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943. Nacht

Das Mädchen, erfreut über dieses Lob, stand auf, küsste
ihm die Hand, und sprach: „O Herr, in Deiner Gegenwart versagen mir leider
die Hände ihren Dienst, aus Hochachtung für Dich, so wie die zeigen bei Deinem
Anblick, und der Beredetste könnte wohl vor Dir verstummen. Aber Du bist auch
ebenso nachsichtig, und ich erlaube Dir daher, meinen Schleier abzunehmen.“
Er stand daher auf, fragte sie, wer sie wäre, und was sie bedürfte? Zu
gleicher Zeit hob er eine Seite ihres Schleiers auf, und erblickte ein Mädchen
wie der aufgehende Vollmond, oder wie der glänzende Blitz. Sie hatte zwei lange
schwarze Haarlocken, die ihr weit über die Ohrgehänge herunterhingen. Sie
küsste nochmals seine Hand, und sprach: „Wisse mein Herr, dass ich in
diesem Haus schon fünf Monate bin. Während dieser Zeit habe ich nie wollen
mich verkaufen lassen, weil ich Deine Gegenwart erwartete, von der mir Sayd oft
gesagt hatte. Tag und Nacht habe ich ihn geplagt, dass er Dich herholen, und
mich durch Deine Gegenwart beglücken möchte. Allein dieser Wunsch ist mir
jetzt erst erfüllt worden.“ – „Sage mir,“ sprach Ishak,
„was verlangst Du von mir?“ – „Ich bitte und beschwöre Dich,
dass Du mich kaufst, wäre es auch nur, dass ich bei Dir die gewöhnlichsten
Dienstleistungen verrichte.“ – „Sollte das Dein einziger Zweck
sein?“ Als sie ihm dies beteuert hatte, ging er zu Sayd, und sprach zu ihm:
„Mein lieber Alter, dieses Mädchen ist ja ganz gelb von Farbe. Wie viel
Drachmen mag sie wohl wert sein?“ – „Mein Herr,“ sprach Sayd,
„dieses Mädchen hieß Tochfatulhamka1).“
– „Was bedeutet dieser Beinamen?“ – „Wisse,“ erwiderte
jener, „dass für sie schon mehr als hundert Mal der Preis ausgezahlt
worden ist, aber jedes Mal verlangte sie nachher ihren Käufer zu sehen, und
wenn ich ihn ihr gezeigt hatte, so sagte sie: „Den mag ich nicht, er hat
diesen oder jenen Fehler.“ Und so fand sie bis jetzt an jedem, der sie
kaufen wollte, immer irgend etwas auszusetzen. Dies geht so weit, dass sie jetzt
niemand mehr kaufen mag, noch zu sehen verlangt, aus Furcht, sie möchte ihn
wegen irgend eines Fehlers lächerlich machen.“ – „Jetzt verlangt sie
ja selbst verkauft zu werden,“ sprach Ishak, „zeige mir ihren Preis
an, und schicke sie mir in mein Haus.“ – „Ihr Preis ist hundert
Goldstücke,“ erwiderte Sayd, „und wenn sie nicht den Fehler hätte,
im Gesicht so gelb zu sein, so wäre sie wegen ihres vorzüglichen Talents auf
der Laute tausend Goldstücke wert. Aber ihre Narrheit und schlechte
Gesichtsfarbe haben ihren Wert so vermindert. Ich gehe nun zu ihr, um sie zu
fragen, ob sie verkauft werden will.“ – Er fragte sie: „Willst Du an
Ishak, den Sohn Ibrahims aus Mossul, verkauft werden?“, und als sie es
bejaht hatte, setzte er hinzu: „Nun musst Du aber Deine Narrheit fahren
lassen, denn es ist ein seltenes Glück, in das Haus Isaaks, des Gesellschafters
des Kalifen, zu kommen.“ Ishak begab sich nun mit seiner Gesellschaft fort.
Sie gelangten an ihren Ort, bestiegen den Kahn, und kamen am Ufer Chanekat ans
Land. Sayd aber schickte das Mädchen in das Haus Isaaks, woselbst seine
Sklavinnen sie in Empfang nahmen, sich über die Ankunft der neuen Gefährtin
freuten, und sie ins Bad brachten. Jede von ihnen beschenkte sie mit etwas,
teils mit Schmuck, als Ohrgehänge und Armbänder, teils mit Kleidungsstücken
und Shawls. Ihre Schönheit wurde dadurch so gehoben, dass sie jedermann
bewunderte. Als Ishak von dem Kalifen zurück kam, so begab sich Tochfa zu ihm,
und küsste seine Hand. Wie er nun sah, was die Sklavinnen an ihr getan hatten,
lobte er sie darüber, und sprach: „Führt sie in das Haus, wo meine
Lehranstalt ist, und versucht sie mit musikalischen Instrumenten. Wenn sie
vollkommen stark und gesund sein wird, so werdet ihr sehen, ob sie sich zum
ausdauernden Singen eignet, dann könnt ihr sie unterrichten.“ Drei Monate
war sie bereits in dieser Lehranstalt, umgeben von allen möglichen Instrumente.
Ihre Gesundheit befestigte sich immer mehr, ihre Schönheit hatte sich
verdoppelt und dreifach vermehrt, und ihre gelbe Gesichtsfarbe hatte sich in das
schönste Weiß und in das zarteste Rot verwandelt. So dass keiner, der sie sah,
unverwundert sich von ihr entfernte. Eines Tages ließ Ishak alle Sklavinnen,
die in der Lehranstalt waren, in den Palast des Kalifen kommen. Bloß Tochfa und
ein Küchenmädchen ließen sie zurück, denn er hatte die erstere ganz
vergessen, und keine von den anderen Sklavinnen hatte sie ihm in Erinnerung
gebracht. Als Tochfa sich in dem Haus allein sah, und überzeugt war, dass sie
niemand beobachtete, nahm sie ihre Laute, um ihrem Talent freien Lauf zu lassen.
Sie war nämlich, wie schon gesagt, die ausgezeichnetste in dieser Kunst, sogar
der berühmte Ishak selbst kam ihr nicht gleich. Zu ihrer Laute sang sie nun
folgende Verse:

„Wie unglücklich ist doch das Herz, welches sich
nach jemandem sehnt, der nicht ähnliche Neigung fühlt! Wie schrecklich ist’s,
seine Wünsche nicht erfüllt zu sehen!
Dennoch wollte ich mein Leben lassen für den, dessen Härte meinen Körper
unkenntlich gemacht, ja ihn gänzlich aufgelöst hat, da doch in seiner Hand
meine Heilung steht.
Fürchten muss ich mich, meine Liebe vor denen blicken zu lassen, die mich
beobachten, um mich zu tadeln, da sein Gemüt sich von der abwendet, die nach
ihm Sehnsucht fühlt.
O Spötter, wie lange willst Du über mein Unglück spotten, als wenn Du keinen
anderen Gegenstand sähest, an dem Du Dein Gespött auslassen könntest!“

Ishak war plötzlich wegen irgend eines Bedürfnisses nach
Hause geeilt, und betrat eben die Vorhalle, als er einen Gesang hörte,
desgleichen er noch nie vernommen hatte. Derselbe ergriff ihn so, dass er vor
Freuden in Ohnmacht fiel. Tochfa hatte das Getöse des Falls vernommen. Sie
legte daher die Laute weg, um zu sehen, was die Ursache wäre. Da sah sie ihren
Herren ohnmächtig daliegen. Sie richtete ihn auf, drückte ihn an ihr Herz, und
sprach: „Um Gottes Willen, mein Herr, was ist Dir begegnet?“ Als Ishak
ihre Stimme hörte, kam er wieder zu sich und fragte: „Wer bist Du?“


1) D.i.
das Geschenk, mit dem Beinamen die Närrin.