeheim anredet.“

Als Tochfa dieses hörte, stieß sie einen heftigen Schrei
aus, und Kamrye sprach: „Nun naht sich die Freude.“ Tochfa sah sie nun
genauer an, rief sie mit Namen, und sprach: „Liebe Base, ich bin allein,
entfernt von aller Familie. Ach, ich bitte Euch, wiederholt doch diesen
Gesang.“ Die Königin tat es sogleich, und Tochfa fiel vor Freuden in
Ohnmacht. Als sie wieder zu sich gekommen war, sprach sie zu Gamra: „Bei
der Wahrheit des Propheten, über den Heil und Segen kommen möge, wenn Du mich
nicht hinunter zu ihnen gehen lässt, so dass ich eine Stunde bei ihnen
verweile, so stürze ich mich hinab, denn mein Leben gebe ich ohnedem preis, da
mir bekannt ist, dass Maimun mich töten wird. Besser ist’s also, ich töte mich
selbst, damit ihr nicht über mein Leben verfügt.“ Als Hamra dieses
hörte, sah sie wohl ein, dass, wenn sie ihr nicht gestattete, hinunter zu
gehen, sie sich selbst umbringen würde. Daher sagte sie zu Tochfa: „Sie
sind tausend Ellen tief unter Dir. Lass sie lieber zu Dir herauf kommen.“
Tochfa aber sagte: „Nein, ich muss zu ihnen hinab, ich will mich auf der
Insel umsehen, und das Meer von nahem betrachten. Du kannst mich begleiten, und
dann kehren wir beide zurück. Du wirst selbst einsehen, dass, wenn Du sie hier
herauf bringst, sie sich fürchten werden, und sich nicht freuen können. Ich
aber bezwecke nur, bei ihnen zu sein, und mich mit ihnen zu unterhalten, und sie
werden in ihrer Fröhlichkeit nicht gestört werden. Ich habe mir fest
vorgenommen, entweder zu ihnen hinunter zu gehen, oder mich umzubringen.“
Sie wiederholte ihre Bitten nochmals, worauf jene endlich sprach: „Komm,
ich will Dich hinunter begleiten,“ und zugleich nahm sie Tochfa bei der
Hand, führte sie schnell hinab, und brachte sie zu ihnen. Als Tochfa unten
angekommen war, sagte sie: „Seid unbesorgt, ich bin ein Mensch, wie ihr.
Ich wollte bloß Euch näher sehen, mit Euch sprechen, und Euren Gesang
anhören.“ Sie setzte sich nun neben sie, und Gamra tat desgleichen. Diese
aber bemerkte einen Geruch, und sagte: „Es richt nach Geistern, ich muss
doch sehen, woher das kommt?“ Da dieses Vahime gehört hatte, sprach sie
leise zu Kamrye: „Das ist ein großes Unglück! Wenn sie uns erkennt, so
wird sie sogleich die Flucht ergreifen, und Maimun davon benachrichtigen. Was
ist jetzt zu tun?“ Da streckte Kamrye ihre Hand aus, und gab der Gamra
einen solchen Schlag auf den Kopf, dass er sich vom Körper trennte, wobei
Kamrye sprach: „Gott ist groß.“ Nunmehr enthüllten sie ihr Gesicht.
Tochfa erkannte sie, und bat sie sogleich um ihren Schutz. Die Königin mit
ihren Schwestern umarmte sie, und sprach: „Empfange die frohe Botschaft von
Deiner Rettung. Du hast hoffentlich nichts mehr zu befürchten. Allein jetzt ist
nicht Zeit, zu reden, sondern zu eilen.“ Sie ruften sodann jene Geister,
die sich auf der Insel versteckt hatten, welche auch alsbald ankamen, und Tochfa
auf das Schloss brachten, welches sie sofort in Besitz nahm. Der Geist aber, auf
den Maimun sein Vertrauen gesetzt hatte, der im Schloss blieb und Duchan1)
hieß, nahm pfeilschnell die Flucht, und ereilte Maimun im Augenblick seines
stärksten Kampfes mit den Geistern. Als dieser ihn sah, so rief er aus:
„Wehe Dir, wen hast Du im Schloss zurückgelassen?“ – „Und wer
ist denn noch im Schloss?“, antwortete jener, „Deine geliebte Tochfa
ist geraubt, Gamra getötet, und das ganze Schloss in Besitz genommen.“ Bei
dieser Nachricht geriet Maimun in Verzweiflung, schlug sich ins Gesicht, und
sprach: „O welch ein Missgeschick!“ Kamrye aber ihrerseits hatte schon
an ihren Vater geschickt, und ihn von allem unterrichtet. Sein Heer rückte
plötzlich vor, und schlug das Heer Maimuns. Als dieser seinen Untergang sah,
richtete er die Spitze seines Wurfspießes auf sein Herz, und das andere Ende
auf die Erde, und stürzte sich mit solcher Gewalt hinein, dass die Spitze zum
Rücken heraus kam. Ablys, der die Botschaft von der Rettung Tochfas bereits
erhalten hatte, freute sich darüber, und beschenkte den Boten mit einem
Ehrepelz. Die Verfolgung des Heeres Maimuns wurde fortgesetzt, bis es ganz
vernichtet wurde. Den Maimun selbst fanden sie in dem beschriebenen Zustand da
liegen. Kamrye aber mit ihren Schwestern verfügte sich zu ihrem Vater, und
benachrichtigte ihn von dem ganzen Hergang. Dieser eilte nun, um Tochfa seine
Glückwünsche zu überbringen. Das Schloss Maimuns wurde dem Salheb übergeben,
seine Schätze aber der Tochfa verehrt. In demselben Augenblick näherte sich
ihnen ein ganzer Stamm Geister, an deren Sitze die Königin Schaheba war, und in
ihrer Hand glänzte ein entblößtes Schwert. Als sie nahe gekommen war, fielen
sie vor ihr nieder. Sie aber verlangte zu wissen, wie es der Königin Tochfa
gegangen wäre, und machte ihnen zugleich Vorwürfe, das sie nicht nach ihr um
Hilfe geschickt hätten.


1) Rauch