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954. Nacht

Die ganze Versammlung stand bei dieser Erklärung auf und
verneigte sich vor ihr. Die Königin aber bekleidete sie mit einem Ehrenkleid
und gab ihr eigenhändig die Ernennung zu ihrer Statthalterin.

Nachdem hierauf Tochfa dem Wunsch der Königin gemäß
noch etwas gesungen hatte, umarmte sie diese noch einmal, und entfernte sich, so
wie die übrigen Könige. Als die vierte Nacht anbrach, kam derjenige an, der
das Geschäft der Reinigung an dem Sohn des Ablys vollführen sollte. Er selber
war auf das kostbarste bekleidet, und ebenso auch sein Gehilfe, und die Handlung
wurde vollzogen. Die Kostbarkeiten, welche die Könige dabei spendeten, wurden
auf Befehl der Kamrye in das, der Tochfa bestimmte Magazin gebracht. Hierauf
empfahl sich einer nach dem andern, und Ablys nahm von jedem Abschiedsbesuche
an. Was aber die prächtige Krone betraf, die der Vollstrecker der
Reinigungshandlung getragen hatte, so wurde diese von Ablys selbst auf das Haupt
der Tochfa gesetzt, worüber dieser vor Freuden außer sich war. Während nun
aber dieser mit den Abschiedsbesuchen beschäftigt war, benutzte Maimun diese
Gelegenheit und entführte Tochfa. Als nun Ablys, von seinen Beschäftigungen
befreit, Tochfa besuchen wollte, fand er ihre Dienerschaft ganz in Tränen.
„Was ist’s?“, fuhr er sie heftig an: „Ach,“ sagten sie,
„Maimun hat Tochfa uns entrissen.“ Hierüber in Wut gebracht, schlug
er sich auf sein Haupt, und sprach: „Die Tat ist unerhört! Tochfa aus
meinem Schloss zu rauben, und mein Gebiet zu verletzen! Maimun hat den Verstand
verloren.“ Sodann schickte er Vögel ab, welche diese Nachricht an alle
Könige der Geister überbringen mussten. Diese versammelten sich bald bei ihm,
und sagten alle, dass Maimun seinen eigenen Untergang dadurch befördern würde.
„Welch ein Tor,“ fügten sie hinzu, „dass er Tochfa besitzen
will, da sie doch als Königin der Geister anerkannt worden ist.“ Hierauf
wurden noch Boten an die Königin Kamrye und ihre Schwester geschickt. Ein
Geist, mit Namen Salheb1),
wurde damit beauftragt. Dieser fand die Königin schlafend. Sie wurde
aufgeweckt, und auf diese Nachricht wurde sie von den größten Besorgnissen
wegen Tochfa erfüllt. „Ach!“, sagte sie, „sie hat mir wohl immer
geklagt, dass Maimun sie unablässig ansehe, und dass sie fürchte, er möchte
sie lieben, doch seine Tat soll ihm teuer zu stehen kommen. Sie begab sich
hierauf auf das Schloss ihrer Schwester Scharare, und schickte nach Salsala und
Vahime, welche sich gemeinschaftlich zu Sisban begaben, wo bereits große Heere
versammelt waren. Nach gemeinsamen Beratschlagungen sprach endlich Kamrye:
„Ihr wisst, dass Tochfa mir lieber ist, als alles, was ich habe. Nur List
kann sie retten. Denn wenn dieser Bösewicht Eure Ankunft mit Euren Truppen
erfährt, so wird er wohl einsehen, dass er Euch nicht widerstehen kann, und er
könnte sie wohl aus Verzweiflung töten. Daher müssen wir ihn zuerst durch
gute Worte zu bereden suchen, und wenn das nicht hilft, List anwenden.“ In
Folge dieses Vorschlags wurde ein Geist, der den Beinamen des fliegenden Löwen
hatte, nach dem schwarzen Berg, wo Maimun seinen Sitz hatte, abgeschickt, und
zugleich beauftragt, ihm folgendes zu sagen: „Die Königin Kamrye grüßt
Dich, und lässt Dich fragen, wie Du so unbesonnen sein konntest, Tochfa zu
rauben, da sie den Rang einer Königin hat? Doch entschuldigen wir Dich alle, da
Du es wahrscheinlich in der Trunkenheit getan hast. Selbst Ablys will Dir
verzeihen, unter der Bedingung, dass Du sie unverzüglich zurückbringst.
Bedenke, dass wir ihr alle Erkenntlichkeit schuldig sind, und dass die Königin
Schaheba sie als ihre Schwester angenommen hat.“ Als er diese Botschaft
ausgerichtet hatte, schickte ihn Maimun mit folgenden Worten zurück:
„Gehe, woher Du gekommen bist, und sage der Königin, sie möchte sich
ruhig verhalten. Wo nicht, so würde er selbst kommen, sie abholen, und zum
Dienst der Tochfa zwingen. Sollten aber die Könige insgesamt sich gegen ihn
verschwören, und er seine überwindung vorhersehen, so würde Tochfa nie mehr
das Licht der Welt erblicken, und dann weder ihm, noch ihnen gehören. Sie sei
gleichsam seine Seele, wie könne man nun verlangen, er solle seine Seele
verlassen.“ Dagegen machte ihm der Bote Vorstellungen, und bemerkte ihm,
wie er sich selbst dadurch ins Unglück stürzen würde. Maimun aber befahl im
Unwillen, dass man ihn schlagen solle, worauf sich der Bote plötzlich
entfernte, und der Königin die Nachricht überbrachte. Diese lobte ihn über
die gute Vollführung seines Auftrages. Zu Sisban aber sagte sie: „Nun
weiß ich kein anderes Mittel, als dies, dass Du mit Deinen Truppen ihn
angreifst, den Kampf in die Länge ziehst, ihm dann Schwächen blicken lässt,
und dadurch Hoffnung gibst, dass er siegen werde. Während er nun im Kampf mit
Dir begriffen sein wird, will ich suchen, zu Tochfa zu gelangen, um sie zu
retten. Wenn dann mein Bote zu Dir mit dieser guten Nachricht gelangt, so greife
ihn plötzlich mit Gewalt an, und zermalme ihn mit seinen Truppen. Nur auf diese
Art können wir Tochfa lebendig retten.“ Ablys genehmigte diesen Vorschlag,
und die Truppen bekamen Befehl zum Aufbruch.


1)
Lang gestaltet