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867. Nacht

Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, als ich ein
Gespenst in einem langen weißen Gewand erscheinen sah, welches mich also
anredete:

„Wir haben Deine Wohltätigkeit und Deinen Edelmut
erfahren. Alle Gott und seinem Propheten getreue Geister teilen unsere
Erkenntlichkeit. Bedarfst Du unser, so sprich, wir sind bereit, Dir zu helfen
und für Dich alles zu tun, was in unserer Macht steht.“

„Ach!“, rief ich aus, „wer bedarf mehr
Hilfe wie ich? Gibt es auf Erden einen Unglücklichen, der beklagenswerter ist
als ich?“

„Bist Du nicht Abu Muhammed Alkeslan?“, fragte
mich der Geist.

„Das ist nur zu wahr!“, antwortete ich ihm,
indem ich einen tiefen Seufzer ausstieß.

„Nun wohl,“ fuhr er fort, „so tröste Dich,
Du hast Beschützer gefunden. Wisse, dass ich der Bruder der weißen Schlange
bin, welcher Du jetzt eben einen so großen Dienst geleistet, indem Du sie von
ihrem Feind befreit hast. Wir sind vier Brüder von demselben Vater und
derselben Mutter und sind alle vier gesonnen, Dir unsere Dankbarkeit zu
beweisen. Der unter der Gestalt des Affen verlarvte Geist, mit welchem Du so
lange gelebt hast, ist einer der von Gott abtrünnigen Geister. Ohne die von ihm
angewandte List hätte er sich nimmer Deiner Gattin bemeistern könne, für
welche dieser Treulose schon längst eine zügellose Leidenschaft nährte. Er
hat mehrmals versucht, sie zu entführen; aber der Talisman, welchen der Vater
zusammengesetzt, hat stets der Ausführung seines Anschlages ein Hindernis
entgegengestellt bis zu dem Augenblick, wo Du ihn zerbrochen hast. Obwohl
gegenwärtig das Schicksal dieser Schönen in seiner Gewalt steht, so
verzweifeln wir dennoch nicht, Dich wieder mit ihr zu vereinigen und ihren
Räuber zu verderben. Der Dienst, welchen Du uns geleistet hast, macht es uns
zur Pflicht, alle unsere Macht anzuwenden, um Dir bei dieser Gelegenheit wieder
zu dienen.“

Mit diesen letzten Worten stieß der Geist ein so
entsetzliches Geschrei aus, dass die Erde davon erschütterte und ich alle Mühe
hatte, mich auf meinen Füßen zu erhalten. Auf der Stelle erschien eine Schar
von Bewaffneten, und er fragte sie, ob sie wüssten, wohin der Affe sich begeben
hätte.

„Er hat seinen Wohnsitz in der ehernen Stadt
genommen, in dieser Stadt, welche nimmer die Strahlen der Sonne
bescheinen.“

„Abu Mohammed,“ sprach nun der Geist zu mir,
„ich werde Dir einen unserer Sklaven mitgeben, Dich zu führen. Er wird Dir
die Mittel nachweisen, welche Du anwenden musst, um die junge Frau
wieder zu finden, welche Du geheiratet hast. Aber nimm Dich wohl in acht, den
Namen Gottes auszusprechen, indem Du mit ihm die Lüfte durchfliegst; denn
dieser Sklave gehört auch zu den abtrünnigen Geistern, welche unserer Macht
unterworfen sind, und wenn Du etwa den Rat zu befolgen vergisst, welchen ich Dir
gebe, so verschwindet er auf der Stelle, und Du stürzt mit Lebensgefahr
hinab.“

Ich bestieg also den Rücken eines abtrünnigen Geistes,
indem ich mir fest vornahm, aufs genaueste zu beobachten, was mir vorgeschrieben
war. Er schwang sich mit mir in die Lüfte, so dass ich bald die Erde aus dem
Gesicht verlor. Ich sah mich nun in einem unermesslichen Raum, in welchem die
Gestirne, hohen Bergen ähnlich, sich rings um mich drehten, und ich stieg so
hoch, dass ich ganz vernehmlich die Chöre der Engel hörte, welche Lobgesänge
um den Thron des Allmächtigen singen. Mein Führer erklärte mir die Art und
Beschaffenheit der Gegenstände, welche sich von allen Seiten meinen Blicken
darboten: Er unterhielt mich ununterbrochen von der zahllosen Menge der
geschaffenen Dinge, um den Gedanken an den Schöpfer aus meinem Geist zu
entfernen, und bemühte sich, durch seine eitlen Reden und Vorstellungen mich zu
verhindern, meine Bewunderung über alles, was ich sah, durch Ausruf des Namens
Gottes auszudrücken.