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88. Nacht

„Ungeachtet meiner Ohnmacht,“ sagte Sindbad,
„blieb der lästige Greis fortwährend fest auf meinem Hals und streckte
bloß die Beine ein wenig aus, um mich wieder zu mir selber kommen zu lassen.
Als ich mich wieder erholt hatte, stemmte er einen seiner Füße heftig gegen
meinen Magen, und mich mit dem anderen stark in die Seite schlagend, zwang er
mich wider Willen zum Aufstehen. Als ich nun aufgestanden war, musste ich unter
den Bäumen umhergehen und dann und wann anhalten, damit er Früchte, die wir
fanden, brechen und verzehren konnte. Er ließ den ganzen Tag über nicht
locker, und als ich mich in der Nacht ausruhen wollte, streckte er sich, meinen
Hals fortwährend umschlossen haltend, mit mir auf die Erde. Jeden Morgen stieß
er mich, um mich zu erwecken, und nötigte mich sodann, indem er mich mit seinen
Füßen drückte, zum Aufstehen und Gehen. Stellt euch, ihr Herren, die
Beschwerlichkeit einer solchen Last vor, von der ich mich nicht loszumachen
vermochte.

Eines Tages, als ich auf meinem Weg einige trockene
Flaschenkürbisse fand, die von einem Baum, der welche trug, herab gefallen
waren, nahm ich einen ziemlich großen, und nachdem ich ihn wohl gereinigt
hatte, drückte ich den Saft mehrerer Weintrauben hinein, die auf der Insel im überfluss
wuchsen und die wir auf jedem Schritt fanden. Als ich nun den Kürbis damit
angefüllt hatte, legte ich ihn an eine Stelle, an welche, durch meine List
dahin gebracht, mich der Greis einige Tage nachher leiten musste. Dort nahm ich
den Kürbis, setzte ihn an meinen Mund und trank von einem vortrefflichen Wein,
der mich auf einige Zeit den auf mir lastenden tödlichen Verdruss vergessen
ließ. Dies gab mir Kraft, und ich wurde dadurch sogar so lustig, dass ich im
Gehen zu singen und zu springen begann.

Der Greis, der die Wirkung bemerkte, welche das Getränk
auf mich gemacht hatte, und fühlte, dass ich ihn viel leichter als gewöhnlich
trug, machte mir ein Zeichen, dass ich ihm zu trinken geben sollte. Ich reichte
ihm den Flaschenkürbis, er nahm ihn, und da der Saft ihm gut schmeckte, so
trank er ihn aus, bis auf den letzten Tropfen. Es war genug, um ihn zu
berauschen. Auch berauschte er sich wirklich, und da ihm der Weindunst schnell
in den Kopf stieg, so fing er an, auf seine Weise zu singen und sich auf meinen
Schultern hin und her zu bewegen. Die Erschütterungen, die er dadurch
veranlasste, machten, dass er das Genossene wieder von sich gab, und seine Beine
erschlafften nach und nach, so dass ich, bemerkend, dass er mich nicht mehr
drücke, ihn auf die Erde warf, wo er bewegungslos liegen blieb. Ich nahm nun
einen sehr großen Stein und zerschmetterte ihm den Kopf damit.

Ich empfand eine sehr große Freude darüber, mich auf
immer von diesem vermaledeiten Greis befreit zu haben, und ich ging an das
Meeresufer, wo ich Leute aus einem Schiff fand, welches dort geankert hatte, um
frisches Wasser und einige Erfrischungen einzunehmen. Sie waren sehr erstaunt,
mich zu sehen und die näheren Umstände meines Abenteuers zu hören. „Ihr
wart,“ sagten sie, „dem Alten des Meeres in die Hände gefallen, und
ihr seid der Erste, den er nicht erdrosselt hat. Niemals hat er die, deren er
sich bemächtigt hatte, eher losgelassen, als bis sie von ihm erstickt worden
waren. Er hat diese Insel durch die Menge der von ihm getöteten Personen
berüchtigt gemacht, und die Matrosen und Kaufleute, welche hier landeten,
wagten sich nur in zahlreicher Gesellschaft landeinwärts.“

Sie führten mich hierauf in ihr Schiff, dessen Hauptmann
sich ein Vergnügen daraus machte, mich aufzunehmen, nachdem er erfahren hatte,
was mir begegnet war. Er ging unter Segel, und nach einer Fahrt von einigen
Tagen landeten wir im Hafen einer großen Stadt.

Einer der auf dem Schiff befindlichen Kaufleute, der mich
lieb gewonnen, nötigte mich, ihn zu begleiten, und führte mich in eine zum
Aufenthalt der fremden Kaufleute dienende Wohnung. Er gab mir einen großen
Sack, und nachdem er mich einigen, gleich mir mit einem Sack versehenen, Leuten
aus der Stadt empfohlen und sie gebeten hatte, mich mitzunehmen, um Kokosnüsse
zu sammeln, sagte er zu mir: „Seht, folgt ihnen, macht ihnen nach, was
ihr sie machen seht, und entfernt euch nicht von ihnen, denn ihr würdet euer
Leben in Gefahr bringen.“ Er versah mich mit Lebensmitteln für den Tag,
und ich ging mit den Leuten.

Wir gelangten in einen Wald, der aus sehr hohen und sehr
geraden Bäumen befand, deren Stämme so glatt waren, dass es unmöglich war bis
zu den Zweigen, an welchen die Früchte hingen, hinaufzuklettern. Alle diese
Bäume waren Kokosbäume, deren Früchte wir abschlagen wollten, um damit unsere
Säcke anzufüllen. Als wir in den Wald traten, sahen wir eine Menge großer und
kleiner Affen, welche bei unserem Anblick die Flucht vor uns ergriffen und mit
erstaunlicher Behändigkeit bis auf die Gipfel der Bäume kletterten …