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918. Nacht

Die Alte übergab nunmehr die Turbanbinde dem jungen Mann,
und der Seidenhändler versöhnte sich mit seiner Frau, und beschenkte sie mit
kostbaren Stoffen und Schmuck, worüber sie viel Freude hatte.

Als der König diese Geschichte von seinem Kammerherrn
gehört hatte, wurde er beschämt, und sprach: „Fahre fort, Deinen Dienst
wie gewöhnlich zu verrichten, und Dein Land zu bebauen, denn der Löwe ist zwar
hineingekommen, er hat aber darin nichts verletzt, und wird nie dahin
zurückkehren.“ Hierauf beschenkte er ihn mit Ehrenkleidern, und machte ihm
noch außerdem ein beträchtliches Geschenk, und der Kammerherr begab sich froh
wieder zu seiner Frau, welches eine Freude für die ganze Familie war.

Aber diese Geschichte ist nicht halb so unterhaltend, wie
die Geschichte von der schönen Frau mit dem garstigen Mann.

Geschichte
von der schönen Frau mit dem hässlichen Mann
1)

Ein Araber hatte eine große Anzahl Kinder. Unter diesen
war ein Knabe von einer so ausgezeichneten Schönheit, und von so viel Verstand,
dass man seinesgleichen nicht finden konnte. Als er das gehörige Alter erreicht
hatte, verheiratete ihn sein Vater mit einer seiner Nichten. Diese war eben
nicht von besonderer Schönheit, auch hatte sie nicht die feinsten Sitten,
deshalb gefiel sie auch dem jungen Mann nicht. Allein der Verwandtschaft wegen
hatte er alle mögliche Geduld mit ihr.

Eines Tages war er ausgegangen, um eines seiner Kamele
aufzusuchen, welches sich verirrt hatte. Es war darüber etwas spät geworden,
und er sah sich daher genötigt, einen Araber um Nachtherberge anzusprechen. In
dieser Absicht begab er sich daher in das Zelt eines Stammes, und ein kleiner
Mann, sehr hässlich von Gesicht, empfing ihn, begrüßte ihn, und bat ihn, sich
bei ihm niederzulassen. Er unterhielt ihn sehr angenehm, und als die Speise
fertig war, reichte sie ihm die Frau des hässlichen Mannes selbst dar. Ihre
Schönheit, ihre Anmut, und ihre unbeschreiblichen Reize setzten den
angekommenen Fremdling in das größte Erstaunen, so dass er sich nicht
enthalten konnte, bald ihren hässlichen Mann, bald sie selbst anzublicken. Da
er sich zu lange mit diesem Vergleich aufhielt, merkte es der Ehemann und
sprach: „Mein guter Freund, jetzt beschäftige Dich mit nichts, als mit
Essen. Was Dich in Staunen setzt, werde ich Dir nachher erzählen.“ Als sie
aufgehört hatten zu essen, erinnerte ihn der Fremde an die Erzählung, und der
Araber begann auf folgende Weise:

„Ich war von Jugend an, wie Du mich jetzt siehst,
sehr hässlich, meine Brüder dagegen waren sehr schön, deshalb liebte sie mein
Vater mehr als mich, und erzeigte ihnen sehr viel Gutes, während er mich ganz
vernachlässigte. Er übertrug mir Arbeiten, mit denen man sonst nur die Sklaven
beauftragt, während er meinen Brüdern nicht das mindeste Geschäft zu
verrichten gab. Eines Tages verirrte sich eine Kamelin meines Vaters. Da trug er
mir denn auf, dass ich sie suchen, und nicht ohne sie zurückkehren sollte. Ich
bat ihn, einen meiner Brüder zu schicken. Allein er tat es nicht, sondern
ergrimmte über mich, ergriff eine Peitsche, und schlug mich. Da stand ich denn
auf, setzte mich auf ein Kamel und ritt davon, mit dem festen Vorsatz, mich in
die Wüste zu begeben, und nie mehr zu meinem Vater zurückzukehren. Schon war
es Mitternacht, als ich an einem Zelt anlangte, wo ich auf meine Bitte
gastfreundliche Aufnahme fand. Es gehörte der Familie meiner Gattin hier, und
ihr Vater, ein sehr ehrwürdiger Greis, nahm mich sehr herzlich auf. In der
Nacht nötigte mich ein Bedürfnis, aufzustehen, und aus dem Zelt zu gehen. Da
die Hunde des Stammes mich nicht kannten, so liefen sie mir nach und bellten
mich an. überhaupt wusste in diesem Dorf niemand etwas von mir, als diese Frau.
Ich suchte den Hunden zu entgehen, war aber dabei so unglücklich, in eine Grube
zu fallen, in welcher Wasser war, und die eine bedeutende Tiefe hatte. Ein Hund
indessen, der mir eiligst nachgefolgt war, fiel mit mir zugleich in diese steile
Grube herab. Meine Frau, die damals ein freies Mädchen, voll Kraft und
Entschlossenheit war, fühlte, als sie mein Unglück erfuhr, sich von Mitleid
gedrungen, mir zu Hilfe zu eilen. Sie kam also mit einem Strick, ließ das eine
Ende zu mir herab, und rief mir zu, mich an demselben fest zu halten. Ich tat
es, und suchte, während sie mich zog, an der steilen Wand der Grube hinauf zu
klettern. Allein als ich bis an die Hälfte gekommen war, glitt sie ab und fiel
mit mir zugleich hinunter. So bleiben mir denn eine lange Zeit zusammen in der
Grube, sie, ich und der Hund.

Als der Morgen anbrach, und ihre Angehörigen sie nicht
sahen, suchten sie sie in dem Dorf und fanden sie nicht. Da sie aber auch mich
mit ihr zugleich vermissten, glaubten sie, ich wäre mit ihr entflohen. Sie
hatte vier Brüder, schnell wie der Adler. Diese bestiegen ihre Rosse und
trennten sich, um mich und sie aufzusuchen. Unterdessen war es schon hoch am
Tage geworden, und der Hund fing an, jämmerlich zu heulen und zu bellen,
welches die übrigen Hunde im Dorf nach ihrer Art beantworteten. Sie suchten
dann ihren Genossen auf, und kamen bis an den Rand der Grube, an welcher sie
stehen bleiben, und ein fürchterliches Geheul erhuben. Als der Greis diesen
Lärm der Hunde hörte, kam er ebenfalls zu der Grube hin.


1)
Fünfundzwanzigste Nacht des Wesirs