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94. Nacht

„Die Schiffe langten endlich an, und nachdem mein
Herr selbst dasjenige ausgewählt hatte, auf welchem ich heimkehren sollte, so
belud er es mit Elfenbein, zur Hälfte für meine Rechnung. Auch vergaß er
nicht, mich mit dem nötigen Mundvorrat zu versorgen, und nötigte mich über
dem, Geschenke von großem Wert und merkwürdige Landesprodukte mitzunehmen.
Nachdem ich ihm für alle mir erwiesene Wohltaten best möglichst gedankt hatte,
schiffte ich mich ein. Wir gingen unter Segel, und da das Abenteuer, welches mir
die Freiheit verschafft hatte, ein sehr seltsames war, so blieb mein Geist immer
davon erfüllt.

Wir landeten auf einigen Inseln, um Erfrischungen
einzunehmen. Da unser Schiff aus einem Hafen des indischen Festlandes gekommen
war, so stiegen wir auch daselbst ans Land, und um die Gefahren einer Seereise
nach Balsora zu vermeiden, ließ ich das mir gehörige Elfenbein ausladen,
entschlossen, meine Reise zu Lande fortzusetzen. Ich löste aus meinem Elfenbein
eine beträchtliche Summe Geldes, kaufte viele seltene Sachen, um damit
Geschenke zu machen, und als mein Gepäck zur Abreise bereit war, gesellte ich
mich zu einer Karawane von Kaufleuten. Ich blieb einige Zeit unterwegs und hatte
viel zu leiden. Aber ich litt mit Geduld, weil ich die Betrachtung anstellte,
dass ich weder Stürme noch Seeräuber, noch Schlangen, noch alle andere
erlittenen Gefahren zu befürchten hätte.

Endlich endeten alle diese Beschwerlichkeiten, denn ich
kam glücklich in Bagdad an. Ich machte alsbald dem Kalifen meine Aufwartung und
stattete ihm von meiner Gesandtschaft Bericht ab. Dieser Fürst sagte mir, dass
ihn zwar die lange Dauer meiner Reise beunruhigt hätte, dass ihm dabei aber
doch immer die Hoffnung geblieben wäre, Gott würde mich nicht verlassen. Als
ich nun das Abenteuer mit den Elefanten erzählt hatte, war er höchlich
erstaunt, und würde demselben keinen Glauben beigemessen haben, wenn ihm meine
Wahrheitsliebe nicht bekannt gewesen wäre. Er fand diese Geschichte und die
anderen, die ich ihm erzählte, so merkwürdig, dass er einem seiner Schreiber
den Auftrag gab, sie mit goldenen Buchstaben niederzuschreiben, um in seinem
Schatz aufbewahrt zu werden. Ich begab mich, sehr zufrieden mit der Ehre, die er
mir erweisen, und mit den Geschenken, die er mir gemacht hatte, nach Hause, und
lebte von nun an nur für meine Familie, meine Verwandten und meine
Freunde.“

So endete Sindbad die Erzählung seiner siebenten und
letzten Reise, und fügte, indem er sich an Hindbad wandte, hinzu: „Nun,
mein Freund, hast du jemals von irgend einem Sterblichen gehört, der so viel
gelitten hätte, oder so bedrängenden Gefahren ausgesetzt gewesen wäre, als
ich? Ist es nicht recht und billig, dass ich, nach so vielen Mühseligkeiten,
ein angenehmes und ruhiges Leben genieße?“ Als er diese Worte gesprochen
hatte, näherte sich ihm Hindbad und sagte, indem er ihm die Hand küsste, zu
ihm: „Es ist wahr, Herr, dass ihr schreckliche Gefahren überstanden habt
und dass meine Beschwerden den eurigen nicht zu vergleichen sind. Wenn sie mich
betrüben, so lange ich sie erleide, so tröste ich mich darüber durch den
kleine Vorteil, den ich daraus ziehe, Ihr verdient nicht nur ein ruhiges Leben,
ihr seid auch der Güter wert, die ihr besitzt, weil ihr einen so guten und
großmütigen Gebrauch davon macht. Möchtet ihr bis zu eurer Todesstunde ein
Freuden leben!“

Sindbad ließ ihm wieder hundert Zeckinen geben, nahm ihn
in die Zahl seiner Freunde auf, sagte ihm, er sollte sein Gewerbe als
Lastträger aufgeben und ferner zu ihm zum Essen kommen, und er würde Grund
haben, sich sein ganzes leben hindurch Sindbads des Seefahrers, zu
erinnern.“

Da Scheherasade sah, dass es noch nicht Tag war, so fuhr
sie fort zu erzählen, und begann eine andere Geschichte.

Die
drei äpfel

Herr, ich habe schon die Ehre gehabt, Euer Majestät von
einem nächtlichen Ausgang des Kalifen Harun Arreschyd aus seinem Palast zu
unterhalten, ich muss noch einen anderen erzählen.

Eines Tages befahl dieser Fürst dem Großwesir Giafar,
sich in der folgenden Nacht im Palast einzufinden. „Wesir,“ sagte er
zu ihm, „ich will einen Gang durch die Stadt machen, um zu erfahren, was
man spricht, und besonders, ob man mit meinen richterlichen Beamten zufrieden
ist. Gibt es deren, über welche man sich mit Recht beklagt, so wollen wir sie
absetzen und anderen, die ihre Pflicht besser erfüllen, ihre Stellen geben.
Lobt man im Gegenteil welche, so werden wir auf diese alle Rücksichten nehmen,
die sie verdienen.“ Als nun der Großwesir sich zur bestimmten Stunde im
Palast eingefunden hatte, verkleideten sich der Kalif, er und Mesrur, das
Oberhaupt der Verschnittenen, um nicht erkannt zu sein, und gingen alle drei
zusammen aus.

Sie gingen über mehrere Plätze und Märkte, und als sie
in eine kleine Gasse kamen, sahen sie beim Mondschein einen Mann von hohem Wuchs
und mit einem weißen Bart, der Netze auf seinem Kopfe trug. Er hatte einen aus
Palmblättern verfertigten Korb zum Zusammenlegen am Arm und einen Stock in der
Hand. „Dieser Greis,“ sagte der Kalif, „scheint nicht reich zu
sein; wir wollen ihn anreden und über den Zustand seines Vermögens
befragen.“ – „Guter Freund,“ sagte der Kalif, „wer bist
du?“ – „Herr,“ antwortete ihm der Greis, „ich bin ein
Fischer, aber der ärmste und elendste meines Gewerbes. Ich bin schon am Mittag
fischen gegangen, habe aber von dieser Zeit an bis jetzt, auch nicht den
kleinsten Fisch gefangen. Dabei habe ich nun eine Frau und kleine Kinder und
nichts, um sie zu ernähren.“

Der Kalif sagte, von Mitleid gerührt, zu dem Fischer:
„Würdest du den Mut haben, auf der Stelle umzukehren und deine Netze nur
noch ein einziges mal auszuwerfen? Wir wollen dir für das, was du fängst,
hundert Zeckinen geben.“ Der Fischer, der bei diesem Vorschlag die ganze
Beschwerde des Tages vergaß, nahm den Kalifen beim Wort, und ging mit ihm,
Giafar und Mesrur an den Tiger zurück, indem er zu sich selbst sagte:
„Diese Herren scheinen zu rechtlich und zu vernünftig, um mich nicht für
meine Mühe zu belohnen; und wenn sie mir auch nur den hundertsten Teil von dem
Versprochenen geben, so wird das für mich schon viel sein.“

Sie kamen an das Ufer des Tigers, der Fischer warf seine
Netze aus, und als er sie heraufzog, fand sich darin ein sehr schwerer,
verschlossener Kasten. Mesrur lud den Kasten auf seinen Rücken, auf Befehl
seines Herrn, der, begierig zu wissen, was darin wäre, schnell in den Palast
zurückkehrte. Als der Kasten dort geöffnet wurde, fand sich darin ein großer
Korb aus Palmen, zum Zusammenlegen, dessen öffnung mit einem Faden roter Wolle
zugenäht war. Um die Ungeduld des Kalifen zu befriedigen, gab man sich nicht
die Mühe, ihn ordentlich aufzutrennen, man schnitt eilig den Faden mit einem
Messer entzwei, und zog aus dem Korb ein mit Stricken zugebundenes und in einen
schlechten Teppich gehülltes Pack. Als man das Pack öffnete, sah man mit
Schrecken den Leichnam einer jungen Frau, weißer als Schnee, und in Stücke
zerschnitten …