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884. Nacht

Hier verließ sie ihn, und schloss sich an
den König an. Als sie an das Gebäude kamen, wurde die Türe geöffnet, der
König trat ein und man fand das Buch. Sie erwiesen ihm sogleich die üblichen
Ehrenbezeigungen, und verlängerten diese Art Gottesdienst, während Seif an der
Türe stand und mit sich kämpfte, ob er eintreten solle oder nicht. Da siegte
seine Ungeduld und er trat ein, und in demselben Augenblick wurde der Kasten
erschüttert, und das Buch fiel heraus. Da befahl der König allen aufzustehen,
und das Buch rollte auf Seif Sul Jesn zu. Jetzt zogen alle die Schwerter und
drangen auf ihn ein. Seif zog auch das seinige und rief, wie ihn der Scheich
Gyath gelehrt hatte: „Gott ist groß!“ Zugleich hörte er nicht auf zu
kämpfen und sich zu verteidigen, indem er die Türe zu gewinnen suchte. Die
ganze Stadt geriet in Aufruhr, ihn zu verfolgen, da stürzte er über einen
Getöteten und man ergriff ihn. „Lasst mich sein Angesicht nicht
sehen,“ rief der König, „sondern werft ihn in die Grube!“ Diese
war achtzig Ellen tief, und seit sechzig Jahren nicht geöffnet worden. Sie
hatte einen schweren bleiernen Deckel, den sie wieder darüber deckten, nachdem
sie ihn, mit Ketten belastet, hineingeworfen hatten. Da saß nun Seif in der
Finsternis, tief betrübt, und klagte seine Lage demjenigen, der nie schläft.
Da öffnete sich eine Seitenwand der Grube, und es trat hervor eine Gestalt, die
sich ihm näherte, und ihn bei seinem Namen begrüßte. „Wer bist Du?“
fragte Seif. „Ich bin ein Weib, heiße Akisse und bewohne den Berg, wo der
Nil entspringt. Wir sind ein Volk, das sich zu dem Glauben Ibrahims zählt.
Unter uns wohnt ein sehr frommer Mann in einem schönen Palast. Es war aber zu
gleicher Zeit bei uns ein böser Geist mit Namen Muchtatif, der mich liebte und
von meinem Vater zur Frau begehrte. Aus Furcht willigte er ein, aber ich wollte
mich nicht mit einem Bösewicht vermählen, der ein Feueranbeter war. „Wie
kannst Du mich,“ sagte ich meinem Vater, „einem Mann versprechen, der
ein Ungläubiger ist?“ – „Ich will dadurch,“ erwiderte er mir,
„seine Bosheit von mir abwenden.“ Da ging ich hinaus und weinte, und
klagte dem frommen Mann meine Angelegenheit. „Weißt Du, wer ihn töten
wird?“, fragte er mich. Ich antwortete: „Nein!“ – „Ich will
Dich,“ versetzte er, „zu dem hinweisen, der ihm die Hand abgehauen
hat. Er heißt Seif Sul Jesn, und befindet sich jetzt in der Stadt des Königs
Kamrun in der Grube.“ Darauf brachte er mich zu Dir, und wie Du siehst, bin
ich gekommen, Dich in mein Land zu führen, damit Du ihn tötest, und die Erde
von seinen Bosheiten befreist.“ Hierauf berührte und schüttelte sie ihn,
und die Ketten fielen alle ab. Sie lud ihn nun auf ihre Schultern und brachte
ihn in den Palast des Greises, welcher Abdas Salam hieß. Da hörte er eine
Stimme, welche ihm zurief: „Tritt ein, Seif Sul Jesn.“ Er tat es und
fand einen Ehrfurcht einflößenden Greis, der ihn sehr wohlwollend empfing:
„Warte bis morgen, dann wird Akisse kommen und Dich zum Schloss des
Muchtatif führen.“ Er blieb daher die Nacht bei ihm, und am anderen Morgen
kam die Erwartete, welcher der Greis Eile empfahl, damit die Welt bald von
diesem Ungeheuer befreit würde. Nunmehr verließen sie diesen ehrwürdigen
Mann, und als sie eine Strecke Wegs zurückgelegt hatten, sagte sie zu ihm:
„Sieh jetzt vorwärts.“ Er blickte hin und bemerkte in einiger
Entfernung eine schwarze Masse. „Dies ist das Schloss dieses
Bösewichts,“ sagte sie, „aber ich kann von hier keinen Schritt weiter
gehen.“ Er setzte also seinen Weg allein fort, und in der Nähe des
Schlosses angelangt, ging er um dasselbe herum, um den Eingang zu suchen. Als er
die außerordentliche Höhe des Schlosses betrachtete, welches zwar seinen
Standort auf der Erde hatte, aber die Wolken zu überragen schien, bemerkte er,
dass ein Fenster sich öffnete und mehrere Personen heraus sahen, welche riefen:
„Das ist er, das ist er!“, und mit den Fingern auf ihn zeigten. Sie
warfen ihm ein Seil zu, an das sie ihn baten, sich zu binden. sie zogen ihn an
demselben hinauf, und als er ankam, fand er 360 Mädchen, die ihn bei seinem
Namen begrüßten. —1)


1)
Hier bricht unsere Tunesische Handschrift ab und gibt nicht den Schluss dieser
interessanten Erzählung, welche wir aber auch als Bruchstück mitzuteilen nicht
unterlassen wollen.