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882. Nacht

Sie ging, und bei der Dunkelheit der Nacht näherte er
sich der Stadt, und gelangte an den dritten Turm rechts, wo Alka und Taka sich
befanden. Als sie ihn erkannten, warfen sie ihm sogleich das Seil zu, woran er
sich befestigte. Als er hinaufgezogen war, stiegen sie von der Mauer herab, und
wollten sich eben nach Alkas Haus begeben, als plötzlich der Talisman wirkte,
und die Gestalt laut ihr Horn ertönen ließ. – „Beeile Dich,“ sprach
Alka, „unser Haus zu erreichen.“ – Sie gelangten auch noch glücklich
hinein, und verschlossen die Türe, als der Lärm sich vermehrte. Da erhob sich
die ganze Einwohnerschaft der Stadt und die Straßen füllten sich. „Warum
dieses Getöse?“, fragte Seif. „Das geht von dem Lärm des Bildnisses
aus, weil Du die Stadt betreten hast. Morgen wird deshalb eine große
Versammlung sein, alle Weisen werden sich einfinden, um den Aufenthalt des
Eingedrungenen zu erforschen. Aber mit Gottes Hilfe will ich sie irre führen
und ihren Verstand verwirren. Geh,“ sagte sie zu ihrer Tochter, „sieh
was unser Nachbar, der Fischer, gefangen hat!“ Sie ging und berichtete, er
habe einen großen Fisch, von der Größe eines Menschen, gefangen. „Nimm
dieses Goldstück,“ sagte die Muter, „und bring uns den Fisch.“
Sie nahm es und brachte auch bald das Verlangte. „Nimm ihn aus,“ sagte
die Mutter. Dies geschah. Nun wurde Speise aufgetragen, sie aßen und
unterhielten sich. Die Nacht ging ruhig vorüber. Aber am anderen Morgen ließ
Alka den Seif Sul Jesn seien Kleider ausziehen, und hieß ihn sich in der
Fischhaut verbergen, dann brachte sie ihren Mund an das Maul des Fisches, nahm
ein lange Seil und band es Seif unter den Achseln fest. Hierauf ließ sie ihn in
einen tiefen Brunnen hinab und befestigte ihn dort, indem sie sprach: „Hier
bleibe, bis ich zurück komme.“ Sodann verließ sie ihn, und begab sich in
den großen Saal des Königs, wo sie den Divan schon versammelt und den König
auf seinem Thron sitzend fand. Alle erhoben sich bei ihrem Eintritt, und als sie
sich gesetzt hatte, sprach der König zu ihr. „O Mutter, hast Du gestern
nicht das Toben des Horns gehört, und warum bist Du nicht mit uns
ausgezogen?“ – „Ich habe es wohl gehört,“ antwortete sie,
„aber mich nicht damit beschäftigt.“ – „Du weißt doch,“
sprach er, „dass das Getöse nur um des Fremden willen erschallen kann,
welcher das Buch haben will.“ – „Das weiß ich, o König, erlaube mir,
dass ich vierzig von den hier versammelten Männern auswähle.“ Dieses tat
sie, und aus den vierzig wählte sie nochmals zehn. Zu diesen sagte sie:
„Schlagt ein Trachtramml (Sandbrett), worauf die Araber Geomantie und
Punktierkunst treiben, und seht und erforscht.“ Dieses taten sie. Kaum war
es geschehen, als sie einander verwundert ansahen. Sie vernichteten ihre Arbeit,
und schlugen ein zweites. Auch dieses verwarfen sie wieder und begannen ein
drittes, und bei diesem blieben sie ganz bestürzt. „Was treibt Ihr denn
da?“, fragte endlich der König. „Ihr arbeitet und vernichtet Eure
Arbeit wieder, was seht Ihr denn da?“ – „O König,“ sprachen sie,
„wir sehen zwar den Fremden, er ist in die Stadt gekommen, aber durch kein
Tor gegangen, erscheint zwischen Himmel und Erde, gleich einem Vogel, hinein
gekommen zu sein. Hierauf hat ihn ein Fisch verschlungen. Dieser ist mit ihm in
ein dunkles Wasser hinab gestiegen.“ – „Seid ihr Thoren?“, sprach
der König erzürnt und wandte sich zu Alka, „hast du je gesehen, dass ein
Mensch zwischen Himmel und Erde fliegt, dass ihn dann ein Fisch verschlingt und
mit ihm in ein dunkles Wasser geht?“ – „O König,“ sprach sie,
„ich verbiete den Weisen immer, schwere Speisen zu essen, denn sie stören
den Verstand und schaden dem Scharfsinn, sie lassen sich’s aber nicht
wehren.“ Da wurde der König zornig und vertrieb sie augenblicklich aus dem
Saal. Alka aber sprach: „Morgen soll klar werden, was geschieht.“ Sie
verließ den Saal, und als sie zu Hause angelangt war, zog sie Sul Jesn heraus,
der sich wieder ankleidete. Sie setzten sich und Alka sprach: „Heute habe
ich ihren Verstand verwirrt, und morgen wird eine große Sitzung sein, wo ich
sie noch mehr auf Abwege führen werde.“ Hierauf aßen sie und begaben sich
dann zur Ruhe. Am anderen Morgen rufte Alka ihre Tochter und sprach:
„Bringe mir die Gazelle.“ Dies geschah. Sodann sagte sie: „Bringe
mir Adlerflügel.“ Auch diese überreichte sie ihr, und Alka band sie auf
den Rücken der Gazelle. Hierauf nahm sie einen Zirkel und schlug ihn in die
Decke des Zimmers ein. Sodann nahm sie zwei andere Zirkel, wovon sie den einen
zwischen die Vorderfüße, den anderen zwischen die Hinterfüße der Gazelle
fest band. Nachher befestigte sie ein Seil an dem Zirkel an der Decke, und die
beiden Enden davon an die beiden anderen Zirkel. Den Seif Sul Jesn aber stellte
sie so, dass sein Haupt sich zwischen den Füßen der Gazelle befand. „Bleibe
hier,“ sagte sie zu ihm, „und erwarte meine Rückkehr.“