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953. Nacht

Darauf bat Ablys sie, und sprach zu ihr: „O Fürstin,
ich beschwöre Dich bei dieser erhabenen Königin, singe mir etwas, und preise
Dich dadurch selbst. Schlage mir es nur ja nicht ab.“ Tochfa erwiderte
darauf: „Wenn Du mich nicht bei etwas so hoch erhabenen beschworen
hättest, so würde ich es nicht tun, denn kann sich denn ein Mensch selber
loben?“ Sie sang sodann folgende Strophen:

„In jedem Zustand der Fröhlichkeit bleibe ich immer
Tochfa unter den Sängerinnen. Alle Welt bezeugt meine Vorzüge, und den Rang,
den ich einnehme.
Meine Tugend wird bei den Menschen hoch gepriesen, und mein Ruhm so wie mein
Einfluss steigt mit jedem Tage.“

Dieses freute die König, und alle sagten, sie hätte ganz
wahr geredet. Hierauf stand sie auf, spielte die Laute, sang dazu, und die
Geister tanzten bei diesem Spiel, so wie auch Ablys. Nachher indessen näherte
dieser sich, gab ihr einen kostbaren Hyazinth, der noch von Japhet, dem Sohn des
Noahs, herstammte und sagte: „Nimm diesen, und zeichne Dich durch dessen
Besitz vor allen Menschen der Welt aus.“ Sie küsste ihm die Hand, freute
sich darüber, und sprach: „Bei Gott, dieser Stein geziemt nur dem Fürsten
der Gläubigen.“ Darüber lächelte die Königin Schaheba, und äußerte
zugleich: Dass Ablys sehr gut tanzen könne. Ablys dankte ihr, und sprach zu
Tochfa: „Niemand auf der Welt spielt besser auf der Laute, als Ishak, der
Gesellschafter, aber Du spielst besser, als er. Oft bin ich mit ihm zusammen
gekommen, und habe ihm vieles gezeigt. Auch könnte ich Dir viel von dem
erzählen, was mir mit ihm begegnet ist. Allein es ist jetzt nicht die Zeit
dazu. Jetzt will ich Dir bloß eine Kunst auf der Laute zeigen, die Dich über
alle Menschen auf der Welt erheben wird.“ Dieses Anerbieten nahm Tochfa mit
Dank an. Er ergriff nun die Laute, spielte einige wundervolle Gänge, und zeigte
ihr Sachen, die ihr ganz unbekannt waren, welches Tochfa mehr freute, als alle
Geschenke, die sie erhalten. Sie nahm nunmehr selbst die Laute, und ahmte die
Stellen, die ihr Ablys gezeigt hatte, so gut nach, dass er sie wegen ihrer
schnellen Fassungsgabe lobte. Ihr aber schien es jetzt, dass ihr früheres Spiel
ganz fehlerhaft gewesen, und dass erst das, was sie jetzt von Ablys gelernt
hatte, das wahre, echte Spiel der Kunst sei. Sie hatte darüber eine große
Freude, und dankte dem Ablys, indem sie ihm die Hand küsste. Die Königin
Schaheba äußerte ebenfalls ihre Zufriedenheit, und sagte, sie habe gehört,
Tochfa könne so gut aus dem Stegreif dichten und singen, und sie wünscht wohl,
einiges von ihr zu hören, denn alles, was sie vorbrachte, bezauberte sie ganz.
Ablys ersuchte hierauf Tochfa, etwas von dieser Art der Königin Schaheba zu
zeigen, welches sie dann auch zu ihrer völligen Zufriedenheit ausführte. Die
Königin drückte sie dafür an ihre Brust und küsste sie auf ihre Wangen,
über welche hohe Gunst Ablys sein Erstaunen zu erkennen gab. „Wisst,“
sprach hierauf die Königin Schaheba, „dass ich Tochfa gleich meiner
Schwester liebe, und dass alles, was ihr begegnet, auch mir widerfährt. Gleich
mir sollt ihr nunmehr der Tochfa ganz dieselbe Ehre erweisen, und ihren Befehlen
gehorchen.“