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878. Nacht

Das Zimmer war durch
Wachskerzen erleuchtet, die auf goldenen und silbernen Leuchtern standen. In
diesem Augenblick sprach der Schwarze: „Ihr Sklaven, was habt ihr mit den
Gefangenen von der Karawane gemacht?“ – „Wir haben sie unten in der
Feste an Ketten und am sichersten Ort gelassen.“ – Darauf erwiderte er:
„Wenn einer unter ihnen nachlässig gefesselt wäre, so könnte er sich
befreien und die anderen auch entfesseln, und sie könnten sich der Treppe
bemächtigen. Einer von Euch gehe also hinab, beaufsichtige sie genau und
befestige ihre Banden.“ Es verfügte sich also einer hinunter und die
beiden verbargen sich im Vorzimmer. Als er an ihnen vorbei war, trat Wachs el-Fellath hervor, und durchbohrte ihn mit seinem Schwert. Schame schleppte ihn
beiseite, und beide hielten sich hierauf eine Weile ruhig. Als aber den Sklaven
ihr Genosse zu lange ausblieb, rief Sudun: „Geht sehn, warum er nicht
kommt: Denn seitdem wir heute eingezogen sind, bin ich in großer Furcht.“
Da trat der zweite heraus, nahm sein Schwert, und als er in das Vorzimmer
gelangte, spaltete ihn Wachs el-Fellath mit einem Hieb in zwei Teile, und Schame
schaffte ihn ebenfalls bei Seite. Wiederum verhielten sie sich nun eine Weile
ruhig. Hierauf sprach Sudun: „Es scheint als ob Jäger diesen Sklaven
aufpassten und einen nach den anderen erlegten.“ Nun eilte ein dritter
hinaus, und Wachs el-Fellath versetzte ihm einen so heftigen Schlag, dass er tot
zur Erde stürzte, und Schame schaffte ihn wieder fort. Da auch dieser so lange
ausblieb, stand Sudun selbst auf und mit ihm die übrigen. „Habe ich Euch
nicht gesagt und gewarnt? Mein Ohr klingt mir, mein Herz zittert, denn es
müssen Leute hier sein, die den unsrigen aufpassen.“ Nun trat er selbst
heraus, und die übrigen folgten ihm mit den Kerzen, ihre Hand aufs Schwert
gestützt, als plötzlich einer der vordersten stehen blieb. „Warum gehst
Du nicht weiter?“, fragten ihn die anderen: „Wie soll ich
vorschreiten,“ sagte er, „da der, welcher auf unsere Freunde Jagd
macht, vor uns steht.“ Dieselbe Antwort gaben sie dem Sudun, als er ihnen
mit Donnerstimme ihr Stillstehen vorwarf. Als er dieses hörte, durchbrach er
ihre Mitte und erblickte bald darauf Wachs el-Fellath. „Wer bist Du,
Satan,“ schrie er ihm zu, „wer hat Dich hierher gebracht?“ –
„Ich bin hierher gekommen,“ sagte er, „um Dein Haupt abzuschlagen
und Dein Andenken zu vernichten!“ – „Willst Du etwa eine Blutrache an
mir sühnen?“, fragte ihn Sudun, „oder ein Vergehen an mir
rächen?“ – „In meinem Herzen ist gegen Dich kein Groll,“
Erwiderte dieser, „und von Dir ist mir keine Untat begegnet, aber ich habe
um Schame bei ihren Vater angehalten, und er hat mir zur Bedingung Dein Haupt
gestellt. Sei auf Deiner Hut, damit Du nicht sagen kannst, ich hätte Dich
betrogen.“ – „Wahnsinniger,“ rief ihm Sudun zu, „ich fordere
Dich zum Zweikampf: „Willst Du innerhalb oder außerhalb der Festung
fechten?“ – „Die Wahl hast du,“ erwiderte Wachs el-Fellath. –
„Nun wohl, so erwarte mich,“ war die Antwort. Sudun trat nun ein,
bekleidete sich mit vergoldeten Waffen, umgürtete sich mit einem sägeartigen
Schwerte, kam heraus und hielt in seiner Hand eine glänzende Keule. Vor Zorn
wusste er nicht, was er sagen sollte, und stürzte auf Wachs el-Fellath los.
Jeder warf sich nun auf seinen Gegner wie ein wütender Löwe. Wie hungrige
Wölfe fielen sie einander an, jeden verließ die Hoffnung des Sieges. Die
Schwerter führten eine harte Sprache auf den Schilden, und jeder von ihnen
wünschte er wäre nicht geboren. Als dieser verzweifelte Kampf eine Zeitlang
gedauert hatte, empfand Schame die größte Besorgnis, dass Sudun siegen
möchte. Da ergriff sie den Dolch, und stieß ihn auf Sudun so, dass sie die
Nerven seiner Hand verletzte, und ihm das Schwert entfiel. Sie rief Wachs
el-Fellath zu: „Mache ein Ende mit ihm!“ – „Nein,“ erwiderte
er, „ich will mich lebendig bemächtigen, denn er ist ein tapferer und
kühner Ritter.“ – „Mit wem sprichst Du?“, fragte ihn Sudun.
„Mit Schame,“ erwiderte er. – „Ist die mit Dir gekommen?“ –
„Ja,“ versetzte jener. „Nun so stelle sie mir vor.“ – Sie
trat nun vor ihn, und Sudun sprach zu ihr: „Deinem Vater wurde wohl die
Welt zu eng, dass er nichts zur Mitgift für Dich verlangen konnte, als mein
Haupt?“ – „So war sein Wunsch,“ erwiderte sie. Wachs el-Fellath
sagte hierauf: „Nimm Dein Schwert und verteidige Dich, denn ich will nicht
mit Dir kämpfen, während es Deiner Hand entfallen ist.“ Sudun entgegnete:
„Ich will nicht mit Dir kämpfen, denn ich bin verwundet, nimm mein Haupt
und geh in Frieden mit Deiner Gattin.“ Hier setzte er sich und neigte sein
Haupt. „Wenn Du wahr sprichst,“ sagte Wachs el-Fellath, „so
entferne Dich von Deinen Leuten.“ – „Warum?“ – „Weil ich
fürchte, dass sie auf mich eindringen, und mich nötigen, sie zu bekämpfen,
und ich habe nicht nötig, ihr Blut zu vergießen.“ Da verließ Sudun das
Schloss, neigte sein Haupt und sprach: „Beschleunige Dein Werk.“ Wachs
el-Fellath aber sprach: „Wenn Du die Wahrheit sagst, so komm mit mir über
den Gaben des Schlosses hinaus ins Freie.“ Das tat er, nachdem er das
Schloss verriegelt hatte, und sprach: „Nun nimm mein Haupt.“