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850. Nacht

Alaeddin willigte ein, der Nonne zu folgen, welche mit ihm
die Versammlung verließ und ihn sogleich nach dem Kloster führte.

Als sie im Vorhof angelangt waren, fragte Alaeddin seine
Führerin, welche Art Dienst sie von ihm forderte. „Mit Anbruch des
Tages,“ sagte sie, „nehmt Ihr fünf Maulesel, führt sie in den
benachbarten Wald, und hier haut und spaltet Ihr trockenes Holz, beladet sie
damit und führt es in die Klosterküche. Sodann nehmt Ihr die Binsenmatten und
Teppiche auf, klopft und bürstet sie aus, und wenn Ihr den Fußboden der Kirche
und die Marmorstufen des Altars gefegt und gebohnert habt, legt Ihr die Teppiche
wieder an ihre vorige Stelle. Danach siebt Ihr zwei Viertel Weizen, mahlt ihn,
und wenn Ihr das Mehl geknetet habt, so backt Ihr daraus kleine Brote für die
Mönche des Klosters; dann verlest Ihr vierundzwanzig Viertel Linsen und kocht
sie. Ihr füllt die vier Becken voll von Wasser und ebenso die hundertundsechzig
Steintröge, die im Hof stehen. Wenn dieses getan ist, so reinigt Ihr die
Gläser der Lampen, gießt diese voll öl und versäumt ja nicht, sie bei dem
ersten Glockenschlag anzuzünden; sodann bereitet Ihr dreihundertsechsundsechzig
Näpfe, in welche Ihr die kleinen Brote schneidet, die Fleischbrühe mit Linsen
darauf gießt und so jedem Mönch und jedem Priester des Klosters einen Napf
bringt. Sodann …“

„Ach, gute Frau,“ rief Alaeddin aus, indem er
sie unterbrach, „um Gottes willen, führt mich wieder zum König, damit er
mich hinrichten lasse, wenn er will!“

„Beruhigt Euch,“ sprach ihm die Nonne zu,
„wenn Ihr pünktlich Eure Pflicht erfüllt, so verspreche ich Euch, dass
alles gut gehen und es Euch nicht gereuen wird; wenn Ihr dagegen in Eurem Dienst
nachlässig seid, so werde ich mich genötigt sehen, Euch wieder den Händen des
Königs zu überliefern, der Euch auf der Stelle wird hinrichten lassen.“

Die Nonne verließ ihn mit diesen Worten, und Alaeddin
setzte sich in einem Winkel nieder und dachte über seine traurige Lage nach.

Es befanden sich in diesem Kloster sechs arme blinde
Krüppel. Einer von ihnen, der den Alaeddin gehen gehört hatte, bat ihn, ihm
das Nachtgeschirr zu reichen. Und Alaeddin sah sich genötigt, ihm diesen Dienst
zu leisten und das Geschirr dann wieder auszuleeren. „Gott segne,“
sagte der Blinde, „den Diener dieses Klosters!“

Unterdessen war die alte Nonne zurückgekommen und fragte
Alaeddin verdrießlich, warum er sich nicht all seiner Dienste entledigt hätte.

„Ei, gute Frau,“ antwortete er, „und wenn
ich hundert Arme hätte, so wäre es mir unmöglich, alles zu leisten, was man
von mir fordert!“

„Warum denn, Ihr Schwächling, habe ich Euch hierher
geführt? Geschah es nicht, um zu tun, was ich Euch befahl?“

Die alte Nonne besänftigte sich danach wieder etwas und
sagte zu Alaeddin: „Mein Sohn, nehmt hier diesen Stab (es war ein Stab aus
Kupfer, an dessen Spitze ein Kreuz war), geht damit aus dem Kloster, und wenn
Ihr den Wali dieser Stadt begegnet, so haltet ihn an und sagt zu ihm: „Ich
entbiete Dich zum Dienst der Kirche: Nimm diese fünf Maulesel und geh in den
Wald, sie mit trockenem Holz zu beladen.“ Wenn er sich weigert, so schlagt
ihn auf der Stelle tot, ohne etwas zu fürchten. Wenn Ihr den Großwesir
antrifft, so stoßt vor seinem Pferd mit diesem Stab auf den Boden und sagt zu
ihm:

„Ich fordere Euch auf im Namen des Messias, zu tun,
was der Dienst der Kirche fordert!“ So werdet Ihr den Wesir zwingen, das
Korn zu sieben, es zu mahlen, das Mehl zu beuteln, es zu kneten und kleine Brote
daraus zu backen. Und wer sich weigert, Euch zu gehorchen, tötet Ihr auf der
Stelle ohne Furcht, denn ich nehme alles auf mich.“

Alaeddin verfehlte nicht, gleich am folgenden Morgen die
Weisung zu benutzen, welche die Alte ihm gegeben hatte. Keiner von allen, an die
er sich wandte, wagte es, zu versagen, was er von ihnen forderte, und er sah
sich dadurch der schwersten Arbeiten entlastet.